Ich denke hier an folgende
Tatsachen: daß wir mit den Augen
sehen, mit den Ohren hören; daß meine
Hand heute ungefähr so aussieht wie sie gestern ausgesehen
hat; daß es nie vorgekommen ist,
daß ich beim Erwachen an meinem Arm
eine Hand sitzen sah, die ich als die meines Freundes erkannte, und
an seinem Arm die meinige; daß eine
gewisse Erfahrung, die ich das Muskelgefühl beim Biegen
eines meiner Finger nenne, nie
regelmäßig mit dem Biegen des
Fingers eines andern als meines Körpers zusammentraf; und
dergleichen mehr. |
Es ist überflüssig zu sagen: es
beschäftigen uns nicht Probleme über den
Zahnschmerz. Solche wären etwa Probleme der
Zahnheilkunde oder der Psychologie. Und ferner ist uns
der Gebrauch des Wortes “Zahnschmerz” in keiner
Weise problematisch, so lange wir dieses Wort praktisch
verwenden. Die Schwierigkeit tritt erst ein, wenn
wir den Gebrauch des Wortes von außen
betrachten. Plötzlich, wenn wir von Zahnschmerzen
reden, scheint ein Problem da zu sein; und es ist uns, als
wären wir früher, im praktischen Leben, achtlos an
einer Schwierigkeit vorbeigegangen,
die sich uns nun zeigt. Das Problem scheint
gewissermaßen ein wissenschaftliches zu
– 2 – sein; es
betrifft, möchte man sagen, das Wesen des
Schmerzes. |
Die Philosophie betrachtet den
Zahnschmerz, und das Problem ist da. Es ist als
würde sie den Gegenstand, etwa die Tür, durch ein
lichtbrechendes Medium betrachten, und sie erschiene uns nun
geknickt, während wir doch nach wie vor durch sie
aus- und eingehen können. So
entsteht die typische Frage:
“Wie ist … überhaupt
möglich?” So fragen wir nur, wenn uns die
Tatsachen wundern, wenn uns etwas an ihnen eigentlich
ungereimt erscheint. Es sind verschiedene
Ausdrucksweisen der Sprache, die wie Medien mit verschiedenen
Brechungskoeffizienten wirken und den Gegenstand geknickt
erscheinen lassen, wenn ich ihn zur Hälfte durch die eine, zur
Hälfte durch die andere darstelle. |
Es kann das Problem
bestehen, ob ein Mensch A Zahnschmerzen habe oder
nicht. Es mag schwer sein, das festzustellen.
Wir sagen in gewissen Fällen: ich vermute,
daß er Zahnschmerzen hat; in andern:
ich weiß gewiß,
er hat Zahnschmerzen. Nun wieder sagt man
andererseits: “Ich kann nie wissen,
ob der andere Zahnschmerzen hat, ich kann es nur
vermuten.” Das, was uns dazu treibt, dies
zu sagen, ist das Bedürfnis, einen Unterschied zu betonen
zwischen der Grammatik des Satzes “Ich habe
Zahnschmerzen” und der Grammatik des Satzes:
“Der andere hat Zahnschmerzen”. Die
Art und Weise, wie ich das tue, ist irreführend, denn sie
läßt es erscheinen, als wollte ich
sagen, ich könne das (logisch erreichbare) Ideal des
Wissens in dem einen Fall nicht erreichen, während gesagt
werden soll: Ich wünsche das Wort
“Wissen” aus diesem Zusammenhang
auszuschließen.
So angewendet, ist Wissen dann kein Grenzwert des
Vermutens. Und diese Regel über den Gebrauch der
Worte Wissen und Vermuten sagt natürlich auch nicht,
daß ich im Irrtum war, als ich
sagte: “Ich weiß,
daß er Zahnschmerzen hat”, im
Gegensatz zu dem Fall, in dem ich es nur vermutete. Ja,
die neue Redeweise wird uns ein Mittel an die Hand geben
müssen, eben diesen Gegensatz
auszudrücken. |
Wir
sagen also irreführend: “Ob der andere
Zahnschmerzen hat, kann ich nicht wissen, sondern nur
vermuten”; aber da meldet sich die Frage: Wie
ist es auch nur möglich, das zu vermuten, wenn ich es nicht
wissen kann? – 3
– Ist, daß der
andere Zahnschmerzen hat, dann nicht jedenfalls eine ganz
überflüssige Annahme? Soll ich nicht einfach
sagen: “Nur ich habe Zahnschmerzen, der
andere nicht; er benimmt sich nur so wie ich, wenn ich
Zahnschmerzen habe”? Wer das sagt, kann freilich
nicht umhin, sich ein wenig vor den andern zu schämen.
