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Hat es einen Sinn zu sagen, zwei Menschen hätten denselben Körper? Welches wären die Erfahrungen, die wir mit diesem Satz beschrieben? Daß ich darauf komme, daß das, was ich meine Hand nenne und bewege, an dem Körper eines andern sitzt, ist natürlich denkbar, denn ich sehe während ich jetzt schreibe, die Verbindung meiner Hand mit meinem übrigen Körper nicht, und ich könnte wohl darauf kommen, daß sich die frühere Verbindung gelöst hat, und also auch, daß meine Hand jetzt an dem Arm eines andern sitzt. Angenommen, ich und mein Freund sitzen nebeneinander, ohne einander anzuschauen, ich schreibe, ohne meinen rechten Arm zu sehen. Plötzlich sehe ich mich um und werde gewahr, daß meine Hand an seinem Arm sitzt. Ich mache ihn darauf aufmerksam, und er sagt: “Ich habe gerade mit dieser Hand geschrieben, allerdings nicht auf sie geschaut, und habe nicht gewußt daß sie jetzt ausschaut wie deine und du ein Gefühl in ihr hast”.


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1)    Ich habe Schmerzen
      N. hat Schmerzen
Dagegen:
2)    Ich habe graue Haare
      N. hat graue Haare

   
     Die verschiedenen Schwierigkeiten und Konfusionen in Verbindung mit dem ersten Beispiel lassen sich zum größten Teil auf die Verwechslung der Fälle 1) und 2) zurückführen.

   
     Es hat Sinn zu sagen: “ich sehe seine Haare, aber nicht die meinen” oder “Ich sehe meine Hände täglich, aber nicht die seinen”, und dieser Satz ist analog dem: “Ich sehe meine Wohnung täglich, aber nicht die seine”. – Dagegen ist Unsinn: “Ich fühle meine Schmerzen, aber nicht die seinen.”

   
     Die Ausdrucksweise unserer Sprache in den Fällen 1 und 2 ist natürlich nicht “falsch”, aber sie ist irreführend.

   
     “Eine herrenlose Wohnung”. “Herrenlose Zahnschmerzen”.
     Es gibt Menschen, die Untersuchungen darüber anstellen, ob “es ungesehene Gesichtsbilder gibt”, und sie glauben, daß das eine Art wissenschaftlicher Untersuchung (über diese Phänomene) ist.

   
     “Wie ein Satz verifiziert wird, das sagt er”. Und nun sieh dir darauf hier die Sätze an: “Ich habe Schmerzen”, “N. hat Schmerzen”. Wenn nun aber ich der N. bin? Dann haben dennoch die beiden Sätze verschiedenen Sinn. ¤

   
     “Die Sache ist doch ganz einfach: ich spüre freilich seine Zahnschmerzen nicht, aber er spürt sie eben (und so sind alle Verhältnisse doch symmetrisch).” Aber dieser Satz ist eben Unsinn.
     Um nun die Asymmetrie der Erfahrung in bezug auf mich und den andern deutlich zum Ausdruck zu bringen, könnte ich eine asymmetrische Ausdrucksweise vorschlagen:

   
Alte Ausdrucksweise                     Neue Ausdrucksweise
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Alte Ausdrucksweise

L.W. hat Schmerzen
L.W. hat Schmerzen in seiner
     linken Hand
N. hat Schmerzen

N. heuchelt Schmerzen in seiner
     Hand

Ich bedaure N., weil er Schmerzen
     hat
Neue Ausdrucksweise

Es sind Schmerzen vorhanden
Es sind Schmerzen in der linken
     Hand des L.W.
N. benimmt sich wie L.W., wenn
     Schmerzen vorhanden sind.
N. heuchelt das Benehmen des L.W.,
     wenn Schmerzen in seiner Hand
     sind
Ich bedaure N., weil er sich benimmt wie L.W., wenn …





