⌊⌊11.9.37.⌋⌋


    “Aber sind die Übergänge also durch die algebraische Formel nicht bestimmt?” – In der Frage liegt ein Fehler.1
         Wir Man verwendent den Ausdruck: “die Übergänge sind durch die Formel … bestimmt”. Wie verwenden wir t man ihn // Wie wird er verwendet // ?
      Wir können etwa davon reden, daß Menschen durch Erziehung (Abrichtung ) dahin gebracht werden,
die & die
diese
Formeln // die Formel y = x² // so zu verwenden, daß Aalle, wenn sie die gleiche Zahl für x einsetzen, immer die gleiche Zahl für y herausrechnen. Oder wir können sagen: “[d|D]iese Menschen sind so
abgerichtet
erzogen
, daß sie alle auf den Befehl ‘ + 3’ auf der gleichen Stufe den gleichen Übergang machen. Wir könnten dies so ausdrücken: “Der Befehl ‘ + 3’ bestimmt für diese Menschen jeden [ü|Ü]bergang von einer Zahl zur nächsten völlig.” (Im Gegensatz zu andern Menschen, die auf diesen Befehl nicht wissen, was sie zu tun haben, oder deren jeder zwar mit Sicherheit, aber anders ˇin anderer Weise, auf ihn reagiert. die zwar … , aber ein jeder in anderer Weise reagieren.)
          Wir können anderseits verschiedene Arten von Formeln & zu ihnen gehörige verschiedene Arten der Verwendung (verschiedene Arten der Abrichtung) einander entgegensetzen. Wir nennen dann Formeln einer bestimmten Art (& der dazugehö-
2
rigen Verwendungsweise) “Formeln, welche eine Zahl y für ˇein gegebenes x bestimmen” & Formeln anderer Art solche, “die die Zahl y für ein gegebenes x nicht bestimmen”. (y = x² + 1 wäre etwa von der ersten Art, y ˃ x² + 1, y = x² ± 1, y = x² + z von der
zweiten
andern
.)
Der Satz
Die Aussage
: “Die Formel … bestimmt eine Zahl y” ist dann eine Aussage über die Form der Formel. Und es ist nun zu unterscheiden ein Satz wie: “Ddie Formel, die ich hingesch[|r]ieben habe, bestimmt y”c oder “Hhier steht eine Formel, die y bestimmt”, von einem Satz wie: “die Formel y = x² bestimmt die ei Zahl y für ein gegebenes x”. Die Frage: “Steht dort eine Formel, die y bestimmt?” heißt dann
dasselbe wie
einfach
: “steht dort eine Formel dieser ˇArt, oder jener Art?”, die was wir aber mit der Frage anfangen sollen: “[i|I]st y = x² eine Formel die y für ein gegebenes x bestimmt?” ist nicht ohne weiteres klar. Diese Frage könnte man etwa an einen Schüler stellen, um zu prüfen, ob er die Verwendung des Ausdrucks “bestimmen” versteht; oder es könnte eine mathematische Aufgabe sein, zu
berechnen
finden
, ob auf der rechten Seite der Formel nur eine Variable steht, wiec z.B. i[n|m] dem Fall y = (x² + z)² ‒ z(2x² + z).
3

           Man kann nun sagen: “Wie die Formel gemeint wird, das bestimmt, welche Übergänge zu machen sind.” Was ist das Kriterium dafür, wie die Formel gemeint ist? Doch wohl die Art & Weise, wie wir sie ständig gebrauchen, wie uns gelehrt wurde, sie zu gebrauchen.
        Wir sagen z.B. Einem, der ein uns unbekanntes Zeichen gebraucht: “Wenn Du mit “
x
~
2
” meinst: x², so erhälst Du diesen Wert für y, wenn Du damit √x meinst, jenen.” – Frag' Dich nun: Wie macht man es
:
,
mit “
x
~
2
” das eine, oder das andere, meincen?
      So kann also das Meinen die Übergänge zum Voraus bestimmen.