Er möchte dann sagen: “Es ist
zwar wahr, aber man kann es nicht sagen, weil es die andern
natürlich nicht gelten lassen.” Und man
hält ihm den gesunden Menschenverstand vor, welcher sagt,
daß die andern doch Zahnschmerzen haben
können, auch wenn er sie nicht fühlt; und
daß dies doch leicht denkbar sei, da die
andern dann eben das hätten, was er habe, wenn er
Zahnschmerzen hat. Und nun scheint es ihm
beinahe, als ob alles klar wäre und es gar keine
Schwierigkeit gäbe. |
Die Schwierigkeit aber besteht doch. Denn das Vorbild,
welches uns vorschwebt, wenn wir etwa sagen:
“Er hat jetzt
das, was ich früher hatte” oder “warum
soll er nicht haben können, was ich habe?” ist
der Gebrauch des Wortes “haben” in Sätzen
wie “er hat jetzt die Uhr, die ich früher
hatte”; “er hat schlechte Zähne, und ich
habe schlechte Zähne”; “er hat
weiße Haare und ich habe
weiße Haare”. In ganz
demselben Sinne kann man sagen, daß meine
rechte Hand jetzt etwas habe, was dann meine linke hat
(etwa eine Krankheit), daß dieser
und jener Zahn in meinem Munde eine Plombe habe, und auch,
daß dieser und jener Zahn in meinem Munde
Schmerzen habe. Und sage ich nun in diesem
Sinne, der andere habe was ich hatte, so führt uns dieser
Übergang nicht von meinen Zahnschmerzen zu
seinen Zahnschmerzen, sondern (wie ich jetzt sagen
müßte) von meinen Zahnschmerzen in
meinem Munde zu meinen Zahnschmerzen in seinem Munde. |
“Jeder Mensch
fühlt nur seinen eigenen Schmerz, nicht den des
andern”. Wenn wir das sagen, wollen wir nicht die
bisherige Erfahrung zusammenfassen. Wollten wir es, so
müßte der Gebrauch des
Ausdruckes ¤“A fühlt den Schmerz
des B” erst näher bestimmt werden; es
müßten uns etwa Erfahrungen
beschrieben werden, welche als Kriterien dafür zu gelten
haben. In Wirklichkeit aber will man sagen, es sei logisch
unmöglich, daß – 4 – A den Schmerz des
B fühle. Man trifft also damit eine Bestimmung
über den Gebrauch der Sprache, und es sollte
eigentlich heißen: es ist sinnlos,
zu sagen, “A fühlt den Schmerz des
B”. Dann aber ist es auch sinnlos zu
sagen: “A fühlt seinen eigenen
Schmerz”. Analog verhält es sich mit dem
Ausdruck: “Meine Schmerzen erkenne ich direkt,
die der andern indirekt”. Ich kann freilich die
Worte direkt und indirekt für die eigenen Schmerzen und die
der andern reservieren, aber die Worte “Ich”
(bzw. “mein”) und “direkt” bilden dann eine
sprachliche Einheit, sie sind nicht trennbar, sie sind gleichsam
korrelativ; und ebenso “der andere” und
indirekt”. Die Regel sagt dann gleichsam, es
schicke sich, im Falle des eigenen Schmerzes von
“direkt” usw. zu reden.
|
Diese Verdoppelung der
Unterscheidungen ist also nicht nötig, und das
weist uns darauf hin, daß wir
statt der ersten auch die zweite allein anwenden
können, also statt von meinen Schmerzen und Schmerzen des
Andern von direkten und indirekten
Schmerzen reden können. |
Daß wir sagen
“Ich fühle meine Schmerzen direkt, die
des andern erfahre ich nur indirekt”, kann uns als ein
Anzeichen dafür gelten, daß wir
geneigt sind, hier die besitzanzeigende Redeweise aufzugeben.
Jener verschleierte grammatische Satz führt eigentlich
eine neue Redeweise ein. Er ist es aber, der scheinbar
die metaphysische Ausnahmestellung des
Ich ausspricht, (im Gegensatz zu einer
erfahrungsmäßigen
Ausnahmestellung eines menschlichen
Körpers), während es eine solche
Ausnahmestellung weder in der einen noch in
der anderen Redeweise hat, die der Satz verwendet.
