157.
Überlege dir
folgenden Fall: Menschen, oder andere Wesen, würden von
uns als Lesemaschinen benützt. Sie werden zu diesem
Zweck abgerichtet. Der, welcher sie abrichtet, sagt von
Einigen, sie können schon lesen, von Andern, sie könnten
es noch nicht. Nim
m den Fall eines
Schülers, der bisher nicht mitgetan hat: zeigt man ihm
ein geschriebenes Wort, so wird er manchmal irgendwelche Laute
hervorbringen, und hie und da geschieht es dann
‘zufällig’, daß sie ungefähr
stimmen. Ein Dritter hört diesen Schüler in so
einem Fall und sagt: “Er liest”.
Aber der Lehrer sagt: “Nein, er liest
nicht; es war nur ein Zufall.” –
Nehmen wir aber an, dieser Schüler, wenn ihm
nun weitere Wörter vorgelegt werden, reagiert auf sie
fortgesetzt richtig. Nach einiger Zeit sagt der
Lehrer: “Jetzt kann er lesen!”
– Aber wie war es mit jenem ersten Wort?
Soll der Lehrer sagen: “Ich hatte mich
geirrt, er hat es
doch gelesen” –
oder:
“Er hat erst später angefangen, wirklich zu
lesen”? – Wann hat er angefangen, zu
lesen? Welches ist das erste Wort, das er
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gelesen hat? Diese Frage ist hier
sinnlos. Es sei denn, wir erklärten:
“Das erste Wort, das Einer
‘liest’, ist das erste Wort der ersten Reihe von
50 Wörtern, die er richtig liest” (oder
dergl.).
Verwenden wir dagegen
“Lesen” für ein gewisses Erlebnis des
Übergangs vom Zeichen zum gesprochenen Laut, dann hat es wohl
Sinn, von einem
ersten Wort zu sprechen, das er
wirklich gelesen hat. Er kann dann etwa sagen:
“Bei
diesem Worte hatte ich zum ersten
Male das Gefühl: ‘jetzt lese
ich’.”
Oder aber in dem hievon
verschiedenen Fall einer Lesemaschine,
die, etwa nach Art eines Pianolas, Zeichen in Laute übersetzt,
könnte man sagen: “Erst nachdem dies und
dies an der Maschine geschehen war – die und die Teile durch
Drähte verbunden worden waren – hat die Maschine
gelesen; das erste Zeichen, welches sie gelesen hat,
war ….”
Im Falle aber der lebenden
Lesemaschine hieß “lesen”: so und so auf
Schriftzeichen reagieren. Dieser Begriff war also ganz
unabhängig von dem eines seelischen, oder andern
Mechanismus. – Der Lehrer kann hier auch vom
Abgerichteten nicht sagen: “Vielleicht hat er
dieses Wort schon gelesen”. Denn es ist ja
kein Zweifel über das, was er getan hat. Die
Veränderung, als der Schüler zu lesen anfing, war eine
Veränderung seines
Verhaltens; und von einem
‘ersten Wort im neuen Zustand’ zu reden, hat hier
keinen
– 111
–
Sinn.