       “Worin liegt dann aber die eigentümliche Unerbittlichkeit der Mathematik?” –
Wäre
Ist
für sie nicht ein gutes Beispiel die Unerbittlichkeit, mit der auf 1 2 folgt, auf 2 3, auf 3 4, u.s.w.? – Das heißt doch wohl: in der Kardinalzahlenreihe folgt, – denn in einer andern Reihe folgt ja etwas anderes? Und ist denn diese Reihe nicht eben durch diese Folge definiert? – “
Soll das also heißen,
Willst Du also sagen,
daß es gleich richtig ist
// wie immer //
wie
man zählt & das jeder zählen kann, wie er [W|w]ill?” – Wir
4
würden es wohl nicht “zählen” nennen, wenn
Jeder
Einer
irgendwie Ziffern nacheinander ausspricht; aber es ist freilich nicht einfach eine Frage der Benennung. Denn ˇdas, was wir “zählen” n[a|e]nnen, ist ja ein wichtiger Teil der
Tatigkeiten
Praxis
unseres Lebens. Das Zählen, & Rechnen, ist
doch
ja
, z.B., nicht einfach ein Zeitvertreib. Zählen ist (& das heißt: so zählen) ist eine Technik, die täglich
in
zu
den mannigfaltigstenfachsten Verrichtungen unseres Lebens verwendet wird. Und darum lernen wir [Z|z]ählen, so, wie wir esc tun lernen: ˇmit der unendlichen Mühe endlosem Üben, mit erbarmungsloser Genauigkeit, darum wird unerbittlich darauf gedrungen, daß wir Alle auf “eins” “zwei”, auf “zwei” “drei”, auf “drei” “vier” sagen, u.s.[w|f]..– “Aber ist dieses Zählen also nur ein Gebrauch; entspricht dieser Folge nicht auch eine Wahrheit?” Die Wahrheit ist, daß
dieses
das
Zählen sich sehr gut bewährt hat. – “Willst Du also sagen, daß “[W|w]ahr-sein” heißt: brauchbar (ˇoder nützlich) sein?” – Nein; So sondern, ich will sagen daß man von der natürlichen Zahlenreihe – ebenso wie von unserer Sprache – nicht sagen kann, sie sei wahr, sondern: sie sei brauchbar &, vor allem,
sie werde verwendet
gebraucht.

       “Aber folgt es nicht mit logischer Notwendigkeit, daß Du 2 erhälst, wenn Du zu
5
1 1 zählst & 3, wenn Du zu 2 1 zählst, u.s.f.[?|;] “ – & ist diese Unerbittlichkeit nicht dieselbe, wie die des logischen Schlusses?” – Doch ! [s|S]ie ist dieselbe. – “Aber entspricht denn der logische Schluß nicht einer Wahrheit? Ist es nicht wahr, daß das aus diesem folgt?” – Der Satz: ‘es ist wahr, daß das aus diesem folgt’, heißt einfach: das folgt aus diesem.[u|U]nd es handelt sich darum wie verwenden wir diesen Satz? – Was würde denn geschehen, wenn wir anders schlössen – wie würden wir mit der Wahrheit in Konflikt geraten?