Wir können kaum umhin, hier zu glauben, es
läge etwas beinahe Geheimnisvolles in dem Ich und dem
Er, und dem Verhältnis meines Gefühls zu seinem;
als sei hier etwas schwer Faßbares
vorhanden, etwas, das sich gegen das Erfassen
durch unsern Geist sträubt. Wir scheinen einen
Widerstand überwinden zu müssen, während
er durch die richtige Einstellung unserer Sprache
verschwindet. (Eine Tür, die schwer zu öffnen
ist, nämlich nur durch Anwendung
großer Kraft, und andererseits eine
Kassentür mit
Geheimschloß.) – 5 – |
(Wenn der Ort meiner Schmerzen der Zahn eines
andern wäre, so könnte ich eigentlich sehr wohl
sagen: ich fühle die Schmerzen des andern.
Aber dies will man nicht, man will vielmehr
sagen: Unsinn, ich kann immer nur meine Schmerzen
fühlen, und wäre es auch im Zahn des andern.
Hierdurch zeigt man, daß man Ort und
Besitzer der Schmerzen voneinander unterscheiden
möchte. Obgleich der Ort (der
“Träger”) der Schmerzen ein anderer
Körper ist, soll ich doch ihr Besitzer bleiben, es soll
unsinnig sein zu sagen “ich fühle die
Schmerzen eines andern”. Dann ist es aber auch
unsinnig zu sagen: “Ich kann nur
meine Schmerzen fühlen”; denn dies wäre
nur sinnvoll zusagen, wenn es eben logisch auch anders sein
könnte (wenn jenes “kann nicht” nur eine
empirische Unmöglichkeit wäre). Wenn es also
unsinnig ist zu sagen: “Die Schmerzen eines
andern kann ich nicht fühlen”, wenn also Schmerz und
Besitzer wesensmäßig zusammenfallen,
nicht trennbar sind, dann hat es überhaupt keinen Sinn, von
einem Besitzer des Schmerzes zu sprechen. Dies
hätte nur Sinn, wenn der Schmerz seinen Besitzer wechseln
könnte.) |
Der Satz “Ich nehme meine
Zahnschmerzen direkt wahr, die des andern indirekt”
trägt unabweislich den Schein einer gegenständlichen
Aussage an sich, und baut doch erst eine Ausdrucksweise
auf. Mit ihm kann die Wirklichkeit gar nicht
übereinstimmen oder nicht übereinstimmen. Er kann
also das Ich auch nicht in Gegensatz stellen zum Andern, er
kann ihm gar keine Ausnahmestellung
geben. |
Räumen
wir der Länge der menschlichen Elle dadurch eine
Ausnahmestellung ein,
daß wir sie als Längeneinheit
festsetzen? Ja und Nein. |
Wenn man sagt: “den
Schmerz des andern kann ich nicht fühlen, sondern nur meinen
eigenen”, so könnte man die darin ausgesprochene
Auffassung auch so ausdrücken:
Mein Schmerz unterscheide sich von seinem
nicht durch die Lage. Ich kann nach dieser
Auffassung sagen: “Ich habe Schmerzen in der
Hand des andern, des A. des B, des C
etc.” Nenne ich also
Menschenleiber A, B, C, so ist der Besitzer des Schmerzes
dadurch nicht angegeben, – 6
– daß ich sage, der
Schmerz sei in der Hand des Leibes A. Zum
mindesten soll es von meinem Schmerz gelten,
daß er nicht durch die Lage in
einem bestimmten menschlichen Körper als der meinige
charakterisiert ist. |
Wenn ich frage, was ihn als solchen charakterisiert, so wird
zunächst geantwortet, daß
“ich ihn direkt empfinde”. Aber wie
wäre es denn, wenn ich ihn indirekt empfände?
Soll diese Redeweise keinen Sinn
haben? Dann kann ich das Wort “ich”
im vorigen Satze auslassen und sagen, mein Schmerz
sei dadurch charakterisiert, daß er direkt
empfunden werde (“es
denkt”). Meiner ist also der, welcher direkt
empfunden wird, und daß ein anderer
Schmerzen hat, weiß ich nur indirekt aus
seinen
Äußerungen.
|
Aber dies ist eine
Festsetzung. Denn wir reden davon, jene
Äußerungen seien
Anzeichen des Schmerzes, und das klingt so, als hätten wir der
indirekten Kenntnis des Schmerzes des andern eine direkte Kenntnis
des Schmerzes des andern entgegengesetzt. Wir
können davon reden, wir wüßten
di || rekt, daß
ein Mensch im Nebenzimmer sei, wenn wir ihn dort durch die Tür
sehen; indirekt, wenn wir in bloß sprechen
hören. Es kann uns dann z.B.
der gehörte Satz || das Gehörte dazu
führen, daß wir die Tür
öffnen und ihn nun direkt im andern Zimmer
sehen. |
Wir sind nun
versucht anzunehmen, daß die Grammatik
dieses Falles auch die des vorigen Falles ist.
