514.
“Sokrates: Wer
also vorstellt, was nicht ist, der stellt nichts vor?
– Theaitetos: So
scheint es.
– Sok.: Wer aber nichts vorstellt, der wird gewiß
überhaupt gar nicht vorstellen?
– Th.: Offenbar, wie wir
sehen.”
Setzen wir in diesem Argument statt des Wortes
“vorstellen” etwa das Wort
“töten”, so gibt es eine Regel für den Gebrauch
dieses Worts; es hat keinen Sinn zu sagen “Ich töte
etwas, was nicht existiert”.
Ich kann mir einen Hirsch auf dieser Wiese vorstellen, der nicht da
ist, aber keinen töten, der nicht da ist.
Und “sich einen Hirsch auf dieser Wiese
vorstellen” heißt: sich vorstellen, daß ein Hirsch da
ist.
Einen Hirsch töten aber heißt nicht: töten, das
etc..
Wenn aber jemand sagt “Damit ich mir einen Hirsch
vorstellen kann, muß es ihn doch in einem gewissen Sinne
geben” – so ist die Antwort: nein, es muß ihn dazu in
keinem Sinne geben.
Und wenn geantwortet würde: “Aber die braune
Farbe z.B. muß es doch geben, damit ich sie mir
vorstellen kann”, – so ist zu sagen:
“es gibt die braune Farbe” heißt
– 144 –
überhaupt nichts, außer
etwas, daß sie da oder dort als Färbung eines Gegenstandes vorhanden
ist; und das ist nicht nötig, damit ich mir einen braunen Hirschen
vorstellen kann.