     Da muß man sich klar machen, worin denn das Schließen ˇdenn eigentlich besteht. Man wird ˇetwa sagen, es besteht im Übergang von einer Behauptung zu einer
andern
weiteren
. Aber was heißt das? Heißt es, daß Schließen etwas ist, was stattfindet beim Übergang von der einen zur andern Behauptung, also ehe die andere ausgesprochen ist – oder heißt es, daß schließen darin besteht die eine Behauptung auf die andere folgen zu lassen, d.h., nach ihr auszusprechen? Wir stellen uns, verleitet durch die
besondere
eigentümliche
Verwendung des Verbums “schließen”, gern vor, das Schließen sei eine eigentümliche Tätigkeit, ˇein Vorgang,
6
im Medium des Verstandes, gleichsam ein Brauen der Nebel, aus welchem dann
die Folgerung
der Schluß
auftaucht. Sehen wir aber doch zu, was dabei geschieht! Einerseits gibt es da einen Übergang von einem Satz zum andern auf dem Weg über andere Sätze also durch eine Schlußkette, aber von diesem Übergang brauchen wir nicht zu reden, da er ja eine andere Art von Übergang voraussetzt, nämlich von einem Glied ˇder Kette zum nächsten. // , da er ja aus andern Übergängen zusammengesetzt ist, nämlich von einem Glied der Kette zum nächsten. // Und auch hier giebt es einen Vorgang, den man Übergang zwischen Gliedern nennen kann. An diesem Vorgang ist nun nichts okultes; es ist ein Ableiten des einen Satzzeichens aus dem andern nach einer Regel, ein Vergleichen der beiden mit irgend einem Paradigma das uns das Schema des Übergangs darstellt, oder dergleichen. Es kann auf dem Papier, mündlich, oder ‘im Kopf’ d.h. in der Vorstellung vor sich gehen. Der Schluß kann aber auch so gezogen werden, daß der eine Satz ohne einen Vorgang der Überleitung nach dem andern ausgesprochen wird; oder die Überleitung besteht nur aus dem in Aussprechen der in den Worten darin, daß wir sagen: “[a|A]lso:”, oder “Daraus folgt:”
7
oder
u.
dergl.. Man nennt es dann
“Schluß”
“schließen”
, wenn der gefolgerte Satz sich tatsächlich aus der Premisse ableiten läßt.
      Was heißt es nun[:|,] daß sich ein Satz aus einem andern, ˇvermittels einer Regel, ableiten läßt? Läßt sich nicht alles aus allem vermittels irgend einer Regel ableiten? – Was heißt es, wenn ich z.B. sage: diese Zahl läßt sich durch die Multiplikation jener beiden erhalten? Dies ist offenbar eine Regel, die sagt, daß Du diese Zahl erhalten mußt wenn anders Du richtig multiplizierst; & diese Regel können wir dadurch erhalten, daß wir die beiden Zahlen multiplizieren, oder auch auf andere Weise. ([O|o]bwohl man auch jeden Vorgang, der zu diesem [e|E]rgebnis führt, eine ‘Multiplikation’ nennen kann.). Man sagt nun ich habe multipliziert wenn ich z.B. die Multiplikation 165 × 363 ausgeführt habe, aber auch, wenn ich sage: “4 mal 2 ist 8”, obwohl hier kein Rechnungsvorgang zum Resultat 8 Produkt geführt hat, aber (das ich aber auch hätte ausrechnen konnen). Und so ich sagen wir auch es werde ein Schluß gezogen wo er nicht errechnet wird.
8
       Aber die Schlußregel muß doch so sein, daß wenn die Premisse wahr ist,, die Folgerung wahr sein muß. Wenn ich also die Premisse als wahr erkannt habe, so muß der Schluß ein solcher sein, daß seine eine Nicht-Übereinstim[|men]mung ˇdes Geschlossenen der Folgerung mit der Realität ausgeschlossen ist. – Und das ist nur dadurch möglich daß ich die Regel aufstelle: nichts als ein e ˇsolches Nicht-Übereinstimm[ung|en] ˇder Folgerung mit der Realität mit der Folgerung zu deuten gelten lasse anerkenne, wenn
die Realität
sie
mit den Premissen übereinstimmt.
       “Ich darf aber doch nur folgern, was wirklich folgt!” – Soll das heißen: nur das, was den Schlußregeln gemäß folgt, – oder soll es heißen: nur das,
was solchen Schlußregeln gemäß folgt,
was nach solchen Schlußregeln folgt,
die mit irgend einer Realität die irgendwie mit der ˇeiner Realität übereinstimmen? // die mit der
Realität
Wirklichkeit
ubereinstimmen? // Hier schwebt uns in vaguer [w|W]eise vor, daß diese Realität etwas sehr [a|A]bstraktes, sehr allgemeines & sehr hartes ist. Die Logik ist eine Art von Ultraphysik, die Beschreibung des ‘logischen Bau's’ der Welt, den wir durch eine Art Ultraerfahrung wahrnehmen (mit dem Verstande, etwa). Es schweben uns ˇhier vielleicht Schlüsse vor wie dieser: “Der Ofen raucht, also ist das
9
Ofenrohr wieder verlegt.” (Und so wird dieser Schluß gezogen! Nicht so: “Der Ofen raucht & wenn immer der Ofen raucht, ist das Rohr verlegt; also …”.)