   
Da wir für jeden sinnvollen Ausdruck der alten Ausdrucksweise einen der neuen setzen, und für verschiedene alte verschiedene neue, so muß, was Eindeutigkeit und Verständlichkeit anlangt, die neue Ausdrucksweise der alten gleichwertig sein. – Aber könnte man denn nicht eine solche asymmetrische Ausdrucksweise ebenso gut für Sätze der Art “Ich habe graue Haare”, “N.hat graue Haare” konstruieren? Nein; man muß nämlich verstehen, daß der Name L.W. in den Sätzen der rechten Seite sinnvoll muß durch andere Namen ersetzt werden können. Und ist das nicht der Fall, dann braucht weder L.W. noch ein anderer Name in den Sätzen vorzukommen. Ersetzt man nämlich L.W. durch den Namen eines andern Menschen, so wird etwa gesagt, daß ich in der Hand eines andern Körpers als des meinigen Schmerzen empfinde. Es wäre z.B. denkbar, daß ich mit einem andern Körper wechsle, etwa aufwache, meinen alten Körper mir gegenüber auf dem Sessel sitzen sehe und, mich im Spiegel sehend, fände, daß ich das Gesicht und den Körper meines Freundes angenommen habe. Ich betrachte nun den Personennamen als Name des Körpers. Und es hat nun Sinn zu sagen: “Ich habe im Körper N. Zahnschmerzen” (in der unsymmetrischen Ausdrucksweise: “in einem Zahn des N. sind Schmerzen); aber es hat keinen Sinn zu sagen: “Ich habe auf dem Kopf des N. graue Haare”, außer das soll heißen: “N. hat graue Haare”.

   
     Aber ist die vorgeschlagene asymmetrische Ausdrucksweise richtig? Warum sage ich: “N. benimmt sich wie L.W. wenn …”? Wodurch ist denn L.W. charakterisiert? Doch durch die Formen etc. seines Körpers und durch dessen kontinuierliche Existenz im Raum. Sind aber diese Dinge für die Erfahrung der Schmerzen wesentlich? Könnte ich mir nicht folgende Erfahrung denken: Ich wache mit Schmerzen in der linken Hand auf und finde, daß sie ihre Gestalt geändert hat und jetzt so aussieht wie die Hand meines Freundes, während er meine Hand erhalten hat. Und worin besteht die Kontinuität meiner Existenz im Raum? Wenn mir jemand Verläßliches erzählt, er sei, während ich geschlafen habe, bei mir gesessen; plötzlich sei mein Körper verschwunden und sei plötzlich wiedererschienen – ist es unmöglich, das zu glauben? Und worin besteht etwa die Kontinuität meines Gedächtnisses? In welcher Zeit ist es kontinuierlich? Oder besteht die Kontinuität darin, daß im Gedächtnis keine Lücke ist, wie im Gesichtsfeld keine ist? (Denn überlege nur, wie wir den blinden Fleck merken!). Und was hätte diese Kontinuität mit der zu tun, die für den Gebrauch des Personennamens L.W. von Bedeutung ist? Die Erfahrung der Zahnschmerzen läßt sich in ganz anderer Umgebung als der von uns gewöhnten denken. (Denken wir doch nur, daß man tatsächlich Schmerzen in der Hand haben kann, obwohl es diese im physikalischen Sinne gar nicht mehr gibt, weil sie einem amputiert worden ist!) In diesem Sinne könnte man Zahnschmerzen ohne Zahn, Kopfschmerzen ohne Kopf etc. haben. Wir machen eben hier einfach eine Unterscheidung wie in die zwischen Gesichtsraum und physikalischem Raum oder Gedächtniszeit und physikalischer Zeit.
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     Danach nun ist es unrichtig, die Ausdrucksweise einzuführen: “N. benimmt sich wie L.W., wenn …” Man könnte vielleicht sagen: “N. benimmt sich wie der Mensch, in dessen Hand Schmerzen sind.” Warum sollte man aber überhaupt die Erfahrung der Schmerzen zur Beschreibung des bewußten Benehmens heranziehen? – Wir wollen doch einfach zwei verschiedene Erfahrungsgebiete trennen, wie wenn wir Tasterfahrung und Gesichtserfahrung an einem Körper trennen. Und verschiedener kann nichts sein als die Schmerzerfahrung und die Erfahrung, einen menschlichen Körper sich winden zu sehen, Laute auszustoßen zu hören, etc. Und zwar besteht hier kein Unterschied zwischen meinem Körper und dem des andern, denn es gibt auch die Erfahrung, die Bewegungen des eigenen Körpers zu sehen und die von ihm ausgestoßenen Laute zu hören.

