– 134 –
… und wir müssen jedenfalls zur Verständigung mit andern zur indirekten Darstellung
greifen?
Wir sagen uns: Es ist unmöglich, daß wir, ohne in der Phantasie der Figur etwas hinzufügen, ein Erlebnis haben, das wesentlich mit Dingen zusammenhängt, die ganz außerhalb der Sphäre der unmittelbaren Wahrnehmung sind. Man könnte z.B. sagen: “Du behauptest, du siehst die Figur als Drahtgestell. Weißt du vielleicht auch, ob es Kupferdraht oder Eisendraht ist? Und warum soll es dann Draht sein? – Das zeigt, daß das Wort “Draht” wirklich nicht unbedingt || wesentlich zur Beschreibung des Erlebnisses gehört. |
690.
Denken wir uns aber nun diese Art von Erklärung: Wenn man
beim Essen die Nase zuhält, verlieren die Speisen jeden Geschmack,
außer den || dem der Süße,
Bitterkeit, Salzigkeit und Säure.
Also, wollen wir einmal sagen, besteht der besondere Geschmack, des
Brotes z.B., aus diesem
‘Geschmack’ im engern Sinne und dem Aroma,
das eben verloren geht, wenn wir nicht durch die Nase atmen.
Warum soll es nun beim Sehen von etwas als etwas nicht ähnlich
zugehen.
Etwa so: Das Auge unterscheidet nicht die
Figur als Drahtgestell von der Figur als Kiste,
u.s.w..
Das ist sozusagen das Aroma, welches das Gehirn dem Gesehenen
hinzufügt.
Dagegen unterscheidet auch das Auge verschiedene Aspekte: es
phrasiert quasi das Gesichtsbild; und eine Phrasierung ist
einer Deutung, die andre der andern
gemäßer.
(Erfahrungsmäßig
gemäßer.)
Denk z.B. an gewisse unwillkürliche Deutungen, die wir der einen oder andern Stelle eines Musikstücks geben. Wir sagen: diese Deutung drängt sich uns auf. (Das ist doch ein Erlebnis.) Und die Deutung kann aus gewissen rein musikalischen Beziehungen erklärt werden. – Wohl, aber wir wollen ja nicht erklären, sondern beschreiben. |
691.
Sieh das Dreieck so, daß c die Basis und
C die Spitze ist; und jetzt so, daß b
die Basis und B die Spitze ist. –
Was tust du? –
Vor allem: – Weißt du, was du
tust?
Nein.
“Nun, vielleicht ist es der Blick, der erst auf der ‘Basis’ haftet, dann zur ‘Spitze’ geht.” Aber kannst du sagen, daß in einem anderen Zusammenhang der Blick nicht ganz ebenso wandern könnte, ohne daß du das Dreieck in dieser Weise gesehen hast? Mach auch diesen Versuch. Sieh das Dreieck so, daß es (wie eine – 135 – Pfeilspitze)
einmal in der Richtung A, einmal in der Richtung B
zeigt. |
692.
Von wem sagt man, er sehe das Dreieck als Pfeil, der nach rechts
zeigt?
Von dem, der es einfach als einen solchen Pfeil zu gebrauchen gelernt
und es immer so gebraucht hat?
Nein.
Das heißt natürlich nicht, man sage von so einem,
er sehe es anders, oder wir wüßten
nicht, wie er es sehe.
Es ist hier von einem so oder anders sehen noch nicht die
Rede. –
Wie ist es aber in einem Fall, in welchem ich den andern korrigiere und
sage “Was dort steht, ist nicht ein Pfeil, der nach rechts
zeigt, sondern einer, der nach oben zeigt”, und nun setze ich ihm
eine praktische Folge dieser Deutung auseinander.
Er sagt nun: “Ich habe das Dreieck immer als Pfeil
nach rechts aufgefaßt.”
– Ist hier von einem Sehen die Rede?
Nein; denn es kann ja heißen “Ich
bin, wenn ich diesem Zeichen begegnet bin, ihm immer so
gefolgt.”
Wer das sagt, müßte die Frage
“Aber hast du es als Pfeil nach rechts
gesehen?” gar nicht verstehen.
|
693.
Wir sagen von dem, er sehe das Dreieck einmal so, einmal so,
der dies von sich aussagt, der diese Worte mit dem Zeichen des
Verständnisses ausspricht, oder hört; aber auch von dem, der etwa sagt
“Jetzt zeigt das Dreieck in dieser || diese Richtung, früher hat es in der
andern || in die andere gezeigt”,
und der nun auf die Frage, ob das Dreieck seine Form oder Lage geändert
habe, antwortet: so sei es nicht.
U.s.w.. |
694.
Betrachten wir den Fall des Bildes der gegen
einander rotierenden Räder.
Erstens kann ich die Bewegung im Bild wieder als eine
oder die andere sehen.
Zweitens kann ich sie auch für die eine oder die andere
halten. |
695.
Das etwas seltsame Phänomen des so oder anders Sehens
erscheint doch erst, wenn einer erkennt, daß das
Gesichtsbild in einem Sinne gleich bleibt,
und etwas anderes, was man “Auffassung” nennen möchte,
sich ändern kann. || wechseln
kann.
Halte ich das Bild für dies oder das, sagen wir für zwei gegen
einander laufende Räder, so ist doch damit von
der Teilung des Eindrucks in Gesichtsbild und Auffassung noch keine
Rede. –
Soll ich also sagen, die Trennung ist das Phänomen, das mich
interessiert?
Oder fragen wir so: Welche Reaktion interessiert mich? Die, welche zeigt, daß einer eine Schale für eine Schale hält (also auch die, – 136
– daß er eine Schale für
etwas andere hält)?
Oder die, daß er einen Wechsel beobachtet und
zugleich doch || auch,
daß sich am Gesichtsbild nichts geändert
hat? |
696.
Es ist auch möglich, daß ich sage:
“Ich habe das immer für eine Schale gehalten; jetzt sehe
ich, daß es keine ist” – ohne
daß ich mir eines Wechsels des
‘Aspekts’ bewußt bin.
Ich meine einfach: ich sehe jetzt etwas anderes, habe jetzt einen
anderen Gesichtseindruck.
Nehmen wir an, einer zeigte mir etwas und fragt, was das sei. Ich sage “Es ist ein Würfel”. Darauf er: “Also so siehst du es.” – Müßte ich diese Worte anders verstehen als so: “Also dafür hältst du es”? |
697.
Ich bin mir, wenn ich die Gegenstände um mich her betrachte, nicht
bewußt, daß es so etwas wie eine
visuelle Auffassung gibt. |
698.
“Ich sehe diese Figur als räumliches Eck”
:: warum nimmst du es nicht einfach als wahr hin,
– wenn er nämlich Deutsch kann und glaubwürdig ist? –
Ich zweifle nicht daran, daß es die Wahrheit
ist.
Aber, was er sagte, ist ein zeitlicher Satz. || ist ein Satz mit einer
Zeitbestimmung.
Nicht einer über das Wesen dieses Phänomens; sondern, der sagt: das
habe stattgefunden. |
699.
Die Äußerung des Erlebnisses ist:
“Ich sehe das jetzt als Pyramide; jetzt als Quadrat mit
den Diagonalen.”
– Was ist nun das ‘das’, welches ich einmal so,
einmal so sehe?
Ist es die Zeichnung?
Und wie weiß ich, daß es
beidemale dieselbe Zeichnung ist?
Weiß ich es nur, oder sehe
ich's auch? –
Wie wäre es, wenn nachgewiesen würde, die Zeichnung habe sich immer ein
wenig geändert, wenn man sie als etwas anderes sieht; oder das
Gesichtsbild sei dann ein wenig anders.
Es sehe, z.B., dann eine Linie um ein weniges
stärker, oder dünner aus, als früher. |
700.
Soll ich sagen, die verschiedenen Aspekte der Figur seien
Assoziationen?
Und was hilft es mir? |
701.
Es scheint sich hier etwas am Gesichtsbild der Figur zu ändern; und
ändert sich doch wieder nichts.
Und ich kann nicht sagen “Es fällt mir immer wieder eine
neue Deutung ein”.
Ja, es ist wohl das; aber sie verkörpert sich auch gleich im
Gesehenen.
Es fällt mir immer wieder ein neuer Aspekt der Zeichnung ein – die
ich gleichbleiben sehe.
Es ist, als ob ihr immer wieder ein neues Kleid angezogen würde, und
als ob doch jedes Kleid wieder gleich sei dem andern.
– 137 –
Man könnte auch sagen: “Ich deute die Figur nicht nur, sondern ich ziehe ihr auch die Deutung an.” |
702.
Ich sage mir: Was ist das?
Was sagt nur diese Phrase?
Was drückt sie nur
aus?”–
Es ist mir, als müßte es noch ein viel klareres
Verstehen von ihr geben, als das, was ich habe.
Und dieses Verstehen würde dadurch erreicht, daß
man eine Menge über die Umgebung der Phrase sagt.
So als wollte man eine ausdrucksvolle Geste in einer Zeremonie
verstehen.
Und zur Erklärung müßte ich die Zeremonie
gleichsam analysieren.
Z.B. sie abändern und zeigen, wie das die Rolle
jener Geste beeinflussen würde. |
703.
Ich könnte auch sagen: Mir ist, als
müßte es zu diesem musikalischen Ausdruck Parallele
auf anderen Gebieten geben. |
704.
Die Frage ist eigentlich: Sind diese Töne nicht der
beste Ausdruck für das, was hier ausgedrückt ist?
Wohl.
Aber das heißt nicht, daß
sie nicht durch ein Bearbeiten ihrer Umgebung zu erklären
sind. |
705.
Ist es ein Widerspruch, wenn ich sage: “Dies ist
schön und dies ist nicht schön” (wobei ich auf verschiedene
Gegenstände zeige)?
Und soll man sagen, es sei kein Widerspruch, weil die beiden Wörter
“dies” verschiedenes bedeuten?
Nein; die beiden “dies” haben die gleiche
Bedeutung.
“Heute” hat heute die gleiche Bedeutung, wie es gestern
hatte, “hier” die gleiche Bedeutung hier und
dort.
Es ist hier nicht wie im Satz “Herr Weiß
wurde weiß”.
“Dies ist schön und dies ist nicht schön” ist ein Widerspruch, aber er hat keine Verwendung. |
706.
Das Grundübel der Russellschen || Russellschen Logik sowie auch der meinen in der
L. Ph. Abh. ist,
daß was ein Satz ist, mit ein paar gemeinplätzigen
Beispielen illustriert, und dann als allgemein verstanden vorausgesetzt
wird. |
707.
Aber es ist nicht klar, daß die beiden
“dies” verschiedene Bedeutungen haben, da ich sie doch
durch verschiedene Eigennamen ersetzen kann? –
Ersetzen?
“Dies” heißt ja nicht einmal
A, das andere mal B. –
Freilich nicht allein; aber zusammen mit der zeigenden
Gebärde. –
Wohl; aber das sagt nur, daß ein Zeichen,
bestehend aus dem Wort “dies” und einer Gebärde, eine
andere Bedeutung hat, als ein Zeichen, bestehend aus
“dies” und einer anderen Gebärde.
Aber das ist ja bloße Wortklauberei: Du sagst ja also, daß Dein – 138 – Satz
“Dies ist schön und dies ist nicht schön” kein
vollständiger Satz ist, weil zu den Worten hier noch Gebärden
gehören. –
Aber warum ist es dann kein vollständiger Satz?
Es ist ein Satz einer andern Art als etwa “Die Sonne
geht auf”, die Art seiner Verwendung ist sehr verschieden.
Aber solche Verschiedenheiten gibt es eben die Hülle und Fülle im Reich
der Sätze. |
708.
“A. Schweitzer ist kein Schweizer.”
Wenn ich das sage, meine ich das erste
S. als Eigenname, das zweite als
Gattungsname.
So geht verschiedenes in meinem Geiste vor, wenn ich die beiden Wörter
“S.”
ausspreche? –
Das Wort funktioniert im Satz beide Male in verschiedener
Weise.
Das hieße, das Wort mit einem Maschinenteil
vergleichen und den Satz mit der || einer Maschine.
Ganz unzutreffend.
Eher könnte man sagen: die Sprache ist die Maschine, der Satz der
Maschinenteil.
Das wäre dann etwa so: Diese Kurbel hat zwei Löcher von
gleicher Größe.
Mit dem einen sitzt sie auf der Welle, in dem anderen steckt der
Kurbelzapfen. |
709.
Versuche, das erste
“S.” als
Gattungsnamen, das zweite als Eigennamen zu meinen: Wie
machst Du den Versuch? |
710.
“Der Begriff S. ist kein
S.”.
Ist das Unsinn?
Nun, ich weiß nicht, was jemand, der das sagt,
damit sagen will: d.h. wie er den Satz
verwenden will || zu verwenden
beabsichtigt.
Ich kann mir manche naheliegende Verwendung für ihn
ausdenken. –
“Aber Du kannst ihn eben nicht so verwenden,
oder auch nur so denken, daß mit den Worten
“der Begriff S.” und
mit dem zweiten “S.” das
Gleiche gemeint ist, was Du gewöhnlich
mit diesen Worten meinst. || was Du sonst immer, also
für gewöhnlich, mit diesen Worten meinst.”
Hier steckt der Irrtum.
Man denkt hier, als schwebte einem dieser Vergleich
vor: Die Worte im Satz passen zusammen,
d.h. man kann die sinnlose Wortfolge hinschreiben;
aber die Bedeutung jedes Worts ist ein unsichtbarer Körper,
und diese Bedeutungskörper passen nicht zusammen.
((“Das Meinen gibt dem Satz eine weitere
Dimension.”)) |
711.
Daher die Idee, man kann den Satz nicht denken; denn im Gedanken
müßte ich nun die Bedeutung der Worte zu einem Sinn
zusammenstellen, und das geht nicht.
(jigsaw puzzle). |
712.
Aber ist der Widerspruch nicht durch das Gesetz vom
Widerspruch verboten? –
“non (p &
non p” verbietet jedenfalls
nichts.
Es ist eine – 139
– Tautologie.
Verbieten wir aber einen Widerspruch, so schließen
wir Widerspruchsformen aus unserer Sprache aus.
Wir beseitigen diese Formen. |
713.
Man kann denken: “Wie merkwürdig,
daß die eine Bedeutung des Wortes
“empfinden” (und der
anderen
psychologischen Verben) zusammengesetzt ist aus den heterogenen
Bestandteilen, den Bedeutungen der ersten und der
dritten Person.” || , der
Bedeutung der ersten Person und der dritten
Person.”
Aber was kann verschiedener sein, als das Profil und das en face eines Gesichts; und doch sind die Begriffe unserer Sprache so gebildet, daß das eine nur als Variation des anderen erscheint. Und es ist natürlich leicht, Gründe dieser Begriffsbildung aufzuzeigen. || Und es ist natürlich leicht, diese Begriffsbildung aus Naturtatsachen zu begründen. || Und es ist natürlich leicht, diese Begriffsbildung zu begründen. (Heterogene: der Pfeifenkopf und das Pfeifenrohr.) |
714.
Wenn die Begriffsbildung sich aus Naturtatsachen (psychologischen
und physikalischen) begründen läßt, ist dann die
Beschreibung unserer Begriffsbildungen nicht eigentlich eine verkappte
Naturwissenschaft; sollten wir uns dann nicht, statt für die Grammatik,
für das interessieren, was sie in der Natur
rechtfertigt? || , was ihr in der Natur zu Grunde
liegt.
Uns interessiert allerdings auch die Entsprechung unserer Grammatik und allgemeiner || unserer Begriffsbildung mit allgemeinen (selten ausgesprochenen) Naturtatsachen. Aber unser Interesse fällt nun nicht auf diese möglichen Ursachen zurück. Wir betreiben keine Naturwissenschaft: unser Ziel ist nicht, etwas vorher zu sagen. Ja wir betreiben auch nicht Naturgeschichte, da wir naturgeschichtliche Tatsachen für andere Zwecke erdichten. || Auch nicht Naturgeschichte: denn wir erdichten für unsere Zwecke naturgeschichtliche Tatsachen. |
715.
Es interessiert uns etwa, festzustellen, daß in
unserer Umgebung gewisse Formen nicht an gewisse Farben gebunden
sind.
Das wir z.B. nicht grün immer in Verbindung mit
der Kreisform, rot mit der Quadratform sehen.
Stellt man sich eine Welt vor, in der Formen und Farben immer in
solcher Weise mit einander verknüpft
sind || verbunden wären, so fände man
Begriffssysteme verständlich, in welchen die grundlegende
Einteilung– Form und Farbe– nicht bestünde.
– 140 –
Noch einige Beispiele: Es ist z.B. wichtig, daß wir gewohnt sind, mit Stift, Feder oder dergleichen zu zeichnen, und daß daher die Elemente unserer Darstellung Striche und Punkte (im Sinne von “Pünktchen”) sind. Hätten die Menschen nicht gezeichnet, sondern immer gemalt (spielte also der Begriff der Kontour || Kontur der Formen keine große Rolle), gäbe es ein gebräuchliches Wort, sagen wir “Linie”, bei dem niemand an Strich, also an etwas sehr dünnes dächte, sondern immer nur an die Grenze zweier Farben, und dächte man bei “Punkt” nie an etwas winziges, sondern nur an den Schnitt zweier Farbgrenzen, so wäre vielleicht manche Entwicklung der Geometrie unterblieben. Sähen wir eine unserer primären Farben, sagen wir rot, nur äußerst selten, nur in winzigen Ausmaßen, könnten wir Malfarben nicht herstellen, käme rot nur in bestimmten Verbindungen mit andern Farben vor, etwa nur an den Spitzen der Blätter gewisser Bäume die sich im Herbst nach und nach aus grün in rot verwandeln, so wäre nichts natürlicher als Rot ein degeneriertes Grün zu nennen. Denke an die Umstände, unter denen uns Weiß und Schwarz als Farben und anderseits als das Fehlen einer Farbe erscheinen. Denke es ließen sich alle Farben wegwaschen und der Grund wäre dann immer weiß, und es gäbe keine weiße Malfarbe. Es ist uns leichter ein reines Rot, Grün, etc. aus dem Gedächtnis zu reproduzieren und wiederzuerkennen, als einen Ton von Braunrot etwa. |
716.
Ich sage aber nicht: Wären die Naturtatsachen anders, so
hätten wir andere Begriffe.
Dies ist eine Hypothese.
Ich habe für sie keine Verwendung und sie interessiert mich
nicht.
Ich sage nur: Wenn Du glaubst, unsere Begriffe seien die richtigen, die || den intelligenten Menschen gemäßen, wer andere hätte, sähe eben etwas nicht ein was wir einsehen, dann stelle Dir gewisse allgemeine Naturtatsachen anders vor, als sie sind, und andere Begriffsbildungen als die unseren werden Dir natürlich scheinen |
717.
‘Natürlich’, nicht
‘notwendig’.
Ist denn alles was wir tun zweckmäßig?
Ist alles, was nicht || gewiß
nicht zweckmäßig genannt werden
kann, zweckwidrig?! |
718.
Das vertraute Gesicht eines Wortes; die Empfindung, ein
Wort sei – 141 – gleichsam ein Bild
seiner Bedeutung; es habe seine Bedeutung in sich aufgenommen –
es kann eine Sprache geben, der das alles fremd ist. Und
wie drücken sich diese Empfindungen bei uns aus? Darin, wie wir
Worte wählen und schätzen. ((Goethe über Personennamen.
If-Feeling.)) || es
ist wichtig, daß wir uns eine Sprache denken können,
der alles das fremd ist. ‘Die mit ihren Worten
kalkuliert, in der das Wort keine Seele hat. |
719.
Die Fälle, in denn wir mit Recht sagen, wir deuten, was
wir sehen als das und das, sind leicht zu charakterisieren || beschreiben. |
720.
((Zu Nummer 701))
Wenn man erklärt “Ich assoziiere diesen Gegenstand mit
der Figur”, so wird dadurch nichts deutlicher. |
721.
Wie wird “wollen” wirklich
gebraucht?
Man ist sich in der Philosophie nicht dessen
bewußt,
daß man einen ganz neuen Gebrauch des Wortes für
sie erfunden hat, indem man
ihn dem des “Wünschens”, || indem man ihn dem des Wortes
“Wünschen”, || indem man das Wort dem des
“Wünschens”, z.B.,
angeglichen hat.
Es ist interessant, daß man für die Philosophie
eigens Wortverwendungen konstruiert, indem man Worten, die uns
wichtig erscheinen, einen weiter ausgebauten Gebrauch vindizieren will,
als sie haben.
“Wollen” wird manchmal in der Bedeutung von “Versuchen” verwendet. “Ich wollte aufstehen, war aber zu schwach.” Anderseits will man sagen, daß, wo immer eine willkürliche Bewegung gemacht wird, gewollt werde. Wenn ich also gehe, spreche, esse, etc. etc., so soll ich nun eben das tun || Tun wollen. Und hier kann es nun nicht versuchen heißen. Denn wenn ich gehe, so heißt das nicht, ich versuche zu gehen und es gelingen. Vielmehr gehe ich für gewöhnlich, ohne es zu versuchen. Man kann natürlich auch sagen “Ich gehe weil das gehen will”, wenn das dem gewöhnlichen Fall des Gehens von dem unterscheidet, in welchem ich geschoben werde, oder elektrische Ströme meine Beinmuskeln bewegen. |
722.
Die Philosophie hat sich einen Gebrauch des Wortes
zurechtgelegt, || versucht sich einen Gebrauch des Wortes
zurecht zu legen || zurechtzulegen
der gleichsam eine konsequente Durchführung gewisser Züge des
gewöhnlichen Gebrauchs darstellt. |
723.
“Das Wort ‘x’ hat zwei
Bedeutungen” heißt: es hat zwei Arten
der Verwendung.
Soll ich sagen: “Wenn Du die Verwendung dieses Wortes in unserer Sprache beschreibst, wirst Du sehen, daß es zwei Verwendungen und nicht – 142 – nur
eine hat”? |
724.
Könnten wir uns nicht denken, daß Leute erklärten,
das Wort “Bank” habe immer dieselbe
Bedeutung.
Eine Bank sei immer so etwas:Daß sie aber das Wort dennoch auch für ein Geldinstitut verwendeten; davon aber sagen, weil es eine Bank sei, so sei es eben doch etwas von der Art unserer Abbildung. |
725.
Haben die Worte “gehen” und “ging” die
gleiche Bedeutung?
Haben die Worte “gehen” und “gehst” die gleiche Bedeutung? Hat das Wort “go” in “I go” und in “you go” die gleiche Bedeutung? |
726.
Soll ich sagen: “Zu zwei verschiedenen Bedeutungen
gehören zwei verschiedene Erklärungen der Bedeutung?”
|
727.
Denk Dir in einer Sprache eine Gruppe von Sätzen von je
drei Zeichen.
Die Sätze beschreiben die Arbeit, die ein bestimmter Mensch
ausführt.
Das erste Zeichen (von links nach rechts) ist der Name des
Menschen, das zweite bezeichnet eine Tätigkeit (wie sägen, bohren,
feilen) das dritte bezeichnet das Werkstück.
So ein Satz könnte nun lauten “a a a”. Wenn nämlich “a” der Name einer Person, eines Werkstücks und einer Tätigkeit ist. |
728.
Was heißt es nun: “Das Zeichen
‘a’ hat eine andere Bedeutung in ‘x a
y’ und in ‘a x y’”?
Man könnte auch sagen, es habe verschiedene Bedeutungen je nach seiner
Stelle.
(Wie eine Ziffer im Dezimalsystem.)
Denk Dir das Schachspiel mit lauter gleichgestalteten Steinen gespielt. Man müßte sich dann immer erinnern, wo ein bestimmter Stein am Anfang des Spiels gestanden hatte. Und man könnte sagen: “Dieser Stein und jener haben verschiedene Bedeutungen”; ich kann mit dem einen nicht so ziehen wie mit dem andern. Ebenso entnehme ich dem “a” an der ersten Stelle, daß von diesem Menschen (ich zeige etwa auf ihn) die Rede ist, dem “a” an der zweiten Stelle, daß er diese Arbeit macht; etc.. Das “a” könnte etwa in drei Tabellen stehen, die es gewissen Bildern, die seine Bedeutung erklären, zu ordnen || zuordnen. Und ich würde dann zur Deutung des Satzes je nach der Stellung des “a” in einer anderen Tabelle nachsehen. |
729.
Was heißt es: “Untersuchen ob
‘f(f)’ Sinn hat,
wenn ‘f’ an beiden
– 143 – Stellen die gleiche
Bedeutung hat”? |
730.
Man sucht, hat noch nicht gefunden, aber man weiß,
was man sucht. –
Aber es kann auch sein, daß man suchend um sich
schaut und nicht sagen kann, was man sucht; endlich ergreift man etwas
und sagt “Das wollte ich haben”.
Man kann das “suchen” nennen “ohne zu wissen,
was man sucht”. |
731.
Man könnte von “funktionalen Zuständen”
reden.
(Z.B.: Ich bin heute sehr
reizbar.
Wenn man mir heute das und das sagt, reagiere ich immer so und
so.
Dem entgegensetzt: Ich habe den ganzen Tag
Kopfschmerzen.) |
732.
Wie ist man je dazu gekommen, einen Ausdruck wie “ich glaube
… ” zu gebrauchen?
Ist man etwa plötzlich auf ein Phänomen, das des Glaubens,
aufmerksam geworden? || Wurde man etwa auf ein
Phänomen, das des Glaubens, aufmerksam? |
733.
Hatte man sich beobachtet und fand so dies Phänomen? |
734.
Hatte man sich selbst und die andern Menschen beobachtet und fand so
die Erscheinung des Glaubens? |
736.
Wie würden sich Menschen, die ein Dreieck nicht, wie wir einmal so,
einmal so sehen könnten, von uns
unterscheiden? –
Wenn wir zu einem Stamm kämen, der diese Erlebnisse nicht hat, wie
würden wir es merken?
Wie würden wir es merken, wenn die Leute Tiefe nicht sehen könnten? Wenn sie also so wären, wie Berkeley glaubte, daß wir seien. |
738.
“Der Ausdruck ähnlich dem Gefühl”– die bittere
Speise ähnlich dem bitteren Gram.
“Zum Verwechseln ähnlich”– wie wäre es wenn sie
nicht nur ähnlich, sondern gleich wären? |
739.
“Gram und Sorge sind ähnliche Gefühle”: ist
das eine Erfahrungstatsache? |
740.
Soll ich sagen: “Ein Hase kann ausschauen wie eine
Ente”?
Wäre es denkbar, daß jemand, der einen Hasen, aber keine Ente kennt, sagte: “Ich kann die Zeichnung als Hasen sehen und auch noch anders, obwohl ich für den zweiten Aspekt kein Wort habe”? Später lernt er eine Ente kennen und sagt: “Als das habe ich damals die Zeichnung gesehen!” – Warum ist das nicht möglich? |
741.
Oder denk, jemand sagte “Dieser Hase hat einen
selbstgefälligen Ausdruck”. –
Wenn nun einer von einem selbstgefälligen Ausdruck nichts
wüßte, – könnte ihm da etwas
auffallen, und er später, wenn er Selbstgefälligkeit kennen
gelernt hat, sagen, ihr Ausdruck sei es gewesen,
der ihm damals aufgefallen war? |
742.
Das treffende Wort.
Wie wird es gefunden?
Beschreibe es || das
Als Gegensatz dazu: Ich finde die richtige Bezeichnung für
eine Kurve, nachdem ich bestimmte Messungen an ihr vorgenommen
habe. |
743.
Ich sehe, daß das Wort treffend ist, noch ehe ich
weiß, und auch wenn ich niemals
weiß, warum es treffend ist.
– 145 – |
744.
Ich würde den nicht verstehen, der sagte: er hätte
das Bild als das eines Hasen gesehen, dies aber nicht sagen können, da
er damals von der Existenz eines solchen Wesens nicht
gewußt habe. |
745.
Soll ich sagen: “Der Bildhase und die Bildente
schauen ganz gleich aus”?! –
Dagegen sträubt sich etwas. –
Aber kann ich denn nicht sagen: Sie
schauen ganz gleich aus, nämlich so‒ ‒ und nun mache ich
die doppeldeutige Zeichnung?
(Der Müller mahlt, der Maler malt auch).
Wenn ich aber nun Gründe gegen diese Ausdrucksweise angeben
wollte, – was müßte ich sagen?
Daß man das Bild jedesmal anders sieht, wenn es
einmal eine Ente und einmal ein Hase ist– oder,
daß bei der Ente das der Schnabel ist,
was beim Hasen die Ohren sind, etc.? |
746.
Denk Dir das doppeldeutige Bild in einer Bildergeschichte
verwendet: Dann ist es, z.B., nicht
möglich, daß ein anderes Tier der Ente begegnet und
sie für einen Hasen hält; aber das wäre möglich, daß
einer die Ente im Profil im Halbdunkel || Halbdunkeln für einen Hasen hält.
|
747.
“Ich kann so wenig zugleich den Hasen und die Ente sehen, wie
zugleich die Worte ‘Weiche Wotan
weiche!’ in ihren beiden Bedeutungen
meinen.” –
Aber das wäre nicht richtig; wohl aber, daß es uns
nicht natürlich ist, diese Worte auszusprechen um Wotan zu
sagen, er solle weichen, und ihm dabei mitzuteilen,
daß wir weiche Eier vorziehen.
Und doch könnte man sich eine solche Verwendung von Worten
vorstellen. |
748.
Die Fakten der menschlichen Naturgeschichte, die auf
unser Problem Licht werfen, sind uns schwer zu
finden, denn unsere Sprache || Rede
geht an ihnen vorbei, – sie ist mit andern Dingen
beschäftigt.
(So sagen wir einem “Geh ins Geschäft und kauf
… ” – nicht: “Setz den linken
Fuß vor den rechten Fuß
etc. etc., dann leg das Geld auf den
Schalter, etc. etc..) |
749.
Glaube ich nicht an einen inneren Zustand des Sehens und der andere
sagt “Ich sehe … ”, so glaube ich,
daß er nicht Deutsch kann, oder lügt.
|
750.
Was hat der gesagt, der behauptet, wer die Zeichnung einmal als Hasen
und einmal als Ente sieht, habe ganz verschiedene visuelle
Erlebnisse?
Die Neigung, das zu sagen, wird sehr groß, wenn man
z.B. einen Strich in der Zeichnung macht, der etwa
den Mund des Hasen betont, und dann sieht, wie dieser Strich nun eine
ganz andere Rolle im Entenbild – 146
– spielt.‒ ‒ ‒
Oder denk an das Sehen des Gesichtsausdrucks des Hasen, der im andern Bild
gänzlich verschwindet.
Ich sehe z.B. zuerst ein hochmütiges Gesicht und dann sehe ich kein hochmütiges Gesicht. Und was tut der, der zugibt, daß ich jedesmal etwas ganz verschiedenes sehe? |
751.
“Wie weiß ich, daß
ich über diesen Gesichtsausdruck
lächle?” |
752.
“Ich habe || sehe einen ganz
bestimmten Gesichtsausdruck, den ich den des Hasen nenne, und einen ganz
andern den ich den der Ente nenne.”
Laß mich ihn einmal bloß
A und den andern B nennen: Wie könnte ich nun,
ohne auf einen Hasen und eine Ente Bezug zu nehmen, einem die Bedeutung
von A und B erklären?
Es wäre z.B. so möglich: ich sage ihm “A” und ahme dabei mit meinem Gesicht das Gesicht eines Hasen nach, etc.. |
753.
“‘Das sehen’
heißt nicht: so reagieren,–
denn ich kann sehen, ohne zu reagieren.”
Natürlich.
Denn weder heißt “ich sehe”:
ich reagiere, noch “er sieht”: er reagiert, noch
“ich sah”: ich reagierte,
etc..
Und wenn ich auch immer, wenn ich sehe, sagte “ich sehe”, so würden diese Worte doch nicht sagen: “ich sage ‘ich sehe’”. |
754.
Ich deute auf einen bestimmten Fleck des Bildes und sage “das
ist das Auge des Hasen oder der Ente”.
Wie kann denn etwas in dieser Zeichnung ein Auge
sein? |
755.
“Kann man Tiefe wirklich sehen?” –
“Warum soll man nicht Tiefe sehen können, wenn man Farben und
Formen sieht?!
Daß das Netzhautbild
zweidimensional ist ist kein Grund für das
Gegenteil.” –
Gewiß nicht: aber die Antwort trifft das
Problem nicht.
Das Problem entsteht dadurch, daß die
Beschreibung des Gesehenen, das, was wir die “Beschreibung des
Gesehenen” nennen, von anderer Art ist, wenn ich einmal Farbe und
Form, etwa durch ein Transparent, beschreibe, einmal die
Tiefendimension durch eine Gebärde, oder eine Seitenansicht
darstelle. |
756.
Eine Bemerkung, daß die Anordnung in der
Tiefendimension eine Eigenschaft des ‘Gesehenen’ ist,
wie jede andere, hilft nicht. – 147 – |
757.
Was heißt es, daß die Höhlung
des Zahns die der Zahnarzt untersucht, sich dem Patienten viel
größer anfühlt, als sie ist.
Ich zeige z.B. mit den Fingern und sage, ich
hätte geglaubt, sie sei so
groß.
Wonach bemesse ich die Distanz der Finger? –
Bemesse ich sie überhaupt?
Kann man sagen: “Ich weiß
zuerst, wie groß mir die Höhlung vorkommt, dann
zeige ich es mit den Fingern”?
Nun, in manchen Fällen könnte man es sagen; wenn ich mir
z.B. denke, die Höhlung sei 5 mm weit und
dies einem durch ein Zeigen der Entfernung
erkläre. –
Wie, wenn man mich fragte:
“Wußtest Du, ehe Du's
zeigtest, wie groß Dir der Durchmesser
vorkam?” –
Da könnte ich antworten: “Ja.
Denn hättest Du mich früher gefragt, so hätte ich Dir auch diese
Antwort gegeben.”
–Etwas wissen ist eben nicht: einen Gedanken
denken. || –Wissen ist eben nicht
Denken. |
757.
Wenn ich sage, was ich weiß, – wie sage ich
das, was ich weiß || wußte? |
758.
Was ist die Beschreibung dessen, was ich sehe?
(Das heißt nicht nur: Mit welchen
Worten soll || kann ich
das beschreiben, was ich sehe?
– sondern auch: “Wie schaut das aus: eine
Beschreibung dessen, was ich sehe?
Was soll ich so nennen?”) |
759.
Das eigentliche Gefühl, welches uns das Wiederkehren eines Refrains
gibt.
Ich möchte eine Geste machen.
Aber die Geste ist eigentlich gar nicht charakteristisch für gerade das
Wiederkehren eines Refrains.
Vielleicht könnte ich ein Wort finden, das die Situation
besser charakterisiert, aber es würde auch nicht erklären, warum der
Refrain mir wie ein Witz vorkommt, warum seine Wiederkehr ein Lachen,
oder Grinsen, bei mir hervorruft.
Wenn ich zu Der || der Musik tanzen könnte, so
könnte ich am allerbesten ausdrücken, gerade wie mich der
Refrain berührt.
Ja, einen besseren Ausdruck könnte es gewiß nicht
geben.
Ich könnte z.B. vor den Refrain die Worte “wie gesagt” setzen. Und das wäre gewiß treffend; aber es erklärt nicht, warum der Refrain mir einen stark komischen Eindruck macht. Denn ich lache doch nicht immer, wenn ein “wie gesagt” am Platz ist. |
760.
Der ‘Inhalt’ der Erfahrung, des Erlebnisses:
–Ich weiß, wie Zahnschmerzen sind, ich
kenne Zahnschmerzen, I know what it's like to see red,
green, blue, yellow, I know what it's like to feel sorrow,
hope, – 148 – fear, joy,
affection, to wish to do something, to remember having done something to
intend doing something, to see a drawing alternately as the head of a
rabbit and of a duck, to take a word in one meaning and not in another,
etc..
Ich weiß, wie es ist, den Laut a
grau zu sehen und den Laut ü
dunkelviolett. –
Ich weiß auch, was es heißt,
sich diese Erlebnisse vorführen.
Wenn ich sie mir vorführe, so führe ich mir nicht Arten des Benehmens,
oder Situationen vor.‒ ‒ ‒
So weiß ich also, was es
heißt, sich diese Erlebnisse vorführen?
Und was heißt es?
Wie kann ich's einem andern, oder mir selbst,
erklären? |
761.
Der Begriff ‘Wort’ in der Linguistik.
Wie gebraucht man “dasselbe Wort”?
‘“habe” und “hatte” sind dasselbe Wort.’ ‘Er sagt zweimal dasselbe Wort, einmal laut, einmal leise.’ ‘Sind “Bank” (“die Banken”) und “Bank” (“die Bänke”) das gleiche Wort?’ ‘Sie sind etymologisch das gleiche Wort.’ ‘Ist es beidemal das gleiche Wort “habe”, wenn man sagt “ich habe ein Haus” und “ich habe ein Haus gebaut”?’ |
762.
Betrachtung: Ein Stamm, den wir unterjocht haben, den
wir etwa zu einem Sklavenstamm machen wollen.
Das Benehmen, Verhalten, dieser Leute ist uns eben deshalb
interessant.
Wir wollen es beschreiben, verschiedene Aspekte dieses
Benehmens beschreiben
Wir betrachten und beobachten z.B.
Schmerzbenehmen, Freudebenehmen, etc..
Zu ihrem Benehmen gehört auch der Gebrauch einer Sprache.
Und überhaupt auch solches Benehmen, welches erlernt ist, nicht
mindern als das, welches nicht
erlernt ist, wie das Schreien eines
Kindes.
Ja, sie haben nicht nur eine Sprache, sondern auch, in ihr,
psychologische Ausdrucksformen. –
Frage Dich: Wie werden diese den Kindern dieses
Stammes beigebracht? –
Ich nehme nun an, daß die Leute Ausdrücke besitzen wie die folgenden: “Ich habe schwarzes Haar”, “Er hat schwarzes Haar”; “Ich habe Geld”, “Er hat Geld”; “Ich habe eine Wunde”, “Er hat eine Wunde”. Und nun benützen sie diese grammatische Konstruktion in psychologischen Aussagen. |
763.
“Als ich ‘Bank’ hörte, schwebte mir die
Bedeutung Geldbank vor.”
Es – 149 – ist, als wäre ein
Keim der Bedeutung erlebt, und dann interpretiert
worden.
Nun, ist das ein Erlebnis?
Man könnte geradezu sagen: “Ich hatte ein Erlebnis, daß der Keim zu dieser Verwendung war”. Das könnte die uns natürliche Ausdrucksweise sein. |
764.
Vorlieb nehmen ist auch etwas, was man lernen kann. || Vorlieb nehmen ist auch eine Denkbewegung, die man
lernen kann. |
765.
Ein Stamm, den wir versklaven wollen.
Die Regierung und die Wissenschaftler geben aus,
daß die Leute dieses Stammes keine Seelen haben;
man könne wie also ohne Skrupel zu jedem beliebigen Zweck
gebrauchen.