Unsere Ausdrucksweise läßt es so
erscheinen, als könnten wir nicht dazu gelangen, den Schmerz des
andern direkt wahrzunehmen, in dem Sinne, in welchem wir nicht in
das Zimmer des andern gelangen können, wenn die Tür
versperrt ist, – während wir ja
festgesetzt
haben, gewisse Phänomene “Anzeichen des
Schmerzes des andern” zu nennen und dem Wahrnehmen
der Anzeichen kein Wahrnehmen des Schmerzes des andern
entgegengesetzt haben. |
Alle
Mißverständnisse in diesem Gebiete
entspringen dadurch, daß wir hier
“direkt” und “indirekt” nicht als
mögliche Argumente der gleichen Funktion gebrauchen, also gar
nicht als Gegensätze. |
Wer sagt: “Zwei Menschen können
nicht denselben (identischen) Schmerz empfinden”,
den kann man fragen: “Wie ist es etwa im Falle
der siamesischen – 7
– Zwillinge? Diese
könnten Schmerz an einer Stelle ihres Doppelkörpers
empfinden. War das nun ein Schmerz, oder waren es zwei
Schmerzen, und welcher Art ist die Untersuchung, ob es das eine
oder das andere war? Ich nehme hier an,
daß die Aussagen “Jeder der beiden
hat einen andern Schmerz” und “die beiden haben
denselben Schmerz” entgegengesetzte Aussagen sein
sollen. Wenn also die eine zutrifft, so
muß die andre falsch sein, nicht
sinnlos. Es müßte also
Kriterien in der Erfahrung geben, nach welchen ich einmal das
eine, einmal das andere sagen würde (so ein Kriterium der
ersten Aussage könnte es z.B. sein,
daß der eine sagt, er habe einen
stechenden Schmerz, der andere, er fühle einen schmerzenden
Druck). Aber diese Art
Fall ist es ja gar nicht, die ich betrachten wollte. Ich
wollte ja eine metaphysische Entscheidung treffen, ich wollte gar
nicht zwei Erfahrungen voneinander unterscheiden. – Nun, dann brauche ich auch keine Redeweise,
welche sich wie eine Entscheidung zwischen zwei
gegensätzlichen Aussagen anhört.
Nehmen wir nämlich an, ich sagte “Jeder der beiden
hat seinen eigenen Schmerz, auch wenn sich die beiden Schmerzen
weder durch ihre Stärke noch durch ihre Lage
usw. unterscheiden”, so ist dem kein Fall
entgegengesetzt, in welchem die beiden einen Schmerz gemeinsam haben,
und also ist in dem Satze “A hat seinen
Schmerz” das Wort “seinen”
überflüssig. |
Denken wir uns folgenden Fall:
In einer Gesellschaft von Menschen sei der eine A
besonders geschickt darin, Tongefäße zu
machen; die andern können das nicht, können aber welche
zeichnen. Durch diese Umstände hat sich eine
Redeweise eingebürgert, nach welcher man mit
“Gefäß des A”
das meint, was wir unter
“Gefäß” verstehen;
unter “Gefäß des B, C, D
usw.” versteht man Zeichnungen von
Gefäßen, welche die Leute B, C, D
usw. angefertigt haben. Ich nehme an,
es gebe auch einen bestimmten Ausdruck für die Zeichnung eines
Gefäßes, welches A angefertigt
hat. |
Es braucht nicht
erklärt zu werden, in wie fern die
beschriebene Ausdrucksweise irreführend sein kann.
Aber könnte man sie falsch nennen?
Gewiß nicht! Man kann ihr zum
Vorwurf machen, daß sie
Ungleichartiges – 8
– zusammenfasse – aber warum soll sie
das nicht tun? Nehmen wir an,
daß in der oben geschilderten Sprache die
Ausdrücke “Werkzeug des A”,
“Werkzeug des B” usw. das
bedeuten, was wir für gewöhnlich darunter verstehen
würden, dann wird die Ausdrucksweise
“Gefäß des A”
usw. ganz besonders irreführend sein.
