Wann sagen wir denn: der Vollzylinder paßt in den Hohlzylinder? Da gibt es viele verschiedene Fälle; aber ein wichtiger ist der: wir stecken sie zusammen, probieren, ob sie passen. Passen sie dann, so sagen wir, sie passen; d.h., auch dann, wenn sie wieder getrennt sind – nämlich unter bestimmten Bedingungen.
     Probieren wir nun wieder, und sie passen nicht, – wann, sollen wir sagen, haben sie zu passen aufgehört. Diese Frage wird manchmal so beantwortet: der Zeitpunkt der Änderung sei der einer anderen Änderung (als wir den Zylinder erhitzten, da hat er aufgehört, zu passen). Wenn wir aber kein solches Kriterium für diesen Zeitpunkt haben; wenn wir – sozusagen – garnicht wissen, was in dem Intervall zwischen den Proben mit den Dingen geschieht?: passen sie nun dann, oder passen sie nicht?

   
     Man sagt: “Es ist schwer zu wissen, ob diese Medizin wirklich hilft, oder nicht, weil man nicht weiß, ob der Schnupfen länger gedauert hätte, oder ärger gewesen wäre, wenn man sie nicht genommen hätte.” Wenn man dafür wirklich keinen Anhaltspunkt hat, ist es dann bloß schwer zu wissen?
– 237 –
Denke, ich hätte eine Medizin erfunden; ich sage: diese Medizin, einige Monate hindurch genommen, verlängert das Leben jedes Menschen um einen Monat. Hätte er sie nicht genommen, so wäre er einen Monat früher gestorben. “Man kann nicht wissen, ob es wirklich die Medizin war; ob er nicht ohne sie ebenso lang gelebt hätte.” – Ist diese Ausdrucksweise nicht irreführend? Sollte es nicht besser heißen: “Es heißt nichts, von dieser Medizin zu sagen, sie verlängere das Leben; wenn eine Prüfung der Behauptung || des Satzes in dieser Weise ausgeschlossen wurde || ist.” Nämlich: wir haben hier zwar einen richtigen deutschen Satz nach Analogie oft gebrauchter Sätze gebildet, aber Du bist Dir nicht klar über den grundlegenden Unterschied in den Verwendungen dieser Sätze. Diese zu überblicken, ist nicht leicht. Der Satz liegt Dir vor Augen, aber nicht eine übersichtliche Darstellung der Verwendung.
     Mit “Es heißt nichts …” will ich also sagen || will also gesagt werden: dies sind Worte, die Dich irreführen, sie spiegeln einen Gebrauch vor, den sie nicht haben. Sie rufen wohl auch eine Vorstellung hervor (der Verlängerung des Lebens, etc.), aber das Spiel mit dem Satz ist so eingerichtet, daß es die wesentliche Pointe nicht hat, die dem Spiel mit ähnlich gebauten Sätzen seinen Nutzen gibt. (Wie der ‘Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel’ zwar aussieht wie ein Wettlauf, aber keiner ist.)

   
     Du mußt Dich fragen: was nimmt man als
– 238 –
Kriterium dafür, daß eine Medizin geholfen hat? Es gibt verschiedene Fälle. In welchen Fällen sagt man: “Es ist schwer zu sagen, ob sie geholfen hat”. In welchen Fällen ist die Redeweise als sinnlos zu verwerfen: “Man kann natürlich nie sicher sein, ob es die Medizin war, die geholfen hat”.

   
     Wann nennen wir zwei Körper gleich schwer? Wenn wir sie gewogen haben, oder nur während wir sie wägen?
     Wenn Wägen das einzige Kriterium für das Gewicht wäre, – wann hat nun ein Körper sein Gewicht geändert, wenn er bei einer Wägung mehr wiegt, als bei der vorhergehenden? Der Sprachgebrauch könnte so sein: der Körper hat das und das Gewicht, bis er beim Wägen ein anderes zeigt; auf die Frage: “wann hat er sein Gewicht geändert?” gibt man den Zeitpunkt dieser Wägung an. – Oder: man sagt: “Man kann nicht wissen, wann er sein Gewicht ändert, wir wissen nur: bei der ersten Wägung hatte er dieses, bei der zweiten jenes Gewicht.” – Oder: “Es ist sinnlos, zu fragen, wann er sein Gewicht geändert hat; man kann nur fragen, wann sich die Gewichtsänderung gezeigt hat”.