Natürlich interessiert uns dennoch ihre Sprache; denn wir müssen ihnen
ja z.B. Befehle geben und Berichte von ihnen
erhalten.
Auch wollen wir wissen, was sie unter
einander sprechen, da dies mit ihrem übrigen
Verhalten zusammenhängt.
Aber auch, was bei ihnen unsern ‘psychologischen
Äußerungen’ entspricht,
muß uns interessieren, denn wir wollen sie
arbeitsfähig erhalten, darum sind uns ihre
Äußerungen des Schmerzes, des Unwohlseins, der
Depression, der Lebenslust, etc. etc. von
Wichtigkeit.
Ja wir haben auch gefunden, daß man diese Leute
mit gutem Erfolg als Versuchsobjekte in physiologischen und
psychologischen Laboratorien verwenden kann, da ihre Reaktionen–
auch die Sprachreaktionen – ganz die der seelenbegabten Menschen
sind.
Ich nehme an, man habe auch gefunden, daß
man diesen Automaten, durch eine Methode, die sehr ähnlich unserm
‘Unterricht’ ist, unsere Sprache statt der ihrigen
beibringen kann. |
766.
Diese Wesen lernen nun z.B. rechnen, schriftlich
oder mündlich rechnen.
Wir bringen sie aber, irgendwie, dahin, daß sie uns
das Ergebnis einer Multiplikation sagen können, nachdem sie, ohne zu
schreiben oder zu sprechen, eine Weile stille gesessen sind.
Dabei liegt das Bild nahe, der Prozeß des
Rechnens sei gleichsam untergetaucht und gehe nun unter dem
Wasserspiegel || Spiegel des Wassers vor
sich. (Denke an den Sinn, in welchem Wasser aus H und O
‘besteht’.) || Wenn man dabei die Art und Weise betrachtet, wie sie dies
‘Kopfrechnen’ lernen und die Erscheinungen die es
umgeben, so liegt das Bild nahe, …
Wir müssen natürlich für verschiedene Zwecke einen Befehl haben der Art: “Rechne dies im Kopf!”; eine Frage “Hast Du es gerechnet?”; ja – 150 – auch
“Wie weit bist Du
gekommen?”. Eine || ; eine Aussage des Automaten
“Ich habe … gerechnet”;
etc. etc..
Kurz: alles, was wir, unter uns,
über das Kopfrechnen sagen, hat auch Interesse für uns, wenn
sie's sagen.
Und was für's Kopfrechnen gilt, gilt auch für andere
Formen des Denkens. ‒ ‒ ‒
Äußert etwa jemand bei uns die Meinung, diese
Wesen müßten doch irgendeine Art von Seele haben,
in der dies und jenes vor sich ginge, so lachen wir ihn aus. || Äußert etwa jemand bei uns
die Ansicht, in diesen Wesen
müßte doch dabei etwas vorgehen, und zwar etwas
seelisches || Seelisches, so wird
darüber wie über einen dummen Aberglauben
gelacht.
Und wenn es gar vorkommt, daß die
Sklaven spontan den Ausdruck bilden, in ihnen sei
dies oder jenes vorgegangen, so kommt uns das besonders komisch vor.
|
767.
Wir spielen auch mit diesen Wesen das Spiel “Denk Dir eine
Zahl! –
Multiplizier sie mit 5! – …” –
Beweist das, daß doch etwas
in ihnen vorgegangen ist? – |
768.
Und nun beobachten wir ein Phänomen, – das wir als den Ausdruck
des Erlebnisses interpretieren
könnten; eine Figur einmal als das, einmal als jenes sehen.
Wir zeigen ihnen nun z.B. ein
Vexierbild.
Sie finden die Lösung; und dann sagen sie etwas, zeigen auf etwas,
zeichnen etwas, etc., und wir können ihnen unsern
Ausdruck beibringen “Ich sehe das Bild nun immer
so”.
Oder sie haben unsere Sprache und den gewöhnlichen Gebrauch des Wortes
“sehen” gelernt und bilden jene Form nun spontan.
|
769.
Welches Interesse, welche Wichtigkeit hat dieses Phänomen, diese
Reaktion?
Sie mag ganz unwichtig, ganz uninteressant sein, oder auch wichtig und
interessant.
Manche Leute assoziieren mit unsern Vokalen gewisse
Farben; manche können die Frage beantworten, welche Wochentage fett und
welche mager sind.
Diese Erfahrungen spielen in unserm Leben eine sehr untergeordnete
Rolle; ich kann mir aber leicht Umstände ausdenken, in denen, was
uns unwichtig ist, große Wichtigkeit
erhielte. |
770.
Die Sklaven sagen auch: “Als ich das Wort
‘Bank’ hörte, bedeutete es für mich
…”.
Frage: Auf dem Hintergrund welcher
Sprachtechnik sagen sie das?
Denn darauf kommt alles an.
Was hatten wir sie gelehrt, welche Benutzung des
Wortes “bedeuten”?
Und was, wenn überhaupt irgendetwas, entnehmen wir ihrer
Äußerung?
Denn wenn wir gar nichts mit ihr anfangen können, so könnte sie uns als
Kuriosität – 151 –
interessieren.
Denken wir uns nur Menschen, die keine Träume kennen, und die unsere
Traumerzählungen hören.
Denk Dir, Einer von uns käme zu diesem nicht-träumenden Stamm und
lernte nach und nach sich mit den Leuten verständigen. –
Vielleicht denkst Du, sie würden nun das Wort
“träumen” nie verstehen.
Aber sie fänden bald eine Verwendung dafür. || Aber sie würden bald …
finden.
Und die Ärzte des Stammes könnten sich sehr wohl für
unser Träumen interessieren und wichtige Schlüsse aus den Träumen des
Fremden ziehen. ‒ ‒ ‒
Auch kann man nicht sagen, daß für diese Leute
das Verbum “träumen” nichts anderes bedeuten könnte,
als: einen Traum erzählen.
Denn der Fremde würde ja beide Ausdrücke gebrauchen:
“träumen” und “einen Traum erzählen”,
und die Leute unseres Stammes dürften nicht “ich
träumte … ” mit “ich erzählte den Traum
… ” verwechseln. |
771.
Wir fragen uns: “Was interessiert uns an den
psychologischen Äußerungen der
Menschen?”
– Sieh's nicht als so selbstverständlich an,
daß uns diese Wortreaktionen interessieren.
|
772.
“Warum interessiert uns die chemische Formel
einer || dieser Substanz”
“Nun, natürlich weil uns ihre Zusammensetzung
interessiert.”
– Hier haben wir einen ähnlichen Fall.
Die Antwort hätte auch sein können: “Weil uns eben
ihre innere Natur interessiert.” |
773.
“Du wirst doch nicht leugnen,
daß Rost und Wasser und Zucker eine innere Natur
haben!”
“Wenn man's nicht schon wüßte, so
hätte es doch die Wissenschaft unwiderleglich gezeigt.”
|
774.
Ist nun das Hören oder Denken eines Worts in der über der || üblichen Bedeutung eine echte
Erfahrung? –
Wie ist das zu beurteilen? ‒ ‒ ‒
Was spricht dagegen?
Nun, daß man keinen Inhalt
dieser Erfahrung entdecken kann.
Es ist, als äußerte man eine Erfahrung, könne
sich dann aber nicht besinnen, was die Erfahrung eigentlich war.
Als könnte man sich zwar manchmal auf eine Erfahrung besinnen, die
mit der, die wir suchen, gleichzeitig ist, aber was wir zu sehen kriegen
ist nur (wie) ein Gewand, und wo das Bekleidete sein
sollte, sehen wir eine Leere. || Als könne man
sich zwar oft einer Erfahrung entsinnen, die mit der,
welche wir suchen, gleichzeitig war; aber die wir zu fassen kriegen, ist
wie ein Kleid, und was sie bekleidete ist uns entschlüpft. || … und statt des Bekleideten sehen wir eine
Leere.
Und dann ist man geneigt zu sagen: “Du darfst eben
nicht nach einem andern Inhalt
ausschauen.” – 152
–
Der Inhalt der Erfahrung ist eben nur durch den spezifischen
Ausdruck (der Erfahrung) zu beschreiben.
Aber auch das befriedigt nicht.
Denn warum fühlen wir dennoch, daß eben
kein Inhalt da ist?
Und ist es so nur mit der Erfahrung des Meinens? Nicht auch, z.B., mit der des Erinnerns? Wenn man mich fragt, was ich in den letzten zwei Stunden getan habe, so antwortete ich geradewegs und lese die Antwort nicht von Einer Erfahrung ab. Und doch sagt man, ich habe mich erinnert, und dies sei ein seelischer Vorgang. || … so antworte ich auf die Frage geradezu und doch sagt man, ich habe mich erinnert, und dies sei ein seelischer Vorgang. |
775.
Es könnte einem fast wundernehmen,
daß man die Frage “Was hast Du heute
morgen getan” beantworten kann – ohne historische Spuren
meiner Tätigkeit aufzusuchen, oder dergleichen.
Ja, ich antworte, und wüßte nicht einmal,
daß dies nur durch einen besonderen seelischen
Vorgang, das Erinnern, möglich ist, wenn es mir nicht gesagt
würde. |
776.
Aber es gibt natürlich ein “Ich glaube mich daran zu
erinnern”, ob nun richtig oder falsch, – und hier
kommt das Subjektive des Psychologischen zum
Vorschein. |
777.
Sage ich nun, das Erlebnis des Erinnerns und das Erlebnis der
Schmerzen, z.B., sind von verschiedener Art, so ist
das irreleitend, da man bei “Erlebnissen verschiedener
Art” vielleicht an eine
Verschiedenheit wie der eines Schmerzes, eines Kitzels, und
eines Gefühls der Übligkeit denkt.
Während die Verschiedenheit, von der wir reden, eher vergleichbar ist
der der Zahlen 1 und i. |
778.
Woher nimmt man nun den Begriff des ‘Inhalts’ eines
Erlebnisses || einer Erfahrung.
Nun, der Inhalt des Erlebnisses ist das private Objekt, das
Sinnesdatum, der ‘Gegenstand’, den ich
unmittelbar mit dem geistigen Auge, Ohr, etc.
etc. erfasse.
Das innere Bild. –
Aber wo hat man diesen Begriff nötig? |
779.
Warum, wenn ich meine subjektive Erinnerung mitteile, bin ich nicht
geneigt, zu sagen, ich hätte den Inhalt meines Erlebnisses
beschrieben? |
780.
Ja, wenn ich sage “Erinnerungen an jene Tage tauchen
in mir auf”, so scheint es anders.
Da bin ich geneigt von einem Inhalt der Erfahrung zu reden, und denke
mir etwas wie Worte und Bilder, die vor meiner Seele
auftauchen. – 153 – |
781.
Ich kann einem zeigen, wie ein bestimmter Schmerz, ein Jucken, ein
Bremseln, etc. ist, indem das
Gefühl bei ihm hervorrufe und seine Reaktion, die Beschreibung, die er
davon gibt, etc. beobachte.
Aber kann ich so etwas im Fall des Erinnerungserlebnisses tun? –
So nämlich, daß er nun sagen kann:
“Ja, jetzt weiß ich, wie es ist
‘sich an etwas erinnern’.”
Ja, ich kann ihm natürlich beibringen, was wir “sich an etwas
erinnern” nennen; || : ich kann ihn den Gebrauch
dieser Worte lehren.
Aber kann er dann sagen: “Ja, jetzt hab
ich's erfahren, wie das ist!”
((“Ja, jetzt weiß ich was Gruseln
ist!”))
Wenn er es sagte, so würden wir uns wundern, und
denken: Was mag er nur fühlen? Denn wir fühlen
nichts besonderes || und denken “was mag er nur
erfahren haben?” – denn wir erfahren nichts
besonderes. |
782.
Wenn Einer sagt “Jetzt weiß ich, was
Bremseln ist”, so wissen wir,
daß er's weiß, durch
den ‘Ausdruck der Empfindung’: er
zuckt zusammen, bringt einen bestimmten Laut hervor, sagt, was wir auch
in diesem Fall sagen, findet die gleiche Beschreibung treffend, wie
wir. |
783.
Und so könnte man auch wirklich von einem Gefühl
“Lang, lang ist's her!”
sprechen, und diese Worte sind ein Ausdruck der Empfindung, aber nicht
die: “ich erinnere mich daran, ihn || ihm oft begegnet zu
haben”. |
784.
“Wenn sie vergeht, dann war es nicht die rechte
Liebe.”
Warum war sie es dann nicht?
Ist es unsere Erfahrung, daß nur dieses Gefühl
und nicht jenes von Dauer ist?
Oder gebrauchen wir ein Bild: wir prüfen die Liebe auf ihre
innere Beschaffenheit, die das unmittelbare Gefühl nicht
offenbart.
Aber dieses Bild ist uns wichtig.
Die Liebe, also das Wichtige, ist nicht ein Gefühl, sondern etwas
tieferes, das nur in dem Gefühl sich
äußert.
Wir haben das Wort “Liebe” und geben diesen Titel nun dem Wichtigsten. (Wie wir den Titel “Philosophie” einer bestimmten geistigen Tätigkeit verleihen.) |
785.
Wir verleihen Wörter, wie wir, bereits vorhandene, Titel
verleihen. |
786.
“Ein neugeborenes Kind hat keine Zähne.”
– “Eine Gans hat keine Zähne.”
– “Eine Rose hat keine Zähne.”
Das Letztere || letztere ist doch
offenbar wahr!
Sicherer sogar, als daß eine Gans keine hat.
Und doch ist es nicht so klar.
Denn wo sollte eine Rose Zähne haben?
Die Gans hat keine – 154
– in ihren Kiefern.
Und sie hat natürlich auch keine in den Flügeln, aber das meint
niemand, der sagt, sie habe keine Zähne.
Ja wie, wenn man sagte: Die Kuh kaut Gras mit ihren Zähnen
und düngt dann die Rose damit, also hat die Rose
Zähne im Mund eines Tiers.
Das ist darum absurd, weil man von vornherein gar nicht
wüßte, wo man nach Zähnen bei der Rose zu suchen
hat.
((Dies hängt irgendwie mit dem Problem zusammen,
daß der Satz “Die Erde hat mehr als
100,000 Jahre existiert” einen klareren Sinn hat als der:
“die Erde hat in den letzten 5 Minuten
existiert”.
Denn, wer dies sagte, den würde ich fragen:
“Auf welche Beobachtungen beziehst Du Dich?
Was für Beobachtungen würden Deinem Satz
entgegenstehen?”
Während ich wohl weiß, zu welchem Gedankenkreis,
zu welchen Beobachtungen der erste Satz gehört.)) |
787.
“Siehst Du, so ist das, wenn man sich an etwas
erinnert.”
So?
Wie? ‒ ‒ ‒
Kann man sich denken, daß einer sagte:
“Ich werde diese Erfahrung (nämlich das Erinnern)
nie vergessen!”? |
785.
Ist die Erinnerung eine Erfahrung?
Was erfahre ich?
Und ist es eine Erfahrung, wenn das Wort “Bank” das
eine, oder andere für mich bedeutet?
Wieder: Was erfahre ich? – Man ist geneigt zu antworten: Ich habe das und das vor mir gesehen, mir vorgestellt. So sag ich es also nur – daß das Wort dies für mich bedeutet hat – und es ist nichts geschehen? Es waren bloße Worte? – Bloße Worte nicht; und man kann auch sagen, daß etwas geschehen ist, was ihnen entsprach – aber man kann, daß es nicht bloße Worte waren, nicht damit erklären, daß etwas vor sich ging was ihnen entsprach. Denn die beiden Ausdrücke bedeuten einfach dasselbe. |
786.
Das Gefühl, man sei schon früher einmal in eben derselben Situation
gewesen.
Ich habe dieses Gefühl nie gehabt.
Wenn ich einen guten Bekannten sehe, so ist mir sein Gesicht wohl bekannt; es ist mir viel vertrauter, als wenn es mir bloß ‘bekannt vorkommt’. Aber worin besteht die Wohlvertrautheit? Habe ich, während ich ihn sehe die ganze Zeit das Gefühl der Wohlvertrautheit? Und warum will man das nicht sagen? Man möchte sagen: “Ich habe gar kein besonderes Gefühl der Vertrautheit, kein Gefühl, daß meiner Vertrautheit mit ihm entspricht.” Wenn ich sage, er sei mir äußerst wohl bekannt, da ich 0– 155 – ihn
unzählige Male gesehen und mit ihm gesprochen habe, so solle das kein
Gefühl beschreiben.
Und worin liegt es, daß dies kein Gefühl
beschreibt? –
Wenn etwa einer behauptet, er habe so ein Gefühl die
ganze Zeit, während er den ihm wohlvertrauten Gegenstand sieht –
oder wenn er sagt, er glaube, er habe so ein
Gefühl. – soll ich einfach sagen, ich glaube || glaubte es ihm nicht? –
Oder soll ich sagen ich wisse nicht, was das für ein Gefühl
sei?
Ich sehe einen guten Bekannten, und jemand fragt mich, ob mir sein Gesicht bekannt vorkommt. Ich werde sagen: nein. Das Gesicht sei das eines Menschen, den ich tausendmal gesehen habe. “Und da hast du nicht das Erlebnis der Bekanntheit – wenn Du es sogar bei einem Dir kaum bekannten Gesicht hast??” Wie zeigt es sich, daß ich kein Gefühl ausdrücke, wenn ich sage: freilich sei mir das Gesicht bekannt, ja so wohl bekannt wie nur möglich? |
787.
Warum ist es lächerlich, hier von einem fortwährenden Gefühl der
Wohlvertrautheit zu reden? –
“Nun, weil Du keines spürst.”
Aber ist das die Antwort? |
788.
Ein Gefühl der Wohlvertrautheit, das wäre so etwas ähnliches, wie ein
Gefühl des Wohlbehagens.
Warum scheint es richtig, hier von einem Gefühl zu reden, und nicht
dort? –
Da fällt mir der besondere Ausdruck des Wohlbehagens ein.
Das Schnurren der Katze etwa. |
789.
Und kann ich mir nicht auch einen Fall vorstellen, in dem ich sagen
würde, es hat Einer ein ständiges Gefühl der Wohlvertrautheit mit einem
Objekt || eines Objekts?
Denke, es geht einer in dem Zimmer umher worin er lange nicht war,
und freut sich der Wohlvertrautheit aller Gegenstände. || und genießt die Wohlvertrautheit aller
der alten Gegenstände.
Könnte man hier nicht von einem Gefühl der Wohlvertrautheit
reden?
Und warum? –
Erkenne ich in mir dieses Gefühl?
Finde ich darum daß es hier Sinn
hat von dem Gefühl zu reden? |
790.
Ich denke mir, daß alle seine Handlungen einen
vertrauten Ton haben. –
Aber wie werde ich das wissen? –
Nun dadurch, daß er mir es sagt.
Er muß also gewisse Worte gebrauchen,
z.B. sagen “Alles fühlt sich so
vertraut an”, oder einen anderen, spezifischen || primitiveren, Ausdruck des Gefühls von
sich geben. |
791.
Gefühle der Unwirklichkeit der Umgebung.
Dies Gefühl habe ich einmal – 156
– gehabt, und viele haben es vor dem Ausbruch von
Geisteskrankheiten.
Alles scheint irgendwie nicht real; aber nicht, als
sähe man die Dinge unklar, oder verschwommen, es sieht
alles ganz so aus wie gewöhnlich.
Und wie weiß ich, daß ein
andrer gefühlt hat, was ich gefühlt habe?
Weil er die gleichen Worte gebraucht, die auch ich treffend
finde.
Aber warum wähle ich gerade das Wort “Unwirklichkeit” zum Ausdruck? Wegen seines Klangs doch nicht. (Ein Wort mit sehr ähnlichem Klang aber anderer Bedeutung würde es nicht tun.) Ich wähle es wegen seiner Bedeutung. Aber ich habe doch nicht gelernt, dies Wort in der Bedeutung eines Gefühls zu gebrauchen! Nein; aber ich habe es in einer bestimmten Bedeutung gelernt und nun verwende ich es spontan so. Man könnte sagen – obwohl das irreführen kann –: Wenn ich das Wort in seiner gewöhnlichen Bedeutung gelernt habe, so wähle ich sie nun zum Gleichnis für mein Gefühl || Erlebnis. Aber es handelt sich hier natürlich nicht um ein Gleichnis, um einen Vergleich des Gefühls mit etwas anderem. |
792.
Die Tatsache ist einfach, daß ich ein Wort, den
Träger einer bestimmten || anderen
Technik, als Gefühlsausdruck gebrauche.
In einer neuen Art gebrauche.
Und worin besteht diese neue Art der Verwendung?
Nun, eines ist, daß ich sage:
ich habe ein ‘Gefühl der Unwirklichkeit’ – nachdem
ich nämlich die Verwendung des Worts “Gefühl” auf die
gewöhnliche Weise gelernt habe.
Auch: das Gefühl ist ein Zustand. |
793.
Zorn.
“Ich hasse … ” ist offenbar der Ausdruck des
Hasses, “Ich bin zornig” selten der Ausdruck des
Zorns.
Ist Zorn ein Gefühl?
Und warum ist es keins? –
Vor allem: Was tut einer, wenn er zornig ist?
Wie benimmt er sich?
Mit andern Worten: Wann sagt man, einer sei zornig?
Nun und in solchen Fällen lernt er den Ausdruck gebrauchen:
“Ich bin zornig”.
Ist es der Ausdruck eines Gefühls? –
Und warum sollte es der Ausdruck eines Gefühls, oder von
Gefühlen sein? |
794.
So ist also der Zorn kein Erlebnis? –
Ist es eins, wenn ich, sagen wir, meine Faust balle, oder einen Satz
ausspreche, oder niederschreibe? |
795.
Nimm die verschiedenen psychologischen Phänomene: Denken,
Schmerz, Zorn, Freude, Wunsch, Furcht, Absicht, Erinnerung,
etc. – und vergleich das Benehmen, das jedem
entspricht. –
Aber was gehört hier zum Benehmen?
Nur das Spiel des Gesichtsausdrucks und die Gebärden? oder auch die
Umgebung, sozusagen der Anlaß dieses
Ausdrucks?
Und wenn man nun auch – 157
– die Umgebung einbezieht, – wie ist dann das
Verhalten beim Zorn und beim Erinnern, z.B., zu
vergleichen? |
796.
Ist das nicht, als sagte man: “Vergleiche
verschiedene Zustände des Wassers” – und meint damit seine
Temperatur, die Geschwindigkeit, mit der es fließt,
die Farbe etc.? |
797.
Zu dem Benehmen der Menschen gehört natürlich nicht nur, was sie tun,
ohne je ein Benehmen gelernt zu haben, sondern auch, was sie tun (also
z.B. sagen) nachdem sie eine
Abrichtung erhalten haben.
Und dies Benehmen hat seine Wichtigkeit im Bezug auf die besondere
Abrichtung. –
Hat z.B. einer gelernt – die Worte
“ich freue mich” zu verwenden, wie ein anderer die
Worte “ich fürchte mich”, so werden wir hier aus dem
gleichen Benehmen ungleiche Schlüsse
ziehen. |
798.
“Aber kann er sich nicht fürchten, auch wenn er's
nie
äußert?”
– Was bedeutet dieses “kann”?
Soll es heißen: “Kommt es
vor, daß einer sich fürchtet, ohne es je zu
sagen?” –
Nein.
Eher: “Hat es Sinn, z.B.
diese Frage zu stellen?” –
Oder: hat es Sinn, wenn uns ein Novellist erzählt, jemand habe
sich gefürchtet, es aber nie geäußert?
Nun, es hat Sinn.
Aber welchen?
Ich meine: – Wo und wie wird so ein Satz
verwendet?
Wenn ich frage “Welchen Sinn hat es?”
– so will ich nicht, daß mir mit einem Bild,
oder einer Reihe von Bildern geantwortet wird – sondern mit der
Beschreibung von Situationen. |
799.
“Aber Depression ist doch ein Gefühl; Du willst
doch nicht sagen, daß Du bedrückt bist und es nicht
spürst?
Und wo spürst du es?”
Da kommt es drauf an, was man “spüren” nennt.
Richte ich meine Aufmerksamkeit || meinen
Blick auf meine Körpergefühle, so merke ich einen sehr
leichten Kopfschmerz, ein leichtes Unbehagen in der Magengegend;
vielleicht eine gewisse Müdigkeit.
Aber meine ich das, wenn ich sage, ich sei schwer
bedrückt? –
Und doch sage ich wieder: “Ich fühle ein Gewicht
auf meiner Seele lasten”.
“Nun, ich kann es nicht anders ausdrücken!”
– Aber wie merkwürdig, daß ich es so sage und
nicht anders ausdrücken kann! |
800.
Meine Schwierigkeit ist ganz ähnlich der eines Menschen, der einen
neuen Kalkül erfindet (die Differentialrechnung etwa) und einen
Symbolismus sucht. |
801.
Die Depression ist kein Körpergefühl: Denn wir
lernen den – 158
– Ausdruck “ich fühle mich
bedrückt” nicht unter den Umständen, die ein
bestimmtes Körpergefühl kennzeichnen. |
802.
“Aber die Bedrückung, der Zorn, ist doch ein bestimmtes
Gefühl!”
– Was für ein Satz ist das?
Wo wird er verwendet? |
803.
Die Unsicherheit: ob ein Mensch wirklich dies Gefühl hat, oder
sich nur so stellt.
Aber natürlich ist es auch unsicher, ob er sich nicht nur so stellt,
als verstelle er sich.
Nur ist diese Verstellung seltener und hat nicht so leicht
verständliche Gründe. –
Worin besteht aber diese Unsicherheit?
Bin ich wirklich immer im Ungewissen darüber, ob einer wirklich zornig,
traurig, froh etc. etc. ist?
Nein.
So wenig, wie darüber, daß ich ein Schreibbuch
vor mir und eine Feder in der Hand habe, oder darüber,
daß das Buch fallen wird, wenn ich es auslasse, oder
darüber, daß ich mich nicht verrechnet habe wenn
ich sage 25 × 25 sei
125 || 625.
Aber das ist wahr: Ich kann nicht Kriterien angeben, die das
Vorhandensein der Empfindung außer Zweifel setzen;
und das heißt: es gibt solche Kriterien
nicht. –
Was ist das aber für eine Tatsache?
Ist es eine psychologische, die Empfindungen
betreffend?
Man wird sagen wollen, es liege im Wesen der Empfindung, oder des
Ausdrucks der Empfindung.
Ich könnte sagen: es ist eine Eigentümlichkeit
unseres Sprachspiels. –
Aber wenn das auch wahr ist, so übergeht es doch eine Hauptsache:
In gewissen Fällen bin ich in Unsicherheit darüber,
ob der andere Schmerzen hat oder nicht, ich ruhe z.B.
nicht sicher in meinem Mitleid mit ihm, und keine
Äußerung kann diese Unsicherheit beheben. –
Ich sage dann etwa: “Er könnte sich ja doch auch
jetzt verstellen”.
Aber warum soll es notwendig sein, daß er sich
verstellt; denn Verstellung ist ja nur ein ganz spezieller Fall davon,
daß einer Schmerz äußert und
nicht fühlt.
Ein bestimmtes Gift könnte ihn in einen Zustand versetzen, in welchem
er ‘als Automat handelt’, sich nicht verstellt, aber
nichts fühlt, obgleich er Gefühle äußert.
Ich denke mir etwa, dies Gift bewirke es, daß er
einige Zeit nach einer wirklichen Krankheit alle Handlungen seiner
Krankheit genau, der Reihe nach, wiederholt, während die objektive
Krankheit, die Schmerzursachen z.B., aufgehört
haben zu existieren.
Wir haben dann mit ihm so wenig Mitleid, wie mit einem unter
Narkose.
Wir sagen, er wiederhole alle – 159
– Äußerungen des Schmerzes
etc. rein automatisch, verstelle sich dabei natürlich
nicht. |
804.
“Ich kann nie wissen, was in ihm vorgeht;
er weiß es immer.”
Ja, wenn man philosophisch denkt, möchte man das sagen.
Aber welcher Sachlage entspricht diese
Aussage? || Aber
welcher Sachlage entspricht so eine
Aussage || Behauptung?
Wir hören täglich, daß der eine vom andern sagt,
er habe Schmerzen, sei traurig, lustig, etc., ohne die
Spur des Zweifels; und verhältnismäßig selten,
daß man nicht wisse, was in ihm vorgeht.
So ist es also nicht so schlimm mit der
Ungewißheit.
Und es kommt auch vor, daß man sagt:
“Ich weiß, daß Du
damals so gefühlt hast, auch wenn Du's jetzt nicht wahrhaben willst.”
|
805.
Das Bild “Er weiß es, – ich
weiß es nicht” ist eins, das die || unsere Unwissenheit in einem besonders
irritierenden Licht erscheinen läßt.
Es ist ähnlich, wie wenn man einen Gegenstand in verschiedenen
Laden Laden sucht, und sich dabei sagt,
Gott wisse die ganze Zeit, wo
er wirklich ist, und daß wir ganz vergebens diese Lade
durchsuchen. |
806.
“Jeder Mensch weiß,
daß er Schmerzen hat” – und
weiß er auch ganz genau, wie stark seine Schmerzen
sind? |
807.
Die Unsicherheit der Aussage “Er hat Schmerzen”
könnte man eine konstitutionelle nennen. |
808.
Das Kind, das sprechen lernt, lernt den Gebrauch der Worte
“Schmerzen haben” und lernt auch,
daß man Schmerzen heucheln kann. || und lernt auch Schmerzen heucheln.
Dies gehört zu dem Sprachspiel, daß es
lernt.
Oder auch: Es lernt nicht nur den Gebrauch von “Er hat Schmerzen”, sondern auch von “Ich glaube, er hat Schmerzen”. (Aber natürlich nicht von “Ich glaube, ich habe Schmerzen). |
809.
“Er kann auch Schmerzen heucheln” – das
heißt doch: er kann sich benehmen, als hätte
er sie; ohne sie zu haben.
Gewiß; und so ein Satz unterstreicht natürlich
ein bestimmtes Bild; aber wird dadurch die Verwendung von
“Er hat Schmerzen”
beeinflußt || geändert? |
810.
Wie aber, wenn Einer sagen würde: “Schmerzen haben
und Schmerzen heucheln sind von einander sehr
verschiedene Zustände der Seele || Seelenzustände, die den gleichen Ausdruck im
Benehmen haben können”? |
811.
So hat also geheuchelter Schmerz und wahrer Schmerz den gleichen
– 160 – Ausdruck?
Und wie unterscheidet man sie also?
Wie weiß ich, daß das Kind,
welchem ich den Gebrauch des Wortes
“Schmerz” lehre, mich nicht
mißversteht und also immer
das “Schmerz” nennt, was ich “geheuchelter
Schmerz” nenne? |
812.
Angenommen, es erklärt einer das Lehren des Gebrauchs des Wortes
“Schmerz” in dieser Weise: Wenn das Kind sich
bei bestimmten Anlässen so und so benimmt, denke ich, es fühle, was ich
in solchen Fällen fühle; und wenn ich mich darin nicht irre, so
assoziiert das Kind das Wort mit seinem Gefühl und gebraucht das Wort,
wenn das Gefühl wieder auftritt. –
Diese Erklärung ist wohl richtig; aber was erklärt sie? Oder: Welche Art der Unwissenheit behebt sie? – Sie sagt uns z.B., daß der Mensch dies Wort nicht mit einem Benehmen, oder einem ‘Anlaß’ assoziiert. Wer also nicht wüßte, ob das Wort “Schmerz” ein Gefühl oder ein Benehmen bezeichnet, den würde die Erklärung belehren. Sie sagt auch, daß das Wort nicht einmal für das eine, einmal für das andere Gefühl verwendet wird, – wie es ja auch sein könnte. |
813.
Die Erklärung sagt, daß ich das Wort falsch
gebrauche, wenn ich es später für ein anderes
Gefühl gebrauche.
Eine ganze Wolke von Philosophie kondensiert zu einem Tröpfchen
symbolischer Praxis. |
814.
Warum sollten die Worte “Ich glaube, er hat
Schmerzen” nicht bloßer Wahnsinn
sein?
Etwa als sagte einer “Ich glaube meine Zähne sind in
seinem Mund”. |
815.
Ein Stamm: Die Leute verstellen sich oft, liegen auf einem
Weg anscheinend krank und in Schmerzen; kommt man ihnen zu Hilfe, so
fallen sie den Helfenden an.
Für dies Verhalten hat der Stamm ein bestimmtes Wort. |
816.
Statt “Es ist unsicher, ob er Schmerzen hat”
könnte man auch sagen: “Sei gegen seine
Schmerzäußerungen
mißtrauisch!”
– Und wie macht man das? |
817.
Glauben, daß der andere Schmerzen hat, zweifeln, ob
er sie hat, sind so viele natürliche Arten des
Verhaltens zu den andern Menschen; und unsere Sprache ist nur ein
Hilfsmittel und ein weiterer Ausbau dieses Verhaltens.
Ich meine: unser Sprachspiel ist ein Ausbau des primitiveren
Benehmens.
(Denn unser Sprachspiel ist Benehmen.) |
818.
“Ich bin nicht sicher, ob er Schmerzen hat.”
– Wenn sich nun Einer immer, wenn er dies sagt, mit
einer Nadel stäche, um die – 161
– Bedeutung des Wortes Schmerz lebhaft vor der
Seele zu haben und zu wissen, worüber er beim
andern im Zweifel ist!
Wäre nun der Sinn seiner Aussage gesichert, dadurch
daß er sich Schmerz zufügt || Schmerz fühlt, während er sie
macht?
Er wüßte doch jetzt, was er beim
Andern bezweifelt! –
Aber wie wird er, was er nun fühlt, beim andern bezweifeln?
Wie wird er den Zweifel an sein Gefühl anknüpfen?
Ja, was ist der Weg von seinem Schmerz zum Andern?
Ja, kann er wirklich den Schmerz des Andern besser bezweifeln, wenn er
selbst dabei Schmerz fühlt?
Muß ich, um Zweifeln zu können, ob
einer eine Kuh hat, selbst eine haben? |
819.
Er hat also den wahren Schmerz; und der Besitz
dessen || dieses ist es, was er beim
Andern bezweifelt. –
Aber wie macht er das nur? –
Es ist, als sagte ich einem: “Hier hast Du einen
Sessel; siehst Du ihn?
Und nun übersetze ihn ins Französische!”. |
820.
Er hat also den wahren || echten
Schmerz – und nun weiß er, was er beim andern
bezweifeln soll.
Er hat den Gegenstand vor sich; und es ist kein
‘Benehmen’, oder dergleichen.
(Aber jetzt!)
Zum Bezweifeln, ob der andere jetzt Schmerz fühlt,
muß ich den Begriff des
Schmerzes haben; nicht Schmerzen.
Und es ist wohl wahr, daß ◇ man mir diesen
Begriff mitteilen könnte, indem man mir Schmerz zufügt. |
821.
Es wäre eben so unrichtig, den Begriff des Verstehens der Bedeutung
durch ein Erlebnis der Bedeutung zu erklären, wie den der Wirklichkeit
und Unwirklichkeit durch das Erlebnis der Unwirklichkeit; oder den
Begriff der Gegenwart eines Menschen durch das Gefühl einer
Gegenwart.
Ebensogut könnte man, was Schach ist,
durch ein Schachgefühl erklären wollen. |
822.
“Aber man kann doch die Figur als Pfeil und als
Vogelfuß sehen, auch wenn man es nie jemandem
mitteilt.”
Und das wieder heißt: es hat
Sinn, zu sagen: jemand sähe die Figur einmal so, einmal
so, ohne es je jemandem mitzuteilen. –
Ich will nicht sagen, es habe keinen
Sinn, aber der Sinn ist
nicht so ohne weiteres klar. –
Ich weiß z.B.,
daß Leute von einem Gefühl der
Unwirklichkeit reden, sie sagen es scheine ihnen alles unwirklich; und
nun sagt man: es könnte den Menschen alles unwirklich vorkommen,
auch wenn sie's nie jemand mitgeteilt hätten.
Wie weiß man so ohne weiteres,
daß es Sinn hat zu sagen “es kommt diesem
Menschen vielleicht alles unwirklich vor, obwohl er nie
1– 162 –
davon spricht”.
Ich habe hier natürlich mit Absicht ein sehr seltenes Erlebnis
gewählt.
Denn weil es nicht eins von den alltäglichen Erlebnissen ist, sieht man
schärfer auf den Gebrauch der Worte. –
Ich möchte sagen: Es hat mit knapper Not Sinn, auszurufen
“Es ist alles unwirklich!” – und
schon weiß man, daß auch jene
andere Aussage Sinn hat! –
Oder auch so: Es sagt mir einer “Mir
erscheint alles unwirklich”.
Ich weiß kaum, was das
heißt – und doch weiß ich
schon, daß es Sinn hätte, zu sagen,
etc. etc..
Nun, das liegt natürlich daran, daß er ein Erlebnis
mit dem Satz beschreibt; d.h.,
daß es eine psychologische Aussage ist. |
823.
D.h.: wenn einer einen Seelenzustand
äußert, so kann er ihn auch gehabt haben, ohne ihn
zu äußern.
Das ist eine Rede.
Aber was ist der Zweck eines Satzes, der sagt, N. habe
vielleicht das Erlebnis E. gehabt, aber es nie
geäußert?
Nun, eine Anwendung des Satzes kann man sich jedenfalls denken.
Angenommen z.B. man fände eine Spur des
Erlebnisses im Gehirn und sagt nun, es zeige sich, er habe
vor seinem Tode noch das und das gedacht, oder gesehen,
etc..
Man könnte eine solche Anwendung für künstlich und weithergeholt
halten; es ist aber wichtig, daß sie
möglich ist. |
824.
Wenn es eine Versuchung gibt, die Differentialrechnung als Kalkül mit
unendlich kleinen Größen anzusehen, so ist es
begreiflich, daß in einem andern Fall eine
analoge || ähnliche Versuchung noch viel
mächtiger sein kann, – wenn sie nämlich von unsern Sprachformen
rundherum genährt wird; und man kann sich
denken, daß sie unwiderstehlich
wird. |
825.
“Ich habe Zahnschmerzen gehabt” –
wenn ich das sage, so erinnere ich mich nicht an mein Benehmen, sondern
an meinen Schmerz.
Und wie geschieht das?
Es schwebt einem wohl ein mattes Bild des Schmerzes vor? –
Ist es also, als hätte man sehr schwache
Schmerzen?
“Nein; es ist eine andere Art von Bild; etwas
spezifisches.”
Ist es also so, als hätte einer nie ein gemaltes Bild gesehen, sondern
immer nur Büsten, und man sagte ihm “Nein, ein Gemälde ist
ganz anders, als eine Büste, es ist eine ganz andere Art von
Bild.”
Es wäre etwa möglich, daß man es weit schwieriger
fände einem Blinden begreiflich zu machen, was ein Gemälde, als was eine
Büste ist. |
826.