Man wird nun in verschiedenen Fällen sagen können, man
spreche von einem Gefäß des A
im Gegensatz zu einem Gefäß des B
(wenn auch dieser Gegensatz von ganz anderer Art ist als der
zwischen einem Werkzeug des A und einem Werkzeug des
B). Wie aber, wenn ich etwa sagte:
“Dieses Gefäß des
A ist aus Ton gemacht”? Kann ich hier
sagen, ich habe von einem
Gefäß des A im Gegensatz zu
einem Gefäß des B
gesprochen? Nein, denn der Ausdruck
“Gefäß des B”
ergäbe statt des andern gesetzt hier keinen Sinn. |
Dieses Beispiel zeigt den Fall
einer gleichsam unsymmetrischen Anwendung des Possessivums, und es
ist leicht, aus ihr die verschiedenen philosophischen
Mißverständnisse zu entwickeln, die in
den ähnlichen Fällen unserer Sprache wirklich aufgetreten
sind. In einem Fall, in welchem das
Subjekt Ich keinem andern
entgegengesetzt wird – dadurch nämlich,
daß die Grammatik der übrigen
Satzglieder dafür sorgt, daß das Wort
Ich durch keinen seiner gewöhnlichen Gegensätze
sinnvoll ersetzt werden kann – in einem ¤ solchen Falle wird
der Gebrauch des Wortes Ich obsolet. |
Kann eine Maschine denken? Wir rufen uns in Erinnerung, daß das Denken nicht notwendig eine Folge oder Reihe von Vorstellungen ist (ich meine, von Phantasievorstellungen). Das Denken kann ebenso wohl im Schreiben, Lesen, Zeichnen, Rechnen bestehen. Nun, dann kann eine Maschine denken, wenn sie z.B. schreiben oder zeichnen kann. |
Das
befriedigt uns aber vielleicht nicht, und wir sagen:
“Aber die Maschine weiß
doch nichts davon, daß sie schreibt.
Unter “Denken verstehen wir ja die persönliche
Erfahrung des Schreibens, Lesens
usw., und die hat die Maschine
nicht”. Wenn wir das sagen, dann ist das genaue
Analogon – 9
– zu unserer ersten Frage die:
“kann eine Maschine Schmerzen haben?”
Nun, kann ein menschlicher Körper Schmerzen
haben? Soweit man das eine
sagen kann, kann man auch das andere sagen. Nun
möchte man sagen: “Aber der Körper
kann ja auch nicht Schmerzen haben!” Insofern
aber der Körper nicht der Träger oder Besitzer des
Schmerzes ist, hat der Schmerz keinen Besitzer. Man
wendet ein; || : “Aber ich habe
doch Schmerzen, nicht mein Körper, denn ich könnte
Schmerzen haben auch ohne Körper (in der amputierten Hand),
und könnte auch meinen Körper wechseln.”
Aber warum nenne ich ihn dann meinen Körper? im
Gegensatz wozu? Hier verweise ich auf die
vorhergegangene Untersuchung. |
Der Ausdruck “rot und grün zugleich an
demselben Ort” ist nach
verschiedenen Analogien gebildet. |
Bedenken wir zuerst, daß der
Sinn des Satzes nicht als ein ätherisches Wesen über ihm
ist, sondern in den grammatischen Bestimmungen über seine
Teile liegt. Das erklärt, wie ein Satz
“sinnvoll klingen” kann: er hat den
altgewohnten Satzklang, besteht aus altgewohnten
Wortverbindungen. |
Sehen wir uns die Analogien an, nach denen der Satz
“grün und rot ist hier zu gleicher Zeit”
gebaut ist. Eine von ihnen ist z.B.
“Dieses Papier ist grün und
rund”. Bedenken wir hier die Vielfältigkeit
der Grammatik von Subjekt und Prädikat. Denken wir,
einer würde auf den Satz “Dieses Papier ist
grün und rund” antworten: “Hier ist
grün (indem er mit dem Finger auf die Mitte des Papiers
zeigt), aber hier ist doch nicht rund! Es ist also
nicht dort grün, wo es rund ist.” |
Kann man dem Satz
“Dieser Fleck ist zugleich rot und grün”
Sinn geben? Gewiß!
