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    Heisst das aber, es gäbe nicht doch Empfindungen, die oft beim Geniessen der Musik wiederkehren? Durchaus nicht. (Bei manchen Stellen mag ihm das Weinen kommen und es spürt es im Kehlkopf).
    Ein Gedicht macht uns beim Lesen einen Eindruck. “Fühlst du das selbe, während du es liest, wie wenn du etwas Gleichgiltiges liest?” – Wie habe ich auf diese Frage antworten gelernt? Ich werde vielleicht sagen: “Natürlich nicht!” – was soviel heisst wie: mich ergreift dies, und das andere nicht. “Ich erlebe dabei etwas anderes.” – Und welcher Art ist dies? – Ich kann nichts Befriedigendes antworten. Denn, was ich angebe, ist nichts Wichtiges. – “Hast du aber nicht während des Lesens genossen?” Freilich ‒ ‒ ‒ denn die entgegengesetzte Antwort hiesse: ich hätte es früher, oder später genossen; und das will ich nicht sagen.
    Aber nun erinnerst du dich an gewisse Empfindungen und Vorstellungen und Gedanken beim Lesen, und zwar solche, die für das Geniessen, für den Eindruck nicht irrelevant waren. – Aber von denen möchte ich sagen, sie hätten ihre Richtigkeit nur durch ihre Umgebung erhalten: durch das Lesen des Gedichts, durch meine Kenntnis der Sprache, des Metrums und unzähliger anderer Dinge. Diese Augen lächeln nur in diesem Gesicht und in diesem zeitlichen Zusammenhang.)
    Du musst d[u|i]ch doch fragen, wie haben wir den Ausdruck
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“Ist das nicht herrlich!” (z.B.) überhaupt gelernt? – Niemand erklärte ihn uns, indem er sich auf Empfindungen, Vorstellungen, oder Gedanken bezog, die das Hören begleiten! Ja[m|,] wir würden nicht verzweifeln, dass er's genossen hat, wenn er keine solchen Erlebnisse anzugeben wüsste; wohl aber, wenn es sich zeigte, dass er gewisse Zusammenhänge nicht versteht.