Aber das Wort “spezifisch” (oder ein analoges),
das man hier gern verwenden möchte, hilft nicht.
Es ist so wenig ein Auskunftsmittel, wie – 163
– das Wort “undefinierbar”, wenn
einer sagt, die Eigenschaft “gut” sei
undefinierbar.
Was wir wissen, übersehen wollen, ist der Gebrauch des Wortes “gut”, und ebenso der des Wortes “erinnern”. Denn man kann nicht sagen: “Du kennst doch das spezifische Erinnerungsbild”. Ich kenne es nicht. – Ich kann freilich sagen: “Ich kann Herrn N. nicht beschreiben, aber ich kenne ihn”; aber das heißt, daß ich ihn wiedererkenne, nicht, daß ich ihn wieder zu erkennen glaube. |
827.
Daß es Sinn hat, zu sagen, einer habe ein Gefühl
gehabt, ohne es je mitzuteilen, hängt damit zusammen,
daß es Sinn hat, zu sagen:
“Ich habe damals das gefühlt; ich erinnere mich
daran”.
Den Zusammenhang könnte man so erklären: Man wird doch nicht sagen: “Wenn ich nie gesagt hätte, daß ich damals Schmerzen hatte, so hätte ich auch keine gehabt”. |
828.
“Ich weiß doch, was es
heißt ‘Er hat
Schmerzen’.”
Heißt das, daß ich
mir's vorstellen kann?
Und worin läge die Wichtigkeit des Vorstellens?
Daß ich zur Erklärung dieses Satzes jederzeit zur Erinnerung an meine eigenen Schmerzen, oder dazu übergehen kann, in mir jetzt Schmerzen hervorzurufen, etc., ist allerdings wichtig. |
829.
Wie lernt einer, ein Stück Zucker “Zucker”
benennen?
Wie, der Aufforderung “Gib mir ein Stück
Zucker” folgen?
Wie, die Worte “Bitte um ein Stück Zucker” –
also den Ausdruck des Wunsches?!
Wie, den Befehl “Wirf!” verstehen; und
wie den Ausdruck der Absicht “Ich werde
jetzt werfen”?
Wohl, – die Erwachsenen mögen es dem Kind vormachen, das Wort
aussprechen und gleich darauf werden || werfen, – aber nun
muß das Kind das nachmachen.
(“Aber das ist doch nur der Ausdruck der Absicht, wenn das
Kind wirklich die Absicht im Geiste hat.”
– Aber wann sagt man denn, dies sei der Fall?)
Und wie lernt es, den Ausdruck gebrauchen “Ich war damals im Begriff zu werfen”? Und wie weiß man, daß es damals wirklich in jenem Seelenzustand war, den ich “im Begriffe sein … ” nenne? Nachdem ihm die und die Sprachspiele beigebracht wurden, gebraucht es bei den und den Anlässen die Worte, die die Erwachsenen in solchen Fällen ausgesprochen – 164
– haben, oder es gebraucht eine primitivere || spontane Ausdrucksweise, die die
wesentlichen Beziehungen auf das früher gelernte enthält,
und die Erwachsenen ersetzen die primitivere durch die regelrechte
Ausdrucksweise. |
830.
Das Neue (Spontane,
‘Spezifische’) ist ein Sprachspiel.
|
831.
“Aber hat es denn alle diese Erscheinungen – des Schmerzes,
des Wunsches, der Absicht, der Erinnerung, usf. –
nicht gegeben, ehe es eine Sprache gab?”
– Welches ist die Erscheinung des Schmerzes? –
“Was ist ein Tisch?” –
“Nun das
z.B.!”
Und das ist freilich eine Erklärung; aber was sie lehrt ist die Technik
des Gebrauchs des Wortes “Tisch”.
Und nun ist die Frage: Welche Erklärung entspricht ihr im
Falle einer ‘Erscheinung’ des Seelenlebens?
Nun es gibt hier keine Erklärung, die man ohne weiteres als die
homologe anerkennen kann. |
832.
Man kann fragen: Schwebt mir denn immer, wenn ich ein Wort
verstehe, etwas bei dem Wort vor?!
(Ähnlich ist: “Findet stets, wenn ich
einen wohlbekannten Gegenstand ansehe || ein
wohlbekanntes Wort höre, ein Wiedererkennen
statt?”) |
833.
Es gibt aber das Phänomen, daß ein
außer jedem Zusammenhang gehörtes Wort –
z.B. – für einen flüchtigen Augenblick die eine,
gleich darauf aber die andere Bedeutung hat; daß,
wenn man das Wort ein paar mal nacheinander ausspricht, es jede
‘Bedeutung’ verliert; und dergleichen.
Und hier handelt sich's um ein
Vorschweben. |
834.
Was würden wir vom || von Menschen sagen,
die die Worte “Ich sehe diese Figur jetzt als … ,
jetzt als … ” nicht verstünden?
Würde ihnen ein wichtiger Sinn fehlen; ist es ähnlich als wären sie
blind; oder Farbenblind, oder ohne absolutes
Gehör? |
835.
Nun, es ist leicht, sich Menschen zu denken, die Zeichnungen || Figuren nicht so und so
‘phrasieren’ können; aber würden sie nicht dennoch eine
Zeichnung einmal für das, einmal für etwas
anderes halten?
Oder soll ich annehmen, daß sie in diesem Falle
nicht sagen würden, das Gesichtsbild sei sich in einem
wesentlichen Sinne gleich geblieben?
Würden sie also, wenn ihnen die schematische Darstellung eines Würfels
einmal so, einmal so erscheint, glauben, die Striche hätten ihre Lage
verändert? |
836.
Denk Dir jemanden, der eine Zeichnung, oder Photographie ungerne
– 165 – sähe, weil er sagt,
daß ein farbloser Mensch häßlich
sei.
Oder es könnte jemand finden, daß winzige
Menschen, Häuser, etc., wie sie auf Bildern sind,
unheimlich oder lächerlich seien.
Dies wäre gewiß ein sehr seltsames
Verhalten.
(‘Du sollst Dir kein Bild machen.’)
Denk an unsere Reaktion gegen eine gute Photographie, gegen den Gesichtsausdruck der Photographie. Es könnte Menschen geben, die in einer Photographie höchstens eine Art von Diagramm sähen, wie wir etwa eine Landkarte betrachten; wir können daraus verschiedenes über die Landschaft entnehmen, aber nicht, z.B., die Landschaft beim Ansehen der Karte bewundern, oder ausrufen “Welche herrliche Aussicht!” Der ‘Gestaltblinde’ muß abnorm in dieser Art sein. |
837.
Wie kann das Ausbleiben eines Erlebnisses beim Hören des Wortes das
Rechnen mit Worten hindern, oder beeinflussen?
|
838.
Denk Dir Leute, die nur laut denken und nur zeichnend vorstellen.
Oder vielleicht wäre es richtiger, zu sagen: die dort zeichnen, wo
wir uns etwas vorstellen.
Der Fall, wo ich mir meinen Freund N vorstelle entspricht dann
nicht dem, daß der andere ihn zeichnet; sondern er
muß ihn zeichnen und dazu sagen, oder schreiben,
daß das sein Freund N ist. –
Wenn er aber zwei Freunde hat, die einander ähnlich sind und den
gleichen Namen haben? und ich frage ihn “Welchen
hast Du gemeint; den gescheiten, oder den dummen?”
– Darauf könnte er nicht antworten.
Wohl aber auf die Frage “Welchen von ihnen stellt das
vor?”
– In diesem Falle ist die Antwort einfach eine weitere Benützung
des Bildes, nicht die Aussage über ein Erlebnis. |
839.
Vergleiche James' Idee,
der Gedanke sei schon bei Beginn des Satzes fertig, mit der der
Blitzesschnelligkeit des Gedankens und dem Begriff der
Absicht, das und das zu sagen.
Der Gedanke sei schon am Anfang des Satzes fertig (und warum nicht
zu Anfang des hervorgehenden || vorhergehenden?)
heißt dasselbe wie: Wenn Einer
nach dem ersten Wort unterbrochen wird und Du fragst ihn dann || später “Was wolltest Du
damals sagen”, so kann er – wenigstens oft – die Frage
beantworten.
Aber auch hier sagt James, was
wie eine psychologische Aussage klingt und keine ist.
Denn, ob der Gedanke schon zu Anfang des Satzes fertig war, das
müßte doch durch die Erfahrung der einzelnen Menschen
bewiesen || gezeigt
werden. – 166 – |
840.
Nun können wir aber auch oft die Frage nicht beantworten, was wir
damals hatten sagen wollen.
Aber in diesem Falle sagen wir, wir hätten es
vergessen.
Wäre es nun denkbar, daß Leute in solchen Fällen
antworten: “Ich habe nur diese Worte
gesagt; wie soll ich wissen, was
danach gekommen wäre?” – |
841.
Wer sagt “Als ich das Wort hörte, bedeutete es für mich
… ”, bezieht sich damit auf einen Zeitpunkt
und auf eine Verwendung || Technik des Worts. ‒ ‒ ‒
¤
Das Merkwürdige daran ist natürlich die Beziehung auf den
Zeitpunkt.
Die würde der ‘Bedeutungsblinde’ verlieren. |
842.
Und wer sagt “Ich wollte damals fortsetzen
… ” – der bezieht sich auf einen
Zeitpunkt und auf eine Handlung. |
843.
Wenn ich von den wesentlichen Bezügen der
Äußerung rede, so geschieht es, weil dadurch die
uns wesentlichen || unwesentlichen besondern Ausdrücke unserer Sprache
in den Hintergrund treten.
Und der Äußerung wesentlich sind die Bezüge, wenn
sie uns veranlassen würden, einen uns im übrigen ungewohnten Ausdruck in
den gebräuchlichen zu übersetzen. |
844.
Wie, wenn nun einer nie sagte “Ich wollte damals dies
tun” und man ihn auch nicht lehren könnte, so einen Ausdruck zu
gebrauchen?
Es ist doch klar, daß einer viel denken
kann, ohne das zu denken.
Er kann ein großes Gebiet
der Sprache beherrschen, ohne die || dies
zu beherrschen.
Ich meine nun: er erinnert sich an seine
Äußerungen, auch etwa daran, das und
das zu sich selbst gesagt zu haben.
Er wird also z.B. sagen
“Ich sagte zu mir selbst ‘ich will
dorthin gehen’”, auch vielleicht “Ich
stellte mir das Haus vor und ging den Weg, der dazu
führt”.
Das Charakteristische ist hier, daß er seine
Intentionen in der Form von Gedanken oder Bildern hat und sie daher immer
ersetzbar wären durch das Aussprechen eines Satzes, oder Sehen eines
Bildes.
Die ‘Blitzesschnelle’ des Gedankens fehlt ihm.
‒ ‒ ‒
Soll das aber nun heißen,
daß er sich oft wie ein Automat bewegt; etwa auf
der Straße geht und Einkäufe macht; wenn man ihn aber
trifft und fragt “Wohin gehst Du?” –
daß er einen dann anstarrt, als wäre er im Schlaf
gegangen? –
Er wird auch nicht antworten “Ich
weiß nicht”.
Oder wird ihm, oder uns, sein Handeln planlos vorkommen?
Ich sehe nicht ein, warum!
Wenn ich etwa zum Bäcker gehe, so sage ich mir vielleicht “Ich brauche Brot” und gehe den gewohnten Weg. Fragt man ihn “Wohin gehst Du?”, 01– 167
– so will ich annehmen, er antwortet mit dem
Ausdruck der Absicht, so wie wir. –
Wird er aber auch sagen “Als ich vom Hause wegging, wollte
ich zum Bäcker gehen, jetzt aber …”?
Nein; aber sollen wir sagen, daß er deshalb
gleichsam schlafwandelnd sich auf den Weg gemacht hat? |
845.
Ist es aber nicht sonderbar, daß wir solche
Menschen || solchen Menschen dann nicht
begegnen, bei der großen Varietät der
Menschen?
Oder finden sich diese Leute eben unter den Geistesschwachen; und es
wird nur nicht genügend beobachtet, welcher Sprachspiele diese fähig sind
und welcher nicht? |
846.
Plato sagt, das Denken sei ein
Gespräch.
Wäre es wirklich ein Gespräch, so könnte man nur die Worte des
Gesprächs berichten und die äußeren
Umstände, unter denen es geführt wurde, aber nicht auch die Meinung, die
diese Worte damals für den Sprecher hatten.
Sagte Einer zu sich selbst (oder laut)
“Ich hoffe bald den N zu sehen.”, so
hätte es keinen Sinn zu fragen: “Und welchen
Menschen dieses Namens hast Du damals gemeint?”
Er hat eben nur diese Worte gesagt.
Aber könnte ich mir nicht denken, daß er nun dennoch auf bestimmte Weise fortsetzen will; so daß ich ihn fragen kann “Und meinst Du nun jemanden mit diesem Namen, und wen?” Und angenommen, er könnte nun für gewöhnlich fortsetzen, seine Worte erklären, – worin läge der Unterschied zwischen ihm und uns? – Er könnte jeden Gedanken wörtlich berichten. Wenn er also sagt “Ich habe gerade an N gedacht” und wir ihn fragten “Wie hast Du an ihn gedacht?”, so kann er das immer beantworten, es sei denn, er sagt, er habe es vergessen. |
847.
Jemand, der mir sagt “N hat mir geschrieben”, kann
ich doch fragen “Welchen N meinst
Du?” – und muß er, um mir
antworten zu können, sich auf ein Erlebnis beziehen beim Aussprechen des
Namens? –
Und wenn er nun bloß den Namen N
ausspräche – vielleicht als Einleitung zu einer Aussage über N
–, kann ich ihn nicht ebenso fragen “Wen meinst
Du?” und er ebenso antworten? |
848.
Man spricht ja wirklich oft bloß den Namen eines
Menschen aus, etwa in einem Seufzer.
Und der Andere fragt nun “Wen hast Du
gemeint?”
Und wie wird nun unser Bedeutungsblinder handeln? Wird er nicht so seufzen; oder nichts auf die Frage antworten können; oder antworten “Ich meine … ”, statt “Ich habe … gemeint”? – 168 – |
849.
Stelle Dir einen Deiner Bekannten vor!
Nun sag, wer es war! –
Manchmal kommt das Bild zuerst und der Name später.
Aber heißt das, daß ich den
Namen nach der Ähnlichkeit des Bildes errate? –
Und wenn nun der Name erst später folgt, soll ich sagen, die
Vorstellung des Bekannten war schon mit dem Bild da, oder sie war erst
mit dem Namen komplett?
Ich habe ja auf den Namen nicht aus der Ähnlichkeit des Bildes
geschlossen; und eben darum kann ich sagen, die Vorstellung wäre schon
mit dem Bilde dagewesen. |
850.
“Ich muß zur Bank gehen und Geld
holen.”
– Wie hast Du diesen Satz verstanden?
Muß diese Frage etwas anderes
heißen als: “Wie würdest Du
diesen Satz erklären, welche Handlung auf ihn erwarten,
etc.?
Wenn der Satz unter verschiedenen Umständen ausgesprochen wird, so
daß das Wort “Bank” einmal
offenbar das, einmal etwas anderes bedeutet, –
muß da etwas besonderes beim Hören des Satzes
vorgehen, damit Du ihn verstehst?
Werden hier nicht alle Erlebnisse des
Verstehens vom Gebrauch, von der Praxis des Sprachspiele
zugedeckt?
Und das heißt nur: Solche
Erlebnisse interessieren uns hier garnicht. |
851.
Wenn ich den Milchmann kommen sehe, hole ich meinen Krug und gehe ihm
entgegen.
Erlebe ich ein Beabsichtigen?
Nicht daß ich wußte.
(So wenig vielleicht, wie ich versuche zu gehen, um zu
gehen.)
Wenn ich aber aufgehalten und gefragt würde “Wohin
wolltest Du mit dem Krug?”, würde ich meine
Absicht aussprechen. |
852.
Wenn ich nun z.B. sage “Ich bin
aufgestanden, um zum Milchwagen zu gehen”, – soll man das
die Beschreibung eines Erlebnisses des Beabsichtigens nennen?
Und warum ist das irreleitend?
Darum, weil es hier keinen ‘Ausdruck’ eines
Erlebnisses gab? |
853.
Wenn ich aber sage “Ich bin aufgestanden, um … , dann
aber besann ich mich und … ” – wo liegt hier das
Erlebnis, und wann geschah es?
War das Erlebnis nur das ‘sich besinnen’, ‘sich
anders entscheiden’? |
854.
Ich nehme den Milchkrug, gehe ein paar Schritte, dann sehe ich,
daß er nicht rein ist, sage
“Nein!” und gehe zur Wasserleitung.
Dann beschreibe ich, was vorging, und nenne meine
Absichten.
Hatte ich sie nun nicht?
Freilich!
Aber nochmals: ist es nicht irreführend, sie
“Erlebnisse” zu nennen?
Wenn man nämlich, was ich zu mir selbst sagte, mir vorstellte,
etc. auch so nennt!
(Es wäre eben auch irreführend, die Absicht ein
“Gefühl” zu nennen.) |
855.
Und es fragt sich nun, ob, aus dem selben
Grunde, es nicht gänzlich irreführend war, ◇ von
‘Gestaltblindheit’ oder
‘Bedeutungsblindheit’ zu reden (so also redete man
von ‘Willensblindheit’, wenn einer sich passiv
verhält).
Denn blind ist eben der, der eine Empfindung nicht
¤ hat.
(Den Schwachsinnigen – z.B. – kann man
nicht mit dem Blinden vergleichen.) |
857.
“Ich zweifle nicht, daß das oft
geschieht” – Wenn Du das in einem Gespräch sagst,
kannst Du wirklich glauben, daß Du beim Reden
zwischen den Bedeutungen der Wörter
‘daß’ und ‘das’
unterscheidest? |
858.
Gegen die Fiktion von Menschen die nur laut denken können, könnte man
diesen Einwand machen wollen: Angenommen, so einer sagte
“Als ich vom Hause wegging, sagte ich mir ‘ich
muß zum Bäcker gehen’” – könnte
man ihn denn nicht fragen: “Hast Du aber diese Worte
wirklich gemeint?
Du konntest sie ja auch als Sprachübung, oder als Zitat oder zum
Spaß, oder um jemand irrezuführen
gesagt haben.” –
Das ist wahr.
Aber lag also, welches er tat, in dem Erlebnis, das die Worte
begleitete?
Was spricht für so eine Behauptung?
Wohl, daß der Gefragte antworten kann
“Ich habe den Satz so gemeint”, ohne
dies aus äußeren
Umständen zu schließen. |
859.
Man will freilich sagen, wer sich daran erinnert, diese Worte
gemeint zu haben, erinnere sich an das Erlebnis einer
gewissen Tiefe, einer
Resonanz.
(Hätte er's nicht gemeint, so hätte er diese
Resonanz nicht
gehabt.)
Aber ist das nicht bloß eine Täuschung
(ähnlich der, wenn einer glaubt, er spüre das Denken im
Kopf)?
Man macht sich ein Bild der Vorgänge mittels
ungeeigneter Begriffe.
(Vergl. James.) |
860.
Mach diesen Versuch: Sag Dir ein mehrdeutiges
Wort
(“sondern”).
Wenn Du es nun z.B. als Verbum erlebst, so versuch,
dies Erlebnis festzuhalten, daß es andauert. –
Sagst Du das Wort öfter vor Dich hin, so verliert es seine
Bedeutung für Dich; und nun frag Dich, ob, wenn Du's im
gewöhnlichen Sprechen als Verbum gebrauchst, das Wort sich nicht
vielleicht so anfühlt, wie wenn es beim öftern Wiederholen seine
Bedeutung verloren hat. –
Aus der Erinnerung kannst Du gewiß nicht das
– 169 – Gegenteil bezeugen.
Sondern man findet nur, daß es a priori
nicht anders sein könne. |
861.
Es ist ganz gleichgültig, ob man sagt, man projiziere
erst später die Deutung von “sondern” in das Erlebnis
während des Aussprechens.
Denn es ist hier zwischen Projizieren und
Beschreiben kein Unterschied. |
862.
Man kann eine Zeichnung für einen wirklichen Würfel halten; aber auch,
um selben Sinne, ein Dreieck für liegend oder stehend? –
“Als ich näher kam, sah ich, daß es nur
eine Zeichnung war.”
Aber nicht: “Als ich genauer hinblickte, sah ich,
daß dies die Grundlinie und
dies die Spitze war.” |
863.
Meine Worte, “Als Du zu reden anfingst, dachte ich, Du
meintest … ” knüpfen an den Anfang seiner Rede an und an
eine Vorstellung, die ich dabei hatte. –
Und es ist natürlich möglich, daß jemand so
etwas nie tut.
Ich nehme aber an, er könne am Ende die Frage “Von welchem
N habe ich geredet?” beantworten.
Und es ist natürlich möglich, daß er sie anders
beantwortet hätte, wenn ich die Frage schon nach den ersten Worten
meiner Erzählung gestellt hätte.
Soll er also die Frage nicht verstehen: Hast Du gleich im
Anfang gewußt, von wem ich
redete?”
– Und wenn er nun so eine Frage nicht versteht, – werden wir
ihn nicht einfach für etwas geistesschwach halten?
Ich meine: werden wir nicht einfach annehmen,
daß sein Denken nicht recht deutlich
sei, oder daß er sich an das, was er damals
dachte, – wenn er überhaupt etwas dachte, – nicht mehr
erinnere?
Das heißt, wir werden hier für gewöhnlich ein
anderes Bild gebrauchen, als das, welches ich vorschlage. |
864.
Aber es ist wahr: wir haben bei Geistesschwachen oft das Gefühl,
als redeten sie mehr automatisch als wir.
Und wenn einer das wäre, was wir ‘Bedeutungsblind’
nannten, so würden wir uns vorstellen, er müsse einen weniger lebendigen
Eindruck machen als wir, mehr ‘wie ein Automat’
handeln.
(Man sagt auch: “Weiß
Gott, was in seinem Geist
vorgeht!” und denkt an etwas Undeutliches,
Unordentliches.) |
865.
Es könnte sein, daß Menschen, wenn man ihnen ein
isoliertes Wort sagt, gleich irgend einen Satz mit diesem Wort bildeten,
und daß andere es nicht täten;
daß jenes ein Zeichen von Intelligenz, dieses von
Stumpfheit wäre. |
866.
Was läßt sich gegen den Ausdruck
“spezifische psychologische |
867.
Ist das (am Ende) eine Täuschung, wenn ich glaubte, die
Worte des Andern hätten damals diesen Sinn für mich gehabt?
Freilich nicht!
So wenig, wie es eine Täuschung ist zu glauben,
daß man vor dem Aufwachen geträumt habe.
|
868.
Als ich den Fall eines ‘Bedeutungsblinden’ annahm, war
es, weil das Erleben der Bedeutung im Gebrauch der Sprache
keine Wichtigkeit zu haben scheint.
Weil es also scheint, als könne dem Bedeutungsblinden nicht
viel verloren gehen.
Damit aber ist in Konflikt, daß wir
manchmal äußern, in einer Mitteilung habe ein Wort
für uns eines bedeutet, bis wir gesehen hätten, es bedeute
etwas anderes.
Erstens aber fühlen wir in diesem Falle nicht, das Erleben der
Bedeutung habe beim Hören des Wortes stattgefunden.
Zweitens könnte man hier eher von einem Erleben des Sinnes
des Satzes reden, als von dem einer Wortbedeutung. |
869.
Das Bild, das man etwa mit dem Aussprechen des Satzes “die Bank
ist weit weg” verbindet, ist nun eine Illustration zu
ihm und nicht zu einem seiner Worte. |
870.
Wenn einer fest darauf bestünde, er erlebe meist gar nichts, wenn er
einen Befehl, eine Mitteilung, usw. hört || höre und verstehe, mindestens nichts, was
für ihn den Sinn der Worte bestimme, – könnte dieser nicht doch, in
irgend einer Form, sagen, die ersten Worte des
Satzes hätte er so aufgefaßt und
später seine Auffassung geändert? –
Aber zu welchem Zweck würde er das
sagen??
Es könnte eine bestimmte Reaktion – 171
–
seinerseits erklären.
Er hörte z.B., N sei gestorben, und glaubte,
sein Freund N sei gemeint; dann kommt er drauf,
daß es nicht so ist.
Er schaut erst bestürzt; dann erleichtert. –
Und, was so eine Erklärung für ein Interesse haben kann, ist leicht zu
sehen. |
871.
Was soll ich nun sagen: – daß der
Bedeutungsblinde nicht im Stande || imstande ist, so zu reagieren? oder
daß er bloß nicht behauptet,
er hätte damals die Bedeutung erlebt, –
daß er also nur ein besonderes Bild nicht
gebraucht? |
872.
Ist der Bedeutungsblinde also der, der nicht sagt:
“Der ganze Gedankengang stand mit einem Schlag vor
mir”?
Ist damit aber gesagt, daß er nicht sagen kann
“Jetzt hab ich's!” – |
873.
“Es war dort kein Baum und kein Strauch” – wie
funktioniert dieser Satz?
Nun, “Baum” steht für ein Ding, das so
ausschaut.
Gewiß ja: so schaut ein Baum aus; aber ist
die Idee der Vertretung des Dings durch das Wort wirklich so leicht zu
verstehen?
Wenn ich einen Garten plane, so kann ich einen Baum dort durch einen
Pflock vertreten lassen.
Wo der Pflock jetzt steht, wird später der Baum gesetzt werden. –
Man könnte aber doch sagen, das Wort “Baum” im Satz
verträte dort das Bild eines Baums (und als solches kann natürlich
auch ein Baum verwendet werden).
Denn an die Stelle des Wortes “Baum” könnte man in
einer Bildersprache das Bild setzen, und das Wort
“Baum” wird in jedem Fall durch die hinweisende Definition
mit dem Bild verbunden.
Dann ist es also die hinweisende Definition, die bestimmt, was das Wort
‘vertritt’.
Und nun wende dies auf das Wort “Schmerz”,
z.B., an. –
Aber vertritt nicht auf einem Plan das Zeichen ein
Haus?
Doch nur insofern, als ein Haus auch als Zeichen dienen
könnte!
Aber das Zeichen vertritt doch nicht das Haus wofür es
steht. –
“Nun, es entspricht ihm.”
– Wenn ich also mit dem Plan in der Hand gehe und komme zu diesem
Haus, zeige ich auf die Stelle im Plan und sage
“Das ist das Haus”. –
“Das Zeichen vertritt das Haus”
hieße: “weil ich das Haus nicht selbst
in den Plan setzen kann, setze ich statt seiner dies
Zeichen.”
Aber was täte denn das Haus selbst im Plan!
Eine Vertretung ist etwas Vorläufiges, aber wenn das Zeichen dem Haus
entspricht, so ist hier
nichts Vorläufiges;
es wird ja, wenn wir zum Haus kommen, nicht durch das Haus ersetzt.
Und da das Zeichen nie durch seinen Träger ersetzt wird, könnte man
fragen: Wie Nein: der Pflock ersetzt den Baum, das Bild kann den Menschen ersetzen, wenn man lieber ihn sähe, aber mit dem Bild vorliebnehmen muß; aber schon das Zeichen auf der Landkarte ersetzt nicht den Gegenstand, den es bedeutet. |
874.
Fühle ich, während ich schreibe, etwas in der Hand, oder im
Handgelenk?
Im allgemeinen nicht.
Würde es sich aber nicht doch anders anfühlen, wenn meine Hand
anästhesiert wäre?
Ja.
Und ist das nun ein Beweis dafür, daß ich
dennoch etwas spüre, wenn ich normaler weise || normalerweise die Hand bewege?
Ich glaube: nein. |
875.
“Ich schenke Dir mein volles Vertrauen.”
Wenn, der das sagt, nach dem Wort “Dir” aussetzt, bin
ich vielleicht imstande fortzusetzen; die Situation ergibt, was er sagen
will.
Aber wenn er nun zu meiner Überraschung fortsetzt “eine
goldene Uhr” und ich sage “Ich war auf etwas
anderes gefaßt” –
heißt das: ich habe während seiner ersten Worte
etwas erlebt, was man diese || jene Auffassung der Worte
nennen kann??
Ich glaube, das kann man nicht sagen.
|
876.
Oder denk Dir dieses Gespräch: Er: “Ich
schenke Dir –” Ich: “Ich
weiß.
Aber in diesem Fall vertraust Du mir doch
nicht.”
– Ich habe ihn unterbrochen, weil ich wußte,
was er sagen wollte.
Aber habe ich mir die Fortsetzung notwendigerweise in Gedanken
ergänzt?
(Ergänze ich eine Skizze in der Vorstellung?) |
877.
“I found myself going … ”
“saying …”
etc..
Diese Beschreibung trifft nicht immer zu, wenn ich etwas sagte, einen Weg mache, etc. |
878.
Introspektion kann nie zu einer Definition führen.
Sie kann nur zu einer psychologischen Aussage über den führen, der
introspiziert.
Sagt z.B. einer: “Ich glaube
beim Hören eines Wortes, daß ich verstehe, immer
etwas zu fühlen, was ich nicht fühle, wenn ich das Wort nicht
verstehe” – so ist das eine Aussage über
seine besondern Erlebnisse.
Ein Anderer erlebt vielleicht etwas ganz anderes; und wenn beide das
Wort “verstehen” richtig gebrauchen, so liegt in diesem
Gebrauch das Wesen des Verstehens, und nicht in dem, was sie über ihre
Erfahrungen sagen können. |
879.
Wie müßte man denn den nennen, der den Begriff
‘Gott’ nicht
– 173 – verstehen kann, nicht sehen, wie ein vernünftiger
Mensch dies Wort im Ernst gebrauchen kann?
Sollen wir denn sagen, er leide an einer
Blindheit? |
880.
Man versteht plötzlich, wiederholt plötzlich ein Wort, das der andere
gesagt hat.
Er sagt mir “Es ist sieben Uhr”; ich reagiere
zuerst nicht; plötzlich rufe ich “Sieben Uhr!
Da bin ich ja schon zu spät …”
Es kam mir erst zum Bewußtsein, was er gesagt
hatte.
Aber was geschah nun, als ich die Worte “Sieben
Uhr” wiederholte?
Darauf kann ich nichts antworten, was von Interesse
wäre.
Nur wieder: Ich hätte erst begriffen, was er
gesagt hat, und dergleichen; und das bringt uns nicht weiter.
Auf diesem “Nur wieder” beruht natürlich
das Reden || die
Idee von einem ‘spezifischen
Vorgang’.
(Der Zerstreute, der auf den Befehl
“Rechtsum!” linksum macht …)
|
881.
Geschieht etwas, wenn ich das Wort verstehe, das und das
intendiere? Geschieht nichts? – Aber
in wie fern || inwiefern ist, was
geschieht, interessant?! || Geschieht etwas, wenn ich dies Wort verstehe, wenn
ich das und das beabsichtige ‒ ‒ ‒ geschieht nichts? Nicht
darum handelt es sich; sondern darum: warum soll mich, was in dir
geschieht, interessieren? (Seine Seele mag
sieden, oder frieren, rot oder blau werden: was kümmert mich
das?) |
882.
Ein Schwachsinniger wird gewiß
nicht sagen: “Als Du zu reden
anfingst, dachte ich, Du meintest …” –
Nun wird man fragen: Ist das, weil er immer gleich richtig
versteht?
Oder weil er sich nie korrigiert?
Oder geht in ihm vor, was auch in mir vorgeht, und er kann es nur nicht
ausdrücken? |
883.
“Als Du zu reden anfingst dachte ich, Du wolltest
…
Darum habe ich auch die Bewegung gemacht …”
Man erklärt also, was man tat, mit dem Gedanken, den man damals
hatte.
Denke ich mir nun diese Erklärung wirklich erst im Nachhinein
aus?
Habe ich nicht wirklich diese Bewegung gemacht, weil ich
dachte …? ‒ ‒ ‒
Was ist das für eine Frage?
Das “weil” bezieht sich ja nicht auf eine
Ursache. || ist ja nicht
ursächlich. |
884.
“Ich werde Dir erklären, warum ich aufgestanden bin; ich
dachte nämlich, Du meintest …” –
Ja, jetzt versteh' ich's! –
Aber worin liegt die Wichtigkeit dieses Verstehens?
Nun, z.B.: Wäre die Erklärung eine
andere gewesen, so müßte ich nun anders mit Worten,
oder Handlungen |
885.
Man könnte (natürlich) den Bericht über so eine
Auffassung den Bericht über eine Tendenz nennen.
(James).
Aber hier darf man nicht das Erlebnis einer Tendenz
unter dem Bild eines nicht ganz fertigen Erlebnisses sehen!
Als gäben die Erlebnisse ein farbiges Bild, und gewisse Farben darauf
wären in ihrer vollen Stärke aufgetragen, andere nur angedeutet,
d.h. viel zarter hingesetzt.
An sich aber ist eine zarte Farbe nicht die Andeutung einer stärkeren. |
886.
Ein Ereignis läßt eine Spur im Gedächtnis: das
denkt man sich manchmal, als bestünde es darin, daß
es im Nervensystem eine Spur, einen Eindruck, eine Folge
hinterläßt.
So als könnte man sagen: auch die Nerven haben ein
Gedächtnis.
Aber wenn sich nun jemand an ein Ereignis erinnert, so ¤
müßte er es nun aus diesem Eindruck, dieser Spur,
erschließen.
Was immer das Ereignis im Organismus zurückläßt,
es ist nicht die Erinnerung.
Der Organismus mit einer Diktaphonrolle verglichen; der Eindruck, die Spur, ist die Veränderung die die Stimme auf der Rolle zurückläßt. Kann man sagen, das Diktaphon (oder die Rolle) erinnere sich wieder des Gesprochenen, wenn es das Aufgenommene wiedergibt? |
887.
Das Gefühl der Abhängigkeit.
Wie kann man fühlen, man sei
abhängig?
Wie kann man fühlen: ‘Es hängt nicht
von mir ab’.
Aber was ist das überhaupt für ein seltsamer Ausdruck eines
Gefühls! || Aber welch || ein seltsamer Ausdruck eines
Gefühls!
Aber wenn man z.B. jeden Morgen zuerst
Schwierigkeiten hätte, gewisse Bewegungen zu machen, den Arm zu
heben, u. dergl., und warten
müßte, bis die Lähmung vergeht, und das brauchte
manchmal lange, manchmal kurze Zeit, und man könnte es
nicht vorhersehen und kein Mittel einnehmen, es zu
beschleunigen, – würde uns das nicht eben ein
Bewußtsein der Abhängigkeit geben?
Ist es nicht das Ausbleiben des
Regelmäßige || der
– 175 –
Regelmäßigkeit, oder die lebhafte
Vorstellung davon, was dem Bewußtsein zu
Grunde || zugrunde liegt?
Es ist doch das Bewußtsein: “Es müßte nicht so gehen!” Wenn ich von dem Sessel aufstehe, sage ich mir für gewöhnlich nicht “Also ich kann aufstehen.” Ich sage es vielleicht nach einer Krankheit. Wer es sich aber für gewöhnlich sagte, oder wer danach sagte “Also es ist diesmal gegangen”, von dem könnte man sagen, er habe eine besondere Einstellung zum Leben. |
888.
Warum sagt man “Er weiß, was er
meint”?
Woher weiß man, daß
er's weiß?
Wenn er es weiß, ich aber nicht weiß, was er meint, – wie wäre es, wenn ich's wüßte? Ja, wenn ich's wüßte und er nicht? Wie müßte sich einer benehmen, damit wir sagen würden: “Er weiß, was der andere erlebt”? Muß es aber einen Fall geben, den wir, konsequenterweise, so beschreiben würden? Es ist nicht einmal klar, daß irgendeine Erscheinung mit den Worten beschrieben werden müßte || sollte “A hat Schmerzen im Körper des B”. D.h.: man kann zwar sagen “Wäre das nicht eine folgerechte Anwendung dieses Ausdrucks?” || dieser Ausdrucksweise!” aber ich mag, oder mag nicht geneigt sein, sie folgerecht zu nennen. |
889.
Erinnere Dich besonders des Ausdrucks in der Traumerzählung:
“Und ich wußte,
daß …”
Man könnte denken: Es ist doch merkwürdig,
daß man träumen kann, man habe
gewußt.
Man sagt auch: “und ich wußte im
Traum, daß …” |
890.
Nicht alles, was ich tue, tue ich mit einer Absicht.
(Ich pfeife vor mich hin, etc.
etc..)
Wenn || ich aber jetzt
aufstünde und aus dem Haus vorträte, dann wieder zurück käme, und auf die
Frage “Warum hast Du das getan” antwortete
“Aus gar keinem besonderen Grund”, oder
“Nur so – so fände man das seltsam und jemand, der
oft so etwas täte ohne besondere Absicht, würde sehr von der Norm
abweichen.
Müßte er das sein, was man
“geistesschwach” nennt? |
891.
Denke Dir nun Einen, von dem man sagen würde: er könne sich nie
an eine Absicht erinnern, außer dadurch,
daß er sich an die Äußerung
einer Absicht erinnert. Einer könnte, was wir normalerweise ‘mit bestimmter Absicht’ tun, ohne eine solche tun, es erwiese sich aber dennoch nützlich. Und wir würden vielleicht in so einem Falle sagen, er habe mit unbewußter Absicht gehandelt. Er steigt z.B. plötzlich auf einen Stuhl und dann wieder herunter. Auf die Frage “warum” hat er keine Antwort; dann aber berichtet er, er habe vom Stuhl aus das und das bemerkt, daß es scheint, als wäre er, um dies zu beobachten hinaufgestiegen. Könnte nun ein ‘Bedeutungsblinder’ sich nicht ähnlich verhalten? |
892.
“Als ich sagte ‘Er ist ein Esel’, meinte
ich …”
Was für eine Verbindung haben jene Laute mit diesem Menschen? –
Gefragt, “Wen meinst Du?”, werde ich
seinen Namen nennen, ihn beschreiben, seine Photographie zeigen,
etc..
Ist sonst noch eine Verbindung da?
Eine, die insbesondere zur Zeit des Aussprechens bestand?
Aber während des ganzen Satzes, oder nur während ich
“er” sagte?
Keine Antwort! |
893.
Das Erlebnis während jener Worte– möchte ich sagen – wächst
natürlich zu dieser Erklärung heran. |
894.
Aber es ist doch so: Ich werde manchmal, im Gespräch etwa,
sagen “Er ist ein Esel”, und wenn man mich fragte
“Hättest Du etwas anderes während dieser Worte erlebt wenn
wir vom N statt von || vom M
geredet hätten” werde ich zugeben müssen, dies müsse nicht der
Fall sein.
Anderseits aber scheint es mir manchmal, als hätte ich während des
Aussprechens ein Erlebnis, das unzweideutig ihm
angehört.
Die Erlebnisse beim Sprechen scheinen eindeutig ihm verbunden zu sein. |
895.
“Freilich dachte ich an ihn: Ich hab ihn vor mir
gesehen!” – aber nicht nach seinem Bild
erkannt. |
896.
Ich sage plötzlich “Er ist ein Esel”.