      Das, was wir ‘logischer Schluß’ nennen ist nichts als eine Transformation des Ausdrucks. Die Umrechnung von einem Maß auf ein anderes. Auf der einen Kante eines Maßstabes sind Zoll aufgetragen, auf der andern cm.. Ich messe den Tisch in Zoll & gehe dann auf dem Maßstab zu cm über. – Oder so: [I|i]ch fülle ein Gefäß mit Wasser, dann leere ich das Wasser in ein
Meßglas
Standglas
(über) & endlich wäge ich dieses Wasser, um einen andern Ausdruck für den Inhalt des Gefäßes zu erhalten. Und freilich gibt es auch beim Übergang von einem Maß zum andern richtig & falsch; aber mit welcher Realität stimmt hier das Richtige überein? Wohl mit einer Abmachung, oder einem Gebrauch, & etwa mit de[m|n] praktischen Bedürfnissen.
      Wie würden wir mit der Wahrheit in Konflikt geraten, wenn unsere Zollstäbe aus weichem Gummi wären, statt aus Holz & St[ä|a]hl? “Nun, wir würden nicht das richtige Maß des Tisches kennenler-
10
nen.” – Du meinst wir würden nicht, oder nicht zuverläßig,
die Maßzahl
das Maß
erhalten, die wir mit unsern harten Maßstäben erhalten. Der wäre also im Unrecht, der den Tisch mit
dem dehnbaren
diesem weichen
Maßstab
gemessen hätte
mißt
& behauptet, er mäße nun 1 m 80 nach unsrer gewöhnlichen Meßart; sagt er aber bloß, der Tisch mißt 1 m 80 nach seiner Meßart, so stimmt das. – “Aber das ist dann doch überhaupt kein Messen!” – Gewiß, es ist nicht was wir ‘messen’ nennen; kann aber unter Umständen auch ‘praktische Zwecke’ erfüllen.
     Einen Maßstab, der sich bei der Erwärmung außerordentlich stark ausdehnte, würden wir – unter gewöhnlichen Umständen – un deshalb unbrauchbar nennen. Wir könnten uns aber Verhältnisse denken, in denen gerade dies äußerst das Erwünschte wäre. Ich stelle es mir so vor, daß wir die Ausdehnung mit freiem Auge wahrnehmen; & [k|K]örpern in Räumen von
ungleicher
verschiedener
Temperatur die gleiche Maßzahl der Länge beilegten wenn sie auf dem Maßstab der sich für's Auge bald länger, bald kürzer ist, gleich weit reichen.
11

     Man kann dann sagen: Was hier “messen” & “Länge” & “längengleich” heißt ist etwas Anderes, als was wir gewöhnlich so nennen. Der Gebrauch dieser Wörter ist hier ein anderer als der unsere; aber er ist mit ihm verwandt & auch wir gebrauchen diese Wörter auf viel[l|e]rlei Weise.
        Plinius sagte, es sei eine Eigenschaft der Zahlen, daß nach je zehn eine höhere Art beginne. (Die logische Struktur der Welt. –)
        “Aber muß denn nicht aus ‘(x).fx’ fa folgen, wenn (ξ) ∙ Φξ so gemeint ist, wie wir es meinen?” – Und wie äußert es sich: wie wir es meinen? Nicht durch die ständige Praxis seines Gebrauchs? & etwa noch durch gewisse Gesten – & was dem ähnlich ist. –– Es ist aber als hinge dem Wort “alle”, ˇwenn wir es sagen, noch etwas an, womit ein anderer Gebrauch unvereinbar wäre; nämlich, die Bedeutung.
        “‘Alle’ heißt doch: alle!” möchten wir sagen, wenn wir
sie
es
erklären sollen; & dabei machen wir eine gewiße Geste & Miene.
