Das Gewebe der Irrtümer auf diesem Gebiet ist natürlich ein sehr kompliziertes. Es tritt z.B. noch die Verwechslung zweier
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verschiedener Bedeutungen des Wortes “Art” hinzu. Man gibt nämlich zu, daß die unendlichen Zahlen eine andre Art Zahlen sind, als die endlichen, aber man mißversteht nun, worin hier der Unterschied verschiedener Arten besteht. Daß es sich nämlich hier nicht um die Unterscheidung von Gegenständen nach ihren Eigenschaften handelt, wie wenn man rote Äpfel von gelben unterscheidet, sondern um verschiedene logische Formen. – So versucht Dedekind eine unendliche Klasse zu beschreiben; indem er sagt, es sei eine, die einer echten Teilklasse ihrer selbst ähnlich ist. Hierdurch hat er scheinbar eine Eigenschaft angegeben, die die Klasse haben muß, um unter den Begriff ‘unendliche Klasse’ zu fallen. (Frege.) Denken wir uns nun die Anwendung dieser || der Definition. Ich soll also in einem bestimmten Fall untersuchen, ob eine Klasse endlich ist oder nicht, etwa ob eine bestimmte Baumreihe endlich oder endlos ist. Ich nehme also, der Definition folgend, eine Teilklasse dieser Baumreihe und untersuche, ob sie der ganzen Klasse ähnlich (d.h. 1–1 koordinierbar) ist! (Hier fängt gleichsam schon Alles an zu lachen.) Das heißt ja gar nichts: denn, nehme ich eine “endliche Klasse” als Teilklasse, so muß ja der Versuch, sie der ganzen Klasse 1 zu 1 zuzuordnen eo ipso mißlingen; und mache ich den Versuch an einer unendlichen Teilklasse, ‒ ‒ ‒ aber das heißt ja schon erst recht nichts, denn, wenn sie unendlich ist, kann ich den Versuch dieser Zuordnung gar nicht machen. – Das, was man im Fall einer endlichen Klasse ‘Zuordnung aller ihrer Glieder mit andern’ nennt, ist etwas ganz anderes, als das, was man z.B. eine Zuordnung aller Kardinalzahlen mit allen Rationalzahlen nennt. Die beiden Zuordnungen, oder, was man in den zwei Fällen mit diesem Wort bezeichnet, gehören verschiedenen logischen Kategorien || Typen an. Und es ist nicht die “unendliche Klasse” eine Klasse, die mehr Glieder im gewöhnlichen Sinn des Wortes “mehr” enthält, als die endlichen. Und wenn man sagt, daß eine unendliche Zahl größer ist, als eine endliche, so macht das die beiden nicht vergleichbar, weil in dieser Aussage das Wort “größer” eine andere Bedeutung hat, als etwa im Satz “5 größer als 4”.

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