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     Wer etwa vom Gegensatz des Seins und des Nichts spricht und vom Nichts als etwas gegenüber der Verneinung Primärem, der denkt, glaube ich, etwa an eine Insel des Seins umspült vom unendlichen Meer des Nichts. Was wir in dieses Meer werfen, wird in seinem Wasser aufgelöst, vernichtet. Es selbst aber hat auch eine unendliche Tätigkeit, vergleichbar den Wogen des Meeres, es existiert, es ist, und wir sagen: “es nichtet”. In diesem Sinn würde auch das Ruhen als eine Tätigkeit bezeichnet. Wie aber kann man jemandem zeigen, daß dieses Gleichnis nun das richtige ist? Man kann es garnicht zeigen. Aber wenn es ihn von seiner Verwirrung erlöst, so haben wir ihm damit getan, was wir wollten. Es mag uns seltsam vorkommen, durch welche gleichsam trivialen Mittel wir von tiefen philosophischen Beunruhigungen befreit werden. Es ist seltsam, daß man nichts tun muß als z.B. in einem Fall ein Wort durch zwei verschiedene zu ersetzen, das Wort “ist” durch die beiden Zeichen
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= ” und “ε”, um die quälende Frage los zu werden, in wiefern doch die Rose dasselbe sei, wie rot. Aber daraus sehen wir nur, wie tief eine Verwirrung ist, wenn sie in der Sprache verkörpert ist. Es ist seltsam, daß man einen von der tiefen und in gewissem Sinn geheimnisvollen Frage, was der Satz “A = A” bedeutet, dadurch sollte erlösen können, daß man eine Notation einführt, in der sich dieser Satz nicht aufschreiben läßt. Wie kommt es, so könnte man fragen, daß wir uns dabei beruhigen? Daß wir jene Notation nun nicht ablehnen, indem wir sie als unvollständig erklären? Aber wir tun es nicht, sondern fühlen gleichsam: Gott sei Dank, daß wir davon befreit sind? So seltsam es klingt: daß, was uns an jenem Satz “A = A” tief a priori allem Denken zugrundeliegend erschien, erkennen wir wieder in seinem Ausschluß aus der Sprache durch das neue Zeichensystem. Das tiefe Problem lag sozusagen gerade darin, daß wir uns in der alten Ausdrucksweise ungemütlich fühlten (und das Gefühl der Ungemütlichkeit, wenn es sich auf unsere Sprache bezieht, ist ein tiefes). |Wenn jemand sagt “das Nichts nichtet” so können wir ihm in der Art unserer Betrachtungsweise sagen: Gut, was sollen wir nun mit diesem Satz anfangen? Das heißt, was folgt aus ihm und woraus folgt er? Aus welcher Erfahrung können wir ihn feststellen? Oder aus gar keiner? Was ist seine Funktion? Ist er ein Satz der Wissenschaft? Und welche Stellung nimmt er im Haus der Wissenschaft ein? Die eines Grundsteins, auf welchem andere Bausteine liegen? Oder etwa die eines Arguments? Ich erkläre mich mit allem einverstanden, nur muß ich dies wissen. Ich habe nichts dagegen, daß du an der Maschine der Sprache ein leerlaufendes Rad anbringst, aber ich wünsche zu wissen, ob es leer läuft oder in welche andere Räder es eingreift.| Hier denken wir daran, wie manchmal ein Physiker in der Vorrede zu einem Buch über die Prinzipien der Mechanik sich etwa vor dem Satz der Kausalität verbeugt, sagt, daß dieser Satz ein Fundament der Physik ist und seiner darauf im Text des Buches nicht mehr Erwähnung tut. Hier fragen wir: in welchem Sinn ist jener Satz ein Fundament der physikalischen Betrachtung? Jedenfalls nicht im Sinn eines derjenigen Sätze, aus welchen in diesen Betrachtungen Folgerungen gezogen werden. Und wir wollen wissen, handelt es sich hier um eine derjenigen Höflichkeitsformeln, wie sie vor Beginn einer geschäftlichen Unterhandlung ausgetauscht werden?