A: “Wen hast Du
gemeint?”
Ich: “den N”.
A: “Hast Du an ihn
gedacht, während Du den Satz sagtest, oder erst, als Du die
Erklärung gabst?”
– Ich könnte nun antworten, daß meine Worte
das Ende eines längeren Gedankenzuges gewesen seien.
Ich hätte schon die ganze Zeit an N gedacht.
Und könnte ich nun sagen: die Worte selbst seien durch kein
besonderes Erlebnis an ihn geknüpft gewesen, wohl aber der ganze
Gedankengang?
Ich hätte also mit jenen Worten wohl auch jemand andern || anders meinen können, und auf wen sie sich
bezogen lag – 177
– in dem, was
ihnen vorausging.
Muß ich aber, um sagen zu können, ich hätte von ihm geredet, ihn gemeint, an ihn gedacht, – mich wirklich an ein Erlebnis erinnern können, das unbedingt mit ihm zusammenhängt? Könnte es mir also nicht vielleicht immer so vorkommen, als wäre während meiner Worte nichts geschehen, das sich nur auf ihn deuten ließe || läßt? Ich denke mir also, ich sei mir immer bewußt, daß meine Vorstellungsbilder vieldeutig sind. Dabei aber – so nehme ich an – sage ich dennoch “Ich habe den … gemeint”. Aber ist dies nicht eine widersprechende Annahme? Nein; so verhält es sich ja wirklich. Ich sage “Ich habe den … gemeint”: so setze ich fort. |
897.
Ich sprach zu meinem Nachbarn über ihren Doktor; dabei schwebte
mir ein Bild dieses Menschen vor – ich hatte ihn aber nie gesehen,
kannte nur seinen Namen, und machte mir vielleicht nach diesem ein Bild
von ihm.
Wie kann nun dieses Bild charakteristisch dafür sein,
daß ich von ihm rede? –
Und doch kam es mir so vor, bis ich mich daran erinnerte,
daß ich gar nicht weiß, wie
dieser Mann ausschaut.
Sein Bild repräsentiert ihn für mich also um kein Haar
besser, als sein Name. |
898.
Wenn || ich das Vorschweben der
Bedeutung mit einem Traum vergleiche, so ist also unser
Reden für gewöhnlich traumlos.
Der ‘Bedeutungsblinde’ wäre also einer, der immer traumlos reden würde. |
899.
Und man kann wirklich fragen: Was gehen mich seine Träume
an?
Warum muß mich interessieren, was er träumt und
ob er träumt, während er zu mir spricht, oder mich hört? –
Das heißt natürlich nicht, daß
diese Träume mich nie interessieren können.
Aber warum sollen || sollten sie
das Wichtigste im sprachlichen Verkehr sein? |
900.
Die Verwendung des Begriffs ‘Traum’ hier ist nützlich;
aber nur, wenn man sieht, daß sie noch einen Fehler
in sich birgt. |
901.
“Ich habe die ganze Zeit gedacht, Du redetest von
…” –
Wie war das nur? –
– Doch nicht anders, als wenn er wirklich von diesem Menschen
geredet hätte.
Daß ich später darauf komme, ihn falsch
verstanden zu haben, ändert doch nichts an dem, was beim Verstehen
geschah. –
Ist also der Satz “Ich glaubte damals, Du meintest … ” der Bericht |
902.
Man sagt auch: “Ich habe angenommen, Du redest von
… ” und das klingt schon weniger wie der Bericht eines
Erlebnisses. |
903.
“Ich dachte, Du redetest vom … und habe mich gewundert,
daß Du von ihm sagst …” –
Dieses Wundern ist wieder in einem
ähnlichen Fall: Auch hier wieder das Gefühl, als hätte man
mit dem Aussprechen dieses Gedankens das rudimentäre
Erlebnis erst ergänzt. |
904.
Nun, es ist aber doch wahr!
Denn manchmal, wenn ich sage “Ich
dachte … ” kann ich berichten, daß ich
mir damals eben diese Worte laut oder im Stillen gesagt hatte; oder
daß ich damals nicht diese, aber andere Worte
gebraucht habe, wovon die gegenwärtigen eine
sinngemäße Wiedergabe sind.
Das kommt doch manchmal vor!
Im Gegensatz dazu aber ist der Fall, in welchem mein gegenwärtiger
Ausdruck nicht die Wiedergabe von etwas
ist.
Denn ‘Wiedergabe’ ist er nur, wenn er es nach
Regeln der Abbildung ist. || nur, wenn es
Regeln der Abbildung
gibt. |
905.
Wer nicht im Stande wäre, zu sagen: das
Wort “sondern” könne ein Zeitwort oder eine
Konjunktion sein, oder Sätze zu bilden in denen es das eine oder das
andere ist, der könnte einfache Schulübungen nicht bewältigen.
Aber das wird von einem Schüler nicht verlangt; das Wort
außerhalb einem Zusammenhang so und so aufzufassen,
oder zu berichten, wie er's aufgefaßt
hat. |
906.
Ich möchte sagen: das Gespräch, die Anwendung und
Ausdeutung der Worte fließt
dahin, und nur im Flusse hat das Wort seine Bedeutung.
“Er ist abgereist.”
– “Warum?”
Was meinst || meintest Du, als Du das Wort
“Warum” aussprachst?
Woran dachtest Du? |
907.
“Ich dachte, Du meintest den” –
Nun, das heißt nicht dasselbe, wie
“Ich denke, Du hast den gemeint”.
Laß Dich den Vergleich mit einem andern Gebrauch
der Vergangenheit nicht irre machen || verwirren! |
908.
Wir spielen dieses Spiel: Es sind Bilder da und
Worte werden ausgesprochen und wir müssen auf das Bild zeigen das dem
Wort entspricht.
Unter den Worten sind auch mehrdeutige.
Mir fällt bei dem Wort … erst eine Bedeutung ein
und ich zeige auf ein Bild, später erst eine andere und ich zeige auf ein
anderes.
Wird der Bedeutungsblinde dies tun können?
– 179 –
Freilich. –
Aber wie ist es damit?
Ein Wort wird genannt, mir fällt eine seiner Bedeutungen ein.
Ich sage sie nicht, suche aber nach dem Bild.
Ehe ich es gefunden habe, fällt mir noch eine Bedeutung
des Worts ein; ich sage: “Mir ist gerade eine zweite
Bedeutung eingefallen.”
Und dann erkläre ich: “Erst ist mir
diese Bedeutung eingefallen, nachher
die.”
Kann das der Bedeutungsblinde? –
Kann er nicht sagen, er wisse die Bedeutung des Worts, sage sie aber
nicht?
Oder kann er nicht sagen, sie sei ihm jetzt eingefallen
er sage sie aber nicht? –
Mir kommt vor, beides könne er sagen.
Dann aber doch auch: “Als Du das Wort sagtest,
fiel mir diese Bedeutung ein.”
Und warum nun nicht: “Als ich das Wort sagte
meinte ich's zuerst in dieser
Bedeutung”? |
909.
Es ist, als hätte das Wort, das ich verstehe, ein bestimmtes leichtes
Aroma, das dem Verständnis entspricht.
Als unterschieden sich zwei mir wohlbekannte Wörter nicht
bloß durch ihren Klang, oder ihr Ansehen, sondern,
auch wenn ich mir nichts bei ihnen vorstelle,
noch durch eine Atmosphäre. –
Aber erinnere Dich daran, wie die Namen berühmter Dichter und
Komponisten eine eigene Bedeutung in sich aufgezogen
zu haben scheinen.
So daß man also sagen kann: die Namen
“Beethoven”
und “Mozart” klingen nicht nur verschieden, sondern es
begleitet sie auch ein anderer Charakter.
Wenn Du aber nun diesen Charakter näher beschreiben solltest,
– würdest Du ihre Bilder zeigen, oder ihre Musik?
Und nun wieder der Bedeutungsblinde: Er würde nicht empfinden, daß die Namen sich beim Hören oder Ansehen durch ein unwägbares Etwas unterscheiden. Und was hätte er nun dadurch verloren? – Und doch, wenn er einen Namen hört, kann ihm erst ein Träger und später ein anderer einfallen. – |
910.
Ich sagte, die Worte “Jetzt kann
ich's!” drücken kein Erlebnis
aus.
Nun, so wenig, wie die: “Jetzt werde ich den Arm
heben”. ‒ ‒ ‒
Warum aber drücken sie kein Erlebnis, kein Gefühl, aus? –
Wie werden sie denn gebraucht?
Beide, z.B., als Einleitung zu einer
Handlung.
Die Tatsache, daß eine Aussage auf einen Zeitpunkt
Bezug nimmt, in welchem aber nichts in der
Außenwelt geschieht, was sie meint, wovon sie
spricht, zeigt uns nicht, daß sie von einem Erlebnis
sprach. |
911.
Denk an das ‘Aufzeigen’ der Schüler, wenn sie eine
Antwort wissen. |
912.
“Die Worte ‘die Rose ist rot’ sind sinnlos,
wenn das Wort ‘ist’ die Bedeutung von ‘ist
gleich’ hat.”
Wir haben die Idee, daß der wer versuchte, die
Worte “die Rose ist rot” mit diesen Bedeutungen der
Worte auszusprechen beim Denken steckenbleiben
müßte.
(Wie auch, daß man einen
Widerspruch nicht denken kann, weil der Gedanke einen
sozusagen zerbricht.)
Man möchte sagen: “Du kannst diese Worte nicht so meinen und noch einen Sinn mit dem Ganzen verbinden”. |
913.
Könnte man sagen, die Bedeutungsblindheit würde sich darin
äußern, daß man diesem
Menschen nicht mit Erfolg sagen kann: “Du
mußt das Wort als … hören, dann wirst Du den
Satz richtig sprechen”.
Das ist die Anweisung die man einem beim Spielen eines Musikstückes
gibt.
“Spiel das als ob es die Antwort wäre”– und man
macht etwa eine Gebärde dazu.
Aber wie übersetzt einer nun diese Gebärde in das Spiel?
Wenn er mich versteht, spielt er es nun meinem Wunsch
gemäßer.
Aber könntest Du so eine Anweisung nicht auch mit Hilfe von “stärker”, “schwächer”, “schneller”, “langsamer” geben? Nein; ich könnte es nicht. Denn wenn er nun auch diesen Ton stärker, jenen leiser spielt, so weiß ich's nicht einmal. So kann ich ihm auch sagen “Mach ein verschmitztes Gesicht” und wüßte, wenn er eins gemacht hat, ohne die geometrischen Veränderungen des Gesichts vorher, oder nachher, beschreiben zu können. |
914.
Wenn man fragt “Ist das Erleben einer Bedeutung analog dem
Erleben eines Vorstellungsbildes”, so meint man: ist der
Unterschied nicht einfach der eines andern
Inhalts?
Nun, welcher || welches ist der Inhalt
des Vorstellungserlebnisses?
“es ist dieser” – aber dabei
muß ich auf ein Bild, oder eine Beschreibung
zeigen. –
“Man erlebt hier und dort” (möchte man
sagen).”
“Nur etwas anderes.
Ein anderer Inhalt wird dem Bewußtsein dargeboten
– steht vor ihm.”
Und das ist natürlich ein sehr irreführendes Bild.
Denn es ist die Illustration zu einer Redewendung und
– 181 – sie erklärt nichts.
Ebenso könnte man, um den chemischen Symbolismus einer Strukturformel
zu erklären, Bilder entwerfen in denen die Elemente als Menschen dargestellt
wären, die sich die Hände reichen.
(Illustration der Alchemisten). |
915.
Wenn jemand sagt, er habe das Vorstellungsbild von einer goldglänzenden
Kugel gehabt, so werden wir das verstehen, aber nicht, wenn er sagt,
diese Kugel sei hohl gewesen. Im Traum aber könnte man eine
Kugel sehen und wissen, sie sei hohl. || aber nicht, wenn er sagt er habe eine goldglänzende, hohle
Kugel vor sich gesehen. |
916.
Die Weisung “Wie aus weiter Ferne” bei
Schumann.
Muß jeder eine solche Weisung
verstehen?
Jeder, z.B., der die Weisung “Nicht
zu geschwind” verstünde?
Ist nicht die Fähigkeit, die dem Bedeutungsblinden abgehen soll, von
dieser Art? |
917.
Kann man das Verstehen einer Bedeutung festhalten, so wie ein
Vorstellungsbild?
Wenn mir also plötzlich eine Bedeutung des Worts einfällt, – kann
sie mir auch vor der Seele stehenbleiben? |
918.
“Der ganze Plan stand mir mit einem Schlage vor der Seele und
blieb so eine Minute lang stehen.”
Da möchte man meinen, daß, was stehenblieb, nicht dasselbe sein könne,
wie das, was aufblitzte.
(Wie man einen Diphthong nicht dehnen kann.)
|
919.
Geschah nämlich dies, daß ich sagte
“Jetzt hab ich's!” (also das
Aufzucken), so kann man freilich nicht davon reden,
daß das stehenbleibt. |
920.
“Ja, ich weiß das Wort.
Es liegt mir auf der Zunge. –”
Hier drängt sich einem die Idee von dem Spalt (gap)
auf, von dem James spricht, in
welchem nur dieses Wort
hineinpaßt usw..–
Man erlebt irgendwie schon das Wort, obwohl es noch nicht da ist.
‒ ‒ ‒
Man erlebt ein wachsendes Wort. –
Und ich könnte natürlich auch sagen, ich erlebte eine wachsende
Bedeutung, oder wachsende Erklärung der Bedeutung. –
Seltsam ist es nur, daß wir nicht sagen wollen, es
sei etwas da gewesen, was dann zu dieser Erklärung herangewachsen
ist.
Denn wenn Du ‘aufzeigst’, sagst Du, Du wissest es
schon. –
Wohl; aber Du könntest auch sagen “Jetzt kann
ich's sagen” und ob sich das Können zu
einem Sagen auswächst, das weißt Du nicht.
Und wie, wenn man sagte: “Das Sagen ist dann die
Frucht dieses Könnens, wenn es aus diesem Können gewachsen
ist.” |
921.
Als ich sagen wollte, sagen konnte, hab ich es
ja nicht gesagt. |
922.
Natürlich ist auch an der Erklärung, die Bedeutung oder ihre Erklärung
sei aus einem gewissen Keim gewachsen, etwas nicht in Ordnung.
Tatsächlich nehmen wir auch so ein Wachsen nicht wahr; oder doch nur in
ganz seltenen Fällen.
Und diese Erklärung entspringt eben aus der Tendenz, zu erklären, statt
bloß zu beschreiben. |
923.
Das bloße Beschreiben ist so schwer, weil man
glaubt, zum Verständnis || Verstehen
der Tatsachen diese ergänzen zu müssen.
Es ist, als sähe man eine Leinwand mit verstreuten Farbflecken, und
sagte: so wie sie da sind, sind sie unverständlich; sinnvoll werden
sie erst, wenn man sie sich zu einer Gestalt ergänzt. ‒ ‒ ‒
Während ich sagen will: Hier ist das
Ganze.
(Wenn Du es ergänzt, verfälschst Du es.) |
924.
Freilich ist mir die Bedeutung damals eingefallen!
Nicht zu der Zeit, da ich es berichte, noch in der Zwischenzeit.
Das ist es eben, was man so nennt: das ist eben der Gebrauch der Worte “Mir ist die Bedeutung eingefallen”. (“in this so called twentieth century”). |
925.
“Die || Eine Bedeutung
ist doch nicht etwas, was man erleben
kann!”
– Warum nicht? –
Die Bedeutung ist kein Sinneseindruck.
Aber was sind Sinneseindrücke?
So etwas, wie ein Geruch, ein Geschmack, ein Schmerz, ein Klang,
etc. etc..
Aber was ist ‘so etwas wie’ alle diese
Dinge?
Was ist ihnen gemeinsam?
Diese Frage ist natürlich nicht dadurch zu beantworten,
daß man sich in diese Sinneseindrücke
vertieft.
Man könnte aber so fragen: “Unter was für
Umständen würden wir sagen, jemand habe eine Art von Sinneseindrücken,
die uns fehlen?”
– Wir sagen z.B. von Tieren, sie hätten ein
Organ, womit sie das und das wahrnehmen, und so ein Sinnesorgan
muß nicht einem der unsern ähnlichen || ähnlich sein. |
926.
Könnte man sich eine Sinneswahrnehmung denken, durch welche wir die
Form eines soliden Körpers erfaßten, die
ganze Form, nicht nur das, was sich von einem
Standpunkt aus sehen ließe?
So ein Mensch würde z.B. im Stande || imstande sein, einen Körper in Ton zu
modellieren, ohne um ihn herumzugehen, oder zu greifen. |
927.
Ist es die Vielfältigkeit der möglichen Erklärungen einer Bedeutung,
die am Grunde davon ist, daß man eine Bedeutung nicht
‘im gleichen – 183
–
Sinne’ erlebt, wie ein Gesichtsbild? |
928.
Was macht eine Vorstellung von ihm zu einer Vorstellung von
ihm? –
Was macht sein Porträt zu seinem Porträt?
Die Intention des Malers?
Und heißt das: sein Seelenzustand? –
Und was macht eine Photographie zu seinem
Bildnis?
Die Absicht des Photographen?
Und angenommen ein Maler hätte die Absicht den N nach dem
Gedächtnis zu zeichnen, aber, geleitet von Kräften im
Unbewußten, zeichnet er ein
ausgezeichnetes Bildnis des M, – würden wir es nun ein schlechtes
Bildnis des N nennen?
Und denk Dir Leute, die zum Zeichnen von Bildnissen
abgerichtet wären, und ‘mechanisch’ den vor ihnen
sitzenden Menschen abzeichnen.
(Menschliche Lesemaschinen).
Und nun, was macht eine Vorstellung von ihm zu meiner Vorstellung von ihm? – Nichts von dem, was für das Porträt gilt, gilt von der Vorstellung. Die Frage macht einen Fehler. |
929.
Wem die Bedeutung einfiel, und wer sie nicht wieder
vergaß, kann nun das Wort in dieser Weise anwenden.
Wem die Bedeutung einfiel, der weiß sie nun, und der Einfall war einfach der Anfang des Wissens. Hier ist keine Analogie mit dem Erleben eines Vorstellungsbildes |
930.
Wie ist es aber, wenn ich zu mir selbst sage, ich möchte
dies (wobei ich etwa auf eine bestimmte Figur schaue)
so und so (‘x’) nennen?
Ich kann mir die hinweisende Definition “Das
heißt ‘x’” auch
laut vorsagen.
Aber ich muß sie doch auch selber
verstehen!
Ich muß also wissen, wie, welcher
Technik gemäß, ich das Zeichen || Wort “x” zu
gebrauchen gedenke. –
Fragt man mich etwa “Weißt Du auch,
wie Du das Wort gebrauchen wirst?”, so
werde ich antworten: ja. |
931.
Wie aber, wenn die Religion lehrt, die Seele könne bestehen, wenn der
Leib zerfallen ist?
Verstehe ich, was sie lehrt?
Freilich versteh ich's ‒ ‒ ‒ ich kann mir dabei manches
vorstellen.
(Man hat ja auch Bilder von diesen Dingen gemalt.
Und warum sollte so ein Bild nur die
unvollkommene Wiedergabe des ausgesprochenen Gedankens sein?
Warum soll es nicht den gleichen Dienst tun, wie
das, was wir sagen || wie unsere
Sätze?)
Und auf den Dienst kommt es an. |
932.
Aber bist Du kein Pragmatiker?
Nein.
Denn ich sage nicht, der Satz sei wahr, der nützlich ist.
– 185 –
Der Nutzen, d.h. Gebrauch, gibt dem Satz seinen
besondern Sinn, das Sprachspiel gibt ihm ihn.
Und insofern, als eine Regel oft so gegeben wird, daß sie sich nützlich erweist, und mathematische Sätze ihrem Wesen nach mit Regeln verwandt sind, spiegelt sich in mathematischen Wahrheiten Nützlichkeit. |
933.
Der seelenvolle Gesichtsausdruck.
Man muß sich daran erinnern, || eigens daran erinnern,
daß man ein Gesicht mit seelenvollem Ausdruck
malen kann um zu glauben, daß es
bloß Farben sind, die so
wirken. || , daß es wirklich
Farben sind, die diesen Eindruck machen.
Es ist nicht zu glauben, daß es die
bloßen Augen – Augapfel, Lider,
Wimpern, etc. – eines Menschen sind, in deren
Anblick man sich verlieren kann in die man mit Staunen und
Entzücken sehen kann.
Und doch wirken eben die Augen eines Menschen so.
“Woraus Du sehen kannst …” |
934.
Glaube ich an eine Seele im andern, wenn ich mit Staunen und
Entzücken in seine Augen schaue? |
935.
Der Satz “wenn p, so q”, wie
z.B. “wenn er kommt, wird er mir etwas
mitbringen”, ist nicht der gleiche wie
“p
⊂ || ⊃
q”.
Denn der Satz “Wenn … , so … ”
läßt den Konjunktiv zu, der Satz
“p
⊂ || ⊃
q” nicht. –
Wer einem auf den Satz “Wenn er kommt,
… ” antwortet “Das ist nicht wahr”,
der will nicht sagen: “Er kommt, und wird nichts
mitbringen”, sondern: “Er mag
kommen und nichts mitbringen”.
Aus “p ⊂ || ⊃ q” folgt nicht “Wenn p, so /klein/ q”; denn ich kann sehr wohl den ersten Satz behaupten (ich weiß z.B., daß p & q der Fall ist) und den zweiten Satz leugnen. |
936.
Soll ich nun sagen, der Satz “Wenn … , so
… ” sei entweder wahr, oder falsch, oder
unentschieden?
(Das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten gelte also
nicht?) |
937.
Man gibt auch auf die Aussage “Wenn er kommt, wird er
etwas mitbringen” die Antwort “Nicht
unbedingt.” –
Auch: “
Das folgt nicht.” ‒ ‒ ‒
Russell sagte, wenn man
behauptet “Wenn … , so … ”, so meine man
für gewöhnlich nicht die materielle sondern die formale Implikation; aber
auch das ist nicht richtig.
“Wenn … , so … ” läßt
sich nicht in Ausdrücken der Russellschen Logik wiedergeben. |
938.
Man kann sehr wohl sagen, der Satz “Wenn … , so
… ” sei entweder wahr, oder er sei falsch, oder
unentschieden. –
Aber bei welcher Man wird nun vielleicht sagen: ein Satz teile es in zwei Teile. Aber warum? Es sei denn, das gehöre zur Definition eines Satzes. Warum soll ich nicht auch etwas einen Satz nennen, was eine Dreiteilung macht? |
939.
Nimm nun eine Zweiteilung: Ich sage:
“Entweder er kommt, oder er kommt nicht. –
Im ersten Falle … Im zweiten …” || – “Kommt er, so …
Kommt er nicht, so …”
Kann ich nun diese Betrachtungsart nicht auf den Satz
“Wenn … und … sich treffen, wird es zu einer
Explosion kommen” nicht anwenden?
Hat einer z.B. diese Behauptung gemacht, – kann
ich nicht erwidern: “Entweder Du hast darin recht, oder
nicht: Ist es, wie Du sagst, dann … ist es nicht so, dann
…”? |
940.
Das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten sagt nicht, wie seine Form
vorspiegelt: Es gibt nur die beiden Möglichkeiten Ja und
Nein, und keine dritte.
Sondern: “Ja” und
“Nein” teilen das Feld der Möglichkeiten in zwei
Teile. –
Und das muß natürlich nicht so sein.
(“Hast Du aufgehört, Deine Frau zu
schlagen?”) |
941.
‘Der Wunsch ist ein Verhalten des Geistes, der Seele, zu einem
Gegenstand.’
‘Der Wunsch ist ein Seelenzustand, der sich auf einen Gegenstand
bezieht.’
Um sich das begreiflicher zu machen, denkt man etwa an die Sehnsucht und
daran, daß der Gegenstand unserer Sehnsucht vor unsern
Augen ist und wir ihn sehnend betrachten.
Steht er nicht vor uns, so vertritt ihn etwa sein Bild, und ist kein Bild
da, dann eine Vorstellung.
Und der Wunsch ist also ein Verhalten der Seele zu einer
Vorstellung.
Aber man denkt eigentlich immer an ein Verhalten des Körpers zu einem
Gegenstand.
Das Verhalten der Seele zur Vorstellung ist ganz das, was man auf einem
Bild zur Darstellung bringen könnte: Die Seele des Menschen, wie
sie sich mit verlangender Gebärde zu dem Bild (dem wirklichen Bild)
eines Gegenstandes hinneigt. |
942.
Und man könnte auf diese Weise freilich auch darstellen, wie ein
Mensch in seiner Miene dem Wunsch keinerlei Ausdruck gibt, und doch seine
Seele nach ihm verlangt. – 186 – |
943.
“Der Satz ‘Wenn er nur käme!’ kann
mit unserer Sehnsucht geladen sein.”
– Womit war er da geladen?
Es ist, als ob ihm ein Gewicht von unserm Geiste
aufgeladen würde.
Ja, alles das möchte ich sagen.
Und ist es denn gleichgültig, daß ich das sagen
will? |
944.
Ist es denn gleichgültig, daß ich das sagen
will?
Ist es nicht wichtig?
Ist es nicht wichtig, daß mir die Hoffnung in
der Brust lebt?
Ist das nicht ein Bild irgendeines wichtigen menschlichen
Verhaltens?
Warum glaubt ein Mensch, ein Gedanke komme ihm in den Kopf? –
Oder richtiger: Er glaubt es nicht; er erlebt
es.
Denn er greift sich etwa dabei an den Kopf, schließt
die Augen, um im Kopf mit sich allein zu sein.
Lehnt den Kopf zurück und macht eine Handbewegung zum Zeichen,
daß nichts den Vorgang im Kopf stören soll. –
Nun, sind das nicht wichtige Arten des Verhaltens? |
945.
Und wenn sich uns das Bild vom Gedanken im Kopf aufdrängen kann,
warum dann nicht noch viel mehr || warum dann nicht viel
mehr noch das, vom Gedanken in der
Seele. || , wie dann nicht noch viel mehr das,
… |
946.
Welches bessere Bild des Glaubens könnte es geben, als der Mensch, der mit
dem Ausdruck des Glaubens sagt “ich glaube
…”? |
947.
Der Mensch ist das beste Bild der menschlichen Seele. |
948.
Es ist natürlich wichtig, daß man das Verlangen nach
einem Apfel leicht bildlich darstellen kann, ohne dem Verlangenden
Worte in den Mund zu legen, – daß sich aber die
Überzeugung, daß etwas so und so sei, nicht so
darstellen läßt.
Wichtig, weil es den Unterschied, den Wesensunterschied, zwischen den psychologischen || seelischen Erscheinungen zeigt, und die Art und Weise, wie er zu beschreiben ist. |
949.
Warum sagte ich “Wesensunterschied”?
Ist es ein Unterschied, wie zwischen Kohlenstoff, Gravitation,
Lichtgeschwindigkeit und ultravioletten Strahlen?
Welches alles ‘Gegenstände’ sind, von denen die
Naturwissenschaft handelt. – |
950.
Denke, wir reden von Erscheinungen beim Sprechen der Menschen.
Es könnte uns interessieren: die Geschwindigkeit des Sprechens, der
Wechsel der Intonation, die Gebärden, die Länge oder Kürze der
Sätze, etc. etc..–
Wenn man nun von einem Menschen sagt, er habe ein
Seelenleben: er denke, wünsche, fürchte, glaube,
zweifle, habe Vorstellungen, sei traurig, |
951.
Denk an das, was man den Charakter einer Linie nennen kann, und daran, was
alles eine Beschreibung ihres Charakters genannt werden
muß || heißen
muß.
Was kann man alles fragen, wenn man sich für den Charakter einer Linie
interessiert? |
952.
Denk Dir, wir beobachten die Bewegung eines Punktes, etwa eines schwarzen
Punktes auf einer weißen Papierfläche.
Alle möglichen wichtigen Schlüsse könnten aus dem Charakter dieser
Bewegung gezogen werden || Bewegung
folgen.
Aber was können wir alles beobachten? –
Ob der Punkt sich gleichförmig, oder ungleichförmig bewegt; ob sich seine
Geschwindigkeit periodisch ändert; ob sie sich stetig oder sprungweise
ändert; ob der Punkt eine geschlossene Linie beschreibt; wie nahe sie einem
Kreis kommt; ob der Punkt eine Wellenlinie beschreibt und welches ihre
Amplitude und Wellenlänge ist; und unzählige andere.
Und jedes dieser Fakten könnte uns das allein interessierende
sein.
Es könnte uns z.B. alles an dieser Bewegung
gleichgültig sein, außer die Zahl der Ecken der Bahn
in einer bestimmten Zeit.
Und das heißt, wenn uns nun nicht nur
eine Eigenschaft dieser Bewegung interessiert, sondern viele,
eine jede von ihnen uns einen besondern, von allen andern gänzlich
verschiedenen
Aufschluß geben kann.
Und so ist es mit dem Benehmen der Menschen, mit den verschiedenen
Charakteristiken dieses Benehmens, die wir beobachten. |
953.
So handelt die Psychologie (etwa) vom Benehmen, nicht von
den Seelenzuständen des Menschen?
Wer einen psychologischen Versuch macht, – was wird der
berichten? –
Was das Subjekt sagt, was es tut, was ihm in der Vergangenheit geschehen
ist und wie es darauf reagiert hat. –
Und nicht: was das Subjekt denkt, was es sieht, fühlt, glaubt,
empfindet?‒ ‒ ‒
Wer ein Gemälde beschreibt, beschreibt der die Anordnung der
Pinselstriche auf der Leinwand – und nicht, was
der Betrachter sieht?
Aber wie ist es nun damit: Der Beobachter im Experiment wird manchmal sagen: “Das Subjekt sagte “Ich empfinde … ”, und ich hatte den Eindruck, dies sei wahr.” – Oder man sagt: “Das Subjekt schien müde” || – 188
–
schien ermüdet zu sein”.
Ist das nun eine Aussage über sein Benehmen?
Man möchte vielleicht sagen: Freilich, was soll es denn
sein? ‒ ‒ ‒
Man kann auch berichten: “Das Subjekt sagte
‘ich bin müde’” – aber für die Auswertung
dieser Worte wird es sich darum handeln, ob sie glaubwürdig sind, ob sie
einem andern nachgesprochen, wurden, ob sie eine Übersetzung aus dem
Französischen waren, etc..
Denke nun daran: Ich erzähle “Er machte einen verstimmten Eindruck”. Man fragt mich: “Was war es, daß Dir diesen Eindruck gemacht hat?”. Ich sage “Ich weiß es nicht.” – Kann man nun sagen, ich habe sein Benehmen beschrieben?? Kann man denn nicht sagen, ich hätte sein Gesicht beschrieben, wenn ich sage “Er machte ein trauriges Gesicht”? Auch wenn ich nicht angeben kann welche räumlichen Veränderungen im Gesicht diesen Eindruck machten? Man wird vielleicht erwidern: “Hättest Du genauer zugesehen, so könntest Du die charakteristischen Farben – und Ortsveränderungen beschreiben.” Aber wer sagt das, daß ich, oder irgend Einer es könnte? |
954.
Noch einmal: Wenn ich berichte “Er war
verstimmt”, berichte ich ein Benehmen, oder einen
Seelenzustand?
(Wenn ich sage “Der Himmel sieht drohend aus”,
rede ich von der Gegenwart, oder der Zukunft?)
Beides; aber nicht nebeneinander; sondern in einem Sinne eines, in einem
andern das andere.
Was aber heißt das?
(Ist das nicht Mythologie?
Nein.) |
955.
Es ist hier ganz wie mit dem Reden über physikalische Gegenstände und
Sinneseindrücke.
Wir haben hier zwei Sprachspiele, und ihre Beziehungen
zueinander sind kompliziert.
Will man diese Beziehungen in einfacher Weise beschreiben, so geht man
fehl. |
956.
Denke, ich beschreibe ein psychologisches Experiment: den Apparat,
die Fragen des Experimentators, die Antworten und Handlungen des
Subjekts.
Und dann sage ich: das alles sei eine Szene in dem und dem
Theaterstück.
Nun hat sich alles geändert.
Man wird also sagen: Wenn in einem Buch über Psychologie
dieses Experiment in gleicher Weise beschrieben wäre, so würde eben die
Beschreibung des Benehmens des Subjekts als Ausdruck des Seelenzustandes
verstanden, weil man voraussetzt, das Subjekt rede die
Wahrheit, halte uns nicht zum Besten, habe die Antworten nicht
auswendig gelernt. –
Wir machen also eine Voraussetzung? |
957.
Die Krankenschwester sagt dem Arzt “Er stöhnt”
– einmal will sie Wir machen eine Voraussetzung? – Wir benützen die Aussage jedesmal anders. |
958.
“Freilich berichtet der
Psychologe die Worte, das Benehmen des Subjekts, aber
doch nur als Zeichen seelischer Vorgänge.”
– Das ist richtig.
Wenn die Worte und das Benehmen, z.B. eingelernt
sind, so interessieren sie den Psychologen nicht.
Und doch ist der Ausdruck “als Zeichen seelischer
Vorgänge” irreführend, weil wir gewöhnt sind, von der Gesichtsfarbe
als Zeichen des Fiebers zu reden.
Und jede schlechte Analogie wird nun mit einer weiteren schlechten
erklärt, so
daß wir aus den Unstimmigkeiten nur endlich durch
die Ermüdung erlöst werden. || so
daß wir diese Unstimmigkeiten nur endlich aus Ermüdung
auf sich beruhen lassen. |
959.
Denk dir, man sagte: jedes uns wohlbekannte Wort habe schon einen
Dunstkreis, einen ‘Hof’ schwach angedeuteter Verwendungen
um sich.
So, als hätte man auf einem Gemälde die Hauptfiguren umgeben mit zarten,
nebelhaften Bildern von Vorgängen, an denen diese Figuren einen Anteil
haben. –
Nun, machen wir nur Ernst mit dieser Annahme! –
Da zeigt es sich, daß sie die
Intention nicht zu erklären vermag.
Wenn es nämlich so ist, daß die Möglichkeiten der Verwendung eines Ausdrucks beim Hören oder Sprechen in Halbtönen vorschweben, – wenn es so ist, so gilt das also für uns. Aber wir verständigen uns mit andern, ohne sie je gefragt zu haben, ob auch sie diese Erlebnisse haben. |
960.
Und wie ist es nun mit dem fortwährenden Werden und Vergehen im
Bereich unseres Bewußtseins?
Nun, wie ist es: ist das eine Erfahrung, oder kann man
sich's anders gar nicht vorstellen?
Hier ist eine Unklarheit. |
961.
Ich kenne mich in einem Zimmer aus: d.h., ich
kann, ohne einen Augenblick nachsinnen zu müssen, die Tür finden, sie öffnen
und schließen, jedes Möbelstück gebrauchen, ich
muß den Tisch, die Bücher, die Laden nicht suchen und
nicht nachdenken, was man mit ihnen machen kann.
Daß ich mich auskenne wird sich in der
Freiheit zeigen mit welcher ich mich im Zimmer bewege.
Es wird sich auch in einer Abwesenheit des Staunens und Zweifelns
äußern.
Was soll ich nun auf die Frage antworten:
– 190 – ob dies
Mich-in-diesem-Zimmer-Auskennen
ein Zustand meiner Seele sei? |
962.
Ich bin imstande, auf die Frage “Wozu dient ein
Thermometer” sogleich und ohne jede Schwierigkeit mit
einer langen Reihe von Sätzen zu antworten.
Und ebenso kann ich der Aufforderung folgen: “Erkläre
die Anwendung des Wortes ‘Buch’”. |
963.
Man kann das Sich-Auskennen
ein Erlebnis nennen, und auch wieder
nicht. |
964.
Die Verwendung gewisser Wörter dem Satzrhythmus zuliebe.
Dieser könnte uns viel wichtiger sein, als er uns
tatsächlich ist. |
965.
“Was für eine Art von Erlebnis ist …?”
Man wird nicht fragen “Wie ist es, wenn Du's
hast?” – denn darauf könnte der eine so, der andere so
antworten.
Man wird sie nicht nach einer Beschreibung des Erlebnisses fragen
sondern zusehen, wie die Menschen das Wort handhaben,
daß das Erlebnis
bezeichnet. || sondern zusehen, wie und bei welchen
Gelegenheiten die Menschen das Erlebnis erwähnen, von ihm reden,
ohne es beschreiben zu wollen. |
966.
Ich sage das Wort “Baum”, dann sag ich ein
Unsinnwort.
Sie fühlen sich verschieden an.
In wie fern? || Inwiefern? –
Mir werden zwei Gegenstände gezeigt: der eine ist ein Buch, der
andere ein mir unbekanntes Ding von sonderbarer Form.
Ich sage: sie schauen nicht bloß verschieden
aus, sondern ich habe auch ein anderes Gefühl bei ihrem
Anblick.
Das eine Ding ‘verstehe’ ich, das andere verstehe ich
nicht.
“Ja, aber es ist nicht nur der Unterschied zwischen
Wohlbekanntheit und Fremdheit.”
Nun, ist nicht auch ein Unterschied zwischen Arten der Wohlbekanntheit und
Fremdheit?
Ein fremder Mensch tritt in mein Zimmer, aber es ist ein Mensch, das sehe
ich sofort.
Etwas Vermummtes || Vermummtes tritt in mein Zimmer, ich
weiß nicht, ist es Mensch oder Tier.
Ich sehe einen mir unbekannten Gegenstand auf meinem Tisch, einen
gewöhnlichen Feldstein, aber ich habe ihn nie auf meinem
Tisch gesehen.
Ich sehe einen Stein am Weg; ich bin nicht erstaunt, obgleich ich mich
nicht erinnere, gerade ihn schon gesehen zu haben.
Ich sehe ein seltsam geformtes Objekt von mir unbekanntem Zweck auf meinem
Tisch und bin nicht überrascht: es ist schon immer dort
gelegen, ich habe nie gewußt was es ist
und mich nie dafür interessiert, es ist mir wohlvertraut. |
967.
“Nun, hast Du das Wort ‘Baum’ nicht verstanden,
wie Du's gehört |
968.
Was müßten wir denn einem sagen, der uns mitteilte,
bei ihm sei das Verstehen ein innerer
Vorgang? ‒ ‒ ‒
Was würden wir ihm erwidern, wenn er sagte bei ihm sei
Schachspielen-können ein innerer Vorgang? –
Etwa, daß nichts, was in ihm vorgeht, uns
interessiert, wenn wir wissen wollen ob er Schach spielen kann.
Und wenn er nun darauf antwortet, es interessiere uns eben doch, was in
ihm vorgehe, nämlich: ob er Schach spielen könne – so könnten wir
ihm nur widersprechen, indem wir ihn an die Kriterien
erinnerten, || indem wir ihm die Kriterien
zeigen, die uns seine Fähigkeit beweisen würden || die uns für seine Fähigkeit maßgebend
wären. |
969.