        Hacke alle diese Bäume um! ‒ ‒ Ja, verstehst Du nicht was ‘alle’ heißt? (Er hatte einen stehen gelassen.) Wie hat er gelernt, was ‘alle’ heißt? Doch wohl durch Übung. –
12

      Und freilich diese Übung hat nun nicht bewirkt, daß er auf den Befehl das tut, sondern sie hat das Wort mit einer Menge von Bildern & Reaktionen (visuellen & andern) u[n|m]geben,
von denen das eine oder das andere
deren dieses oder jenes
auftaucht, wenn wir das Wort hören
oder
&
aussprechen. (Und wenn wir uns Rechenschaft darüber geben
wollen
sollenc
, was die ‘Bedeutung’ des Wortes ist, greifen wir zuerst
ein
e
Bild aus dieser Masse heraus – & verwerfen es dann wieder als unwesentlich, wenn wir sehen, daß einmal dies, einmal jenes auftritt, & manchmal keines.)
       Man könnte sagen: Man lernt die Bedeutung von “alle”, indem man lernt, daß aus (x).fx fa folgt. – D.h., die Übungen die den Gebrauch dieses Wortes einüben, lehren,
gehen
laufen
immer darauf hinaus, daß keine Ausnahme gemacht werden darf. // , die den Gebrauch dieses Wortes einüben, – seine Bedeutung lehren

,
zielen immer dahin, daß eine Ausnahme nicht gemacht werden darf. //
        “Aus ‘alle’, wenn es so gemeint ist muß doch das folgen.” – Wenn es wie gemeint ist? Überlege es Dir, wie meinst Du es? Da schwebt Dir etwa noch ein Bild vor – & mehr hast Du nicht. – Nein, es muß
13
nicht, – aber es folgt: Wir vollziehen diesen Übergang.
      Und wir sagen: Wenn
das
es
nicht folgt, dann waren es eben nicht alle! – – und das zeigt nur, wie wir mit Worten in so einer Situation reagieren. –
      Wir könnten es auch so sagen: Es kommt uns vor, daß, wenn aus (x). fx nicht mehr fa folgen soll, sich außer dem Gebrauch des Wortes “alle” noch etwas anderes ˇsich geändert
haben muß
hat
, etwas, was dem Worte
selbst
unmittelbar
anhangt.
       Ist das nicht ähnlich, wie wenn man sagt: “Wenn dieser Mensch anders handelte, da müßte auch sein Charakter ein andrer sein.” Nu[m|n] das kann in manchen Fällen etwas heißen & in manchen nicht. Wir sagen: “aus dem Charakter fließt die Handlungsweise” & so fließt aus der Bedeutung der Gebrauch.
      Das zeigt Dir – könnte man sagen – wie fest verbunden gewisse Gesten, Bilder, Reaktionen mit einem ständig geübten Gebrauch
sind.
sein können.

      ‘Es drängt sich uns das Bild auf …’ Es ist sehr interessant, daß sich uns Bilder aufdrängen können.
    Wichtig ist, daß in unserer Sprache
14
– in unserer natürlichen Sprache – ‘alle’ ein Grundbegriff ist & ‘alle außer einem’ weniger fundamental; d.h., es gibt dafür nicht ein Wort auch nicht eine charakteristische Geste.
      
Der Witz
Der ganze Witz
des Wortes “alle” ist ja, daß es keine Ausnahme zuläßt. – Ja, das ist der Witz seiner Verwendung in unserer Sprache; aber welche Verwendungsarten wir als ‘Witz’ empfinden, das hängt damit zusammen, welche Rolle diese Verwendung in unserm ganzen Leben spielt.
      (Damit hängt diese Bemerkung zusammen: Wir möchten manchmal sagen: “Es muß doch einen Grund haben, warum auf dieses Thema – in einer Symphonie etwa – gerade das Thema folgt.” Als Grund würden wir eine gewisse Beziehung der beiden Themen, eine Verwand[t|s]chaft, einen Gegensatz oder dergleichen, anerkennen. – Aber wir können ja eine solche Beziehung konstruieren: sozusagen eine Operation, die das eine aus dem andern erzeugt; aber damit ist uns nur gedient, wenn diese Beziehung eine uns schon wohl bekannte ist. Es ist also als müßte die Folge dieser Themen einem in uns
15
schon vorhandenen Paradigma entsprechen.
