20.2.
Du sollst so leben, daß Du vor dem Wahnsinn bestehen
kannst, wenn er kommt. Und den Wahnsinn sollst
du nicht fliehen. Es ist
ein Glück, wenn er nicht da ist, aber fliehen || fliehen sollst Du ihn
nicht, so glaube ich mir sagen zu müssen.
Denn er ist der strengste Richter (das strengste Gericht)
darüber ob mein Leben recht oder unrecht ist; er ist
fürchterlich, aber Du sollst ihn dennoch nicht fliehen.
Denn Du weißt ja doch nicht, wie Du ihm entkommen kannst;
& während Du vor ihm fliehst, benimmst Du
Ich lese im N.T. & verstehe Vieles & Wesentliches nicht, aber Vieles doch. Ich fühle mich heute viel wohler als gestern. Möge es bleiben. Man könnte mir sagen: “Du sollst Dich nicht so viel mit dem N.T. einlassen, es kann Dich noch verrückt machen.” – Aber warum ‘soll’ ich nicht, – es sei denn, daß ich selbst fühlte, ich soll nicht. Wenn ich glaube, in einem Raum das Wichtige, die Wahrheit, sehen zu können – oder sie finden zu können, dadurch, daß ich hineingehe, so kann ich doch fühlen, ich soll hineingehen, was immer mir drin geschieht & ich soll nicht aus Furcht es vermeiden, hineinzugehen. Drinnen sieht es vielleicht schaurig aus, und man möchte gleich wieder hinauslaufen; 187 aber soll ich nicht versuchen
standhaft zu bleiben? Ich
möchte in so einem Fall,
daß mir jemand auf die Schulter klopft
& mir sagt: “Fürchte
dich nicht! denn das ist
recht.” Ich danke Gott, daß ich in die Einsamkeit nach Norwegen gekommen bin! Wie kommt es, daß die Psalmen (die Bußpsalmen), die ich heute gelesen habe eine Speise für mich sind & das N. T. eigentlich bis jetzt noch keine Speise? Ist es bloß zu ernst für mich? Der Unschuldige muß anders sprechen, als der Schuldige, & andere Anforderungen stellen. Bei David kann nicht stehen: “Seid vollkommen”, es heißt nicht, daß man sein Leben zum Opfer bringen soll & es wird nicht eine ewige Seligkeit versprochen. Und das Annehmen dieser Lehre – so scheint es mir – erfordert, daß man sagt: Dieses Streben nach dem Absoluten, welches alles irdische Glück zu 189 kleinlich erscheinen läßt,
den Blick hinaufwendet & nicht eben, auf die Dinge,
sieht, erscheint mir als etwas Herrliches, Erhabenes, aber ich
selbst richte meinen Blick auf die irdischen Dinge; es sei
denn, daß mich “Gott
heimsucht” & der Zustand
über mich kommt, in dem das nicht möglich ist.
Ich glaube: Ich soll das & das tun,
& das & das nicht tun; & das kann ich in jener
matteren Beleuchtung von oben tun; das ist nicht jener
Zustand. Warum soll ich heute meine Schriften
verbrennen?! Ich denke nicht dran! – Aber ich denke schon dran, wenn die
Finsternis auf mich herabgestiegen ist & droht
auf mir zu bleiben. Es ist dann als hätte ich meine
Hand auf einer Herdplatte || einem
Gegenstand & sie || er
würde heiß & ich hätte die Wahl zwischen
Fahrenlassen & Verbrennen. In dieser Lage will man
die Worte der Bußpsalmen gebrauchen.
(Den eigentlichen Christenglauben – nicht den Glauben – verstehe ich noch gar nicht.) Laß mich ja nicht vor dem einem ‘Wahnsinn’ fliehen! Aber ihn suchen das wäre Verwegenheit. Denk, jemand in einem furchtbaren Schmerz, wenn etwa seine Hand verbrannt wird || etwas Bestimmtes in seinem Körper vorgeht, schriee “Fort, fort!”, obwohl nichts ist, was er fort wünscht, – könnte man nun sagen: “Diese Worte sind falsch angewendet”?? So etwas würde man doch nicht sagen. Ebensowenig, wenn er z.B. in diesem Zustand eine ‘abwehrende’ Geste macht, oder aber auf die Knie fällt & die Hände faltet könnte man das vernünftigerweise als falsche Gebärden erklären. Er tut eben das in so einer Lage. Hier kann von ‘falsch’ nicht die Rede sein. Welche Anwendung sollte richtig sein, wenn eine notwendige falsch ist? Anderseits könnte 191 man nicht sagen, es sei eine
richtige Anwendung der Gebärde gewesen &
deshalb sei hier jemand gewesen, vor dem er gekniet
hätte || hat. Es sei denn daß diese
beiden Aussagen identischen Sinn
haben sollen, & dann ist auch das “daher”
falsch. Wende das auf's Gebet an. Wer
die Hände ringen & flehen muß, wie
könnte man von dem sagen er sei im Irrtum, oder in einer
Einbildung. |
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