97 || 115 || 116.
     Die Probleme, die durch ein Mißdeuten unserer Sprachformen entstehen, haben den Charakter der Tiefe. Es sind tiefe Beunruhigungen; sie wurzeln so tief in uns, wie die Formen unserer Sprache und ihre Bedeutung ist so groß, wie die Wichtigkeit unserer Sprache. ‒ ‒ ‒ Fragen wir uns: Warum empfinden wir einen grammatischen Witz als tief? (Und das ist ja die philosophische Tiefe.) Eine ähnliche Gedankenbewegung: Wie kann man die Zeit schätzen – da das Leben doch fern von einer Uhr ist? – daß uns die Zeiten übereinstimmend mit der Uhr einfallen; daß wir die Zeit schätzen können, ist ein Grund, warum, was die Uhr mißt, die Zeit, so wichtig ist.

117.

     Worin liegt etwa || z.B. die Tiefe des Witzes: “We called him tortoise because he taught us”? Wir werden plötzlich aufmerksam darauf, daß eine solche Ableitung des Substantivs unmöglich ist. Warum sollte sie aber so unmöglich || unmöglich sein || aber unmöglich? Sie ließe sich auch sehr wohl || sehr wohl auch || wohl denken. (Denk an tschechische Zunamen, wie Zaplatil = er zahlte). Und nun || Nun aber scheint der Witz seine Tiefe verloren zu haben. Dies || Das kommt aber daher, daß wir unsere Aufmerksamkeit verschoben haben || Betrachtungsweise geändert. – Betrachte ein andres Beispiel: Bei Lichtenberg läßt eine Magd in den “Briefen von Mägden über Literatur” die Zahl Hundert 001 schreiben || schreibt eine Dienstmagd der andern: die Zahl Hundert 001 || In Lichtenberg “Briefen von Mägden über Literatur” schreibt eine Magd der anderen: die Zahl hundert 001. Wenn man sich sagt: “nun, hundert || es könnte ja auch in der Richtung geschrieben werden”, so || dann fühlt man die Tiefe der Komik || des Witzes nicht. Diese liegt, glaube ich, in dem Zusammenhang unseres Dezimalsystems, in welchem das Zeichen “001” eine gewisse Stelle innehat. Die Tiefe der Absurdität des 001 erscheint erst für den, der, sozusagen, die mathematischen || alle Konsequenzen aus diesem Schreibfehler ziehen kann. Nicht für den, der nur weiß, daß man so nicht ‘hundert’ schreibt. – Man kann, das ‘taught us‘ betreffend, sagen: ein Verbum hat für uns eine Grundstellung (wie man bei Turnübungen sagt) und dann verschiedene Stellungen, verschiedenen Verrichtungen gemäß. Eine beliebige dieser Stellungen zur Bezeichnung dessen nehmen, der (z.B.) lehrt, ist so, als nähme man für das Standbild eines Menschen irgend eine || eine || eine beliebige Stellung, in der er sich auch einmal befinden kann. Und doch ist sie auch wieder nicht unmöglich. Die Tiefe der Absurdität liegt hier wieder in Verhältnissen, die eine längere Erklärung zulassen; weil sie den eigentümlichen || ganzen Bau unserer Sprache betreffen. – || Wir empfanden ihn als tief, weil er ein grelles Licht auf das System unsrer Sprache zu werfen schien. Wenn wir auf das System unserer Sprache sehen, dann haben wir das Gefühl der Tiefe. Es ist, als sähen wir durch ihr Netz hindurch die ganze Welt.