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     Wenn man fragt “warum gibst Du Eier in diesen Teig”, so ist die Antwort etwa “weil der Kuchen dann besser schmeckt”. Also, man hört || erfährt eine Wirkung und sie wird als Grund gegeben.
     Wenn ich dem Holzblock eine bestimmte Form geben will, so ist der Hieb der richtige, der diese Form erzeugt. – Ich nenne aber nicht das Argument das richtige, das die erwünschten Folgen hat. Vielmehr nenne ich die Rechnung falsch, obwohl || auch wenn die Handlungen, die dem Resultat entspringen, zum gewünschten Ende geführt haben. (“Ich mach' den Haupttreffer, und er will mich belehren!”) Das zeigt, daß die Rechtfertigungen in den beiden Fällen verschiedene sind, und also “Rechtfertigung” verschiedenes in beiden bedeutet. In einem Fall kann man sagen: “Wart' nur, Du wirst schon sehen, daß das Richtige (d.h. hier: Gewünschte) herauskommt”; im andern ist dies keine Rechtfertigung.
     Wenn man nun von der Willkürlichkeit der grammatischen Regeln spricht, so kann das nur bedeuten, daß es die Rechtfertigung, die in der Grammatik als solcher gilt, nicht für die Grammatik gilt. Und wenn
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man das Rechnen und || aber nicht das Kochen dem Spiel vergleicht, ﹖– so ist es eben aus || aus eben diesem Grunde || Grund –﹖. Das ist aber auch der Grund, warum man das Kochen keinen Kalkül nennen würde. Wie ist es aber mit dem Aufräumen eines Zimmers, oder dem Ordnen eines Bücherschrankes, – oder dem Stricken eines bestimmten Musters? Diese Dinge kommen dem Spiel in irgendeiner Weise näher. Ich glaube, der Grund, warum man das Kochen kein Spiel zu nennen versucht ist, ist der: es gibt natürlich auch für das Kochen Regeln, aber “Kochen” bezeichnet nicht wesentlich eine Tätigkeit nach diesen Regeln, sondern eine Tätigkeit, die ein bestimmtes Resultat hat. Es ist z.B. etwa eine Regel, daß man Eier 3 Minuten lang kocht, um weiche Eier zu erhalten; wird aber durch irgend welche Umstände das gleiche Ergebnis durch 5 Minuten langes Kochen erreicht, so sagt man nun nicht “das heißt dann nicht ‘weiche Eier kochen’”. Dagegen heißt “Schachspielen” nicht die Tätigkeit, die ein bestimmtes Ergebnis hat, sondern dieses Wort bedeutet eine Tätigkeit, die nach gewissen Regeln ausgeführt wird. Die Regeln der Kochkunst hängen mit der Grammatik des Wortes “kochen” anders zusammen, als die Regeln des Schachspiels mit der Grammatik des Wortes “Schach spielen” und als die Regeln des Multiplizierens mit der Grammatik des Wortes “multiplizieren”.
     Die Regeln der Grammatik sind so (d.h. in demselben Sinne) willkürlich, & in demselben Sinne nicht willkürlich wie die Wahl einer Maßeinheit. Aber das kann doch nur heißen, daß sie von der Länge des zumessenden || Zumessenden unabhängig ist. Und daß nicht die Wahl der einen Einheit ‘wahr’, der andern ‘falsch’ ist, wie die Angabe der Länge wahr oder falsch ist. Was natürlich nur eine Bemerkung über die Grammatik des Wortes “Längeneinheit” ist.
     Man ist versucht, die Regeln der Grammatik durch Sätze zu rechtfertigen von der Art: “Aber es gibt doch wirklich 4 primäre Farben”; und gegen die Möglichkeit dieser Rechtfertigung, die nach dem Modell der Rechtfertigung eines Satzes durch (den﹖) Hinweis auf seine Verifikation gebaut ist, richtet sich das Wort, daß die Regeln der Grammatik willkürlich sind.
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     Kann man aber nicht doch in irgend einem Sinne sagen, daß die Grammatik der Farbwörter die Welt, wie sie tatsächlich ist, charakterisiert? Man möchte sagen: kann ich nicht wirklich vergebens nach einer fünften primären Farbe suchen? (Und wenn man suchen kann, dann ist ein Finden denkbar.) Nimmt man nicht die primären Farben zusammen, weil sie eine Ähnlichkeit haben, oder zum mindesten die Farben, im Gegensatz z.B. von || zu den Formen oder Tönen, weil sie eine Ähnlichkeit haben? Oder habe ich, wenn ich diese Einteilung der Welt als die richtige hinstelle, schon eine vorgefaßte Idee als Paradigma im Kopf? Von der ich dann etwa nur sagen kann: “ja, das ist die Weise || Art, wie wir die Dinge betrachten”, oder “wir wollen eben ein solches Bild (von der Wirklichkeit) machen”. Wenn ich nämlich sage: “die primären Farben haben doch eine bestimmte Ähnlichkeit miteinander” – woher nehme ich den Begriff dieser Ähnlichkeit? D.h.: habe ich hier eine Funktion “x ähnlich mit y”, in die ich die Farben als Argumente einsetzen kann? Ist nicht so, wie der Begriff “primäre Farbe” nichts andres ist, als “blau oder rot oder grün oder gelb”, – auch der Begriff jener Ähnlichkeit nur durch die vier Farben gegeben? Ja, sind sie nicht die gleichen! – “Ja, könnte man denn auch rot, grün und kreisförmig zusammenfassen?” – Warum nicht?!
     Die Wichtigkeit in einem Spiel liegt darin, daß wir dieses Spiel spielen. Daß wir diese Handlungen ausführen. Es verliert seine Wichtigkeit nicht dadurch, daß es selbst nicht wieder eine Handlung in einem andern (übergeordneten) Spiel ist.
     Warum nenne ich die Regeln des Kochens nicht willkürlich; und warum bin ich versucht, die Regeln der Grammatik willkürlich zu nennen? Weil das ‘Kochen’ durch seinen Zweck definiert ist, dagegen der Gebrauch der Sprache nicht. Darum ist der Gebrauch der Sprache in einem gewissen Sinne autonom, in dem das Kochen und Waschen es nicht ist. Denn, wer sich beim Kochen nach andern als den richtigen Regeln richtet, kocht schlecht; aber wer sich nach andern Regeln als denen des Schach richtet, spielt ein anderes Spiel und wer sich nach andern grammatischen Regeln richtet, als den
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und den, spricht darum nichts Falsches, sondern von etwas Anderem.