Um Dich in einer Umgebung auszukennen, mußt Du nicht
nur den richtigen Weg von einer Ortschaft zur andern kennen, sondern auch
wissen, wohin Du gerietest, wenn Du diese falsche Wendung
nähmst.
Dies zeigt, wie ähnlich unsere Betrachtungen Wanderungen in einer
Landschaft sind zum Zweck des Anlegens einer Karte.
Und es ist nicht unmöglich, daß eine solche für die
Gebiete, die wir begehen, einmal angelegt werden wird. |
970.
Angenommen, Du hast eine besondere Erfahrung beim Verstehen, wie kannst Du
wissen, daß es die ist, die wir
“verstehen” nennen? –
Nun, wie weißt denn Du,
daß die Erfahrung, die Du hast, die ist, die wir
“Schmerz” nennen? –
Das ist etwas anderes ‒ ‒ ‒ ich weiß es, weil mein
spontanes Benehmen in gewissen Situationen das ist, was man den
Ausdruck des Schmerzes nennt. |
971.
Wenn man das Wort “Schmerz” gebrauchen lernt, so
geschieht es nicht dadurch, daß man errät für welchen
der inneren Vorgänge, beim Hinfallen z.B., dies Wort
gebraucht wird.
Es könnte ja dann auch das Problem entstehen: welcher meiner Empfindungen wegen ich schreie, wenn ich mich verletze. – 192 –
Und dabei denke ich mir, daß man nach innen zeigt und sich fragt: “Ist es nun diese Empfindung, oder diese?” |
972.
“Gleichgültig, ob ich der Empfindung den richtigen
Namen beigelegt habe, – ich habe ihr eben einen Namen
beigelegt!”
– Aber wie legt man denn etwas, z.B. einer
Empfindung, einen Namen bei?
Kann man in sich einer Empfindung einen Namen
beilegen?
Was geschieht da; und was ist das Resultat dieser Handlung?
((Vergl. Bemerkung über das Anhängen einer
Namenstafel.))
Wenn man im Geiste eine Tür zuschließt, ist sie dann
zugeschlossen?
Und welche Konsequenz hat es?
Kann dann, im Geiste, niemand herein? |
973.
“Wie weißt denn Du,
daß die Erfahrung, die Du hast, dasjenige ist, was wir
‘Schmerz’ nennen?”
– Die Erfahrung, die ich habe?
Welche?
Wie spezifiziere ich sie: für mich, und
(für) einen andern. || ?
|
974.
Denke, wir könnten lernen, was man eine Empfindung, etwa einen
‘Schmerz’, nennt, und dann lehrte man uns, diese
Empfindung auszudrücken.
Was für eine Verbindung müßte diese
Tätigkeit mit der Empfindung haben, um ihr ‘Ausdruck’
heißen zu können?! |
975.
Denke, einer wüßte, erriete,
daß ein Kind Empfindungen hätte, aber keinen || keinerlei Ausdruck für sie.
Und nun wollte er das Kind den Ausdruck für die Empfindungen
lehren. || Und nun wollte er das Kind lehren, die
Empfindungen auszudrücken.
Wie muß er eine Handlung mit einer Empfindung
verbinden, damit sie ihr Ausdruck wird? |
976.
Kann er das Kind lehren: “Siehst Du, so drückt man
etwas aus – das ist z.B. ein
Ausdruck von dem – und nun drück Deinen Schmerz
aus!” |
977.
“Verstehen” wird eben nicht so gebraucht, wie ein
Empfindungswort. |
978.
Das verwirrende Bild ist dies: daß wir eine
Substanz beobachten, – ihre Veränderungen, Zustände, Bewegungen;
gleich einem || wie einer, der die
Veränderungen und Bewegungen in einem Schmelzofen beobachtet.
Während wir das Verhalten und Benehmen der Menschen beobachten und
vergleichen. |
979.
Das primitive Schmerzbenehmen ist ein Empfindungsbenehmen;
es wird ersetzt durch einen sprachlichen Ausdruck.
“Das Wort ‘Schmerz’ bezeichnet eine
Empfindung” heißt so viel wie:
“‘Ich habe Schmerzen’ ist eine
Empfindungsäußerung.” |
980.
Formen des Benehmens || Verhaltens
können inkommensurabel || Kann ich denn von einem Benehmen des Zorns, z.B., und von einem andern der Hoffnung reden? (Es ist leicht, sich einen Orang-Utan zornig vorzustellen – aber hoffend? Und warum ist es so?) |
981.
Wenn mir jemand sagt “Ich sehe jetzt diesen
Punkt als Spitze des Dreiecks”, so verstehe ich ihn.
Aber was mache ich mit diesem Verständnis?
Nun, ich kann ihm, z.B., sagen:
“Kommt Dir das Dreieck jetzt vor, als wäre es umgefallen, als
stünde es normalerweise auf der Grundlinie a?
Oder erscheint es Dir jetzt als Berg mit B als Spitze?
Oder als Keil?
Oder als ‘schiefe Ebene’?
Oder als Kegel?”
Du kannst nun fragen “Worin besteht es: die Figur so sehen?” – und sozusagen Hypothesen über das machen, was dabei vorgeht. Z.B., Augenbewegungen, oder Vorstellungen, mit denen man das Gesehene supplementiert – man stellt sich etwa einen Körper vor, der auf der schiefen Ebene heruntergleitet – etc.. Alles das kann geschehen, muß aber nicht geschehen; und wenn mir jemand mitteilt, er sehe das Dreieck als Keil, z.B., so sagt er mir nicht, wie sich seine Augen bewegt haben, etc..– Nein; nicht, was da geschieht, ist die Frage, sondern: wie man jene Aussage verwenden kann. Wozu mir z.B. das Verstehen der Mitteilung verhilft. Eine Anwendung wäre die: Man kann einem sagen “Schau das Dreieck als Keil an; dann wirst Du Dich über … nicht mehr wundern.” Und sagt darauf vielleicht: “Ja, so kommt es mir natürlicher vor.” – Ich habe ihn also durch meine Erklärung beruhigt; oder ihm dazu verholfen daß er nun eine Aufgabe schneller lösen kann. |
982.
Die Ähnlichkeit eines Gesichts mit einem andern sehen, die Analogie einer
mathematischen Form mit einer andern, eine menschliche
Gestalt in den Linien eines Vexierbildes, eine
Raumform in einer schematischen Zeichnung,
“pas” in “ne …
pas” in der Bedeutung von “Schritt” hören
oder aussprechen ‒ ‒ ‒ alle diese Erscheinungen sind irgendwie ähnlich,
aber doch auch wieder sehr verschieden.
(Eine Gesichtswahrnehmung, eine Gehörwahrnehmung, eine
Geruchswahrnehmung, eine Bewegungswahrnehmung.) |
983.
In allen jenen Fällen kann man sagen, man erlebe einen
– 194 – Vergleich.
Denn der Ausdruck des Erlebnisses ist, daß
wir zu einem Vergleich geneigt sind.
Zu einer Paraphrase.
Es ist ein Erlebnis, dessen Ausdruck ein Vergleich ist. Aber warum ein ‘Erlebnis’? Nun, unser Ausdruck ist ein Erlebnisausdruck. – Weil wir sagen “ich sehe es als … ”, “ich höre es als …”? Nein; obwohl diese Ausdrucksweise damit zusammenhängt. Sie ist aber berechtigt, weil das Sprachspiel den Ausdruck zu dem eines Erlebnisses macht. || weil im Sprachspiel der Ausdruck als der eines Erlebnisses gebraucht wird. |
984.
Ein Erlebnis, das sich in einem Vergleich
äußert. –
Um z.B. “Je ne sais
pas” auf die bewußte Art zu hören
muß einer andere Ausdrücke, wie “not a
thing”, kennen.
Der Ausdruck des Erlebnisses durch den Vergleich ist eben der Ausdruck, der unmittelbare Ausdruck. Ja, das Phänomen, das wir beobachten und das uns interessiert. |
985.
Wenn nun einer “pas” nicht so hören,
erleben, könnte, wenn er nicht verstünde was wir meinen, wenn wir von einem
‘so-hören || So-Hören’ reden, – würde der uns auch nicht
verstehen, wenn wir ihm erklären, daß
“pas” auch in der Verneinung so viel wie
“Schritt” geheißen habe, und wenn
wir sagten es sei analog dem Wort
“bißchen”,
“bit”, “thing”
etc.?
Aber was sieht der ein, der einsieht, der Gebrauch des
Wortes … sei dem des Wortes …
analog? |
986.
Nun, wozu zeige ich einem so eine Analogie?
Was erwarte ich mir davon?
Welche Wirkung hat es? –
Es scheint doch eine Erklärung zu sein.
Es ist eine Art der Erklärung.
Man sagt ja auch: “Ja, jetzt versteh ich den Gebrauch
dieses Wortes.”
Man sagt aber auch: “Ich weiß,
was Du meinst, aber ich kann es nicht so
hören.” |
987.
“So, wie wir auch heute noch … , so haben diese Leute
…”
Wir können diesen Gebrauch im Lichte jenes betrachten. Dies kann, z.B., als heuristisches Prinzip dienen. |
988.
Jedes Wort – möchte man sagen – kann zwar in verschiedenen
Zusammenhängen verschiedenen Charakter haben, aber es hat doch immer
einen Charakter – ein Gesicht.
Es schaut uns doch an. –
Man könnte sich ja wirklich denken jedes Wort sei ein kleines
Gesicht, das Schriftzeichen könnte ein Gesicht sein.
Und man könnte sich auch denken, daß der ganze Satz
eine Art Gruppenbild wäre, so daß der Blick der
|
989.
Ist es denn auch gewiß, daß
ein jeder, der unsere Sprache versteht, geneigt wäre, zu sagen, jedes Wort
habe ein Gesicht?
Und das Wichtigste – welcher allgemeinen Tendenz
in uns entspricht es, diese Neigung zu
haben? || – zu welcher allgemeinen Tendenz in uns
gehört diese Neigung? |
990.
Erstens ist klar, daß die Tendenz, das Wort als
etwas intimes, seelenvolles, zu betrachten, nicht immer da ist, oder im
gleichen Maße da ist.
Das Gegenteil des seelenvollen aber ist das maschinenhafte.
Wer einen Robot darstellen will, – wie weicht sein Benehmen von unserm
gewöhnlichen ab?
Dadurch, z.B., daß unsere
gewöhnlichen Bewegungen sich nicht, auch nur annähernd, mittels
geometrischer Begriffe beschreiben lassen. |
991.
Würde man z.B. von Sätzen in Telegrammstil auch den
Eindruck des Gruppenbildes erhalten? |
992.
Der Gefangene hat eine Nummer als Namen.
Von ihr würde niemand sagen, was Goethe von Personennamen sagt. |
993.
Man hat die Idee, es sei der Sinn des Satzes, zusammengesetzt aus den
Bedeutungen seiner Wörter.
(Gruppenbild).
Wie ist z.B. der Sinn “Ich habe ihn
noch immer nicht gesehen” aus den Bedeutungen der Wörter
zusammengesetzt? |
994.
Auch das Wort “habe” hat ein Gesicht; denn das Wort
“die Habe” hat jedenfalls ein anderes
Gesicht.
Es fühlt sich anders an; also mußte sich
“habe” auch irgendwie anfühlen. –
Aber muß sich “Habe”
anders ‘anfühlen’ als “habe”?
Wie, wenn jemand mir versicherte, ihm fühlten sich
diese beiden Wörter ganz gleich an?
Er sagt z.B.: Ja, das Bindewort und das
Zeitwort “sondern”, die fühlen sich verschieden an; aber
nicht “Habe” und “habe”.
Dürften wir ihm das nicht glauben.
Was wie eine ganz selbstverständliche Äußerung erschien, die an das Verstehen der Worte gebunden ist, (das) erscheint hier im Licht einer rein persönlichen Äußerung || eines rein persönlichen Gefühlsausdrucks. Nicht anders, als sagte einer, die Vokale a und e haben für ihn dieselbe – 196
–
Farbe.
Kann ich da nun sagen: “Du spielst unser Spiel
nicht”? |
995.
Wird hier von dem Feinfühligen angenommen, er fühle in allen
Zusammenhängen die beiden Wörter “sondern”
verschieden?
Nein.
Nur wenn man sie, experimentell, || zum
Versuch, ausspricht, erwartet man das. || Nur wenn man sie, nicht zu ihrem gewöhnlichen Zweck, im
Experiment ausspricht, erwartet man das. |
996.
Denk Dir Menschen, die mit ‘äußerst
komplizierten’ Zahlzeichen rechnen.
Diese stellen sich aber das als Figuren, welche entstehen, wenn man unsere
Zahlzeichen aufeinander schreibt.
Sie schreiben z.B. bis zur fünften Stelle
so: Wer ihnen zusähe, fände es schwer,
zu erraten, was sie tun.
Und sie könnten es vielleicht selbst nicht erklären.
Es kann ja dieses Zahlzeichen, in etwas anderer Schrift geschrieben, seine
Erscheinung (für uns) zur Unkenntlichkeit ändern.
Und was die Leute täten, erschiene uns rein intuitiv.
|
997.
Ich sage also: man schätzt das psychologische Interesse der
Wenn-Empfindung falsch ein, wenn man sie als selbstverständliches
Korrelat der Bedeutung des Wortes ansieht; sie muß
viel mehr || vielmehr in einem anderen Zusammenhang
gesehen werden, im Zusammenhang der speziellen Umstände unter
welchen sie auftritt. || in dem, der besonderen
Umstände, unter welchen sie
auftritt. |
998.
Sag: “Es ist schwer, die beiden Dinge zu
sondern” und sprich das letzte Wort mit dem Gefühl des
Bindeworts aus!
Üb Dich etwa darin im gewöhnlichen Sprechen || im
Gespräch, ein Wort mit doppelter Bedeutung
mit dem unpassenden Gefühl auszusprechen!
(Wenn es nicht mit einem unpassenden Ausdruck der Stimme verbunden ist,
so schadet es der Verständigung nicht.) |
999.
Jetzt sag Dir: das Bindewort “sondern” sei
eigentlich dasselbe wie das Zeitwort (so wie weg = Weg
und trotz = Trotz) und sprich den Satz “Es
ist nicht besser, sondern schlechter geworden” mit
“sondern” in der Bedeutung des Zeitworts aus!
|
1000.
Bist Du auch sicher, daß es ein
Wenn-Gefühl gibt?
Nicht vielleicht mehrere?
Hast Du versucht, das Wort in sehr verschiedenen Zusammenhängen
auszusprechen?
(Wenn es z.B. den Hauptton des Satzes trägt, und
wenn ihn das nächste Wort trägt.) |
1001.
Hat Einer die Wenn-Empfindung je, wenn er das Wort
“wenn” nicht |
1002.
Der Namenszug Goethes
mutet mich goetheisch
an.
Insofern ist er wie ein Gesicht, denn vom Gesicht könnte ich dasselbe
sagen.
Es ist wie eine Spiegelung. Gehört dieses Phänomen zu dem: “ich war schon einmal in derselben Situation”? Oder ‘identifiziere’ ich die Unterschrift mit der Person, indem ich, z.B., die Unterschrift des geliebten Menschen anzuschauen liebe, oder die Unterschrift des Bewunderten eingerahmt auf meinen Schreibtisch stelle? (Magie, die mit Bildern, Haaren, etc. getrieben wird.) |
1003.
Die vom Ding unlösliche || untrennbare
Atmosphäre, – sie ist also keine
Atmosphäre.
Was mit einander innig assoziiert ist, assoziiert wurde, das scheint zusammen zu passen || zusammenzupassen. Aber wie scheint es das? wie äußert sich's, daß es zu passen scheint? Etwa so: Wir können uns nicht denken, daß der Mann, der so geheißen, so ausgeschaut, sich so unterschrieben hat, nicht diese Werke, sondern etwa ganz andere (die eines andern großen Mannes) hervorgebracht hat? || der so geheißen, so ausgeschaut, der diese Schriftzüge hatte, nicht diese Werke, sondern etwa ganz andere (die eines andern großen Mannes) hervorgebracht hat? Wir können uns das nicht denken? Versuchen wir's denn? – |
1004.
Es könnte so sein: Denk Dir, ein Maler wollte
ein Bild entwerfen: “Beethoven beim Schreiben der neunten Symphonie”.
Ich könnte mir leicht vorstellen, was etwa auf so einem Bild zu sehen
wäre.
Aber wie, wenn einer darstellen wollte, wie
Goethe ausgesehen hätte
beim Schreiben der neunten Symphonie?
Da wüßte ich mir nichts vorzustellen, was nicht
höchst unpassend und lächerlich wäre. |
1005.
Schau ein altbekanntes || wohlbekanntes Möbelstück, am alten Platz, in
Deinem Zimmer an!
“Es ist ein Teil eines Organismus” möchtest Du
sagen.
Oder: “Nimm es heraus, und es ist gar nicht mehr
dasselbe” || gar nicht mehr das, was es
war” und dergleichen.
Und natürlich denkt man da an keine kausale Abhängigkeit
eines Teils von den übrigen. || – 198
–
eines der Teile …
Eher ist es so: ich könnte diesem Ding einen Namen
geben und von ihm etwa aussagen, daß es von seiner
Stelle gerückt ist, einen Fleck hat, staubig ist, etc.;
wollte ich es aber ganz aus seinem jetzigen
Zusammenhang nehmen, so würde ich sagen, es habe aufgehört zu existieren,
und ein anderes sei an seine Stelle getreten. |
1006.
Ja, man könnte auch so fühlen: “Es gehört alles zu
allem.”
(Interne und Externe Relation.)
Verrücke ein Stück und es ist nicht mehr, was es war.
Dieser Tisch ist dieser Tisch nur in dieser Umgebung.
Alles gehört zu allem.
Hier haben wir die untrennbare Atmosphäre || Umgebung.
Und was sagt, der das sagt?
Was für eine Darstellungsweise schlägt er vor? –
Ist es nicht die des gemalten Bildes?
– Wenn z.B. der Tisch sich verschoben hat,
malst Du ein neues Bild vom Tisch mit seiner Umgebung.
|
1007.
“Ein ganz bestimmter Ausdruck” – dazu gehört auch,
daß, wenn man das Kleinste an dem Gesicht ändert, sich
sogleich der Ausdruck ändert. |
1008.
Sein Name scheint auf seine Werke zu passen. –
Wie scheint er zu passen?
Nun, ich äußere mich etwa so. –
Aber ist das alles? –
Es ist, als bildete der Name mit diesen Werken ein Ganzes || ein solides Ganzes.
Sehen wir ihn, so kommen uns die Werke in den Sinn, und denken wir an die
Werke, so der Name.
Wir sprechen den Namen mit Ehrfurcht aus.
Der Name wird zu einer Geste; zu einer architektonischen Form. |
1009.
Wer das nicht verstünde || versteht,
den würden wir etwa als ‘prosaisch’ bezeichnen
wollen.
Und ist das, was der ‘Bedeutungsblinde’
wäre? |
1010.
Jede andere Zusammenstellung würde uns unrichtig erscheinen.
Durch unsere Gewohnheit werden diese Formen zu einem Paradigma; sie
erhalten sozusagen Gesetzeskraft. (‘die Macht der
Gewohnheit’?) |
1011.
Wer die Worte “das Zeichen als Pfeil
sehen” nicht verstehen und gebrauchen lernen kann,
den nenne ich “bedeutungsblind”.
Es wird keinen Sinn haben, ihm zu sagen “Du mußt versuchen, es als Pfeil zu sehen” und man wird ihm so nicht helfen können. |
1012.
Wie ist es aber mit so einem Ausdruck:
“Als Du es sagtest, verstand ich es in meinem
Herzen”?
Dabei deutet man sich auf's Herz.
Und meint man diese Gebärde etwa nicht?!
Freilich meint man sie.
Oder ist man sich bewußt, nur ein Bild
zu gebrauchen?
Gewiß nicht! |
1013.
Wenn das Kind sprechen lernt, wann entwickelt es da das
|
1014.
Man kann auch, wenn man ein Tier beobachtet, z.B.
einen Affen, der einen Gegenstand untersucht und zerpflückt, sagen:
“Man sieht, es geht etwas in ihm
vor.”
Wie merkwürdig ist das!
Aber nicht merkwürdiger, als daß wir sagen:
die Liebe, die Überzeugung sei in unserm Herzen! |
1015.
Wann und womit fängt es also an, daß der Mensch
Bedeutungsgefühle äußert?
In welchen Spielen wird es sich zeigen? |
1016.
Ist nicht die Neigung, einen Bedeutungskörper zu
denken ähnlich der, einen Ort des Denkens zu
denken? –
Müßte jeder Mensch die Neigung haben,
zu sagen, er denke im Kopf? –
Es wird ihm dieser Ausdruck als Kind beigebracht.
(“Kopfrechnen”)
Aber daraus entwickelt sich jedenfalls die Neigung (oder
aus ihr entstand der Ausdruck).
Jedenfalls, die Neigung ist dann vorhanden.
Und so auch die, von einem Bedeutungskörper zu reden (oder
dergl.), wie immer sie
entstanden ist. |
1017.
Reden wir nun auch von einem ‘Gefühl’ des
Denkens im Kopf?
Wäre dies nicht ähnlich, wie das
‘Bedeutungsgefühl’?
Auch: Kann der nicht denken, der dies Gefühl nicht hätte? Ja; wer philosophiert oder psychologisiert wird vielleicht sagen: “Ich fühle, ich denke im Kopf”. Aber was das nun heißt, das wird er nicht sagen können. Er wird nämlich nicht sagen können, was das nun für ein Gefühl ist; sondern einfach den Ausdruck gebrauchen: er ‘fühle’; als sagte er nämlich “Ich fühle diesen Stich hier”. Er ist sich also nicht bewußt, daß hier noch zu untersuchen ist, was sein Ausdruck “ich fühle” hier bedeutet, d.h., welche Konsequenzen wir aus dieser Äußerung ziehen dürfen. Ob z.B. die, die wir aus der Äußerung “Ich fühle den Stich hier” ziehen würden. |
1018.
Man könnte nämlich auch sagen: “Ich
fühle das Steigen der Preise im Kopf”.
Und ist das Unsinn?
In welches Kapitel der Psychologie aber gehörte dieses Gefühl?
Nicht in das von den Sinnesempfindungen, – es sei denn, einer sagte
“Wenn ich diesen Schmerz im Kopf spüre, steigen immer die
Preise”. – 200 – |
1019.
Könnte nicht einer sagen: “Ich habe ein
Gefühl des Ortes beim Denken || “Mein
Denken hat einen Ort, denn ich kann z.B.
…
Ich kann z.B. den Gedanken … einmal im
Kopf und einmal im Herzen denken.”
– Und würde das zeigen, daß ein Gedanke einen Ort hat?
Ich meine: würde es das Erlebnis des Denkens näher
beschreiben?
Nicht viel mehr ein neues Erlebnis?
“Ich möchte sagen: ‘ich habe im Kopf gedacht’”. |
1020.
Man kann den Befehl befolgen “Denk an gar
nichts!”, “make your mind a
blank!” |
1021.
So wie man die Redensart “im Kopf”, in Verbindung mit
dem Denken, gelernt hat, so auch die: “das Wort hat diese
(‘eine’) Bedeutung”, und alle Phrasen,
die damit verwandt sind.
Auch die Ausdrucksweise: “diese beiden Wörter klingen
nur gleich, haben aber sonst nichts miteinander zu tun” und
viele ähnliche.
Und das Bedeutungserlebnis folgt eigentlich genau diesen
Redewendungen.
(Die doch auch eine gänzlich andere Form haben könnten – das
französische “vouloir dire”
z.B.). |
1022.
Ist also das Bedeutungserlebnis nur eine
Einbildung?
Nun, wenn es auch eine Einbildung ist, so ist das Erlebnis dieser
Einbildung dadurch nicht weniger interessant.
|
1023.
Es ist übrigens merkwürdig || auffallend, daß das
Wort “Association” in meinen
Betrachtungen || Bemerkungen eine so
geringe Rolle spielt.
Ich glaube, daß dieses Wort in
äußerst vager, verschwommener Weise verwendet wird,
und für ganz unähnliche Erscheinungen. |
1024.
Über einen feinen ästhetischen Unterschied läßt sich
eine Menge || vieles
sagen – das ist sehr wichtig || wesentlich.
D.h., die erste Äußerung
ist freilich bloß “Dies
Wort paßt, dies nicht”, oder
dergleichen; aber nun können noch alle weitverzweigten Zusammenhänge erörtert werden, die
jedes dieser Wörter schlägt.
Das heißt, es ist eben nicht mit
jenem ersten Urteil abgetan, sondern es ist das Feld jedes
Wortes, worauf's ankommt. |
1025.
Warum soll denn das Bedeutungserlebnis wichtig sein?!
Er sagt das Wort, sagt, er habe es jetzt in dieser Bedeutung gesagt;
dann in jener.
Ich sage das gleiche.
Mit dem gewöhnlichen und wichtigen Gebrauch des Ausdrucks
“Ich habe mit dem Wort das gemeint”
hat das offenbar nichts zu tun.
Was ist also das Merkwürdige?
Daß wir so etwas sagen?
Das ist – 202
– natürlich interessant.
Aber das Interesse liegt hier nicht auf dem Begriff der
‘Bedeutung’ eines Wortes, sondern auf der Reihe
ähnlicher || analoger psychologischer
Erscheinungen, die, im Allgemeinen, mit Wortbedeutung nichts zu tun
haben. |
1026.
Es sagt jemand, etwa im Sprachunterricht, “Reden wir über
das Wort ‘Weiche’”.
Ich frage: “Meinst Du das Zeitwort, das
Eigenschaftswort, oder das Hauptwort?”
– Er: “Ich meine das
Hauptwort.”
– Muß er da, oder muß
ich, ein Bedeutungserlebnis gehabt haben?
Nein.
Aber, daß uns Vorstellungen bei diesem Gespräch
vorgeschwebt haben, ist wahrscheinlich.
Sie würden etwa die Rolle spielen, wie ein Kritzeln während
des Sprechens.
Wer etwa gewöhnt wäre, beim Gespräch auf einem Papier zu kritzeln, der
würde vielleicht einmal eine Weiche zeichnen, einmal ein Ei, einmal das
Wort “Weiche!” schreiben.
Und wenn von einer Weiche die Rede wäre und er zeichnete dabei ein Ei, so könnte ihn das vom Gespräch abziehen; zeichnet er aber Schienen, so bliebe er bei der Sache. |
1027.
Inwiefern kann man ‘kritzeln’ mit dem Spiel der
Vorstellungen vergleichen? –
Denk Dir Menschen, die von Kind auf bei allen
Gelegenheiten, wo wir sagen würden, sie stellten sich etwas vor,
Zeichnungen ausführen.
Gibt man ihnen dann einen Stift in die Hand, so zeichnen sie mit
großer Geschwindigkeit.
Aber tut denn der gewöhnliche Mensch nicht etwas ganz Ähnliches? Er zeichnet zwar nicht, aber ‘beschreibt seine Vorstellung’, d.h., statt zu zeichnen, spricht er. Oder er gebraucht Gebärden, um z.B. einen Menschen, den er sich vorstellt, darzustellen! Muß ich denn annehmen, daß er diese Beschreibung, diese Gebärden von etwas abliest?! Was spricht dafür? – Nun, er sagt etwa “Ich sehe ihn vor mir!” und dann stellt er ihn dar. Aber hätte ich ihn, statt diesen Ausdruck zu sagen gelehrt “Jetzt weiß ich, wie er aussieht”, oder “Jetzt kann ich sagen, wie er aussieht”, oder “Jetzt werde ich Dir sagen, wie er aussieht”, – so wäre das gefährliche Bild eliminiert. (Tennis ohne Ball.) |
1028.
Um in die Tiefe zu steigen, braucht man nicht weit zu
reisen; ja, Du brauchst dazu nicht Deine nächste und gewöhnliche Umgebung
verlassen. |
1029.
Wie finde ich das ‘richtige’ Wort? Es
ist allerdings, als vergliche ich Worte nach feinen
Geschmacksunterschieden. Dies ist zu sehr … ,
– 203 – dies
zu sehr … ;– das ist das Richtige. || Wie finde ich das ‘richtige’
Wort? Wie wähle ich unter den
Worten? Es ist allerdings, als vergliche ich sie nach feinen
Unterschieden des Geschmacks || Aromas.
Aber ich muß nicht immer beurteilen, erklären warum dies oder dies Wort nicht stimmt. Es stimmt einfach noch nicht. Ich suche eben weiter, bin nicht befriedigt. Endlich komme ich zur Ruhe, bin befriedigt. So schaut eben das Suchen aus; und so das Finden. |
1030.
“Ich entwickle was in ihm steckt.”
– Wie weiß ich, daß
das in ihm war? –
So ist es nicht.
Man kann auch nicht fragen: “Wie
weiß ich, daß ich das
wirklich geträumt habe?”
– Es steckt in ihm, weil ich sage,
daß es in ihm steckt.
Oder besser: weil ich geneigt bin, zu sagen …. –
Und was ist das für ein seltsames Erlebnis: geneigt sein, zu
sagen …?
Gar keins. |
1031.
Wenn ich aber gestorben wäre, noch ehe ich das alles entwickeln konnte,
– wäre es dann nicht in meinem Erlebnis enthalten
gewesen? –
Die Antwort “Nein” auf diese Frage ist falsch; die
Antwort “Ja” muß es auch
sein.
“Nein” würde heißen: Wenn einer einen Traum nicht erzählt, ist es falsch zu sagen, er habe ihn gehabt. Es wäre unrichtig zu sagen: “Ich weiß nicht, ob er geträumt hat; er hat nichts darüber gesagt.” “Ja” würde heißen: Er mag wohl geträumt haben, auch wenn er es nicht berichtet. Aber das soll doch keine psychologische Aussage sein! Also, eine logische. |
1032.
“Kann einer nicht träumen, und es doch niemandem
mitteilen?” –
Gewiß: er kann ja träumen und es
jemandem mitteilen. |
1033.
Wir lesen in einer Erzählung, jemand habe einen Traum gehabt und ihn
niemandem mitgeteilt.
Wir fragen nicht, wie der Autor das erfahren konnte. –
Verstehen wir es nicht, wenn
Strachey Vermutungen darüber anstellt, was die Königin
Victoria knapp vor ihrem Tode vor
sich gesehen haben mag?
Freilich – aber verstanden Leute nicht auch die
Frage, wie viele Seelen auf einer Nadelspitze Platz hätten?
D.h.: die Frage, ob man das nicht versteht,
hilft uns hier nicht; wir müssen fragen, was wir mit einem
solchen Satz anfangen können. –
Daß wir den Satz verwenden, ist klar;
wie wir ihn verwenden, die Frage. |
1034.
Daß wir den Satz verwenden, sagt uns noch nichts,
weil wir die gewaltigen Verschiedenheiten der Verwendung
erkennen.
Wir sehen also das Problem im Wie. |
1035.
Nun noch einmal: – Menschen teilen uns nach dem Erwachen eine
Erzählung mit; wir lehren sie darauf den Ausdruck
“Mir hat geträumt … ” und
nun folgt die Erzählung.
Ich frage sie dann manchmal: “Hast Du heute Nacht
etwas geträumt?” und erhalte manchmal eine bejahende,
manchmal eine verneinende Antwort, manchmal eine Traumerzählung, manchmal
keine.
Das ist das Sprachspiel.
(Ich habe jetzt angenommen, daß ich selbst nicht
träume.
Aber ich habe ja auch kein Gefühl einer unsichtbaren Gegenwart und
andere haben es, und ich kann sie über ihre Erfahrungen
befragen.)
Muß ich nun in diesem Falle eine Annahme darüber machen, ob diese Leute ihr Gedächtnis getäuscht hat oder nicht; ob sie wirklich während des Schlafs diese Bilder vor sich gesehen haben oder ob es ihnen nur nach dem Erwachen so vorkommt? Und welchen Sinn hat diese Frage? – Und welches Interesse?! Fragen wir uns das je, wenn uns einer einen Traum erzählt und wenn nicht, – ist es, weil wir sicher sind, sein Gedächtnis werde ihn nicht getäuscht haben? (Und angenommen, er wäre ein Mensch mit ganz besonders schlechtem Gedächtnis!) |
1036.
Und heißt das nun, es sei unsinnig, je
die Frage zu stellen: ob in der Nacht wirklich der
Traum vor sich gegangen sei, oder ob der Traum wirklich ein
Gedächtnisphänomen des Erwachten sei?
Es kommt darauf an was wir damit meinen,
d.h.: welche Verwendung wir von
dieser Frage machen.
Denn machen wir uns dies Bild vom Traum:
daß vor des
Schlafenden Seele ein Bild schwebt (wie es etwa auf
einem Gemälde dargestellt wäre), dann hat es natürlich Sinn, diese
Frage zu stellen.
Man fragt damit: Ist es so, oder
so ‒ ‒ ‒ und jedem “so” entspricht ein
anderes Bild. |
1038.
Zurück zu dem Sprachspiel von der
Traumerzählung: Einer sagt mir einmal
“Was ich heute Nacht geträumt habe, werde ich niemandem
erzählen.”
Nun, hat das Sinn?
Warum nicht?!
Soll ich, nach dem, was ich über den Ursprung des Sprachspiels
mitgeteilt habe, sagen, es habe keinen
– 204 – Sinn – da ja das ursprüngliche Phänomen eben
die Traum-Erzählung war?
Durchaus nicht! |
1039.
Eine Eisenbahnstation mit allen ihren Einrichtungen, Telegraphenstangen
und Telegraphendraht, bedeutet für uns ein weitverzweigtes
Verkehrssystem.
Aber auf dem Mars findet sich dieses Gebäude mit allem
Drum und Dran, auch mit einem Stück Geleise, und bedeutet dort
nichts dergleichen. |
1040.
“Es scheint, der Geist kann dem Wort Bedeutung geben”
– ist das nicht, als sagte ich; “Es scheint,
daß in Benzol die C-Atome an den Ecken
eines Sechsecks liegen”?
Das ist doch kein Schein; es ist ein
Bild. |
1041.
Ich will freilich nicht eine Definition des Worts
“Traum” geben, aber doch etwas tun, was dem ähnlich
ist: den Gebrauch des Wortes beschreiben.
Meine Frage lautet also ungefähr so: “Wenn ich zu
einem fremden Stamm mit mir unbekannter Sprache
käme, und die Leute hätten einen Ausdruck, der unserm “ich
träume”, “er träumt”, etc.
entspricht, – wie fände ich heraus, daß es so
ist; wie wüßte ich, welche Ausdrücke
ihrer Sprache ich in diese Ausdrücke der unsern übersetzen
soll?
Denn dies Herausfinden ist ja eben ähnlich dem, herauszufinden, welches ihrer Worte ich in unser Wort “Tisch” übersetzen soll. Ich frage mich da freilich nicht “Wie nennen sie dies?” Indem ich auf etwas zeige. Obwohl ich auch das fragen könnte und dabei etwa auch eine symbolische Darstellung des Traumes, oder eines Träumenden deuten könnte. |
1042.
Auch das ist zu sagen: daß das Kind nicht
unbedingt so den Gebrauch des Worts
“träumen” lernen muß,
daß es zuerst bloß eine
Begebenheit beim Erwachen berichtet und wir ihm dann die Worte
“Mir hat geträumt” beibringen.
Es ist ja auch so möglich, daß das Kind den
Erwachsenen sagen hört, er habe geträumt und nun von sich das Gleiche
sage und einen Traum erzählt.
Ich sage nicht: daß das Kind
errät, was der Erwachsene meint; genug: es gebraucht
eines Tages das Wort und gebraucht es unter den Umständen, unter denen
wir's gebrauchen. |
1043.
Die Frage ist also eigentlich nicht: “wie lernt er die
Verwendung des Worts” – sondern “Wie zeigt
sich's, daß er es verwendet, wie
wir? |
1044.
“Ewiges Düstre steigt herunter” – kann man
sagen: “Nun, es scheint, als
ob es herunterstiege”?
Haben wir denn eine Halluzination von etwas
Düsterem etc.? –
Was macht also diese Worte treffend? –
“Wir verstehen sie.”
Wir sagen, z.B.: “Ja, ich
weiß genau, wie das ist”
|
1045.
“Wenn Du vom Traum, vom Denken, von der Empfindung redest, –
scheinen nicht alle diese Dinge das Geheimnisvolle zu verlieren, was ihr
wesentliches Merkmal zu sein scheint?”
Warum soll der Traum geheimnisvoller sein als der
Tisch.
Warum sollen sie nicht beide gleich geheimnisvoll sein? |
1046.
“Das Phänomen, als Pfeil, oder anders zu sehen, ist
doch ein wahrhaftes visuelles Phänomen; auch wenn es nicht so
greifbar || handgreiflich ist wie das
der Form und Farbe”.
Wie sollte es kein visuelles Phänomen sein?! –
Wer, der davon spricht (außer wenn er
Philosophie oder Psychologie treibt),
zweifelt daran?
Fragen wir nicht einen Menschen danach und erzählen ihm davon, wie von
jedem andern Gesichtsphänomen?
Ich will sagen: Reden wir davon etwa mehr zaghaft, mit dem
Verdacht, was wir sagen, habe vielleicht keinen klaren
Sinn?
Gewiß nicht.
Aber nun sind dennoch Unterschiede vorhanden.
Die, welche wir durch den Ausdruck “weniger
handgreiflich” andeuten.
Nur ist es so: Wenn ich einem zwei Substanzen vorlege, so kann ich sagen: “Fühl diese hier an! Findest Du nicht auch, daß sie sich weicher angreift?” Und bejaht er es, so sage ich etwa: “Ja, das fühle ich auch. Es ist also ein Unterschied zwischen ihnen” (D.h.: ich habe es mir nicht bloß eingebildet.) – Anders ist es aber mit den psychologischen Phänomenen. Wenn ich sage: “Dies ist weniger handgreiflich als jenes” – nämlich als zeitloser Satz – so beruht dies nicht auf einem Consensus der Urteile, nicht darauf, daß wir alle das auch fühlen (wenn wir das Erlebnis ‘betrachten’). |
1047.
Steckt das Phänomen nicht in die falsche
Lade.
In ihr schaut es geisterhaft, ungreifbar,
befremdend aus.
Richtig betrachtet, kommt uns seine ‘Ungreifbarkeit’
so wenig zum Bewußtsein, wie die der Zeit, wenn wir
hören: “Es ist Zeit zum
Mittagessen.”
(Die Beunruhigung der schlechtsitzenden Einteilung.)
|
1048.
“Dieser Kaffee hat gar
keinen Geschmack”.
“Dies Gesicht hat gar
keinen Ausdruck.”
– Der Gegensatz dazu ist “Es hat einen ganz
bestimmten Ausdruck” (obwohl ich nicht sagen könnte,
welchen).
An einen starken Ausdruck könnte sich
z.B. gleich eine Geschichte knüpfen.
Oder das Suchen nach einer Geschichte.
Wenn man vom rätselhaften Lächeln der Mona Lisa spricht, so
heißt das doch wohl, daß man sich
fragt: In welcher – 206
– Situation, in
welcher Geschichte, könnte man so lächeln?
