Über das Verstehen eines Bildes möchte ich noch folgendes sagen: Man wird von einem Verstehen eines Genrebildes (z.B.) reden, wenn wir den dargestellten Vorgang, die Handlung, in ihm erkennen. Das Kriterium für dieses Erkennen ist dann etwa, daß man, gefragt || befragt, die Handlung in Worten erklärt, sie mimisch darstellt, u.a.m.. Es ist auch möglich, daß uns dieses Erkennen nicht leicht fällt, sei es, weil wir die Figuren auf dem Bild nicht gleich als solche sehen (vergleiche Vexierbild), sei es, weil wir uns nicht zusammenreimen können, was sie mit einander tun || welche Handlung sie miteinander verbindet; u. dergl.. Es gibt in diesen Fällen dann einen, uns bekannten, Vorgang des Erkennens, etwa nach einer Zeit des Zweifelns. Ist das Bild dagegen eines, wovon wir sagen würden, daß wir es auf den ersten Blick erfassen, || “wir erfassen es auf den ersten Blick”, so gibt es hier || finden wir eine Schwierigkeit, wenn wir sagen sollen || zu sagen, worin dieses || das Verstehen hier eigentlich besteht. Vor allem geschieht nicht das, daß wir die gemalten Gegenstände für wirkliche halten. Und “ich verstehe es” heißt hier auch nicht: ich verstehe endlich (nach einer Bemühung) daß es dieses Bild ist. Es || Und es geht kein Erkennen vor sich, wie das Erkennen eines alten Bekannten auf der Straße, wobei man etwa sagt: || . Man sagt nicht: “ach das ist ja …!” Wenn man nun sagen will || wollte: es geht ein Wiedererkennen vor sich; worin besteht dieses Wiedererkennen? Ich erkenne etwa einen gewissen Teil des Bildes als ein menschliches Gesicht: Ja muß ich dazu auf ein wirkliches Gesicht blicken; oder mir die Erinnerung an ein gesehenes vors Auge rufen? Ist es etwa so: ich krame im Schrank meines Gedächtnisses, bis ich etwas dem Bild Ähnliches finde & das Wiedererkennen besteht eben in diesem || ist eben dieses Finden? Es findet in unserm Fall nicht ein bestimmter Vorgang statt, den man das Wiedererkennen nennen könnte; obwohl, der das Bild sieht, auf die Frage “erkennst Du was das ist”, wahrheitsgemäß, mit “ja” antworten wird, oder etwa mit den Worten: “das ist ein Gesicht”. Wohl aber kann man sagen, daß er etwas Anderes sieht, wenn er den Komplex von Strichen als Gesicht sieht, als andernfalls || wenn er dies nicht tut. Ich möchte dann sagen: ich sehe etwas Wohlbekanntes vor mir. Aber das Kriterium der Wohlbekanntheit || was die Wohlbekanntheit ausmacht ist kein || ist nichts Historisches, daß ich solche Gegenstände schon so oft gesehen habe etc.. Denn || , denn die Geschichte || Vorgeschichte des Erlebnisses liegt ja nicht im Erlebnis. Vielmehr liegt die Wohlbekanntheit etwa darin daß ich sofort einen bestimmten Rhythmus des Bildes
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ergreife & bei ihm bleibe, sozusagen in ihm ruhe. Im Übrigen besteht die Wohlvertrautheit eben in jedem einzelnen || besondern Fall in einem besondern Erleben, & wir erleben das Bild eines Tisches anders als das Bild eines Bettes & anders als das einer menschlichen Gestalt. || das Bild eines Tisches ist || hat ein Erleben, das Bild eines Bettes ein anderes.
     Wenn ich sage; || : “ich verstehe dieses Bild”, so fragt es sich eben; || : will ich sagen, || : || , “ich verstehe es so”? Und das “so” steht für eine Übersetzung des Verstandenen in einen andern Ausdruck. Oder ist es ein, sozusagen, intransitives Verstehen? Denke ich gleichsam beim Verstehen des Einen an ein Anderes; d.h., besteht das Verstehen darin, daß ich an etwas Anderes denke? Und meine ich das nicht, so ist das Verstandene quasi autonom, & das Verstehen dem Verstehen einer Melodie zu vergleichen.