Wir sagen, die Grammatik bestimme, welche Wortzusammenstellungen Sinn haben und welche nicht; andererseits aber auch, die Grammatik sei keiner Wirklichkeit verantwortlich, sie sei in gewissem Sinn willkürlich. Wenn also eine Regel mir verbietet, eine gewisse Wortverbindung zu bilden, dann brauche ich ja nur diese Regel aufzugeben, wie es in meiner Willkür steht und sie erhält dadurch Sinn. Betrachten wir als Beispiel die Regel: “Eine Strecke kann nicht zugleich sowohl ein wie auch zwei Meter || m lang sein. Wir sagen also, es steht in unserem Belieben, dieses Verbot aufzuheben und die Aussage, die Strecke sei zugleich ein wie zwei m als sinnvoll gelten zu lassen. Dagegen aber sträubt sich der Verstand sogleich und sagt, dies sei undenkbar. Was heißt das aber? Setzen wir statt des Denkens den Ausdruck des Gedankens. Dann kann man jedenfalls nicht sagen, es sei unsagbar, denn wir haben es ja || so eben gesagt. Was fehlt uns also noch? Offenbar der weitere Kalkül mit dieser Aussage. Wie soll also dieser Kalkül ausschauen? Nun, das steht in unserem Belieben. Denn da unsere alte Sprache den Satz noch nicht hatte, so hatte sie auch den Kalkül mit ihm noch nicht festgesetzt. Behandeln wir einen besonderen Fall des Kalkulierens mittels des Satzes und zwar den Übergang vom Satz zur Vorstellung oder vom Satz zur zeichnerischen Darstellung! Hier wird man nämlich sagen, wir sagten zwar, die Strecke sei zugleich ein und zwei m lang aber wir können es uns nicht vorstellen, oder was hier auf dasselbe hinauskommt, wir können es nicht zeichnen. Was hindert es aber denn, es zu zeichnen, wenn wir nur einmal wüßten, was wir denn zeichnen sollen? Dann darüber ist ja eben noch keine Bestimmung getroffen worden. Wir sollen nun eine treffen, und es steht uns frei, sie zu treffen,
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wie wir wollen. Dies wäre eine einfache Lösung unsrer Schwierigkeit. Aber wir haben eben das Gefühl, als seien wir in bezug auf diese Bestimmung schon gebunden. Sagen wir es so: niemand wird sich wundern, daß die Wortverbindung “Sessel hat und” sinnlos ist. Wir werden nicht sagen, || : wir können diesen Sachverhalt nicht zeichnen, sondern es ist hier nichts zu zeichnen. Aber diese Wortverbindung ist nicht unsinniger als die “die Strecke ist sowohl ein wie zwei Meter lang.” (Andererseits können wir auch die Wortverbindung “Sessel hat und” zeichnerisch darstellen, wenn wir darüber nur erst eine Bestimmung getroffen haben.) Das Problemhafte des ersten Falls entsteht also durch die Analogie der neugebildeten Wortfolge mit bereits vorhandenen Sätzen unserer Sprache. Diese Analogie aber enthebt uns nicht die Notwendigkeit, neue Bestimmungen über den Gebrauch der neuen Ausdrucksweise zu machen. Es ist mit der Analogie des Wortausdrucks noch garnicht bestimmt, welcher Art die Analogie den neuen Regeln mit den alten sein werden. Ferner ist die Frage, ob der nach Analogie neugebildete Kalkül praktischen Wert hat. Wir können uns also sehr wohl vorstellen, daß eine Strecke sowohl einen wie auch zwei Meter lang ist und eine solche im Maßstab 1:1 darstellen, wenn nur erst festgelegt ist, nach welchem Prinzip der Satz in die Vorstellung oder in die zeichnerische Darstellung übertragen werden soll. Es ist aber nicht gedacht, daß der neugebildete Teil unserer Sprache irgendwelche praktische Bedeutung für uns haben wird. Wir könnten so sehr wohl eine Arithmetik konstruieren deren Kardinalzahlreihe die Fünf nicht enthält. Wir könnten auch im gewöhnlichen Leben mit dieser Arithmetik arbeiten, nur würden alle Betrachtungen ungeheuer und überflüssigerweise kompliziert. Es ließ sich aber wohl eine Welt der Erfahrung beschreiben, in der gerade diese Arithmetik uns als die angemessenste erschiene, so angemessen, wie unserer Erfahrungswelt die euklidische Geometrie. Die Worte “logisch möglich” und “logisch unmöglich” sind eben äußerst irreführend. (In der Notation der chemischen Strukturformeln könnte man von “chemisch möglichen” Verbindungen reden. NaS wäre z.B. unmöglich, dagegen O3H2 = HOOOH möglich, wenn auch nicht wirklich.)