     Von einem Gemälde, das zwei menschliche Figuren zeigt, könnte man ähnlich sagen: “Es muß einen Grund haben, warum gerade diese zwei Gesichter uns einen solchen Eindruck machen.” Wir möchten – heißt das – diesen Eindruck der beiden Gesichter wo anders wiederfinden
,
in einem andern Gebiet. – Aber ob er wiederzufinden ist?
      Man könnte auch fragen: Welche Zusammenstellung von Themen hat eine Pointe, welche keine? Oder: Warum hat diese Zusammenstellung eine Pointe & die keine? Das mag nicht leicht zu sagen sein! Oft können wir sagen: “Diese entspricht einer Geste, diese nicht.”)
   ⌊⌊[Zu Seite 22]⌋⌋
    Man ist sich oft im Unklaren darüber, worin denn das Folgen & Folgern besteht; was für ein Sachverhalt, oder Vorgang // Prozess // es ist. Diese Unklarheit zeigt sich
uns
sehr
lehrreich
deutlich
in Russell's Darstellung (in der ‘Principia Math.’ …) Daß ein Satz ⊢ q aus einem Satz ⊢ p ⊃ q ∙ p folgt, ist hier ein logisches Grundgesetz:
⊢ p ⊃ q ∙ p . ⊃ . ⊢ q.
Dieses berechtige uns nun, heißt es, ⊢ q aus ⊢ p ⊃ q ∙ p zu schließen.
Aber worin besteht
16
⌊⌊
[Zu Seite 22]
⌋⌋ denn ‘schließen’, diese
Prozedur
Tätigkeit
, zu der wir berechtigt werden? Doch darin, den einen Satz – in ˇirgend einem Sprachspiel – nach dem andern als Behauptung auszusprechen, & im oder anzuschreiben & dergl, & wie kann mich jenes Grundgesetz dazu berechtigen?
      Russell will doch sagen: “So werde ich schließen; & so ist es richtig.” Er will uns also einmal mitteilen, wie er schließen will: Ddas geschieht durch eine Regel des Schließens. Wie lautet sie? Daß dieser Satz jenen impliziert? Doch wohl, daß in diesem Buch ein den Beweisen dieses Buchs ein solcher Satz nach einem solchen
steht.
// stehen soll. //
geschrieben wird.
:
Aber
es soll ja ein logisches Grundgesetz sein, daß es richtig ist, so zu schließen! – Nun dann lautet Dann müßte das Grundgesetz lauten: “Es ist richtig von … auf … zu schließen”[. U|; u]nd dieses Grundgesetz sollte nun wohl einleuchten
– –
;
aber dann wird uns eben die Regel selbst als richtig, oder berechtigt, einleuchten. “Aber diese Regel handelt doch von Sätzen in einem Buch, oder dergleichen, & das gehört doch nicht in die Logik!” – Ganz richtig; die Regel ist wirklich nur
17
⌊⌊
[Zu Seite 22]
⌋⌋ eine Mitteilung, daß in diesem Buche nur dieser Übergang von einem Satz zum
andern
nächsten
gebraucht wird, denn die Richtigkeit des Übergangs muß (eben) an Ort & Stelle einleuchten; & der Ausdruck des ‘logischen Grundgesetzes’ ist dann die Folge der Sätze selbst.        Russell scheint mit jenem Grundgesetz von einem Satz ˇ⊢ q zu sagen: “Er folgt schon – ich brauche ihn nur noch zu folgern.” Ganz analog dem heißt es einmal bei Frege, die Gerade, welche je zwei Punkte verbindet, existiere schon sei eigentlich schon da, ehe wir
sie
wirklich eine Gerade
zögen. Und so ist es auch, wenn wir sagen, die Übergänge der Reihe + 2 etwa wären eigentlich bereits gemacht, ehe wir sie, mündlich oder schriftlich durch [s|S]prechen oder Schreiben machen, – gleichsam nachzögen.
