Das Verstehen eines Satzes der Wortsprache ist dem Verstehen eines musikalischen Themas (oder Musikstückes) viel verwandter, als man glaubt. Und zwar so, dass das Verstehen des sprachlichen Satzes näher als man denkt dem Ort liegt, was man gewöhnlich das Verständnis des musikalischen Ausdrucks nennt. – Warum pfeife ich das gerade so? warum bringe ich den Rhythmus der Stärke und des Zeitmasses gerade auf dieses ganz bestimmte Ideal? Ich möchte sagen: “weil ich weiss, was das alles heisst” – aber was heisst es denn? – Ich wüsste es nicht zu sagen, ausser durch eine Uebersetzung in einen Vorgang vom gleichen Rhythmus. Ich könnte nur sagen: so wohnt dieses Musikstück in mir, diesen P[,|l]atz nimmt dieses Schema in meiner Seele ein. So als gäbe mir jemand ein Kleidungsstück und ich legte es an meinen Körper an und es nähme also dort eine ganz bestimmte Gestalt an, indem es sich da ausdehnte, dort zusammenzöge und nur dadurch und so für mich Bedeutung gewönne. Diese Gestalt nimmt dieses Thema als Kleid meiner Seele an. – Ja, man sagt manchmal: “Man könnte das auch in diesem Tempo spielen, dann heisst es aber etwas ganz Anderes”. Und auf die Frage “was heisst es denn?” wäre man wieder in der alten Verlegenheit. Aber man könnte sagen: nun dient es als Kopftuch, nun als Halstuch (nun setze ich es so auf, nun so). ((Aber freilich ist
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der Teil der Seele, dem ich die Melodie anziehe (nur) eine Fiktion, eine Ergänzung, die die Beschreibung des Kleides erleichtert und wohl auch die Beschreibung seiner Anwendung. Aber das Tuch von dem und dem Schnitt, in dieser Lage und Ausdehnung im Raume und mit diesen Wirkungen ist und bleibt alles was da ist.))