Und es wäre also denkbar, daß jemand eine Lösung
fände; daß er eine Geschichte erzählte, und wir uns
sagten: “Ja, das ist der Ausdruck, den
dieser Charakter hier angenommen hätte”.
|
1049.
Sich an ein bestimmtes kinästhetisches Gefühl erinnern – sich an
das Gesichtsbild einer Bewegung erinnern. –
Mach die gleiche Bewegung mit dem rechten und dem linken Daumen, und
urteile, ob die kinästhetischen Empfindungen dieselben sind! –
Hast Du ein Erinnerungsbild der
kinästhetischen Empfindung beim
Gehen? –
Wenn Du müde bist, oder Schmerzen hast, Muskelschmerzen, oder ein
Brennen der Haut, – sind die Empfindungen beim Bewegen des Gliedes
die gleichen, wie in einem andern Zustand?
Aber bist Du dann manchmal im Zweifel, ob Du jetzt wirklich das Bein
gehoben hast, weil das Gefühl so ganz anders
ist?
– Lokalisierst Du wirklich die Empfindungen bei der Bewegung in
den Gelenken? || Empfindest Du die Bewegung
wirklich in den Gelenken? |
1050.
Du hörst manchmal einen sagen “Ich stell mir seine Haltung
lebhaft vor”, oder “seine Stimme” ‒ ‒ ‒ aber
jemals: “Ich stelle mir die Empfindung || kinästhetischen
Empfindung bei dieser Handbewegung
vor”?!
Und warum nicht?
Stellt man sich's vor und sagt's nur nicht? |
1052.
Was sollen wir antworten, wenn uns jemand entgegnet:
“Wenn Du einem Menschen bei einer Bewegung die Hand
(z.B.) führst, so zeigst Du ihm eben
damit ein bestimmtes
kinästhetisches Gefühl, welches er dann
reproduziert, wenn er die Bewegung nun auf Befehl
wiederholt”?
Und kann man sagen, daß er wohl von dem
Gesichtsbild der Bewegung in dieser Weise geleitet werden könne, aber
nicht von einem kinästhetischen
Bild? |
1053.
Wie wichtig ist es, daß es eine
bildliche Darstellung der visuellen Bewegung gibt und nichts ihr
entsprechendes für die ‘kinästhetische
Bewegung’?
“Mach eine Bewegung, die so ausschaut!” – “Mach eine Bewegung, die diesen Klang erzeugt!” – Mach eine Bewegung, die dieses kinästhetische Gefühl erzeugt!” Das kinästhetische Gefühl richtig kopieren, würde in diesem Fall heißen, die Bewegung dem Augenschein nach richtig wiederholen. |
1054.
Denk Dir die Bewegung sehr schmerzhaft, so
daß der Schmerz jede andere leise Empfindung an
dieser Stelle übertäubte. |
1055.
Mach eine Bewegung (etwa wie beim Klavierspielen) mit den
Fingern; wiederhole sie, aber mit geringerem Ausschlag || Anschlag.
Erinnerst Du Man sagt etwa: “Nein, diese Bewegung hat gestern etwas anders ausgesehen” – aber auch: Die Bewegung ist nicht ganz die gleiche – ich hatte nicht genau dieses kinästhetische Gefühl”? |
1056.
Denn wir haben natürlich Bewegungsgefühle und wir können
sie auch reproduzieren.
Besonders, wenn wir eine Bewegung unter den gleichen Umständen, nach
nur kurzen Pausen, wiederholen.
Man lokalisiert auch die Empfindungen, aber beinahe nie in
den Gelenken, zumeist in der Haut.
(Blase die Backen auf! wo tust Du's,
und wo spürst Du's? |
1057.
Man könnte das Wachstum der Analyse wirklich mit dem Wachsen eines
Keims vergleichen.
Und in diesem Falle zu sagen “Es steckte schon alles in
der Empfindung”, oder “es wuchs aus ihr wie aus einem Keim
heraus”, kommt auf's selbe hinaus.
Wieviel ist nun (wahr) daran, daß man zwar
eine Armbewegung (z.B.) manchmal nach einem
Gesichtsbild reproduziert, aber nicht nach einem kinästhetischen
Bild? |
1058.
Lenkt man den Arm wirklich manchmal nach einer
Gesichtsvorstellung?
Ich kann nur sagen: Wenn ich nicht sähe,
daß mein Arm sich bewegt hat, nachdem ich, bei
abgewandtem Gesicht, überzeugt war, ihn bewegt zu haben, wäre ich
verwirrt und würde wohl meinen Augen trauen.
Das Sehen kann mich jedenfalls lehren, ob ich die intendierte
Bewegung genau ausgeführt habe, z.B., die Stellung
erreicht habe, die ich erreichen wollte; das Gefühl konnte
das nicht.
Ich fühle wohl, daß ich mich bewege, kann auch
ungefähr nach dem Gefühl urteilen, wie, – aber ich
weiß einfach welche Bewegung ich
gemacht habe, ohne daß man von einem
Sinnesdatum der Bewegung reden könnte, von einem
unmittelbaren innern Bild der Bewegung.
Und wenn ich sage “Ich
weiß einfach … ”, so
heißt hier “wissen” so etwas wie
“sagen können” und ist nicht etwa wieder eine Art
inneres Abbild. |
1059.
“Um sagen zu können, das Gefühl lehre mich, wo jetzt mein Arm
steht, oder wie weit ich ihn bewege, müßte man
Gefühle und Bewegungen einander zugeordnet haben.
Man müßte sagen können: ‘Wenn
ich das Gefühl … habe, dann steht mein Arm
erfahrungsgemäß dort’.
Oder auch: Man müßte ein Kriterium
der Identität der Gefühle haben noch außer denjenigen
der ausgeführten Bewegung.
Aber ist diese Bedingung, wenn sie überhaupt Sinn hat, für das
Sehen erfüllt?
Nun, man kann ein Gesichtsbild, z.B.,
– 208 – zeichnerisch darstellen.
Aber einem, oder sich selbst, das Gefühl geben,
das für's Beugen des Arms um 30˚ charakteristisch sein
soll, ohne eben den Arm zu beugen, das kann man
nicht.
Beuge den Arm ein wenig! Was spürst Du? – Eine Spannung, oder dergleichen, hier und dort, und hauptsächlich das Reiben meines Ärmels. – Tu's noch einmal! War das Gefühl das Gleiche? Ungefähr. Ungefähr an den gleichen Stellen || in der gleichen Gegend. Begleitet dieses Gefühl immer diese Bewegung, kannst Du's sagen? Nein. Und doch paßt mir an diesem Argument etwas noch nicht. |
1060.
Denk Dir, gewisse Bewegungen erzeugten Töne und man sagte nun, wie
erkennen, wie weit wir den Arm bewegt haben, am Ton der erklingt.
Das wäre doch möglich.
(Spielen einer Skala am Klavier.)
Aber was für Voraussetzungen müssen dazu erfüllt
sein?
Es würde z.B. dazu nicht genügen,
daß Töne die Bewegungen begleiten; auch nicht,
daß sie oft für ähnliche Bewegungen
ähnlich sind.
Es wäre auch nicht genügend, zu sagen: der Ton
müsse eben doch für gleiche Bewegungen eine
gleiche Qualität haben, da er das einzige Sinnesdatum sei, woran wir die
Größe der Bewegung erkennen
können. |
1061.
Aber gibt es für Bewegungsgefühle und dergleichen nicht doch eine Art
private hinweisende Definition?
Ich beuge z.B. einen Finger, und merke mir die
Empfindung.
Jemand sagt mir nun “Ich werde in Deinem Finger auf die
und die Weise, aber ohne daß er sich bewegt,
gewisse Empfindungen hervorrufen, sag mir, wenn es die ist,
die Du jetzt beim Beugen des Fingers hast.”
Könnte ich nun nicht, für meinen eigenen Gebrauch, diese Empfindung
“E” nennen, als Kriterium der Identität mein
Gedächtnis gebrauchen und nun sagen “Ja, das ist wieder
E” etc.? |
1062.
Es wäre dann auch denkbar, daß ich die Empfindung
wiedererkennte, und daß sie aufträte
ohne die Begleitung der Überzeugung: die Bewegung
habe stattgefunden– ohne den Bewegungssinn. |
1063.
Ich kann gewiß, z.B., mein
Knie mehrere Male hintereinander heben und sagen, ich habe jedesmal die
gleiche Empfindung dabei gehabt: Nicht, als hätte ich diese
Empfindung immer, wenn ich das Knie hebe, noch auch, als
könne ich die Bewegung an der Empfindung || durch das
Gefühl erkennen, sondern
bloß: Ich habe in dieser Reihe von
Kniebewegungen dreimal die gleiche, durch die Bewegung hervorgerufene,
Empfindung gehabt. – 210
–
Gleich sein heißt natürlich hier dasselbe, wie gleich scheinen. |
1064.
“Ich habe dreimal die gleiche Empfindung gehabt” das
beschreibt einen Vorgang in meiner privaten Welt.
Aber wie weiß der Andere was ich meine?
Was ich in so einem Falle als “gleich”
bezeichne?
Er verläßt sich darauf, daß
ich das Wort hier so wie immer gebrauche?
Aber was ist in diesem Falle der, dem gewöhnlichen,
analoge Gebrauch?
Nein, diese Schwierigkeit ist nicht eine Künstelei; er
weiß wirklich nicht, kann nicht
wissen, was in diesem Falle gleiche Gegenstände sind. |
1065.
Das Beispiel von der Motorwalze mit dem Motor in der Walze ist wirklich
noch viel besser und tiefer, als ich erklärt habe.
Denn, als mir jemand die Konstruktion vorlegte, sah ich wohl gleich,
daß sie nicht funktionieren konnte, da man ja die
Walze von außen her rollen konnte, auch wenn der
‘Motor’ nicht in Tätigkeit war; aber das sah
ich nicht, daß es eine starre Konstruktion und
überhaupt keine Maschine war.
Und hier ist nun eine enge Analogie mit dem Fall der privaten
hinweisenden Definition.
Denn auch da gibt es, sozusagen, einen direkten und einen indirekten Weg,
die Unmöglichkeit einzusehen. |
1066.
Ich benannte diese Bewegungsempfindung mit
“E”.
Für den Andern ist sie nun die, welche ich bei dieser Bewegung gehabt
habe.
Aber für mich? bedeutet “E” nun etwas
anderes? –
Nun, für mich bedeutet es diese Empfindung. –
Aber welche ist dies? denn ich habe vor einer Minute auf meine
Empfindung gezeigt, – wie kann ich jetzt wieder auf
sie zeigen? || wie zeige ich jetzt
wieder auf sie? |
1067.
→ Aber nimm doch den Fall an, einer machte eine Reihe
von Armbewegungen und sagte dabei: “Die Empfindung
die ich jetzt im Bein habe, nenne ich
‘E1’”
u.s.f..
Später bei verschiedenen Anlässen sagt er: “Jetzt
habe ich E3”.
U.s.f. –
Solche Äußerungen könnten wichtig sein; wenn wir
z.B. gewisse physiologische Korrelate zu den
Empfindungen beobachten und so aus seinen
Äußerungen Schlüsse ziehen können. |
1068.
Wenn das wahr ist, daß wir die Art und
Größe der Bewegung eines Glieds
nicht durch das || nach dem
Gefühl beurteilen, – wie würde sich ein Mensch von uns
unterscheiden, bei dem es doch der Fall wäre? || bei dem das der Fall wäre?
Nun, das ließe sich leicht vorstellen,
daß einer etwa bei verschiedenen Bewegungen
verschieden starke, oder verschiedenartige, Schmerzempfindungen
hätte || Schmerzen empfände.
Er – 211 – würde also
etwa sagen: “Dieses Stechen empfinde
ich, wenn ich den Arm um circa 90˚ beuge.”
|
1069.
Denk Dir einen, der mit der Wünschelrute, und zwar nach dem Zug, den
sie ausübt, die Tiefe einer Quelle bestimmen kann.
Er hat das so gelernt: Er ist über Quellen
verschiedener Tiefe gegangen und hat sich den Zug
gemerkt.
(Dies hätte man etwa an einer Federwaage feststellen
können.)
Er hat den Zug mit der Tiefe assoziiert und schließt
nun vom Zug auf die Tiefe.
Das könnte so geschehen, daß er den Zug– etwa
in kg – angibt und dann auf die Tiefe übergeht, vielleicht
sogar nach einer Tabelle.
Es kann aber auch sein, daß er kein anderes Maß
des Zuges kennt, als die Tiefe der Quelle.
Nach einigem Üben kann er die Tiefe richtig
ansagen.
Übt man auf die Rute, etwa durch Gewichte einen Zug aus, so wird er nun
auch sagen “Das zieht, wie eine so und so tiefe
Quelle” || , wie Wasser in der und der
Tiefe”. |
1070.
Es könnte nun aber doch sein, daß er zwar imstande
wäre, die Tiefe einer Quelle den Zug der Rute richtig
anzugeben, nicht aber, den Zug der Rute richtig abzuschätzen.
Ich meine das so: Es könnte sein, daß
Wasser in verschiedenen Tiefen unter verschiedenen Umständen
gleich stark zieht; und dieser Rutengänger sagt nun
z.B.: “Diese Quelle ist tiefer
als die vorige, sie zieht schwächer” – und er hat
recht: die Quelle liegt wirklich tiefer, aber der Zug, gemessen mit
der Federwaage, war der gleiche und er hatte sich
ihn nicht richtig gemerkt. ‒ ‒ ‒
Soll ich nun in diesem Falle sagen, er beurteile die Tiefe nach dem
Zug? |
1071.
Er wird vielleicht sagen: “Dieser Zug ist der einer
Quelle in der Tiefe … ”, indem er diesen Zug gleichsam
studiert – wie man ein Gewicht auf der Hand abwägt.
Vielleicht aber sagt er “Den Zug kann ich nicht beurteilen
– das Wasser ist in der Tiefe …”
In diesem (letzteren) Fall wird man nicht sagen, er beurteile die
Tiefe nach dem Zug.
(Wenigstens nicht
‘bewußt’). |
1072.
Angenommen nun es sagte einer er beurteile, wie weit er seinen Arm
gebogen habe, an der Stärke einer Druckempfindung im Ellbogen.
Das heißt doch: Wenn sie
eine gewisse Stärke erreicht, so erkennt er daran,
daß der Arm bis zu dem Grad gebogen
ist.
Oder was soll es sonst heißen: er beurteile
den Grad der Beugung nach dem der Druckempfindung? |
1073.
Ich will sagen: Wie weiß einer,
daß er etwas nach diesem Gefühl
beurteilt? –
Ist es dazu genug, daß er beim Schätzen seine
– 212 – Aufmerksamkeit auf
das Gefühl richtet? |
1074.
Wenn Du nun sagst, es ist dafür notwendig, daß einer
angeben könne: “Wenn der Druck so
stark ist, dann ist mein Arm um 90˚ gebeugt” – dann
muß sich das
‘So’ der Stärke angeben
lassen.
Andernfalls heißt, daß man die
Beugung nach der Druckempfindung beurteilt, höchstens,
daß man die Beugung nicht beurteilen
kann, wenn man keine (oder nur eine ungemein
schwache) Druckempfindung spürt.
(Also etwa, wenn man anästhesiert ist.) |
1075.
Es gibt also verschiedene Fälle.
Es kann einer sagen, er beurteile die Beugung nach der
Druck- oder Schmerzempfindung, und dabei
sozusagen auf diese Empfindung hinhorchen; aber im übrigen den Grad der
Empfindung in keiner Weise angeben können. –
Oder es kann zwei unabhängige Angaben des Grades der Empfindung und der
Beugung geben. |
1076.
“Wenn ich den Druck so stark spüre, dann
…” –
Hat denn das keinen Sinn?
Es könnte sogar jemand sagen, er habe eine ganze Skala von
Druckempfindungen.
Ich kann mir das wohl denken.
Nur wäre das so wenig eine wirkliche Skala, wie das Bild
eines Thermometers ein Thermometer ist.
Obwohl es doch in mancher Beziehung große
Ähnlichkeit mit ihm hat. |
1077.
Ich gebe die Regeln eines Spiels.
Der andere macht, diesen Regeln ganz entsprechend, einen Zug, dessen
Möglichkeit ich nicht vorausgesehen hatte, und der das Spiel stört, so
wie ich's nämlich wollte.
Ich muß nun sagen: “Ich habe
schlechte Regeln gegeben”; ich
muß meine Regeln ändern, oder vielleicht
ergänzen.
So habe ich also schon zum voraus ein Bild des Spiels? In gewissem Sinne: ja! Es war doch z.B. möglich, daß ich nicht voraussah, daß eine quadratische Gleichung nicht reelle Lösungen haben muß. Die Regel führt mich also zu etwas, wovon ich sage: “dieses Bild hatte ich nicht erwartet; ich stellte mir eine Lösung immer so vor: …” |
1078.
Wie wäre es, wenn man sagte: “Nicht jedes System von
Regeln bestimmt einen Kalkül”.
Als Beispiel gäbe man die Division durch 0.
Denken wir uns nämlich eine Arithmetik, in der sie erlaubt wäre und
daher bewiesen werden könnte, jede Zahl sei gleich der andern.
|
1079.
Wenn Kinder Eisenbahn spielen, – soll ich sagen, ein Kind, das die
Lokomotive nachahmt, werde von einem andern als Lokomotive
gesehen?
Es wird – 213
– im Spiel als Lokomotive
aufgefaßt.
Denk Dir, ich hätte einem Erwachsenen die Form gezeigt, und gefragt “Woran erinnert sie Dich”, und er hätte geantwortet “An eine Lokomotive” – heißt das, er hat sie als Lokomotive gesehen? Ich nehme nämlich das als das typische Spiel des “Etwas als Etwas sehen” an, wenn jemand sagt “Jetzt sehe ich es als dies, jetzt als das”. Wenn er also verschiedene Aspekte kennt und zwar unabhängig von irgend einer Verwendung des Angeschauten. Ich möchte also so sagen: ich sehe keine Verwendung des Bilds als Zeichen dafür an, daß es so, oder so gesehen wird. |
1080.
Verstünde ein Kind, was es heißt, den Tisch
‘als Tisch’ sehen?
Es lernt: “Dies ist ein Tisch, dies eine
Bank” etc., und es beherrscht vollkommen
ein Sprachspiel, ohne eine Andeutung
davon, daß es sich dabei um einen Aspekt
handelt. |
1081.
“Ja, ein Kind analysiert eben nicht, was es
tut.”
– Nochmals: von einer Analyse dessen, was geschieht, ist
hier nicht die Rede.
Bloß von einer Analyse – und dieses Wort ist
sehr irreführend – unserer Begriffe.
Und unsere Begriffe sind komplizierter als die des Kindes; insofern
nämlich, als unsere Worte eine komplizierte || kompliziertere Verwendung haben als die seinen. |
1082.
“Ich sehe es aber doch so, auch während
ich's nicht ausdrücke.”
Das würde heißen, was ich sehe ändert sich nicht,
wenn ich's ausdrücke.
Wenn man fragte: “Hat der Körper dies Gewicht nur
solange er gewogen wird?” –
so hieße das: “Ändert sich ein
Gewicht, wenn wir ihn auf die Waage legen?”
Und das ist es natürlich gar nicht, was wir fragen möchten.
|
1083.
Erst durch das Phänomen des Wechsels des Aspekts scheint der Aspekt vom
übrigen Sehen abgelöst zu werden.
Es ist, als könnte man nach der Erfahrung des Aspektwechsels
sagen: “Es gab also da einen
Aspekt!” |
1084.
Wenn man den Anstrich eines Dings abkratzt, kann man
sagen “Es war also da ein Anstrich” ‒ ‒ ‒
Wenn aber die Farbe eines Körpers wechselt, – kann ich sagen
“Er hatte also eine Farbe!”
– als wäre mir dies erst jetzt aufgefallen?
Kann man das sagen: Es kam mir erst zum Bewußtsein, daß das Ding eine Farbe hatte, als sich die Farbe änderte? |
1085.
Denk nicht, daß es etwas Seltsames
ist, daß Du ein Bild an der Wand räumlich
siehst.
Es ist – möchte ich sagen – so gewöhnlich wie es
– 214 – scheint.
(Und dies könnte ich zu vielem sagen). |
1086.
Denk Dir, die Dinge in unserer Umgebung – Tisch,
Bücher, Stühle etc., –
änderten || wechselten periodisch
sprungweise ihre Farben; ihre Formen blieben gleich.
Könnte man da sagen, daß wir uns
so erst der Farbe, als eines besondern Bestandteils unseres
Seherlebnisses, bewußt würden? || so erst der Farbe und Form als besonderer
Bestandteile unseres
Seherlebnisses, bewußt
würden?? |
1087.
Wenn ich Feld- und Gartenblumen miteinander
vergleiche, so kann ich mir des Unterschieds des Charakters
bewußt werden; aber das sagt nicht,
daß ich auch schon früher außer
der Blume ihren Charakter wahrgenommen habe, oder
daß ich sie doch in irgendeinem Charakter habe
wahrnehmen müssen. |
1088.
Muß ich denn wissen, daß ich
mit zwei Augen sehe?
Gewiß nicht.
Habe ich etwa zwei Gesichtseindrücke beim gewöhnlichen
Sehen, so daß ich merke, mein dreidimensionaler
Gesichtseindruck setzt || setze sich
aus zwei Gesichtsbildern zusammen?
Gewiß nicht. –
Ich kann also die Dreidimensionalität nicht vom Sehen trennen.
|
1089.
Wenn ich einen frage “In welcher Richtung schaut für Dich
ein ‘F’ und in welcher ein
‘I’?” und er antwortet, ein F
schaue für ihn immer nach rechts, ein I nach links, – so
heißt das natürlich nicht, daß
er beim Anblick eines F immer eine Empfindung der Richtung
hat.
Das wird klarer, wenn man so fragt:
“Wo würdest Du einen F ein Auge und eine
Nase malen?” –
Wenn man aber nun sagte: “So schaut es also für Dich
nur solange in dieser Richtung, als Du dies
denkst, oder sagst” – ist das nicht, als fragte man:
“Würdest Du dem F die Nase dann dorthin malen, wenn Du
sie malst?” – |
1090.
Sehe ich ein Gesicht immer ‘als
Gesicht’?
Ich habe hier Bücher vor mir: Sehe ich sie die ganze Zeit
‘als Bücher’?
Ich meine: Sehe ich sie die ganze Zeit als Bücher, wenn ich
sie nicht gerade als etwas anderes sehe?
Oder sehe ich oft, oder für gewöhnlich, nur Farben und Formen, ohne
besondern Aspekt? (offenbar nein!)
Wir sagen einem: “Wenn das die
Grundlinie ist, so ist das die Spitze und das
die Höhe.”
Oder er muß die Frage beantworten:
“Welches ist die Höhe des Dreiecks, wenn
dies die Grundlinie ist?”
Aber wir dringen nicht drauf, daß er das Dreieck
so und so sehe. –
Man sagt wohl manchmal “Denk es Dir
umgelegt!” (oder dergleichen) und man könnte auch
sagen “Sieh es umgelegt” und diese Bemerkung
könnte helfen; so nämlich, wie auch eine zeichnerische Ergänzung
– 215 – des Bildes helfen
könnte, die diesen Aspekt nahe legt. |
1091.
Kann ich z.B. sagen: ich sehe den Sessel als
Gegenstand, als Einheit?
So wie ich sage, ich sehe jetzt das schwarze Kreuz auf
weißem Grund, jetzt aber das
weiße Kreuz auf schwarzem?
Wenn man mich fragt “Was hast Du da vor Dir?” Werde ich freilich antworten “Einen Sessel”, werde ihn also als Einheit behandeln. Aber kann man nun sagen, ich sähe ihn als Einheit? Und kann ich die Kreuzfigur anschauen, ohne sie so oder so zu sehen? |
1092.
Wenn ich einen frage “Was siehst Du vor
Dir?” und er sagt “Was ich vor mir habe,
sieht so aus”, und nun zeichnet er die Kreuzfigur,
– muß er sie in irgend einem Aspekt gesehen haben?
Hat er sie nicht gesehen, wenn er sie nur zeichnerisch beschreiben
kann? |
1093.
Kann ein Kind Dir mitteilen, es sehe dreidimensional?
Und denk Dir, es würde Dir sagen “Ich sehe alles eben”, – was würde Dir das sagen? Es könnte ja alles eben sehen, und durch eine Intuition wissen, daß es nicht eben ist, und sich dementsprechend benehmen! |
1094.
Wenn das Kind dieses Bild für das und das hält und ich
folgere nun “Also sieht es das
Bild so” – was für eine Folgerung
ziehe ich?
Was sagt mir diese Folgerung?
Man würde etwa sagen, ich schließe auf die Art
des Sinnesdatums, oder Gesichtsbilds; so, als lautete der
Schluß: “Also ist das Bild in
seinem Geiste so”; und nun
müßte man es etwa plastisch darstellen.
|
1095.
Ist es denn so: “Ich habe das Zeichen
‘’
immer als ein Sigma gelesen; nun sagt mir einer, es könnte auch ein
umgelegtes M sein, und ich kann es jetzt auch so
sehen; – daher habe ich es also früher immer als Sigma
gesehen”?
Ich habe also, hieße das, nicht nur die Figur
gesehen und sie
so gelesen, sondern ich habe sie auch als das
gesehen! |
1096.
“Aber wie konnte ich wissen, daß ich so
reagiert hätte wenn Du mich gefragt hättest?”
– Wie?
Es gibt kein Wie.
Aber es gibt Anzeichen dafür, daß ich darin recht
habe, es zu sagen. |
1097.
Ich will beschreiben, was ich sehe; ich fertige dazu ein Transparent
an.
Aber nun fragt man mich noch “Ist dies vorn
und dies hinten?”
Also beschreibe ich durch Worte, oder durch ein Modell,
was ich vorn, was 0–
216 – hinten sehe.
Und nun fragt man mich noch “Und siehst Du
diesen Punkt als Spitze des Dreiecks?” und
ich muß auch das noch beantworten. –
Aber muß ich darauf eine Antwort haben? –
Nimm an, obwohl es nicht wahr ist, daß die
Blickrichtung den Aspekt bestimmt.
Und in einem Fall ist mein Blick stets auf den gleichen
Punkt des Bilds gerichtet, in einem andern Fall bewegt er sich
regelmäßig nach einem einfachen Gesetz, in einem
dritten wandert er regellos über das Objekt hin und her.
Wenn wir nun statt einer Beschreibung des Aspekts die der Blickrichtung
setzen, wäre es keine Beschreibung, zu sagen, die Blickrichtung sei
regellos, oder unbestimmt?
Und das könnte sogar der gewöhnliche Fall sein. –
Auf die Frage also “Sahst Du diesen Punkt als Spitze des
Dreiecks?” kann die Antwort sein “Ich kann
keinen bestimmten Aspekt nennen”, oder etwa “Ich hab
es jedenfalls nicht so gesehen”. |
1098.
Was tat || leistete übrigens die
Hypothese von der Wichtigkeit der Blickrichtung für uns? –
Sie lieferte uns ein Bild von bestimmter Mannigfaltigkeit.
|
1099.
Eigentlich aber ist so eine Theorie die Konstruktion eines
psychologischen Modells einer psychologischen Erscheinung.
Und daher eines psychologischen Modells.
Die Theorie sagt eigentlich: “Es könnte so sein: …” Und der Nutzen der Theorie ist, daß sie einen Begriff illustriert. Sie kann ihn aber besser und schlechter illustrieren; mehr, oder weniger zutreffend. Die Theorie ist also sozusagen eine Notation für diese psychologische Erscheinung. || für diese Art der psychologischen Erscheinung. |
2000.
Wenn wir also die ‘Erklärung fallen lassen’ – wenn
wir sagen, daß uns ja
schließlich die Erklärung gleichgültig
ist – so bleibt eine grammatische Feststellung übrig.
Sie betrifft den Gebrauch der Aussage “Ich sehe nun
einen bestimmten Gesichtsausdruck im Bild.” |
1101.
2001.
Weist das Thema auf nichts außer sich?
Oh ja!
Das heißt aber: – Der Eindruck,
den es mit mir macht, hängt mit Dingen in seiner
Umgebung zusammen – z.B. mit der Existenz
unserer Sprache und ihrer Intonation, das heißt
aber, mit dem ganzen Feld unserer Sprachspiele.
Wenn ich z.B. sage: Es ist, als ob hier ein Schluß gezogen würde, ¤ oder, als ob hier etwas bekräftigt würde, oder, als ob dies eine Antwort auf das frühere wäre, – so setzt mein Verständnis eben die Vertrautheit mit – 217
– Schlüssen, Bekräftigungen, Antworten,
voraus. |
1102. 2002.
Ein Thema hat nicht weniger einen Gesichtsausdruck, als ein
Gesicht. |
1103. 2003.
“Die Wiederholung ist
notwendig”.
Inwiefern ist sie Notwendig?
Nun, singe es, so wirst Du sehen, daß ihm erst die
Wiederholung seine große Kraft gibt. –
Ist es uns denn nicht, als müsse hier eine Vorlage
für das Thema in der Wirklichkeit existieren, und das Thema käme ihr nur
dann nahe, entspräche ihr nur, wenn dieser Teil wiederholt würde?
Oder soll ich die Dummheit sagen: “Es klingt eben
schöner mit der Wiederholung”?
Und doch ist da eben kein Paradigma
außerhalb des Themas.
Und doch ist auch wieder ein Paradigma
außerhalb des Themas: nämlich der
Rhythmus unserer Sprache, unseres Denkens und
Empfindens.
Und das Thema ist auch wieder ein neuer Teil unserer
Sprache, es wird in sie einverleibt; wir lernen eine neue
Gebärde. |
1104. 2004.
Das Thema ist in Wechselwirkung mit der Sprache. |
1105. 2005.
“Eine ganze Welt des Schmerzes liegt in diesen
Worten.”
Wie kann sie in ihnen liegen? –
Sie hängt mit ihnen zusammen.
Die Worte sind wie die Eichel aus der ein Eichbaum wachsen
kann.
Aber wo ist das Gesetz niedergelegt, wonach aus der Eichel der Baum wächst? Nun, das Bild ist durch die Erfahrung unserem Denken einverleibt. || Die Erfahrung hat das Bild unserem Denken einverleibt. |
1106. 2006.
“Wo spürst Du den Kummer?”
– In der Seele. ‒ ‒ ‒
Und wenn ich hier einen Ort angeben müßte, würde
ich in die Magengegend zeigen.
Bei der Liebe auf die Brust und bei einem Einfall auf den Kopf.
|
1107. 2007.
“Wo spürst Du den Kummer?”
– In der Seele. ‒ ‒ ‒
Was heißt das nur? ‒ ‒ ‒
Was für Konsequenzen ziehen wir aus dieser Ortsbestimmung? || Ortsangabe?
Eine ist, daß wir nicht von einem
körperlichen Ort des Kummers reden.
Aber wir deuten doch auf unsern Leib, als wäre der Kummer in
ihm.
Ist das, weil wir ein körperliches Unbehagen spüren?
Ich weiß die Ursache nicht.
Aber warum soll ich annehmen, sie sei ein leibliches Unbehagen?
|
1108. 2008.
Denk Dir folgende Frage: Kann man sich einen Schmerz, etwa von
der Qualität des rheumatischen Schmerzes, denken, aber ohne
Örtlichkeit?
Kann man sich ihn vorstellen?
Wenn Du anfängst, darüber nachzudenken, so siehst Du wie sehr Du das Wissen um den Ort des Schmerzes in ein Merkmal des Gefühlten verwandeln möchtest, in ein Merkmal eines Sinnesdatums, des privaten – 218
– Objekts, das vor meiner Seele steht.
|
1109. 2009.
Ich sage, dem Kummervollen scheine die ganze Welt grau. –
Aber was vor seiner Seele stünde, wäre dann nicht Kummer, sondern eine
graue Welt; gleichsam die Ursache des Kummers. |
1110. 2010.
Etwas als Farbverschiedenheit – und anderseits als Schatten bei
gleicher Farbe wahrnehmen.
Ich frage “Hast Du die Farbe des Tisches vor Dir
wahrgenommen, den Du die ganze Zeit anschaust?”
Er sagt “Ja”.
Aber er hätte den Tisch als “Braun” || “braun” beschrieben, und
hat nicht bemerkt, daß sich in seiner glänzenden
Platte der grüne Vorhang spiegelt. –
Hat er nun nicht den grünen Gesichtseindruck gehabt?
“Ist die Wand vor Dir gleichmäßig gelb?” – “Ja”. Aber sie ist teils beschattet und schaut beinahe grau aus. Was sah nun der, der die Wand anschaute? Soll ich sagen, eine gleichmäßig gelbe Fläche, die freilich unregelmäßig beschattet ist? Oder: gelbe und graue Flecken? |
1111. 2011.
Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß wir uns so gut
wie nie der Undeutlichkeit der Peripherie unseres Gesichtsfeldes
bewußt sind || werden.
Wenn Leute z.B. vom Gesichtsbild reden, denken sie
zumeist nicht daran; und wenn man von einer Darstellung des
Gesichtseindrucks durch ein Bild redet, so sieht man hierin keine
Schwierigkeit.
Das ist sehr wichtig. |
1112. 2012.
“Was ich wahrnehme, ist
dies –” und nun folgt eine Form der
Beschreibung.
Dies könnte man auch so erklären: Denken wir uns eine
direkte Übertragung des Erlebnisses!
– Aber was ist nun unser Kriterium dafür,
daß das Erlebnis wirklich übertragen wurde?
“Nun, er hat einfach dasselbe, was ich habe.”
– Aber wie ‘hat’ er
es? |
1113. 2013.
Denk an die Mannigfaltigkeit || Mannigfaltigkeit der physikalischen
Experimente.
Wir messen z.B. die Temperatur; aber nur in einer
bestimmten allgemeinen Technik ist dieses Experiment eine
Messung der Temperatur. –
Interessierte uns also die Mannigfaltigkeit der
(physikalischen) Messungen, ich meine der Messungsarten, so
interessierte uns die Mannigfaltigkeit der Methoden, der
Begriffe. |
1114. 2014.
Wie kannst Du den Kummer betrachten?
Indem Du kummervoll bist?
Indem Du Dich durch nichts von Deinem Kummer ablenken
läßt? || durch nichts in
Deinem Kummer zerstreuen
läßt?
Beobachtest Du also das Gefühl, indem Du es
hast?
Und wenn Du jede Ablenkung fern hältst || – 219 –
fernhältst, – beobachtest Du dann eben
diesen Zustand? oder den andern, indem Du
vor der Beobachtung warst. || ?
Beobachtest Du also Dein Beobachten? |
1115.
2015.
Denk, jemand fragte “Was wird alles in der Physik
gemessen?”
Nun könnte man aufzählen: Längen, Zeiten,
Lichtstärken, Gewichte, etc..
Aber könnte man nicht sagen: Du erfährst mehr, wenn Du fragst “Wie wird gemessen?”, statt “Was wird gemessen?” Tut man dies, mißt man so, so mißt man die Temperatur, – tut man jenes, mißt man so: eine Stromstärke. |
1116.2016.
Aber besteht nicht der Kummer aus allerlei
Gefühlen?
Ist er nicht ein Konglomerat von Gefühlen?
Könnte man also sagen, er besteht aus den Gefühlen A, B, C,
etc. – wie Granit aus Feldspat, Glimmer und
Quartz? –
So sage ich also von dem, er sei kummervoll, der die Gefühle …
hat?
Und wie weiß ich, daß er
sie hat?
Teilt er sie uns mit? |
1117.2017.
Der Kummer ist doch ein seelisches Erlebnis.
Man sagt, man erlebe Kummer, Freude, Enttäuschung.
Und dann scheinen diese Erlebnisse wirklich zusammengesetzt und über
den ganzen Körper verteilt.
Das Hochaufatmen der Freude, das Lachen, Jubeln, die Gedanken an das Glück, – ist nicht das Erleben alles dessen die Freude? Weiß ich also, daß er sich freut, weil er mir mitteilt, er fühle sein Lachen, fühle und höre sein Jubeln, etc., – oder weil er lacht und jubelt? Sage ich “Ich bin glücklich”, weil ich alles das fühle? |
1118.2018.
Die Worte “Ich bin glücklich” sind ein
Freude-Benehmen. |
1119.2019.
Und wie kommt es, daß ich – wie
James sagt – eine
Freude-Empfindung habe, wenn ich bloß ein
freudiges Gesicht mache; eine Gramempfindung, wenn ein
grämliches?
Daß ich also diese Empfindungen hervorrufen kann, indem ich ihren
äußern Ausdruck nachahme?
Zeigt das, daß die Muskelempfindungen der Gram,
oder ein Teil des Grams sind? |
1120.
Denk, einer sagte: “Heb Deinen Arm, und Du wirst
fühlen, daß Du Deinen Arm hebst”.
Ist das ein Satz der Erfahrung?
Und ist es einer, wenn man sagt “Mach ein trauriges
Gesicht und Du wirst Dich traurig
fühlen”?
Oder wollte || sollte es heißen: “Fühle, daß Du ein trauriges Gesicht machst und Du wirst Traurigkeit fühlen”? und ist das ein Pleonasmus? |
1121.
Denk, ich sage: “Ja, es ist wahr: wenn ich ein
freundlicheres Gesicht mache, fühle ich mich gleich
besser”. –
Ist das, weil die Gefühle im Gesicht – 220.
– angenehmer sind? oder weil es Folgen hat,
dies Gesicht zu machen? (man sagt “Kopf
hoch!”) |
1122.
Sagt man: “Ich fühle mich jetzt viel besser:
das Gefühl in den Gesichtsmuskeln und um die Mundwinkel herum ist
gut”?
Und warum klingt das lächerlich, außer etwa wenn
man früher Schmerzen in diesen Teilen hatte? |
1123.
Vergleicht man auf die gleiche Weise mein Gefühl in den Mundwinkeln und
seines – und meinen Gemütszustand und seinen?
Wie vergleiche ich z.B. meine Druckempfindungen mit den seinen? Wie lerne ich sie vergleichen? Wie vergleiche ich unsere kinästhetischen Empfindungen, wie setze ich sie zueinander in Beziehung? Und wie die Gefühle der Trauer, Freude, etc.? |
1124.
Nun zugegeben – obwohl es höchst zweifelhaft ist –
daß das Muskelgefühl des Lächelns ein Bestandteil
des Glücksgefühls ist; – aber so sind die übrigen || andern Komponenten? –
Nun, in der Brust, im Bauch, etc.! –
Aber fühlst Du sie wirklich, oder schließt Du
nur, sie müssen dort sein?
Bist Du Dir wirklich dieser lokalisierten Gefühle
bewußt? –
Und wenn nicht, – warum sollen sie
überhaupt da sein?
Warum sollst Du sie meinen, wenn Du sagst, Du fühlst Dich
glücklich? |
1125.
Was erst durch einen Akt des Schauens
festgestellt werden müßte, das hast Du jedenfalls
nicht gemeint.
