Was ist nun an
dem Satz
der Behauptung
, das Lesen sei doch ‘ein ganz bestimmter Vorgang’. Das heißt doch wohl, beim Lesen finde immer ein bestimmter Vorgang statt, den wir wiedererkennen. – Aber wenn ich einmal einen Satz im Druck lese & ein andermal mich im Spiel (37) nach einem Satz bewege unter Benützung der Tabelle, – findet hier wirklich der gleiche seelische Vorgang statt? Dahingegen ist aber freilich eine Gleichförmigkeit im Erlebnis des Lesens einer Druckseite! Denn der Vorgang ist ja ein gleichförmiger. Und es ist ja
leicht verständlich
natürlich
, daß sich dieser Vorgang unterscheidet von dem ˇetwa, sich Wörter beim Anblick beliebiger Striche einfallen zu lassen. Denn schon der bloße Anblick einer gedruckten Zeile ist ja ungemein charakteristisch, d.h., ein ganz spezielles Bild: Die Buchstaben alle ungefähr von der gleichen Größe, unzählige immer wiederkehrend[.|;] Ddie Wörter, die sich zum großen Teil ständig wiederholen & uns unendlich wohlvertraut sind, ganz wie wohlvertraute Gesichter. – Denke an das Unbehagen, das wir empfinden, wenn die Rechtschreibung eines Wortes geändert wird[;| (]& an die noch tiefern Gefühle, die eine solche Änderung in andern Zeiten Fragen der Schreibung eines Wortes // von Wörtern // in manchen Menschen aufgeregt hat haben). Freilich, nicht jede Zeichenform hat sich uns tief eingeprägt. Ein Zeichen wie ‘~’ für die Verneinung kann, ohne in uns etwas aufzuregen, durch ein beliebiges andere ersetzt werden. – Bedenke, daß das
gesehene
geschriebene
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Wortbild uns in ähnlicher Weise vertraut ist wie das gehörte. – Auch gleitet der Bl[e|i]ck anders über die gedruckte Zeile, als über eine Reihe beliebiger [S|H]aken Striche (Ich rede ˇhier nicht von dem was durch Beobachtung der Augenbewegung festgestellt werden kann.)
Er
Der Blick
gleitet, möchte man sagen, besonders widerstandslos, ohne hängen zu bleiben,
& doch ohne zu rutschen.
& doch rutscht er nicht.
Und dabei geht ein Sprechen vor sich ohne Willensentschlüsse unwillkürliches Sprechen in der Vorstellung vor sich. Frage Dich ob Du Dir Und so verhält es sich, wenn ich Deutsch
und
oder
andere Sprachen lese, gedruckt oder geschrieben, & in verschiedenen Schriftarten. – Was aber von dem allen ist für das Lesen als solches wesentlich? Nicht ein Zug der in allen Fällen des Lesens vorkäme. ¥
Neue Zeile [S. 231]