Ich vergleiche mit Recht den Satz mit einem gemalten Bild. Eine Rechtfertigung dafür ist, dass man nach einer Beschreibung ein Bild malen kann, die Beschreibung in das Bild übersetzen kann. Es gibt hier übrigens wesentlich zwei Fälle, die auch im Gebiet der Sätze existieren: den des Genrebildes und den des Porträts. Beiläufig gesprochen entspricht die erdichtete Erzählung einem Genrebild. Es gibt analog dem Verstehen eines Satzes das ein Verstehen eines Genrebildes. Oder vielm[he|eh]r gibt es beim Bild verschiedenes, was wir [v|V]erstehen und [n|N]ichtverstehen nennen. Und es gibt Analogien dazu im Verstehen und Nichtverstehen der Sätze. Wir sagen, wir verstehen ein Bild nicht, wenn uns gesagt wird, es stelle ein Stilleben dar, wir aber nur Farbflecke in der Bildfläche sehen können. Sehen wir es aber in de als eine Zusammenstellung dreidimensionaler Körper, deren Formen uns aber, wie wir etwa sagen würden, nicht geläufig sind, so verstehen wir das Bild wieder nicht als Stilleben. Sehen wir darin Tische, Stühle, Pflanzen usw. in einer uns ganz ungewohnten Zusammenstellung (Pflanze, auf der ein Tisch balanciert), so verstehen wir es in einem weiteren Sinne nicht. Sehen wir darin Menschen in uns geläufigen Stellungen, so werden wir sagen, wir verstehen es. Aber wird uns nun erklärt, was diese Menschen miteinander tun, so machen wir einen weiteren Schritt im Verständnis. Wir können aber auch vom Verstehen eines reinen Ornaments sprechen. A[k|l]s wir es zuerst sahen, fiel uns etwa eine einfache gewisse Symmetrie und einfache Anordnung nicht auf. Jedenfalls werden wir von einem Bild, das zwei Menschen in einer Schenke sitzend darstellt und
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in einer uns geläufigen Malweise gemalt ist, sagen, wir verstünden es auf den ersten Blick. Und wir sind geneigt zu sagen, dass sich dieses Verständnis von dem eines Ornamentes dadurch unterscheidet, dass wir im ersten Fall das Bild als Darstellung einer Wirklichkeit erkennen, dass wir also in unserem [v|V]erstehen die Beziehung des Bildes zu etwas ausserhalb des Bildes Existierendem erfassen. Nun kann man wohl sagen, dass wir jenes Genrebild so sehen wie wir es tun, weil wir unzähligemale Stühle, Tische usw. gesehen und benützt haben. Das sagt aber nur etwas über die Vorgeschichte jenes Verstehens aus und die Vorgeschichte ist im Verstehen nicht enthalten. Es ist auch wahr, dass wir das Genrebild in anderer Weise benutzen, es in anderer Weise mit der Wirkli[h|c]hkeit vergleichen können, als das Ornament. Aber Verstehen nennen wir nicht den Vorgang eines solchen Vergleichs, noch ist es wahr, dass wir etwa das Genrebild für Wirklichkeit hielten. Wir sind geneigt zu sagen, wir verstehen dieses Bild, weil wrir es als die Darstellung eines Hauses erkennen und das scheint anzudeuten, dass im [e|V]erstehen ein Paradigma ausserhalb des Bildes involviert ist. Dann kann ich nur sagen, dass wir das Genrebild beim Verstehen mit nichts vergleichen müssen. Der Vergleich mit der Wirklichkeit ist vielmehr ein weiterer Schritt des Kalküls, der nicht [k|i]n schattenhafter Weise schon gemacht ist, ehe wir ihn wirklich ausführen.