14.3.
Ich bin jetzt in einer außerordentlich
schwierigen Lage. Durch die Einverleibung Österreichs
ins Deutsche Reich bin ich
deutscher
Staatsbürger geworden. Dies ist für mich
ein furchtbarer Zustand, denn ich bin nun abhängig von einer
Macht, die ich in keinem Sinne anerkenne. Die deutsche
Staatsbürgerschaft ist
für mich wie ein
heißes Eisen || wie ein heißes Eisen für mich, das ich
ständig halten müßte. Das heiße
Eisen will ich also wegwerfen. Ich könnte dies
tun || versuchen indem
ich versuchte die irische, oder britische
Staatsbürgerschaft zu erwerben. Wenn
mir aber das gelingt, so ist es ungemein wahrscheinlich, daß ich
nicht werde Österreich betreten dürfen,
d.h. meine Familie nicht werde wiedersehen
können! Ich muß also das heiße
Eisen halten, oder meine Familie nicht
mehr
wiedersehen.
Warum nun ist es ein
‘heißes Eisen’?
Warum unterwirfst Du Dich nicht in aller
Freundlichkeit der neuen Obrigkeit, die Du ja nicht
berufen hast? Was macht es eigentlich, daß Du einen
deutschen Judenpa
ß
erhäl
tst, statt des alten
österreichischen? Warum soll Di
ch
dieser in der Tasche brennen, wenn's der andere nicht getan
hat? – Ist es wegen der
Schmach, die ihm in Österreich
anhaftet? In Österreich wirst Du bei Deinen
Verwandten leben & von
der || ihr nichts
spüren; & im Ausland auch nicht. –
Dennoch fühle ich daß diese Zugehörigkeit als
ständiger Druck auf mir lasten wird. Teils, weil meine
Situation dadurch nicht klar & einfach
ausgesprochen ist. Aber warum willst Du sie
aussprechen; jeder der Dich kennt, weiß ohnehin, wohin Du
gehörst. Etwa, weil der Konflikt solange die Sache
nicht klar ausgesprochen ist immer über mir
schwebt. Aber ferner weil ich in Österreich nicht
arbeiten könnte & arbeiten
muß, um leben zu
können, ich meine: um bei Verstande zu bleiben.
Ich werde daher im Ausland leben müssen. Aber
als deutscher Jude werden sie mich, wenn
ich einmal
in Österreich bin, nicht mehr hinauslassen.
Man kann aber sagen: Warum willst Du nicht alles,
für Deine Familie,
ertragen?
Mögliche Gefangenschaft in Österreich,
Arbeitslosigkeit, Trennung von Deinem liebsten Freund, Unruhe
& Angst
ehe Du die Freiheit verlierst, eine schiefe
Stellung nach allen Seiten? – Warum es nicht einfach
auf Dich nehmen? – Wie müßte ich
mich einstellen können, um das auf mich nehmen zu
können? Ich fürchte, ich bin zu
dieser Einstellung nicht fähig.