So wird eben “Trauer”, “Freude”, etc. nicht verwendet. |
1126.
Warum klingt es seltsam: “Er fühlte für eine Sekunde
tiefen Kummer”?
Weil das so selten vorkommt?
Und wie, wenn wir uns Leute dächten, die dieses Erlebnis
oft haben?
Oder solche die oft stundenlang abwechselnd für eine Sekunde schweren
Kummer und inniges Glück empfinden. |
1127.
“Fühlst Du nicht jetzt den Kummer … ”
– ist das, als fragte man: “Spielst Du nicht
jetzt Schach?”
Eigentlich aber war die Frage eine persönliche und zeitliche, keine
philosophische. |
1128.
“‘Ich hoffe … ’ – die Beschreibung
meines Seelenzustands”: Das klingt, als schaute
ich meine Seele an || als betrachtete ich meine
Seele und beschriebe sie (wie man eine Landschaft
beschreibt).
Wenn ich nun sage: “Ich hoffe immer wieder, er
werde noch zu mir kommen” – ist das ein
Hoffnungsbenehmen?
Ist es nicht ebensowenig ein Hoffnungsbenehmen, wie die Worte:
“Ich hoffte damals, er werde kommen”? –
Soll ich also nicht sagen, es gebe zwei Arten des Präsens
vom || von
“hoffen”?
Die eine, gleichsam, der Ausruf, die andere der
Bericht? – 221 – |
1129.
Aber wenn ich nun jemandem sage “Ich hoffe sehr, er wird zu
unserer Versammlung kommen” – fragt er mich:
“Was war das: ein Bericht, oder ein
Ausruf?”
– Versteht er mich nicht, wenn er das nicht
weiß?
Und doch ist es eines, zu sagen “Ich hoffe, er wird
kommen” und ein anderes, zu sagen: “Ich
verliere die Hoffnung nicht, daß er kommen
wird”.
Oder denke an diesen Ausdruck: “Ich hoffe und bete, daß er kommen möge.” |
1130.
“Ich hoffe, er wird kommen” – könnte man sagen
– bedeutet manchmal soviel wie der Ausruf
“Er wird kommen!”, in hoffnungsvollem Ton
gesprochen.
Aber von diesem Ausruf muß es kein Perfektum
geben.
Könnte man sich nicht eine Sprache denken, in der es wohl ein
Äquivalent dieses Ausrufs der Hoffnung gibt, aber nicht
die übrigen Formen des Verbums?
In der die Menschen, wenn sie doch von der vergangenen Hoffnung reden
wollen, sich selbst zitieren; etwa sagen: “Ich sagte
‘Er wird gewiß
kommen!’” |
1131.
Man könnte sagen: Die Aussage sagt etwas über
den Geisteszustand, aus der ich auf den Geisteszustand
schließen kann.
(Das klingt dümmer, als es ist.)
Wenn es so ist, dann sagt der Ausdruck des Wunsches
“Gib mir diesen Apfel!!” etwas über
meinen Geisteszustand.
Und ist dieser Satz also eine Beschreibung dieses Zustands?
Das wird man nicht sagen wollen.
(“Off with his
head!”) |
1132.
Ist der Ruf “Hilfe!” eine Beschreibung meines
Geisteszustands?
Und ist er nicht der Ausdruck eines Wunsches?
Ist er es nicht so sehr, wie irgend einer? |
1133.
Ich sage zu mir selbst: “Ich hoffe und hoffe immer
noch, obwohl … ” –dabei schüttle ich gleichsam über
mich selbst den Kopf.
Das heißt etwas ganz anderes als einfach
“Ich hoffe …!”
(Der Unterschied im Englischen zwischen “I
am hoping” und “I
hope”.) |
1134.
Und was beobachtet, der die eigene Hoffnung beobachtet?
Was würde er berichten?
Verschiedenes.
“Ich hoffte täglich, … Ich stellte mir vor
… Ich sagte mir jeden Tag … Ich seufzte …
Ich ging jeden Tag diesen Weg, in der Hoffnung
…” |
1135.
Das Wort “beobachten” ist hier schlecht
angebracht.
Ich versuche mich an dies und das zu erinnern. |
1136.
Wer sich seiner Hoffnung erinnert, erinnert sich übrigens deshalb nicht
an ein Benehmen, auch nicht notwendigerweise an Gedanken.
Er sagt – 222
– – er weiß – er
habe damals gehofft. |
1137.
Der Satz “Ich wünsche Wein zu trinken” hat
ungefähr den gleichen Sinn wie “Wein her!”
Niemand wird dies eine Beschreibung nennen; ich kann
daraus aber entnehmen, daß, der es sagt, darauf
erpicht ist, Wein zu trinken, daß er jeden
Augenblick zu Tätlichkeiten übergehen kann, wenn man ihm seinen Wunsch
verweigert – und dies wird man einen Schluß auf
seinen Seelenzustand nennen. |
1138.
Ist “Ich glaube …” eine Beschreibung meines
Seelenzustands??
– Nun, was ist eine solche Beschreibung?
Etwa: “Ich bin traurig”, “Ich
bin guter Stimmung”, vielleicht
“Ich habe Schmerzen”. |
1139.
Es wäre verhängnisvoll das
Moore'sche
Paradox für etwas zu halten, was nur im Bereich des Seelischen vorkommen
kann. |
1140.
Ich will zuerst sagen, daß man mit der
Behauptung “Es wird regnen” den
Glauben daran ebenso ausdrückt, wie den Wunsch, Wein zu kriegen, mit den
Worten “Wein her!”
Man könnte auch so sagen: “Ich glaube,
p” heißt
ungefähr dasselbe wie
“P”; und
daß im ersten Satz das Verbum
“glaube” und das Pronomen “Ich”
stehen, darf uns nicht irren.
Wir sehen daraus nur klar, daß die
Grammatik von ‘Ich glaube’ sehr verschieden ist von
der von ‘Ich schreibe’.”
Aber wenn ich das sage, sage ich damit nicht, daß hier nicht auch große Ähnlichkeiten bestehen können; und ich sage nicht, welcher Art die Verschiedenheiten sind. ((reelle und imaginäre Einheit.)) Bedenk nämlich, daß es sich um Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten von Begriffen, nicht von den Phänomenen handelt. |
1141.
Man kann das Seltsame sagen: “Ich
glaube, es wird regnen” heißt etwas
ähnliches, wie “Es wird regnen”, aber
“Ich glaubte damals, es werde regnen” nicht etwas
ähnliches wie “Es hat damals geregnet”.
Aber was heißt das nun, der erste Satz habe ungefähr den gleichen Sinn wie der zweite? Heißt es, die beiden brächten in meinem Geist den gleichen Gedanken hervor? (das gleiche Gefühl?) – |
1142.
“Ich will so denken, und nicht
so”.
Und ‘so’ und
‘das’ sind, so seltsam das klingen mag,
nicht scharf voneinander geschieden. |
1143.
Wie Du das Wort “Gott”
verwendest, zeigt nicht, wen Du meinst, sondern was Du
meinst. |
1144.
“Aber es muß doch ‘Ich
glaubte’ eben das in der Vergangenheit
– 223 –
heißen || sagen,
was ‘Ich glaube’ in der Gegenwart
heißt || sagt!”
Es muß doch i eben das für ‒ 1
bedeuten, was √1 für 1 bedeutet!
Das heißt
garnichts. |
1145.
Was heißt es “Ich glaube,
‘p” sage ungefähr dasselbe,
wie ‘P’”?
Wenn einer den ersten und zweiten Satz sagt, reagieren wir ungefähr in
der gleichen Weise; wenn ich den ersten Satz sage und einer verstünde die
Worte “Ich glaube” nicht, würde ich den Satz in
der zweiten Form wiederholen, usf.
Wie ich auch “Ich wünsche, daß Du
dort hingehst” mit “Geh dort
hin!” erklären würde. |
1146.
Moores Paradox kann man so aussprechen:
“Ich glaube p” sagt ungefähr dasselbe
wie “P”; aber
“Angenommen, ich glaube p … ” sagt nicht
ungefähr dasselbe wie “Angenommen
p …”
Kann man die Annahme, ich wünsche etwas, verstehen, ehe man die Äußerung des Wunsches versteht? – Das Kind lernt zuerst, den Wunsch äußern, und später erst, annehmen, es wünsche das und das. |
1147.
“Angenommen, ich habe Schmerzen … ” das ist keine
Schmerzäußerung und also kein
Schmerzbenehmen.
Das Kind, das das Wort “Schmerz” als Ausruf lernt, das dann anfängt von einem vergangenen Schmerz zu erzählen, – es kann eines schönen Tages erzählen “Wenn ich Schmerzen habe, kommt der Arzt”. Hat nun in diesem Prozeß des Lernens das Wort “Schmerz” seine Bedeutung geändert? Es hat seine Verwendung geändert; aber man muß sich sehr hüten davor, diesen Wechsel zu deuten als einen Wechsel des Gegenstands, der nun dem Wort entspricht. |
1148.
Denk Dir, “Ich glaube …” durch eine Malerei
dargestellt.
Wie könnte ich mir das vorstellen?
Das Bild würde etwa mich zeigen und irgendein Bild in meinem
Kopf.
Es kommt nicht darauf an, welchen Symbolismus es verwendet.
Das Bild dessen, was ich glaube,
z.B., daß es regnet – wird
darin vorkommen.
Meine Seele wird vielleicht dieses Bild ergreifen, festhalten, und
dergleichen. –
Und nun nehmen wir an, dieses Bild würde als die Behauptung
“Es regnet” verwendet.
Nun, darin ist noch nichts Seltsames.
Soll ich sagen, es sei nun viel an dem Bild
überflüssig?
Das möchte ich nicht sagen. |
1149.
“Im Grunde genommen beschreibe ich mit diesen Worten den
eigenen Geisteszustand, – aber diese Beschreibung ist hier indirekt
eine Behauptung des geglaubten Tatbestandes selbst.”
‒ ‒ ‒ Wie ich, unter Umständen, eine Photographie beschreibe, um so
das zu beschreiben, wovon die Photographie eine
– 224 – Aufnahme
ist. |
1150.
Aber wenn diese Analogie Stich hielte, müßte ich
noch sagen können, daß diese Photographie (der
Eindruck auf meinen Geist) verläßlich
ist.
Ich müßte also sagen können:
“Ich glaube, daß es regnet, und mein
Glaube ist verläßlich, also verlasse ich mich auf
ihn.”
So, als wäre mein Glaube eine Art Sinneseindruck. |
1151.
Sagst Du etwa: “Ich glaube es, und da ich zuverlässig
bin, wird es auch wohl so sein”?
Das wäre, als sagte man: “Ich glaube es – also
glaub' ich's.” |
1152.
Wie man durch die gleiche Tätigkeit bald die Länge des Tisches messen,
bald den Maßstab nachprüfen, bald den Messenden auf
seine Genauigkeit beim Messen prüfen kann, so kann eine
Behauptung mir dazu dienen, mich über ihren Inhalt zu
informieren, oder über den Charakter, oder den Seelenzustand des
Behauptenden. |
1153.
Man könnte wohl sagen: “Er kommt, aber ich kann es
noch immer nicht glauben!”
– “Er kommt!
Ich kann's nicht glauben!” |
1154.
Denk Dir einen Ausrufer in einer Station, der
plangemäß einen Zug ankündigt, aber –
vielleicht ohne Grund – überzeugt ist, daß er
nicht eintreffen wird.
Er könnte ankündigen: “Der Zug
№ || Nr. … wird um
… Uhr einfahren.
Ich persönlich glaube es nicht.” |
1155.
Wie wäre es, wenn ein Soldat militärische Meldungen machte, die
auf Grund der Beobachtungen berechtigt wären; er
fügt ihnen aber bei, er glaube, sie seien unrichtig. –
Fragen wir uns nicht, was im Geiste dessen, der so spricht, vor sich
gehen kann, sondern, ob andere etwas mit dieser Meldung anfangen können,
und was. |
1156.
Die Meldung ist ein Sprachspiel mit diesen Worten.
Es würde Verwirrung erzeugen, wenn wir sagten: Die Worte
der Meldung, der gemeldete Satz habe einen bestimmten Sinn, und das
Melden, die ‘Behauptung’, füge diesem noch einen
hinzu.
So, als ob der Satz, von einem Grammophon ausgesprochen, der reinen
Logik angehörte, als ob er hier den rein logischen Sinn hätte, als ob wir
hier den Gegenstand vor uns hätten, den Logiker in die Hand nehmen und
betrachten, – während der behauptete, gemeldete Satz das Ding
im Handel ist.
Wie man sagen kann: der Botaniker betrachtet eine Rose als
Pflanze, nicht als Schmuck des Kleides, oder Zimmers oder als
zarte Aufmerksamkeit.
Der Satz, will ich sagen, hat keinen Sinn
außerhalb – 225
– des Sprachspiels.
Das hängt damit zusammen, daß er nicht eine Art
Name ist.
So daß || sodaß man sagen
könnte: “‘Ich glaube … ’ –
das ist so” wobei man (in sich etwa) auf das
deutet, was dem Satz seine Bedeutung gibt. |
1157.
Ist es eine Tautologie, zu melden: “Die Reiter werden
sofort eintreffen; und ich glaube es”? |
1158.
Das Paradox ist dies: Die Annahme kann man so
ausdrücken: “Angenommen, es ginge das
in || in mir und das
außerhalb mir vor” ‒ ‒ ‒ die
Behauptung aber, es gehe das in mir vor,
sagt || behauptet: es gehe das
außerhalb mir vor.
In der Annahme sind die beiden Sätze über das Innere und
das Äußere ganz unabhängig, in der Behauptung
aber nicht. |
1159.
Liegt nun das im Wesen des Begriffs
“glauben”?
Gewiß. |
1160.
Denk Dir, einer sagte “Ich wünsche”,
– will aber nicht, daß mein Wunsch befriedigt
werde. –
(Lessing:
“Wenn Gott in seiner Rechten
…”)
Kann man also Gott bitten, den Wunsch zu
geben, und ihn nicht zu erfüllen? |
1161.
Da scheint es ja also, als wäre die Behauptung “Ich
glaube … ” nicht die Behauptung dessen, was die Annahme
“ich glaube” annimmt! |
1162.
Sieh's nicht als selbstverständlich an, sondern als etwas
sehr Bemerkenswertes, daß die Verben
“glauben”, “hoffen”,
“wünschen”, “beabsichtigen”
u.s.f., alle die grammatischen Formen aufweisen,
die “essen”, “reden”,
“schneiden” auch haben. |
1163.
Denk, ich wäre das Zwitterwesen, das aussprechen könnte
“Ich glaube nicht, daß es regnet;
und es regnet”. –
Aber wozu dienen nun diese Worte?
Welche Verwendung denke ich mir von ihnen gemacht?
“Er kommt. Ich persönlich glaube es nicht, aber laß Dich das nicht beirren.” – “Er kommt, verlaß Dich drauf. Ich glaube es nicht; aber laß Dich das nicht beirren.” Das klingt, als ob zwei Personen aus mir sprächen; oder als ob eine Instanz in mir dem Andern die Mitteilung machte, er komme, und diese Instanz wünscht, der andere solle dementsprechend handeln, – während eine andere Instanz im gewissen Sinne mein eigenes Verhalten ankündigt. Es ist so, als sagte man: “Ich weiß, daß diese Handlungsweise falsch ist, weiß aber, daß ich so handeln werde.” || “Ich weiß, daß das ganz falsch ist, kann aber nicht anders handeln.” “Er kommt, aber ich glaube es nicht”, kann also in einem Sprachspiel – 226
– vorkommen.
Oder besser: Es
läßt sich ein Sprachspiel ausdenken, worin diese
Worte uns nicht absurd vorkämen. |
1164.
Ein Voltmeter, statt die Spannung durch Zeiger und Zifferblatt
anzuzeigen, könnte sie mit Hilfe einer Grammophonplatte
aussprechen.
Das Instrument sagt etwa, wenn man einen Knopf drückt (es
befragt) “Die Spannung beträgt
…”
Könnte es nun auch Sinn haben, das Voltmeter sagen zu lassen:
“Ich glaube, die Spannung beträgt
…”?
– So einen Fall kann man sich schon denken.
Soll ich nun sagen, das Instrument sage etwas über sich selbst aus, – oder über die Spannung? Soll ich sagen, das Instrument sage immer etwas über sich selbst aus? Und wenn es z.B. eine höhere Ablesung der Spannung wiederholen kann: es habe geglaubt, die Spannung sei … gewesen? |
1165.
Oder sagen wir's so: Soll ich sagen, ein Voltmeter
zeigt etwas über sich selbst an, oder die Spannung?
Kann ich nicht beides sagen?
Nämlich jedes unter verschiedenen Umständen? |
1166.
Haben “Hilfe!” und “Ich brauche
Hilfe” verschiedenen Sinn; ist es nur eine Rohheit unserer
Auffassung, daß wir sie als gleichbedeutend
betrachten?
Heißt es immer, etwas || etwa zu
sagen: “Genau genommen war, was ich meinte, nicht
‘Hilfe!’, sondern ‘Ich wünsche
Hilfe’”.
Der schlimmste Feind unseres Verständnisses ist hier die Idee, das Bild, eines ‘Sinnes’ dessen was wir reden, in unserm Geiste. |
1167.
Die Behauptung “Er wird kommen” spielt nicht auf
den Behauptenden an.
Aber auch nicht auf die Worte der Behauptung, während “‘er wird kommen’ ist ein wahrer Satz” auf die
Worte anspielt und den gleichen Sinn hat wie der Satz, der dies nicht
tut. |
1168.
Könnte man von dem Sinn der Worte “daß er
kommen wird” reden?
Denn diese Worte sind recht eigentlich die
Frege'sche
‘Annahme’.
Nun, könnte ich einem nicht erklären, was dieser Wortausdruck
bedeutet?
Doch wohl, in dem ich ihm erkläre, oder zeige, wie er verwendet
wird. |
1169.
Die Schwierigkeit wird unüberwindlich, wenn Du denkst, der Satz
“Ich glaube … ” sage etwas über den Zustand
meiner Seele aus.
Wäre es so, so müßte man das
Mooresche Paradox reproduzieren können, wenn man statt über den
Zustand der eigenen Seele, etwas über den Zustand des Gehirns etwa
aussagte.
Der Witz ist aber eben, daß keine Behauptung über
den Zustand meines Gehirns (oder wessen immer)
der Behauptung, die ich glaube – “Er wird
kommen” z.B.– gleichkommt.
– 227 – |
1170.
Fassen wir aber nun dennoch die Behauptung “Er glaubt
p”) als Aussage über
seinen Zustand auf, aus der jedenfalls hervorgeht, wie er
sich unter gegebenen Umständen verhalten wird!
Gibt es denn nun zu so einer Aussage keine erste Person des
Präsens?
Kann ich denn also nicht von mir selbst aussagen, ich sei jetzt in
einem Zustand, in welchem die und die sprachlichen, und anderen,
Reaktionen wahrscheinlich sind?
Ähnlich ist es jedenfalls, wenn ich sage, “Ich bin jetzt
sehr irritabel.”
Ähnlich könnte ich auch sagen “Ich glaube jetzt jede
schlimme Nachricht sehr leicht.” |
1171.
Würde nun ein Satz, welcher aussagt, ich – oder mein Gehirn –
sei jetzt in einem so gearteten Zustand,
daß ich auf die Frage “Wird er
kommen” mit “Ja” antworte, und die und
die anderen Reaktionen
aufweisen, – würde so ein Satz der Behauptung
gleich kommen || gleichkommen
“Er wird kommen”?
Man könnte hier fragen: “Wie denkst Du Dir denn, daß ich über diesen meinen Zustand unterrichtet bin? – Durch Erfahrung etwa? Will ich also, aus der Erfahrung, voraussagen, ich werde jetzt so eine Frage immer so beantworten, etc.?” Ist es so und mache ich in diesem Sinne die Aussage “ich glaube, er wird kommen” und füge hinzu “und er wird nicht kommen”, so ist das nur insofern ein Widerspruch wie etwa dies einer ist: “Ich kann kein viersilbiges Wort aussprechen”, oder dies: “Ich kann keinen einzigen deutschen Satz sagen.” Wenn dies letztere eine Art Widerspruch ist, so ist es doch nicht die Annahme: “Angenommen ich könnte keinen einzigen deutschen Satz sagen”. |
1172.
Daß er das und das glaubt, ergibt sich für uns aus
der Beobachtung seiner Person, aber die Aussage “Ich
glaube … ” macht er nicht auf
Grund der Selbstbeobachtung.
Und darum kann “Ich glaube
p” äquivalent sein der Behauptung
von “p”.
Darum auch die Frage “Ist es so?” dem Satz
“Ich möchte wissen, ob es so ist.” |
1173.
“Dies Gesicht hat einen ganz bestimmten Charakter
–” heißt eigentlich: es
ließe sich viel darüber sagen.
Wann sagt man dies?
Was berechtigt einen dazu?
Ist es eine bestimmte Erfahrung?
Weiß man schon, was man sagen wird; hat man
sich's schon im Stillen vorgesagt?
Ist die Situation nicht ähnlich wie die: “Jetzt
weiß ich weiter!” |
1174.
Wir kennen Alle den Vorgang des momentanen Wechsels des Aspekts; –
aber wie, wenn man nun fragte: “Hat A den
Aspekt a nun fortwährend vor Augen – wenn
nämlich kein Aspektwechsel eingetreten ist?
Kann der Aspekt – 228
– nicht, sozusagen, frischer oder
unbestimmter || welken
werden?
– Und wie seltsam, daß ich das
frage! |
1175.
Es gibt so etwas, wie ein Aufflackern des Aspekts.
So, wie man etwas mit intensiverem und weniger intensiven Ausdruck
spielen kann.
Mit stärkerer Betonung des || Rhythmus und der Struktur, oder weniger starkem.
|
1176.
Das als eine Variante von dem sehen,
hören.
Da ist also der Moment, wo ich beim Anblick von A an B
denke, wo dieses Sehen, sozusagen,
akut ist, und dann die Zeit, in der es chronisch ist. |
1177.
Das psychologische || seelische
Phänomen nicht erklären, sondern hinnehmen,
ist das schwere. – |
1178.
“F” als Variation verschiedener Figuren.
Wenn ich mir denke, daß in meinem Geist das
Paradigma, als dessen Variante ich das Objekt sehe, irgendwie beim Sehen
gegenwärtig ist, dann könnte es (doch) bald deutlicher, bald
undeutlicher gegenwärtig || da sein, und
es könnte auch ganz verschwinden. |
1179.
Denk dir zwei Leute: der eine hat in der Jugend das
“F” so gelernt , – der andere, wie wir .
Wenn nun die beiden das Wort “Figur” lesen, –
muß ich sagen, habe ich Grund zu sagen, sie sähen
Jeder das “F” anders?
Offenbar nein.
Und könnte es nicht doch sein, daß der eine von
ihnen, wenn er hört, wie der andere diesen Buchstaben schreiben und lesen
gelernt hat, sagt: “So hab ich ihn nie
angesehen, sondern immer so”?
Und ferner wird es wohl Situationen geben, in denen ich, was einer dieser Leute tut, oder sagt, so erklären werde: “Er betrachtet nämlich diesen Buchstaben als Variante von …” |
1180.
Das ist sicher, daß man sagen
kann: “Ich habe das noch nie so
gesehen”.
Hier ist das “nie” unzweifelhaft. –
Sagst Du aber “Ich habe das immer so
gesehen”, so ist dies “immer”
nicht gleichermaßen sicher.
Und daran ist natürlich gar nichts merkwürdiges, wenn man statt
“gesehen”
“aufgefaßt” sagt. |
1182.
Es ist, als wäre in meinem Geist ein Paradigma, eine Vorlage
gegenwärtig, wenn ich das Zeichen || den
Schriftzug sehe.
Aber was für eine – 229
– Vorlage?? wie sieht sie
aus?
Doch nicht eben, wie das Zeichen selbst!
– Also wie das Zeichen, so gesehen?
– Aber wie gesehen?
Wie soll ich den Aspekt notieren?
Nun, wie notieren wir ihn denn; wie verständigen wir uns über
ihn?
Ich sage etwa: “Das Zeichen, wie ich's
sehe, schaut nach rechts”.
Ich könnte sogar von einer Art visuellem Schwerpunkt reden,
– sagen: Der Schwerpunkt des Zeichens befindet sich
hier.
Kann ich erklären, was ich damit meine?
Nein. –
Aber diese meine Reaktion kann ich mit Reaktionen anderer
vergleichen. |
1183.
Bin ich mir stets der Verschwommenheit der Ränder meines Gesichtsfeldes
bewußt?
Soll ich sagen: “Fast nie”, oder
“Nie”? |
1184.
In einem andern Gedankenraum – möchte man sagen – schaut das
Ding anders aus. |
1185.
Man könnte sich in der Musik eine Variation auf ein Thema denken, die,
etwa ein wenig anders phrasiert, als eine ganz andere Art der Variation
des Themas aufgefaßt werden kann.
(Im Rhythmus gibt es solche Mehrdeutigkeiten.)
Ja, was ich meine, findet sich wahrscheinlich überhaupt immer, wenn
eine Wiederholung das Thema in ganz anderem Licht erscheinen
läßt. |
1186.
Kein Aspekt, der nicht (auch) Auffassung ist. |
1187.
Angenommen einer sagte mir: “Es hat
sich jetzt etwas an dem Bild verändert – ich
kann's nicht anders ausdrücken – obwohl die Form die
gleiche ist wie früher.
Ich kann nur sagen: früher war es eine Art , jetzt ist es eine Art
”.
Wenn er das sagte, könnte ich nicht doch bezweifeln,
daß er die Figur immer, ununterbrochen, so
gesehen und sie nicht nur nie anders
aufgefaßt hat? || , könnte ich
nicht doch mißtrauisch sein und
bezweifeln, …?
|
1188.
Denk Dir, das Kind, wenn es den Buchstaben “R”
gelernt hat, sagte uns: “Ich sehe es immer als ein
‘R’”.
Was könnte uns das mitteilen??
– Ja, auch wenn es uns sagte, “Ich sehe es immer
als er ein ‘P’ mit einer
schiefen Stütze”, würde uns das nur sagen: so
faßt das Kind es auf, so erklärt es sich den
Buchstaben, und dergleichen.
Erst wenn es vom Wechseln des Aspekts spräche, würden wir sagen, nun
sei es jenes Phänomen …. |
1189.
Sagt einer “Ich sehe es immer so”,
so muß er das
“So” angeben.
Angenommen, er täte das, indem er den Strichen der Figur in einer
bestimmten Reihenfolge, oder in einem bestimmten Rhythmus
nachführe.
Das wäre ähnlich, als sagte er uns:
“Ich folge der Figur mit den Augen
– 230 – immer
so”.
Und da könnte es natürlich sein, daß
ihn sein Gedächtnis täuscht. |
1190.
Sagt er “Ich sehe (jetzt) die Figur
so” und fährt ihr in bestimmter Weise nach, –
so müßte das nicht sowohl eine Beschreibung sein,
als, sozusagen, dies Sehen selbst.
Sagt er aber “Ich habe sie immer so
gesehen”, so heißt das, er habe sie nie
anders gesehen, und da mag er sich täuschen. |
1191.
Nein, das Paradigma schwebte mir nicht ständig vor ‒ ‒ ‒ aber wenn
ich den Wechsel des Aspekts beschreibe, dann beschreibe ich ihn
mittels der Paradigmen. || dann
geschieht das mit Hilfe der Paradigmen. || Nein, das Paradigma schwebte mir nicht ständig vor; ich wollte nichts derartiges sagen ‒ ‒ ‒ aber wenn ich den Wechsel des Aspekts beschreibe, dann beschreibe ich ihn mittels der Paradigmen. |
1192.
“Ich habe es immer so gesehen” –
damit will man eigentlich sagen: “Ich habe es immer
so aufgefaßt, und dieser
Wechsel des Aspekts hat nie stattgefunden.” |
1193.
“Ich habe es nie so gesehen, sondern immer
so.”
Nur ist daraus || das
allein noch kein Satz.
Das Feld fehlt ihm noch. |
1194.
“Ich habe es immer mit diesem Gesicht
gesehen”.
Aber Du mußt noch sagen, mit
welchem.
Und sowie Du das dazu sagst, ist es
nicht mehr als hättest Du's
immer getan.
“Ich habe diesen Buchstaben immer mit einem grämlichen Gesicht gesehen”. Da kann man fragen: “Bist Du sicher, daß es immer war?” D.h.: ist Dir die Grämlichkeit immer aufgefallen? |
1195.
Und wie ist es mit dem ‘Auffallen’?
Findet das in einem Moment statt, oder dauert es an? |
1196.
“Wenn ich ihn ansehe, sehe ich immer das Gesicht seines
Vaters.”
Immer?
– Aber doch nicht nur auf
Augenblicke!
Dieser Aspekt kann andauern. |
1197.
Denk Dir, man sagte: “Ich sehe es jetzt immer in
diesem Zusammenhang.” – |
1198.
Absolutes und relatives Gehör: Hier ist etwas Ähnliches:
Ich höre den Übergang von einem Ton zum andern.
Aber nach kurzer Zeit kann ich einen Ton nicht mehr als den höheren
oder tieferen jener beiden erkennen.
Und es müßte auch keinen Sinn haben, von einem
solchen “Erkennen” zu reden; wenn es nämlich kein
Kriterium des richtigen Erkennens gäbe. – 231 – a |
1199.
Es ist beinahe, als ob das ‘Sehen des Zeichens in
diesem Zusammenhang’ ein
Nachhallen eines Gedankens wäre. |
1200.
Von einem wirklichen oder gemalten Gesicht zu sagen “Ich
habe es immer als Gesicht gesehen”, wäre seltsam;
aber nicht: “Es war für mich immer ein
Gesicht, und ich habe es nie als etwas anderes
gesehen.” |
1202.
Wenn einer sagt: “Ich rede von einem visuellen
Phänomen, in welchem sich wirklich das Gesichtsbild, nämlich seine
Organisation ändert, obwohl Formen und Farben die gleichen
bleiben” – dann kann ich ihm
antworten: “Ich weiß, wovon Du
redest; ich möchte auch das sagen, was Du sagst.”
–
Ich sage also nicht: “Ja, das
Phänomen, wovon wir beide reden, ist wirklich ein
Wechsel der Organisation … ”, sondern
“Ja, dies Reden von dem Wechsel der Organisation,
etc. ist die Äußerung des
Erlebnisses, das auch ich meine. || wovon auch ich rede. |
1203.
“Die Organisation des Gesichtsbilds ändert sich.”
–
“Ja, das möchte ich auch sagen.”
Das ist analog dem, wenn einer sagte, “Alles um mich kommt mir unwirklich vor” – und ein anderer erwidert: “Ja, ich kenne dieses Phänomen. Ganz so möchte ich's auch ausdrücken.” |
1204.
“Die Organisation des
Gesichtsbilds ändert sich” hat eben nicht die
gleiche Art der Anwendung, wie: “Die Organisation
dieses Vereins ändert sich”.
Hier kann ich beschreiben, wie das ist, wenn
sich die Organisation unseres Vereins ändert. |
1205.
“Es ist mir nie aufgefallen, daß man die
Figur so sehen kann”: folgt daraus,
daß es mir aufgefallen ist, oder
daß ich wußte,
daß man sie so sehen konnte, wie ich
sie immer gesehen habe? |
1206.
Ich höre einen Ton – höre ich also nicht, wie laut er ist?
‒ ‒ ‒
Ist es richtig, zu sagen: wenn ich den Ton höre,
müßte ich mir des Grades seiner Lautheit
bewußt sein? –
Anders ist es, wenn seine Stärke sich ändert.
|
1207.
Es würde auf den ersten Blick so erscheinen:
Jemand kommt darauf, daß man ein F als
T mit einem Anhängsel sehen kann; er sagt “Jetzt
sehe – 231 – b ich's
als T, etc., jetzt wieder als
F.”
Daraus scheint zu folgen, daß er's das
zweite Mal so sieht, wie er es vor seiner Entdeckung
immer gesehen hat. –
Daß also, wenn es Sinn hatte zu sagen,
“Jetzt sehe ich's wieder als F”,
es auch Sinn gehabt hätte vor dem Wechsel des Aspekts zu sagen
“Ich sehe den Buchstaben F immer als
F”. |
1208.
Wenn ich einen Satz immer in einem und demselben Tonfall gehört hätte
(und oft gehört hätte), wäre es richtig, zu sagen, ich müsse
mir natürlich des Tonfalls bewußt gewesen
sein?
Wenn das eben dasselbe heißt wie, ich habe ihn in
diesem Tonfall gehört und spreche ihn auch immer in diesem Tonfall nach,
– dann bin ich mir des Tonfalls bewußt.
Ich muß aber wissen, daß es
so etwas gibt, wie einen ‘Tonfall’, der
Tonfall braucht mir nie aufgefallen zu sein, ich brauche
nie auf ihn gelauscht zu haben.
Der Begriff Tonfall mag mir ganz unbekannt sein. Die ‘Trennung’ des Tonfalls vom Satz braucht sich für mich nicht vollzogen zu haben. Ich habe also kein Sprachspiel mit dem Wort “Tonfall” gelernt. |
1209.
Wenn das Kind die Buchstaben lernt, lernt es ja nicht, sie
so und nicht anders sehen.
Soll ich nun sagen, der Mensch komme später beim Wechsel des Aspekts
drauf, daß er einen Buchstaben,
z.B. ein R, immer in der gleichen Weise
gesehen habe? –
Nun, so könnte es sein, ist aber nicht so.
Nein, das sagen wir nicht.
Sogar, wenn einer so etwas sagte wie, für ihn habe der
Buchstabe … immer das und das Gesicht gehabt, würde er zugeben,
daß er in vielen Fällen beim Anblick des Buchstabens
nicht an ein Gesicht ‘gedacht’ habe. |
1210.
Soll ich nun sagen: eine ‘Art des Sehens’
assoziiere sich für uns mit einem Buchstaben?
Gewiß nicht; außer es
heißt etwas ähnliches wie: ein Gesicht
assoziiere sich mit einem Buchstaben. |
1211.
Denk an den Begriff “Schreibweise”.
Man kann sagen “Das ist eine interessante Schreibweise
des Buchstaben … ” – aber versteht also jeder, was
“Schreibweise” heißt, der einen
Buchstaben schreiben gelernt hat?
Ich meine: Kann einer die Schreibweise des S
beachten, der gar nicht weiß,
daß es verschiedene Schreibweisen eines
Buchstaben || Buchstabens gibt? –
Oder spiele ich hier nur mit Worten?
Du darfst nur nicht einen zu engen Begriff des ‘Erlebens’ haben. – 232 –
Frag Dich etwa: Kann der eine Aussprache als vulgär empfinden, der etwa nie andere Beispiele vor sich hatte? |
1212.
“Diese Schrift ist mir unsympathisch.”
Kann dem, der gerade lesen und schreiben lernt, eine
Schrift ‘unsympathisch’ sein? –
Sie kann ihn vielleicht in irgend einem
Sinne abstoßen.
Nur von dem hat es Sinn zu sagen, eine Schrift sei ihm
unsympathisch, der sich bereits allerlei Gedanken über eine Schrift
machen kann. |
1213.
Wäre es denkbar, daß über zwei identischen
Abschnitten eines Musikstücks Anweisungen stünden, die uns aufforderten,
es beim ersten Mal so, beim zweiten
Mal so zu
hören, ohne daß dies auf den Vortrag
irgendeinen Einfluß ausüben sollte.
Es wäre etwa das Musikstück für eine Spieluhr geschrieben und die
beiden gleichen Abschnitte wären in der gleichen Stärke und dem gleichen
Tempo zu spielen – nur jedes Mal anders
aufzufassen.
Nun, wenn auch ein Komponist so eine Anweisung noch nie geschrieben hat, könnte nicht ein Kritiker sie schreiben? Wäre so eine Anweisung nicht vergleichbar mit einer Überschrift der Programmusik (“Tanz der Landleute”)? |
1214.
Nur freilich, wenn ich einem sage “Höre es
so”, so muß er nun sagen
können: “Ja, jetzt versteh ich's; jetzt hat
es wirklich Sinn!”
(Etwas muß einschnappen.) |
1215.
Welchen Begriff von der Gleichheit, Identität, haben wir?
Du kennst die Verwendung des Wortes “gleich”, wenn es
sich in || um gleiche Farben, gleiche
Klänge, gleiche Formen, gleiche Längen, gleiche Gefühle handelt, und Du
entscheidest, ob nun der und der Fall in diese
Familie aufgenommen werden soll, oder nicht || entscheidest, ob man nun hier auch noch von
‘Identität’ reden soll, oder
nicht. |
1216.
Was ist an der Idee abstoßend,
daß wir den Gebrauch eines Wortes studieren, Fehler
in der Beschreibung dieses Gebrauchs aufzeigen,
usw.? || Was ist es,
was an der Idee abstößt, wir studierten
den Gebrauch eines Wortes, zeigten Fehler in der
Beschreibung dieses Gebrauchs auf
usw.
Vor allem fragt man sich: Wie könnte das uns
so wichtig sein?
Es kommt drauf an, ob man ‘falsche Beschreibung’ die
nennt, die nicht mit dem sanktionierten Sprachgebrauch übereinstimmt,
– oder die, die nicht mit der Praxis des Beschreibenden
übereinstimmt.
Nur im zweiten Fall entsteht ein philosophischer
Konflikt. |
1217.
Weniger abstoßend ist die Idee: wir
machen uns, vom Denken z.B.,
– 233 – ein
falsches Bild.
Denn hier sagt man sich: wir haben es doch mindestens mit dem
Denken, nicht mit dem Worte “denken”, zu tun.
Also, wir machen uns vom Denken ein falsches Bild. – Aber wovon machen wir uns ein falsches Bild; wie weiß ich, z.B., daß du Dir von dem ein falsches Bild machst, wovon auch ich mir ein falsches Bild mache? Nehmen wir an, unser Bild des Denkens wäre ein Mensch, der den Kopf in die Hand stützt und zu sich selber redet. Unsere Frage ist nicht “Ist das ein richtiges Bild?” sondern: “Wie wird dies Bild als Bild des Denkens verwendet?” Nicht: “Wir haben uns ein falsches Bild gemacht” – sondern: “Wir kennen uns im Gebrauch unseres Bildes, oder unserer Bilder, nicht aus”! Und also nicht im Gebrauch unseres || des Wortes. |
1218.
Wohl, – aber dies Wort ist doch nur insofern interessant, als es
tatsächlich für uns einen ganz bestimmten Gebrauch besitzt, also sich
bereits auf eine gewisse Erscheinung bezieht! –
Das ist wahr.
Und das heißt: wir haben es nicht mit einer
Verbesserung der grammatischen
Konventionen zu tun. –
Aber was heißt das: “Wir wissen
alle, auf welche Erscheinung sich das Wort ‘denken’
bezieht”?
Heißt es nicht eben: wir können alle das
Sprachspiel mit dem Wort “denken” spielen?