z.B. den des Satzes: dieser Fleck ist
teils rot teils grün. Aber wenn wir dem Satz diesen
Sinn geben, sind wir da nicht von der Norm der Sinngebung solcher
Sätze abgewichen? Das
heißt, haben wir ihm – 10 – nicht einen disparaten
Sinn gegeben? Haben wir den nicht
gleichsam betrogen, dem wir sagten, jener
Satz könne sehr wohl einen Sinn haben, nämlich eben den
angegebenen? Das heißt
eigentlich: sind wir wirklich den Analogien gefolgt, von
denen wir uns bei der Sinngebung hätten leiten lassen
sollen? |
Denken wir
an folgenden Fall. Wir erklären jemand, was ein
regelmäßiges in einen Kreis
eingeschriebenes Viereck ist; dann ein Dreieck und ein
Zweieck. Nun verlangen wir von ihm,
daß er nach Analogie ein
regelmäßiges Eineck zeichne, oder
wir sagen, er könne es nicht tun. Wenn er
nun aber einen Punkt auf eine Kreislinie zeichnet
und sagt, das sei das regelmäßige
Eineck? Wie können wir ihm vorwerfen, er habe es
nicht richtig nach Analogie gezeichnet? Nun, es hat ja
keine Ausdehnung, und die vorigen Vielecke hatten
Ausdehnung. Aber woher nahmen wir denn den Begriff der
Ausdehnung? Doch eben von jenen Vielecken, und wir
wollten ja gerade nicht, daß er eines von
diesen zeichnet. Wir selbst setzten eben als Reihe von
analogen Bildungen eine fest, welche mit dem
regelmäßigen Zweieck anfing,
vielleicht sogar mit dem regelmäßigen
Dreieck; und was würden wir dem antworten, der sagte:
Das regelmäßige Dreieck ist dem
regelmäßigen Viereck ja auch nicht
analog, denn in diesem liegt eine Seite einer Seite gegenüber,
in jenem eine Seite einem Winkel! |
Wir müssen uns bewußt
werden, woher wir einen Begriff nehmen. Wir
sagen z.B. es gibt sechs primäre Farben,
und es ist unmöglich, eine siebente zu finden. Nach
welcher Analogie aber sollen wir hier vorgehen? Wir
bedenken nicht, daß der Begriff
“primäre Farbe” hier durch eine
Aufzählung von sechs Farben gegeben ist,
d.h. daß
z.B. der Satz “diese Kugel hat eine
primäre Farbe” dasselbe
heißt wie: “diese Kugel
ist entweder grün oder blau oder rot oder
gelb oder weiß oder schwarz. |
Vergleiche
hiermit: Wie ist man zu dem Begriff “Dreiteilung
des Winkels mittels Lineal und Zirkel” gekommen?
Es gibt eine metrische n–Teilung, und es gibt eine
Reihe von Teilungen mit Lineal und Zirkel. – 11 – Vergleiche den
Begriff “Dreiteilung des “Winkels mittels
Lineal und Zirkel” mit dem Begriff “Kardinalzahl,
deren Quadrat 10 ist”. |
Denke an eine Geometrie,
die als einzige Konstruktion die Zweiteilung der Strecke mit
Lineal und Zirkel kennt. In dieser Geometrie kann man
die Strecke durch sukzessive Zweiteilung in
4, 8 usw. gleiche Teile teilen,
aber es gibt in ihr keine Dreiteilung der Strecke.
Untersuche diesen Fall! |
Von dem, welcher sagt, es gebe keine Fläche, die
zugleich rot und blau sei, verlangen wir,
daß er uns erkläre, was er mit diesen
Worten meint. Wir werden nicht sagen, er
könne es uns nicht erklären. Er kann
es sehr wohl erklären, aber vielleicht wird er es
nicht erklären. Er wird dieser
Lautverbindung vielleicht keinen Sinn geben wollen; so wie
er auch das Wort
“regelmäßiges Eineck”
erklären könnte, ja er hatte volle Freiheit, aber
vielleicht wollte er es nicht erklären und blieb daher beim
regelmäßigen Zweieck stehen.
Fragt man: warum wollte er aber nicht
weitergehen? so wird man vielleicht
antworten: weil ihm das System so komplett
erschien. Aber damit weist man vielleicht auf ein
Gefühl der Befriedigung hin, vielleicht auf die Befriedigung,
welche eine bestimmte Analogie mit andern Systemen
gewährt. Er
schließt das System in den
Spracherklärungen hier ab, weil es ihm hier
paßt, vergißt aber
dann die Grenzen, die er selbst, etwa durch seine hinweisenden
Definitionen, gezogen hat; und sucht nach Bildungen, welche denen
anderer Systeme analog sind, dort, wo er durch das erste Ziehen
seiner Grenzen gerade diese Analogie ausgeschlossen hat. |
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