   
     Denken wir uns, unser Körper würde aus unserem Gesichtsfeld entfernt, etwa indem man ihn gänzlich durchsichtig machte; er behielte aber die Fähigkeit, in einem geeigneten Spiegel in der uns gewohnten Weise zu erscheinen, so daß wir etwa die sichtbaren Äußerungen unserer Zahnschmerzen wesentlich wie die eines fremden Körpers wahrnehmen. Das ergäbe auch eine ganz andere Koordination zwischen sehendem Auge und Gesichtsraum als die uns selbstverständlich erscheinende alltägliche. (Denke an das Zeichnen eines Vierecks mit seinen Diagonalen im Spiegel.) Wenn wir uns aber so die Möglichkeit denken können, daß wir unsern sichtbaren Körper nur als Bild in einem Spiegel kennten, so ist es nun auch denkbar, daß dieser Spiegel wegfiele und wir ihn nicht anders sähen als irgendeinen andern menschlichen Körper. Wodurch wäre er dann aber als mein Körper charakterisiert? Nur dadurch, daß ich z.B. die Berührung dieses Körpers fühlen würde, nicht aber die eines andern etc.. So ist es auch nicht mehr wesentlich, daß der Mund unterhalb des sehenden Auges meine Worte spricht (und das ist von großer Wichtigkeit). Auch wenn ich meinen Körper sehe wie ich ihn jetzt sehe, d.h. von seinen Augen aus, ist es denkbar, daß ich mit andern den Körper tausche. Die Erfahrung bestünde einfach in dem, was man als eine sprunghafte Änderung meines Körpers und seiner Umgebung beschreiben würde. Ich würde einmal die Körper A, B, C, D von E aus und E
von den Augen dieses Körpers aus sehen, und plötzlich etwa C, D, E, A von B aus, und B aus dessen Augen
etc. Noch einfacher aber wird die Sache, wenn ich
alle Körper, meinen sowie die fremden, überhaupt nicht
aus Augen sehe, und sie also, was ihre visuelle Erscheinung betrifft, alle auf gleicher Stufe stehen.
Dann ist es klar, was es heißt, daß ich im Zahn des andern Schmerzen haben kann, wenn ich dann überhaupt noch bei der Bezeichnung bleiben will, die einen Körper “meinen” nennt, und also einen andern den “eines andern”. Denn es ist nun vielleicht praktischer, die Körper nur mit Eigennamen zu bezeichnen.

   
     Es gibt also jetzt eine Erfahrung, die der Schmerzen in einem Zahn eines der existierenden menschlichen Körper; das ist nicht die, welche ich in der gewöhnlichen Ausdrucksweise mit den Worten “A hat Zahnschmerzen” beschriebe, sondern mit den Worten: “Ich habe in einem Zahn des A Schmerzen”. Und es gibt die andere Erfahrung, einen Körper, sei es meiner oder ein anderer, sich winden zu sehen. Denn, vergessen wir nicht: die Zahnschmerzen haben zwar einen Ort in einem Raum, indem man z.B. sagen kann, sie wandern oder seien an zwei Orten zugleich etc., aber ihr Raum ist nicht der visuelle oder der physikalische.

   
     Und nun haben wir zwar eine neue Ausdrucksweise, sie ist aber nicht mehr asymmetrisch. Sie bevorzugt nicht einen Körper, einen Menschen,
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zum Nachteil der andern, ist also nicht solipsistisch. – So ist alle Erfahrung ohne Ansehen der Person verteilt.

   
     Aber wir teilen anders. Es werden die Dinge in unserer Betrachtungsweise anders zusammengefaßt. Wie wenn man einmal die Zeit zum Raum rechnet, einmal nicht, oder wie wenn man einen Wald als Holzblock mit Löchern ansähe; oder die Bahn des Mondes um die Sonne einmal als Kreisbahn um die Erde, die sich verschiebt, ein andermal als Wellenlinie, die um die Sonne läuft. Wäre die Erde etwa nicht sichtbar, so könnte es eine merkwürdige neue Betrachtungsweise sein, die Wellenbewegung um die Sonne als Kreisbahn um ein kreisendes Zentrum aufzufassen. – Man könnte auf diese Weise gewisse Vorurteile zerstören, die auf die besondere uns geläufige Betrachtungsart aufgebaut waren. – Sehr klar wird der Charakter der andern Betrachtungsweise, wenn man an die analoge Veränderung der Grenzen durch die Einführung des Begriffs der Gedächtniszeit denkt. Es ist ganz ähnlich der veränderten Betrachtung der Mondbewegung. Eine Grenze, die früher mit anderen in der Zeichnung zusammenlief, wird plötzlich stark ausgezogen und hervorgehoben.