Denken wir uns, unser Körper würde aus unserem Gesichtsfeld entfernt, etwa, indem man ihn gänzlich durchsichtig machte; er behielte aber die Fähigkeit, in einem geeigneten Spiegel in der uns gewohnten Weise zu erscheinen, so dass wir etwa die sichtbaren Aeusserungen unserer Zahnschmerzen wesentlich wie die eines fremden Körpers wahrnähmen. Dies ergäbe auch eine ganz andere Koordination zwischen sehendem Auge und Gesichtsraum, als die uns selbstverständlich erschein[d|e]nde alltägliche. (Denke an das Zeichen eines Vierecks mit seinen Diagonalen im Spiegel.) Wenn wir uns aber so die Möglichkeit denken können, dass wir unsern sichtbaren Körper nur als Bild in einem Spiegel kennten, so ist es nun auch denkbar,
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dass dieser Spiegel wegfiele und wir ihn nicht anders sähen, als irgend einen andern menschlichen Körper. – Wodurch wäre er dann aber als mein Körper charakterisiert? Nun, nur dadurch, dass ich z.B. die Berührung dieses Körpers fühlen würde, nicht aber die eines andern, etc.. So ist es auch nicht mehr wesentlich, dass der Mund unterhalb des sehenden Auges meine Worte spricht. (Und das ist von grosser Wichtigkeit.) Auch wenn ich meinen Körper sehe, wie ich ihn jetzt sehe, d.h. von seinen Augen aus, ist es denkbar, dass ich mich mit Andern den Körper tausche. Die Erfahrung bestünde einfach in dem, was man als eine sprunghafte Aenderung meines Körpers und seiner Umgebung beschreiben würde. Ich würde einmal die Körper A, B, C, D von E aus, und E von den Augen dieses Körpers sehen, und plötzlich etwa C, D, E, A von B aus und aus B aus dessen Augen; etc.. Noch einfacher aber wird die Sache, wenn ich alle Körper – meinen, sowie die fremden – überhaupt nicht aus Augen sehe, und sie also, was ihre visuelle Erscheinung betrifft, alle auf gleicher Stufe stehen. Dann ist es klar, was es heisst, dass ich im Zahn des Andern Schmerzen haben kann; – wenn ich dann überhaupt noch bei der Bezeichnung bleiben will, die einen Körper “meinen” nennt und also einen anderen den “eines Andern”. Denn es ist nun vielleicht praktischer, die Körper einfach // nur // mit Eigennamen zu bezeich[en|ne]n. – Es gibt also jetzt eine Erfahrung, : die, der Schmerzen in einem Zahn eines der existierenden menschlichen Körpers; das ist nicht die, die ich in der gewöhnlichen Ausdrucksweise mit den Worten “A hat Zahnschmerzen” beschriebe, sondern mit den Worten “ich habe in einem Zahn des A Schmerzen”. Und es gibt die andere Erfahrung: einen Körper, sei es meiner oder ein andrer, sich winden zu sehen. Denn, vergessen wir nicht: Die Schmerzen haben zwar einen Ort im Raum, sofern man z.B. sagen kann, sie wandern, oder seien an zwei Orten zugleich, etc.: aber ihr Raum ist nicht der visuelle oder physikalische. – Und nun haben wir zwar eine neue Aus-
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drucksweise, sie ist aber nicht mehr asymmetrisch. Sie bevorzugt nicht einen Körper, einen Menschen zum Nachteil des andern, ist also nicht solipsistisch. – So ist alles // alle Erfahrung // ohne Ansehen der Person verteilt. Aber wir teilen anders. Es werden die Dinge in unsrer Betrachtungsweise anders zusammengefasst. Wie wenn man einmal die Zeit zum Raum rechnet und einmal nicht, oder wie wenn man einen Wald als Holzblock mit Löchern ansähe. Oder die Bahn des Mondes in die Sonne einmal als Kreisbahn um die Erde, die sich verschiebt; , – ein andermal als Wellenlinie, die um die Sonne läuft. (Wäre die Erde etwa nicht sichtbar, so könnte es eine merkwürdige neue Betrachtungsweise sein, die Wellenbewegung des Mondes um die Sonne als Kreisbahn um einen kreisenden Körper // um ein [K|k]reisendes Zentrum // aufzufassen.) Man könnte auf diese Weise gewisse Vorurteile zerstören, die auf die besondere uns geläufige Betrachtungsart aufgebaut wären. – Sehr klar wird der Charakter der anderen Betrachtungsweise, wenn man an die analoge Verschiebung // Veränderung // der Grenzen durch die Einführung des Begriffs der Gedächtniszeit denkt. Es ist ganz ähnlich der veränderten Betrachtung der Mondbewegung. Eine Grenze, die früher mit anderen in der Zeichnung zusammenlief, wird plötzlich stark ausgezogen und hervorgehoben. ‒ ‒ ‒