       Einem, der dies sagt,
kann
könnte
man antworten: Du verwendest hier ein Bild: Man kann, was die Übergänge, die Einer in einer Reihe machen soll, dadurch bestimmen, daß man sie ihm vormacht. Indem man z.B. die Reihe, die er schreiben soll, in einer ˇetwas anderen Notation
hinschreibt
vorschreibt
, oder wirklich die
18
⌊⌊
[Zu Seite 22]
⌋⌋ daß er sie nur noch in seine Notation
übersetzen muß
zu übertragen hat
, oder indem man sie wirklich ganz dünn vorschreibt & er hat sie nachzuziehen. Im ersten Fall können wir auch sagen, wir schreiben nicht die Reihe an, die er zu schreiben hat, machen also die Übergänge ˇdieser Reihe selbst nicht; im zweiten Falle aber werden wir gewiß sagen, die Reihe, die er schreiben soll, sei schon vorhanden. Wir würden dies auch sagen wenn wir ihm, was er hinzuschreiben hat, diktieren, obwohl wir dann eine Reihe von Lauten ˇhervorbringen & er eine Reihe von Schriftzeichen. Es ist jedenfalls eine sichere Art die Übergänge, die Einer zu machen hat, zu bestimmen, sie ihm, in irgend einem Sinne, schon vorzumachen. – Wenn wir daher diese Übergänge in
einem ganz andern Sinne
einer ganz andern Weise
bestimmen, indem wir ihn nämlich ˇunsern Schüler // den Menschen // einer Abrichtung unterziehen, wie z.B. unsere Kinder sie im Einmaleins & im Multiplizieren erhalten, so nämlich, daß Alle, die so abgerichtet sind, nun beliebige Multiplikationen, die sie nicht schon in ihrer Lehrzeit gemacht haben, auf die gleiche Weise & mit übereinstimmenden Resultaten
19
⌊⌊
[Zu Seite 22]
⌋⌋ ausführen – wenn wir also die Übergänge, die Einer auf den Befehl + 2 zu machen hat durch Abrichtung so bestimm[e|t]n, daß wir mit Sicherheit voraussagen können, wie er gehen wird, auch wenn er diesen Übergang bis jetzt noch nie gemacht hat, – dann kann es uns natürlich sein, als Bild dieses Sachverhalthalts den zu gebrauchen
:
,
die Übergänge seien bereits alle gemacht,
er schriebe
wir schrieben
sie nur noch hin.

            “Wie weiß ich, daß ich im Verfolg der Reihe + 2 schreiben muß
200004, 200006
und nicht
                200004, 200008?” – Die Frage ist ähnlich der: wie weiß ich, daß diese Farbe ‘rot’ ist?
            “Aber Du weißt doch, daß Du immer die gleichen Zahlenfolge in den Einern schreiben mußt: 2, 4, 6, 8, 0, 2, 4, u.s.w.” – Ganz richtig! das Problem muß auch schon in dieser Zahlenfolge,
ja
also
auch schon in der
2, 2, 2, 2 u.s.w. ad inf.
auftreten. – Denn wie weiß ich, daß ich nach der 500sten 2 “2” schreiben soll? daß nämlich dann “2” ‘die gleiche Zahl’ ist!? Ja,
20
weiß ich es denn? Und wenn ich es zuvor weiß, was hilft mir dieses Wissen für später? Ich meine: wie weiß ich dann, wenn ich de[n|r] Schritt wirklich zu machen habe ist, was ich mit diesem Wissen anzufangen habe?
       Wenn [|zu]r Fortsetzung der Reihe + 1 eine Intuition nötig ist, dann auch zur Fortsetzung der Reihe + 0.

 

Editorial notes

1) Ms-117 begins with the last remark of Ms-142. Pages 1-75 contain numerous remarks from Ms-118; pages 75-96 contain numerous remarks from Ms-119.