   
     “Aber der Körper hatte doch zu jeder Zeit irgend ein Gewicht, also war doch die Antwort die richtige: wir wüßten nicht, wann er es geändert habe.” – Und wie, wenn wir sagten, ein Körper habe gar kein Gewicht, außer dann,
– 239 –
wenn es sich irgendwie zeigt, oder, er habe kein bestimmtes Gewicht, außer, wenn es gemessen wird? Könnten wir nicht auch dieses Spiel spielen?
     Denke, wir verkaufen ein Material ‘nach dem Gewicht’ und das Herkommen ist so: Wir wägen das Material alle fünf Minuten und berechnen dann den Preis nach dem Resultat der letzten Wägung. Oder ein anderes Herkommen: Wir berechnen den Preis auf diese Weise nur, wenn das Gewicht bei der Wägung nach dem Kauf das gleiche ist, hat es sich dann geändert, so berechnen wir den Preis nach dem arithmetischen Mittel der beiden Gewichte. Welche Art der Preisbestimmung ist die richtigere? –
     (Wenn sich der Preis einer Ware von gestern auf heute geändert hat, wann hat er sich geändert? Wie hoch stand er um zwölf Uhr Mitternacht, als niemand kaufte?)
     Resultat: Die Verbindung der Ausdrücke: “der Körper hat jetzt das Gewicht …”, “der Körper wiegt jetzt ungefähr …”, “ich weiß nicht, wieviel er jetzt wiegt”, – mit den Ergebnissen der Wägung || mit dem Ergebnis einer Wägung ist keine ganz einfache, hängt von diversen Umständen ab, wir können mit der Wägung, und also mit diesen Sätzen, uns leicht verschiedene Spiele gespielt denken. || wir können uns leicht verschiedene Rollen denken, die die Wägung in den Verrichtungen des Lebens spielen könnte und also verschiedene Rollen für die Ausdrücke, die das Wägspiel begleiten.
     Und das Gleiche gilt von der Rolle des
– 240
Wortes “passen” in unsern Sprachspielen.

   
     Wir sagen: “es paßt, ich habe es probiert”, nicht nur: “es hat gepaßt, ich habe es probiert”. Und ebenso: “er wiegt 50 kg, ich habe ihn gewogen”, “er ist
– 244 –
1 m lang, ich habe ihn gemessen”, und auch: “ich kann es, ich habe es probiert.” Wir sagen: “der Schuh paßt”, auch wenn wir ihn nicht anhaben.

   
     Was für einen Sinn hätte es, anzunehmen, daß ein Stück Stahl, wann immer man seine Festigkeit gerade nicht prüft, || gerade auf keine Weise beansprucht, es seine Festigkeit verliert, oder sie sich ändert. Das hängt mit der Idee zusammen, daß die Körper um uns nur solange existieren, als sie wahrgenommen werden. Das ist wirklich: das Zifferblatt mit dem Zeiger kuppeln; denn hier kuppelt man in der Grammatik die Aussage eines Tatbestandes mit der Bedingung der Nichtkontrollierbarkeit. Man hat die Annahme dadurch zu einem leerlaufenden Rad der Sprache gemacht; und sie stört nun den Mechanismus der Sprache jedenfalls nicht.

   
     Hat es einen Sinn, zu fragen: “Hat dieses Stück Eisen nur dann diese Festigkeit, oder Elastizität, wenn sie geprüft wird, oder auch sonst?” Dies ist doch eine gut deutsche Frage! Und, daß wir empfinden: “das heißt ja nichts!” – weist uns darauf hin, den eigentlichen Gebrauch des Ausdrucks, “eine Festigkeit haben” aufzusuchen, seinen Zusammenhang mit den Erfahrungen, die uns die Festigkeit zeigen. (Von so einer Frage sagen wir: ‘sie treibe das Problem auf die Spitze’.)
– 245 –


   
     Vergleiche den ‘Zustand’, diese Festigkeit zu haben, mit dem ‘Zustand’, diese Farbe zu haben. Und wieder mit dem ‘Zustand’, diese Länge zu haben: a) die gesehene, b) die gemessene. – Und nun mit dem ‘Zustand’, einer bestimmten Fähigkeit: z.B., der Fähigkeit dieser Feder, diesen Druck auszuüben; meiner Fähigkeit, dies Gewicht zu stemmen; meiner Fähigkeit dies Gedicht aufzusagen; meiner Fähigkeit diese Reihe fortzusetzen.

   
     Unter welchen Umständen sagt man: “x ist in diesem Zustande”. D.h., wie, unter welchen Umständen, braucht man hier die Gegenwart des Verbums; unter welchen, die andern Zeitformen?
     Es gibt Umstände, unter denen man sagt: “ich kann es”, während man es nicht gerade tut. – Andere, unter denen man in so einem Fall sagt: “ich glaube, ich kann es”. Es gibt auch Fälle, in welchen man nur dann sagt: “ich kann es”, wenn man es gerade tut.

   
     Was sind unsere Kriterien dafür, ‘daß wir etwas können’? Daß wir es früher getan haben; daß wir etwas anderes (etwa ‘Schwereres’) früher getan haben; daß wir es jetzt tun; daß wir jetzt gerade etwas getan haben, was als Probe der Fähigkeit gilt. (Sich das Gedicht leise vorsagen, als Probe dafür, daß man es laut aufsagen kann.)