Nur erzeugt es Unklarheit, das Denken eine
‘Erscheinung’ zu nennen; und weitere Unklarheit, zu sagen
“wir machen uns von dieser Erscheinung ein falsches
Bild”.
(“Einen falschen Begriff”
könnte man schon eher sagen.) |
1219.
Haben wir es mit dem Gebrauch des Wortes
“fünf” zu tun, so haben wir es, in gewissem Sinne, mit
dem zu tun was dem Worte ‘entspricht’; nur ist
diese Ausdrucksweise primitiv, setzt eine primitive Auffassung
vom Gebrauch eines Wortes voraus. |
1220.
Ein ‘Sprachspiel’: Man
läßt einen ein Aroma, z.B. das
des Kaffees nach einer Zeichnung wählen.
Man sagt ihm: “Kaffee riecht so: ” und nun befiehlt man ihm diejenige
Flüssigkeit zu bringen, die so riecht. –
Ich nehme nun an, er brächte wirklich die richtige.
Ich hätte also ein Mittel, durch etwas Zeichenartiges
einem Menschen Befehle zu erteilen.
((Zusammenhang mit dem Wesen der Regel, der Technik, der
Mathematik, – der reellen Zahlen
z.B.))
Dies hängt auch damit zusammen: (“Die Henne
‘ruft’ die Küchlein zu sich.”) |
1221.
“Man kann das Aroma des Kaffees nicht
beschreiben.”
Aber könnte man – 234 –
sich nicht denken, daß
man's könnte?
Und was muß man sich dazu
vorstellen?
Wer sagt “Man kann das Aroma nicht beschreiben”, den kann man fragen: “Womit willst Du's beschreiben? Mit Hilfe welcher Elemente?” |
1222.
Wir sind auf die Aufgabe gar nicht
gefaßt, den Gebrauch des Wortes
“denken”, z.B., zu
beschreiben.
(Und warum sollten wir's sein?
Wozu ist so eine Beschreibung nütze?)
Und die naive Vorstellung, die man sich von ihm macht, entspricht gar nicht der Wirklichkeit. Wir erwarten uns eine glatte, regelmäßige Kontur, und kriegen eine zerfetzte || zerlumpte zu sehen. Hier könnte man wirklich sagen, wir hätten uns ein falsches Bild gemacht. Es ist das beinahe, als gäbe es ein Substantiv, sagen wir “Riese”, mit Hilfe dessen man all das ausdrückt, was wir mit dem Adjektiv “groß” sagen. Das Bild, das uns beim Worte “Riese” in den Sinn käme, wäre das eines Riesen. Und nun sollte man unsere seltsame Verwendung des Wortes “groß”, mit diesem Bild vor unsern Augen, beschreiben. |
1223.
Macaulay sagt, die Dichtkunst
sei eine “nachahmende Kunst” und gerät natürlich
sogleich in die größten Schwierigkeiten mit diesem
Begriff.
Er will beschreiben; aber jedes Bild, das sich ihm darbietet, ist
unzutreffend || stimmt
nicht, so offenbar richtig es auch auf den ersten
Blick scheint; und so seltsam es auch scheint, daß
man nicht sollte beschreiben können, was man so genau kennt || versteht.
Hier sagt man sich: “Es muß eben so sein! – auch wenn ich nicht gleich alle Einwände beiseite schieben kann.” |
1224.
Es wäre doch sehr wohl denkbar, daß einer sich genau
in einer Stadt auskennt, d.h., von jedem Ort der
Stadt zu jedem andern mit Sicherheit den kürzesten Weg fände, – und
dennoch ganz außerstande wäre, einen Plan der Stadt
zu zeichnen.
Daß er, sobald er es versucht, nur gänzlich
Falsches hervorbringt.
(Unser Begriff vom ‘Instinkt’.) |
1225.
Vor allem fehlt dem, der die Beschreibung versucht, nun jedes
System.
Die Systeme, die ihm in den Sinn kommen, sind unzureichend; und
er scheint plötzlich sich in einer Wildnis zu befinden,
statt in dem wohlangelegten Garten, den er so gut kannte.
Es kommen ihm wohl Regeln in den Sinn, aber die Wirklichkeit zeigt nichts als Ausnahmen. – 235 – |
1226.
Und die Regeln des Vordergrunds machen es uns unmöglich, die Regeln im
Hintergrund zu erkennen. || sehen.
Denn, wenn wir ihm mit dem Vordergrund zusammenhalten, sehen wir nur
widerliche Ausnahmen, also
Unregelmäßigkeit. |
1227.
Sagen wir, es denke jeder, der sinnvoll spricht?
Z.B. der Bauende im Sprachspiel
№ 2 || Nr. 2?
Könnten wir uns nicht das Bauen und Rufen der Wörter,
etc., in einer Umgebung denken, in der wir es mit einem
Denken nicht in Zusammenhang brächten?
Denn “denken” ist verwandt mit “überlegen”. |
1228.
“Eine Multiplikation mechanisch ausführen” (ob nun
auf dem Papier oder im Kopf) sagen wir wohl ‒ ‒ ‒ aber
“sich etwas mechanisch überlegen” das enthält für uns
einen Widerspruch. |
1229.
Der Ausdruck, das Benehmen, des Überlegens.
Wovon sagen wir: Es überlege sich etwas?
Vom Menschen, manchmal vom Tier.
(Nicht vom Baum, oder vom Stein.)
Ein Zeichen des Überlegens ist ein Zögern im
Handeln.
(Koehler.)
(Nicht jedes Zögern.) |
1230.
Denke vom ‘Überlegen’ an das
‘Versuchen’.
An das
‘Untersuchen’, an den Ausdruck des Staunens; des
Mißlingens und Gelingens. |
1231.
Was muß der Mensch nicht alles tun, damit wir
sagen, er denke! || alles tun können,
damit wir sagen, er
denke! |
1232.
Er kann nicht wissen, ob ich denke, aber ich
weiß es.
Was weiß ich?
Daß das, was ich jetzt tue, denken
ist?
Und womit vergleich ich's, um das zu wissen?
Und kann ich mich darin nicht irren?
Also bleibt nur übrig: ich wisse, daß ich
tue, was ich tue. – |
1233.
Aber es hat doch Sinn, zu sagen “Er
weiß nicht, was ich dachte, denn ich habe es ihm
nicht gesagt”!
Ist ein Gedanke auch dann ‘privat’, wenn ich ihn laut im Selbstgespräch äußere, wenn mich niemand hört? “Meine Gedanken kenne nur ich allein.” Das heißt doch ungefähr: “Ich kann sie beschreiben, ausdrücken, wenn ich will.” |
1234.
“Meine Gedanken kenne nur ich allein.” –
Woher weißt Du das?
Erfahrung hat es Dich nicht gelehrt. –
Was teilst Du uns dadurch mit? –
Du mußt Dich schlecht ausdrücken.
“Nicht doch! Ich denke mir jetzt etwas; sag mir, was es ist!” So war es also doch ein Erfahrungssatz? Nein; denn sagte ich Dir, was Du Dir denkst, – 236 – so hätte
ich's doch nur erraten.
Ob ich's richtig erraten habe, wie läßt
sich das entscheiden?
Durch Dein Wort, und gewisse Umstände: Also vergleiche ich
dieses Sprachspiel mit einem andern, bei welchem die Mittel
der Entscheidung (Verifikation) anders aussehen. |
1235.
“Ich kann hier nicht …” –
Wo kann ich denn?
In einem andern Spiel.
(Ich kann hier – im Tennis nämlich – den Ball nicht
durch's Tor schießen.) |
1236.
Aber ist nicht ein Zusammenhang zwischen dem grammatischen
‘privat sein’ der Gedanken und der Tatsache,
daß wir im allgemeinen die Gedanken des andern
nicht erraten können, ehe er sie ausspricht.
Es gibt doch ein Gedankenerraten in dem Sinne,
daß einer mir sagt: “Ich
weiß, was Du jetzt gedacht hast” (oder
“woran Du jetzt gedacht hast”) und ich zugeben
muß, er habe meine Gedanken richtig
erraten.
Und dies kommt doch tatsächlich sehr selten vor.
Ich sitze oft, ohne zu reden, mehrere Minuten lang in meiner Klasse,
und Gedanken gehen mir durch den Kopf; aber keiner meiner Hörer könnte
wohl erraten, was ich bei mir gedacht habe.
Es wäre aber doch auch möglich, daß sie einer
erriete und aufschriebe, so als hätte ich sie ausgesprochen.
Und zeigte er mir das Geschriebene, so müßte ich
sagen “Ja, ganz das habe ich mir gedacht.”
–
Und hier wäre z.B. die Frage
unentscheidbar: ob ich mich auch nicht irre; ob ich
wirklich das gedacht hatte, oder nur, von seiner Niederschrift
beeinflußt, mir nun fest
einbilde, gerade dies gedacht zu haben.
Und das Wort “unentscheidbar” gehört zur Beschreibung des Sprachspiels. |
1237.
Und wäre nicht auch dies denkbar: Ich sage einem
“Du hast Dir jetzt gedacht …” –
Er verneint es.
Aber ich bleibe fest bei meiner Behauptung, und endlich sagt
er: “Ich glaube, Du hast recht; ich werde mir das
gedacht haben; mein Gedächtnis wird mich täuschen.”
Und denke nun, daß dies ein ganz gewöhnliches Vorkommnis wäre! |
1238.
“Gedanken und Gefühle sind privat”
heißt ungefähr das gleiche wie “Es
gibt Verstellung”, oder “Man kann seine Gedanken und
Gefühle verschweigen || verbergen; ja
lügen und sich verstellen”.
Und es ist die Frage, was dieses “Es gibt” und
“Man kann” bedeutet. |
1239.
Unter welchen Umständen, bei welchen Anlässen, sagt man
denn: “Meine Gedanken kenne nur
ich”? –
Wenn man auch hätte sagen können: “Meine Gedanken
– 237 – werde ich Dir nicht
sagen”, oder “Meine Gedanken halte ich
geheim”, oder “Meine Gedanken könnt Ihr nicht
erraten”. |
1240.
Wovon sagt man denn, man kenne es? und in
wiefern kenne ich meine Gedanken?
Sagt man nicht von dem, man kenne es, was man richtig beschreiben kann? Und kann man das von den eigenen Gedanken sagen? Wenn einer die Worte die “Beschreibung” des Gedankens nennen will, statt den “Ausdruck” des Gedankens, frage er sich, wie man einen Tisch beschreiben lernt. Und das heißt nur: er sehe zu, wie man die Beschreibung eines Tisches, und wie man die Beschreibung der Gedanken als richtig oder falsch beurteilt; er möge also diese Sprachspiele in allen ihren Situationen ins Auge fassen. |
1241.
“Die Tatsache ist doch, daß der Mensch nur
seine eigenen Gedanken kennt.”
(“Die Tatsache ist doch, daß von meinem
eigenen Denken nur ich weiß.”)
“Und auch ich nicht” könnte man sagen. |
1242.
“Dem Menschen hat es die Natur gegeben,
daß er im Geheimen denken kann.”
Denk Dir man sagt: “Die Natur hat es dem Menschen
gegeben, daß er hörbar, aber auch unhörbar, in
seinem Geiste, reden kann.”
Er kann also, heißt das, dasselbe auf zwei Arten
tun.
(Als könnte er sichtbar verdauen und unsichtbar
verdauen.)
Nur ist beim Reden im Geiste das Reden besser verborgen, als ein
Vorgang im Innern des Körpers sein kann. –
Wie wäre es aber, wenn ich redete und alle andern taub wären?
Wäre da mein Reden nicht ebensogut verborgen?
“Im tiefsten Geheimnis des Geistes geht etwas || es vor sich.” |
1243.
Wer mir sagt, was er gedacht hat, –
hat mir der wirklich gesagt: was er gedacht
hat?
Mußte nicht das eigentliche geistige
Ereignis unbeschrieben bleiben? || Mußte nicht der Vorgang im
Geiste unbeschrieben bleiben? ‒ ‒ ‒
War nicht er das Geheime, – wovon ich in der Rede
dem andern nur ein Bild gebe? |
1244.
Wenn ich einem sage, was ich denke, –
kenne ich da meinen Gedanken besser, als meine Worte ihn
darstellen?
Ist es, als kennte ich einen Körper und zeigte dem andern
nur eine Photographie? |
1245.
“Dem Menschen ist es gegeben in voller Abgeschlossenheit mit
sich selbst zu reden; in einer Absonderung, die weit vollkommener ist,
als die eines Einsiedlers.”
Wie weiß ich, daß dem
N. dies gegeben ist? –
Weil – 238
– er's sagt und zuverlässig ist? –
Und doch sagen wir: “Ich wüßte gerne, was er jetzt bei sich denkt”; ganz so, wie wir sagen könnten: “Ich wüßte gerne, was er jetzt in sein Notizbuch schreibt”. Ja, man könnte eben das sagen und es, sozusagen, als selbstverständlich ansehen, daß er bei sich das denkt, was er ins Notizbuch einträgt. |
1246.
Würden nun Leute, die regelmäßig
– etwa durch Beobachten des Kehlkopfs eines Menschen – seine
Gedanken ‘lesen’ könnten, – würden die auch von
der gänzlichen Einsamkeit des Geistes mit sich selbst zu sprechen geneigt
sein? –
Oder: Wären auch sie geneigt, das Bild von
der ‘gänzlichen Abgeschlossenheit’
zu gebrauchen? |
1247.
“Ich möchte wissen, worauf er sinnt!”
Aber nun stell Dir diese – scheinbar irrelevante –
Frage: “Was ist daran überhaupt
interessantes, || “Warum
interessiert mich überhaupt, was
‘in ihm’, in seinem Geiste, vorgeht – angenommen,
daß etwas vorgeht?”
(Hol's der Teufel, was in ihm vorgeht!) |
1248.
Der Vergleich des Denkens mit einem Vorgang in der Verborgenheit ist,
in der Philosophie, irreführend.
So irreführend etwa, wie der Vergleich des Suchens nach dem treffenden Ausdruck mit den Bemühungen dessen, der eine nur ihm sichtbare Linie genau nachzeichnen will. |
1249.
Was uns verwirrt, ist, daß die Gedanken des andern
zu kennen, von einer Seite besehen, logisch unmöglich, und
von einer andern gesehen, psychologisch und physiologisch unmöglich
ist. |
1250.
Ist es nun richtig, zu sagen: daß diese beiden
‘Unmöglichkeiten’ so miteinander zusammenhängen,
daß die psychologische Unmöglichkeit
(hier) das Bild liefert das uns (dann) zum
Abzeichen des Begriffs ‘denken’ wird? |
1251.
Man kann nicht sagen: das Schreiben ins Notizbuch, oder das
monologische Sprechen, sei dem stummen Denken
‘ähnlich’; wohl aber kann der eine
Vorgang den andern (das Rechnen im Kopf das schriftliche Rechnen,
z.B.) für gewisse Zwecke
ersetzen. |
1252.
Könnte es Leute geben, die beim Denken immer zu sich selbst murmeln,
deren Denken also für andere zugänglich ist? –
“Ja, aber wir könnten doch nicht wissen, ob sie nicht,
außerdem, stumm bei sich selber
denken!” –
Könnte es denn aber nicht sein, daß dies anzunehmen,
ebenso sinnlos wäre, – 239
– wie anzunehmen, die Haare dieser Leute dächten,
oder ein Stein dächte?
Müßten wir, heißt das, wenn dies so wäre, auch nur auf den Gedanken kommen, einer dächte, hätte Gedanken, in seinem Geist verborgen? |
1253.
“Ich weiß nicht, was Du Dir denkst.
Sag, was Du Dir denkst!” –
Das heißt etwa:
“Rede!” |
1254.
Ist es also irreführend, von der Seele des Menschen, oder von seinem
Geist zu reden?
So wenig, daß es ganz verständlich
ist, wenn ich sage: “Meine Seele ist müde, nicht
bloß mein Verstand.”
Aber sagst Du nicht doch, daß alles, was man
durch das Wort “Seele” ausdrücken kann, irgendwie auch
durch Worte für Körperliches sich ausdrücken
läßt?
Ich sage es nicht.
Aber wenn es auch so wäre, – was würde es
besagen?
Die Worte, so wie auch das, worauf wir bei ihrer Erklärung weisen, sind
ja nur die Instrumente, und nun kommt's auf ihren Gebrauch
an. |
1255.
Unsere Kenntnis vieler || verschiedener Sprachen
läßt uns die Philosophie, die in den Formen einer
jeden niedergelegt sind, nicht recht ernst nehmen.
Dabei sind wir aber blind dafür, daß wir
(selbst) starke Vorurteile für, wie gegen, gewisse Ausdrucksformen
haben; daß eben auch diese Übereinanderlagerung
mehrerer Sprachen für uns ein bestimmtes || besonderes Bild ergibt.
Daß ﹖– wir, sozusagen, nicht
beliebig die eine Form durch eine andere überdecken –﹖. |
1256.
Du mußt bedenken, daß es ein
Sprachspiel geben kann, ‘eine Reihe von Ziffern
fortsetzen’, in dem keine Regel, kein Regelausdruck je
gegeben wird, sondern das Lernen nur durch Beispiele
geschieht.
So daß die Idee eine
Rechtfertigung durch ein Bild, das uns zwingt, so vorzugehen,
diesen Leuten ganz fremd wäre. || So
daß die Idee, jeder Schritt sei durch ein Etwas
– eine Art Vorbild – in unserm Geiste zu rechtfertigen, diesen
Leuten gänzlich fremd wäre. |
1257.
Beispiel von den Namen, die nur in Begleitung ihrer Träger
Bedeutung haben, d.h. nur so
verwendet werden.
Sie dienen also nur zur Vermeidung des steten
Zeigens.
Das Beispiel, das mir immer wieder vorschwebt, ist die Bezeichnung von
Linien, Punkten, Winkeln, in geometrischen Figuren, mit A, B,
C, … a, b, … etc. |
1258.
Beim Lesen: Sehen des Wortbilds:
“Ich habe das Wort flüchtig gesehen” – das
ist ein besonderes Erlebnis, läßt sich nicht durch
einen Film darstellen. – 240 – |
1259.
Denk Dir eine Geisteskrankheit, in welcher man Namen nur in Anwesenheit
ihrer Träger gebrauchen und verstehen kann. |
1260.
Es könnte von Zeichen ein Gebrauch gemacht werden solcher Art,
daß die Zeichen nutzlos würden
(daß man sie vielleicht vernichtete),
sobald der Träger aufhörte zu existieren.
In diesem Sprachspiel müßte sozusagen der Name den Gegenstand an einer Schnur haben; und hört der Gegenstand auf zu existieren, so kann man den Namen, der mit ihm zusammen gearbeitet hat, wegwerfen. |
1261.
“Ich beabsichtige dorthin zu gehen”:
Beschreibung eines Seelenzustands, oder
Äußerungen??? –
Wenn man sich ein Modell der Seele vorstellt, so könnte der Satz eine
Beschreibung des Modells im gegenwärtigen Zustand sein.
Der Mensch schaut seine Seele an und sagt: ….
Ist es ein gutes, oder ein schlechtes Modell? –
Wie wäre das zu entscheiden?
Die Frage ist: Wie würde es als Zeichen
verwendet? |
1262.
“Ich beabsichtige … ” könnte man als
Aussage verwenden: “Ich tue etwas,
was dieser Absicht gemäß ist”
z.B.: ich packe für die Reise, bereite mich
so oder so, durch Überlegungen oder Handlungen, auf die Reise
vor.
So könnte man ein Verbum verwenden.
Etwa entsprechend dem Ausdruck “Ich handle in der
Absicht …” |
1263.
Beschreibung meiner Seelenzustände: des Wechsels von Furcht
und Hoffnung z.B. “Am Vormittag war
ich voller Hoffnung, dann ….”
Jeder würde das eine Beschreibung nennen.
Aber es ist charakteristisch dafür,
daß dieser Beschreibung parallel eine meines
Benehmens gehen könnte. |
1264.
Vergleiche den Ausdruck der Furcht und Hoffnung mit dem des
‘Glaubens’, das und das werde geschehen. –
Man nennt darum auch Hoffnung und Furcht
“Gemütsbewegungen”, den Glauben (oder das
Glauben) aber nicht. |
1265.
Wenn ich sage: “Die Absicht, es zu tun, wurde von
Stunde zu Stunde stärker” – dies wird man Beschreibung
nennen.
Aber dann doch auch dies: “Ich
beabsichtigte die ganze Zeit ….”
Vergleiche nun “Ich glaubte die ganze Zeit ans Gravitationsgesetz” mit “Ich glaubte die ganze Zeit, ein leises Flüstern zu hören”. Im ersten Fall ist “Glauben” ähnlich verwendet, wie “Wissen”. (‘Hätte man mich gefragt, so hätte ich gesagt …’). Im zweiten Fall haben wir eine Tätigkeit, ein Vermuten, Lauschen, Zweifeln, etc.. Und bezeichnet auch “glauben” nicht diese Tätigkeit, so ist es doch – 241
– sie, die uns sagen läßt,
wir beschrieben hier einen Seelenzustand oder eine
seelische Tätigkeit. –
Wir könnten das auch so sagen: Wir machen uns ein Bild des
Menschen, der die ganze Zeit glaubt, ein leises Geräusch zu
hören.
Aber nicht eines des Menschen, der an die Richtigkeit des
Gravitationsgesetzes glaubt. |
1266.
“Ich beabsichtige” (könnte
man sagen) heißt nicht: “Ich
bin dabei, zu beabsichtigen”, oder “Ich bin beim
Beabsichtigen” (wie man sagt, ich bin beim
Zeitunglesen).
Wohl aber: “Ich bin dabei, meine Reise zu
planen” etc..
Wir haben kein einzelnes Verbum, könnten es aber haben (und vielleicht existiert es wirklich in einer wenig bekannten Sprache), das ausdrückt: “handeln mit der Absicht, das und das zu tun” || “in der und der Absicht handeln und denken”. |
1267.
“Ich beabsichtige … ” ist nie eine
Beschreibung, aber unter gewissen Umständen läßt
sich eine Beschreibung daraus entnehmen. |
1268.
Zu sich selbst reden.
“Was geschieht da?”
Falsche Frage!
Nicht nur kann man nicht sagen, was geschieht – auch nicht:
man wisse nicht, was geschieht – auch nicht, man wisse nur das und
das darüber!
Aber auch das ist falsch zu sagen: es ist eben ein spezifischer
Vorgang, der sich mit || durch nichts
beschreiben läßt, als eben mit diesen Worten. –
Die Begriffe ‘Beschreibung’ und
‘Bericht’.
Man sagt: Einer berichtet, er habe zu sich selbst gesagt
….
Inwiefern ist das zu vergleichen dem ‘Bericht’, er
habe z.B. gesagt …?
Vergegenwärtigen wir uns, daß
Beschreiben ein sehr spezielles
Sprachspiel ist. –
Wir müssen diese harte Unterlage unserer Begriffe umgraben.
|
1269.
Begriffe können einen Unfug erleichtern, oder erschweren;
begünstigen, oder hemmen. |
1270.
Es ist ganz richtig: man kann sich nicht eine Erklärung von
‘rot’, oder ‘Farbe’
vorstellen.
Aber nicht, weil das Erlebte etwas Spezifisches ist, sondern weil das
Sprachspiel es ist. |
1271.
“Man kann einem Menschen nicht erklären, was Rot
ist.” –
Wenn man es nun dennoch könnte, – ist es dann nicht, was wir
“rot” nennen?
Denken wir uns Menschen, die eine Zwischenfarbe, von Rot und Gelb z.B., durch eine Art binären Dezimalbruch so ausdrücken: R,LLRL u. dergl., wo auf der rechten Seite z.B. Gelb steht, auf der linken Rot. – Diese Leute lernen schon im Kindergarten, Farbtöne in dieser Weise beschreiben, nach – 242
– solchen Beschreibungen Farben auszuwählen, zu
mischen, etc..
Sie verhielten sich zu uns ungefähr, wie Leute mit absolutem Gehör zu
Leuten, denen dies fehlt.
Sie können tun, was wir nicht können. |
1272.
Und hier möchte man sagen: “Ist das denn aber auch
vorstellbar?
Ja, das Benehmen wohl! aber auch der innere
Vorgang, das Farberlebnis?”
Und was man auf so eine Frage sagen soll, ist schwer zu sehen.
Hätten die, die kein absolutes Gehör haben, vermuten können, es
müsse || werde auch Leute mit
absolutem Gehör geben? || Wenn uns Leute mit
absolutem Gehör noch nicht begegnet wären, würde uns die Existenz solcher
Leute doch sehr wahrscheinlich vorkommen?
|
1273.
Wenn einer sagte “Rot ist zusammengesetzt” – so
könnten wir nicht erraten, worauf er damit anspielt, was er mit diesem
Satz wird anfangen wollen.
Sagt er aber: “Dieser Sessel ist
zusammengesetzt”, so mögen wir zwar nicht gleich wissen, von
welcher Zusammensetzung er spricht, können aber gleich an mehr als einen
Sinn für seine Aussage denken.
Was für eine Art von Faktum ist nun dies, worauf ich aufmerksam machte? Jedenfalls ist es ein wichtiges Faktum. – Uns ist keine Technik geläufig, auf die dieser Satz anspielen könnte. |
1274.
Wir beschreiben hier ein Sprachspiel, welches wir nicht lernen
können. |
1275.
“Dann muß etwas ganz anderes in ihm
vorgehen, etwas, was wir nicht kennen.” –
Das zeigt uns, wonach wir bestimmen, ob ‘im
andern’ etwas anderes als, oder dasselbe wie, in uns
stattfindet.
Das zeigt uns, wonach wir die inneren Vorgänge
beurteilen. |
1276.
“Rot ist nicht zusammengesetzt” – und was ist
Rot?! –
Da möchten wir einfach auf etwas Rotes zeigen; und wir vergessen,
daß, wenn jene Aussage einen Sinn haben soll, uns
mehr gegeben sein muß, als die hinweisende
Definition.
Wir verstehen noch gar nicht was der Sinn eines Satzes von der
Form “X ist nicht zusammengesetzt” ist, wenn für
X ein Wort gesetzt wird, welches den Gebrauch unserer Farbwörter
hat. |
1277.
Es ist Tatsache: “Rot” wird einem
nicht durch Worte ohne Bezug auf ein Farbmuster erklärt.
Sollte das nicht wichtig sein? |
1278.
“Wie könnte man Rot einem erklären wollen, da es doch ein
bestimmter Sinneseindruck ist, und nur der ihn kennt, der ihn hat
(oder gehabt hat) – und erklären nur
heißen kann: ihn im andern
erzeugen!” – – 243 – |
1279.
“Wer absolutes Gehör hat, muß ein anderes
Tonerlebnis haben, als ich.” –
Und jeder, der absolutes Gehör hat, das gleiche?
Und wenn das nicht, – warum muß es ein
anderes sein, als das meine? |
1280.
Denk Dir, um einem ‘Rot’ zu erklären, zeigen wir ihm
ein || etwas rötliches Schwarzbraun,
und sagen: “Diese Farbe besteht aus Gelb
(wir zeigen reines Gelb), Schwarz (wir zeigen es) und noch
einer Farbe, die “rot”
heißt.
Darauf sei er nun imstande, aus einer Anzahl von Farbmustern das reine
Rot auszuwählen. |
1281.
Und merke wohl: man zeigt nicht auf Rot, sondern auf etwas
Rotes.
D.h. natürlich: der Begriff
‘Rot’ ist durchs Zeigen nicht bestimmt, und es ist
nicht nur möglich “Rot” nun als Namen einer Form,
z.B. zu deuten, sondern
auch als Begriffswort, das einem Farbwort viel
näher steht. |
1282.
Die Verwendung eines Wortes ist nicht: etwas zu
bezeichnen. |
1283.
Kannst Du Dir vorstellen, was der rot-grün Blinde
sieht?
Kannst Du das Bild des Zimmers malen, wie er es sieht? |
1284.
“Wer alles nur grau, schwarz und weiß sähe,
dem müßte etwas gegeben werden, damit
er wüßte, was Rot, Grün, etc.
ist.”
Und was müßte ihm gegeben werden?
Nun, die Farben.
Also z.B. dies, und
dies, und dies.
(Denk Dir, z.B., daß
farbige Vorbilder in sein Gehirn eingeführt werden
müßten, zu den bloß grauen und
schwarzen.)
Aber müßte das geschehen als Mittel zum Zweck des
künftigen Handelns?
Oder schließt eben dies Handeln
diese Vorbilder ein?
Will ich sagen: “Es müßte
ihm etwas gegeben werden, denn es ist klar, er könnte sonst nicht
… ” – oder: Sein sehendes Benehmen
enthält neue Bestandteile?
Auch: was würden wir eine “Erklärung des Sehens” nennen? Soll man sagen: Nun, Du weißt doch sonst, was “Erklärung” heißt; verwende diesen Begriff also auch hier! |
1285.
Kann ich sagen: “Schau es an! so wirst Du
sehen, daß es sich nicht erklären
läßt.” –
Oder: “Trinke die Farbe Rot ein, so wirst Du sehen,
daß sie nicht durch etwas anderes darzustellen
ist!” ‒ ‒ ‒
Und wenn der andere nun mir beistimmt || zustimmt, zeigt es, daß
er dasselbe eingetrunken hat, wie ich? –
Und was bedeutet nun unsere Geneigtheit, dies zu sagen?
Rot erscheint uns isoliert dazustehen.
Warum?
Was ist dieser Schein, diese Geneigtheit wert?
– 244 – |
1286.
Denke an den Satz “Rot ist keine Mischfarbe” und an
seine Funktion.
Das Sprachspiel mit den Farben ist eben durch das charakterisiert, was wir tun können und was wir nicht tun können. |
1287.
Rot ist etwas Spezifisches; aber das sehen wir nicht, wenn wir etwas
Rotes anschauen.
Sondern (wir sehen) die Phänomene, die wir
durch das Sprachspiel mit dem Wort “rot”
abgrenzen. |
1288.
“Rot ist etwas Spezifisches”, das
müßte soviel heißen wie:
“Das ist etwas Spezifisches” –
wobei man auf etwas Rotes deutet.
Aber damit das verständlich wäre, mußte man schon
unsern Begriff ‘rot’, den Gebrauch jenes
Musters, meinen. |
1289.
Wenn Du Dich über diese Dinge wunderst, wundere Dich erst über etwas
anderes!
Nämlich darüber, was denn Beschreibung und Bericht überhaupt
leisten.
Konzentrierst Du darauf Dein Verwundern, so werden jene andern Probleme
verblassen || schrumpfen. |
1290.
Primäre Farben.
Wenn bei anderen Menschen Farben, die wir Mischfarben nennen, die Rolle
unserer primären Farben spielten, würden wir sagen, ihre
primären Farben seien z.B. dieses Orange, dieses
Blaurot, dieses Blaugrün, etc.?
Heißt also der Satz “Rot ist eine primäre
Farbe” soviel wie: Rot spielt bei uns die und die Rolle;
wir reagieren auf Rot, Gelb etc. so und
so? –
Man denkt meistens nicht so: d.h.,
“Rot ist eine reine Farbe” ist ein Satz über das
‘Wesen’ von Rot, die Zeit tritt in ihn nicht ein; man
kann sich nicht denken, daß diese Farbe
nicht einfach sein könnte. |
1291.
Der Farbenkreis: Die gleichen Abstände der primären Farben
sind willkürlich.
Ja, die Übergänge würden uns vielleicht einen gleichförmigeren Eindruck
machen, wenn, z.B., der Punkt des reinen Blau dem des
reinen Grün näher wäre, als dem des reinen Rot.
Es wäre sehr merkwürdig, wenn die Gleichheit der Abstände in der Natur
der Dinge läge. |
1292.
“Ein rötliches Grün gibt es nicht” ist den Sätzen
verwandt, die wir als Axiome in der Mathematik gebrauchen. |
1293.
Die Menschen zählen und rechnen: Beschreibe, was sie da
tun!
Sollen in dieser Beschreibung auch Sätze vorkommen, wie
der: “Er verstand nun, wie er die
Reihe fortzusetzen hatte” – oder: “Er
ist nun imstande, jede beliebige Multiplikation
aufzuführen”?
Und ist der Satz zuzulassen: “Er sah
nun im Geist die ganze Zahlenreihe vor sich”? – 245 –
Solche Sätze können in der Beschreibung vorkommen; aber
können wir nicht verlangen, daß ihr Gebrauch uns
erklärt werde; damit uns keine falschen, oder
irrelevanten Vorstellungen
unterlaufen?
Es ist hier die Frage, für wen wir die Beschreibung geben. Von wem sagen wir, er sei imstande, beliebige Multiplikationen auszuführen? Wie kommt man überhaupt zu diesem || dem Begriff? Und für wen, unter welchen Umständen, wird diese Beschreibung wichtig sein? |
1294.
‘Rot ein degeneriertes grün.’
Wenn man ein Blatt von grün ins rote || Rote spielen sieht, sagt man, das Grün sei kränklich und im Roten
ganz degeneriert.
Man schneidet etwa, wenn man die rote Farbe sieht, immer ein
Gesicht.
Konnte man nun nicht Rot erklären als die äußerste Degeneration von grün? |
1295.
Man kann niemandem erklären, was Rot ist!”
–
Wie kommt man überhaupt auf die Idee; bei welchem
Anlaß sagt man das? |
1296.
“Farben sind etwas Spezifisches.
Durch nichts anderes zu erklären.”
Wie gebraucht man dieses Instrument? –
Beschreibe das Spiel mit Farben!
Das Benennen von Farben, das Vergleichen von Farben, das Erzeugen von
Farben, den Zusammenhang zwischen Farbe und Licht und Beleuchtung, den
Zusammenhang der Farbe mit dem Auge, der Töne mit dem Ohr, und unzähliges
andere.
Wird sich hier nicht das ‘Spezifische’ der Farbe
zeigen?
Wie zeigt man einem eine Farbe; und wie einen Ton? |
1297.
Wenn wir in Gedanken zu uns selber reden:
“Es geschieht etwas; das ist sicher.”
Aber der Nutzen dieser Worte ist uns in Wirklichkeit
ebenso unklar, wie der besondern || speziellen psychologischen Sätze, die wir
erklären wollen. |
1298.
Statt des Unzerlegbaren, Spezifischen, Undefinierbaren: die
Tatsache, daß wir so und so handeln,
z.B., gewisse Handlungen strafen, den
Tatbestand so und so feststellen, Befehle geben, Berichte
erstatten, Farben beschreiben, uns für die Gefühle der andern
interessieren.
Das hinzunehmende,
gegebene || Hinzunehmende, Gegebene – könnte man sagen
– seien Tatsachen des Lebens. || seien
Lebensformen. |
1299.
Wir beurteilen das Motiv einer Tat nach dem, was
der Mensch, der sie verübt hat, uns sagt, nach dem Bericht von
Augenzeugen, nach der Vorgeschichte.
So beurteilen wir die Motive eines Menschen.
Aber das scheint uns nicht auffallend, || Aber
das fällt uns nicht sehr auf, daß
– 246 – es so etwas wie die
‘Beurteilung der Motive’ gibt.
Daß dies ein ganz eigentümliches Sprachspiel ist –
daß der Tisch und der Stein keine Motive
haben.
Daß es zwar auch die Frage gibt: “Ist das eine
zuverlässige Art, die Motive eines Menschen zu
beurteilen?” – aber uns schon bekannt sein
muß, was denn überhaupt die “Beurteilung
von Motiven” heißt.
Es muß schon eine Technik geben, an die wir hier
denken, damit wir von einer Abänderung dieser Technik reden
können, die wir als zuverlässigere Beurteilung eines Motivs
bezeichnen. |
1300.
Man beurteilt die Länge eines Stabes, und man kann eine Methode suchen
und finden, um sie genauer, richtiger, zu beurteilen.
Also – sagst Du – ist, was wir hier beurteilen
von der Methode des Beurteilens unabhängig, man kann, was Länge
ist, nicht mit Hilfe der Methode der
Längenbestimmung erklären.
Aber wer so denkt, macht einen Fehler.
Was für einen Fehler? –
Wie seltsam wäre es, zu sagen: “Die Höhe des
Himalaya hängt davon ab, wie man ihn
ersteigt.”
“Die Länge immer genauer messen”, das möchte man
damit vergleichen, näher und näher an ein Objekt heran zu kommen || heranzukommen.
Aber es ist eben nicht in allen Fällen klar, was es
heiße “näher und näher an die Länge des
Stabes heranzukommen”.
Und man kann nicht sagen: “Du
weißt doch, was die Länge eines Stabes ist; und Du
weißt, was ‘sie bestimmen’
heißt; darum weißt
Du, was es heißt ‘die Länge immer genauer
bestimmen’.”
Was es heißt, eine genauere Bestimmung der Länge des Stabes zu suchen, ist unter gewissen Umständen klar, und unter gewissen Umständen nicht klar und bedarf einer neuen Bestimmung. Was “die Länge bestimmen” heißt, lernt man nicht dadurch, daß man lernt was die Länge ist und was bestimmen ist; sondern die Bedeutung des Wortes Länge lernt man u.a. dadurch, daß man lernt, was Längenbestimmung ist. ‘Die Längenbestimmung verfeinern’ ist eine neue Technik, die unseren Längenbegriff modifiziert. |
1301.
Wenn man einfache Sprachspiele beschreibt zur Illustration, sagen wir,
dessen was wir das ‘Motiv’ einer Handlung nennen, dann
werden einem immer wieder verwickeltere Fälle vorgehalten, um zu zeigen,
daß unsere Theorie den Tatsachen noch nicht
entspricht.
Während verwickeltere Fälle eben verwickeltere Fälle sind.
Handelte es sich nämlich um eine Theorie, so könnte man allerdings
sagen: Es nützt nichts diese speziellen Fälle zu betrachten,
sie geben keine Erklärung gerade der wichtigsten Fälle.
Die einfachen – 247
– Sprachspiele dagegen spielen eine ganz
andere Rolle.
Sie sind Pole einer Beschreibung, nicht der Grundstock einer
Theorie. |
1302.
“Wie kommt es, daß es uns || mir scheint, daß dieser
Farbeindruck, den ich jetzt habe, von mir als das Spezifische,
Unzerlegbare erkannt wird?” –
Frage stattdessen, wie es kommt, daß wir dies sagen
wollen.
Und die Antwort darauf ist nicht schwer zu
finden.
Und es ist ja auch eine seltsame Frage: warum es uns so
‘scheine’, als ….
Denn schon in diesem Ausdruck liegt ein
Mißverständnis. |
1303.
Denke, Du solltest beschreiben, wie Menschen das Zählen (im
Dezimalsystem
z.B.) lernen.
Du beschreibst, was der Lehrer sagt und tut, und wie der Schüler
darauf reagiert || und wie der Schüler sich daraufhin
verhält.
In dem, was der Lehrer sagt und tut, werden sich
z.B. Worte und Gebärden finden, die den Schüler zum
Fortsetzen einer Reihe aufmuntern sollen; auch Worte wie
“Er kann jetzt zählen”.
Soll nun die Beschreibung, die ich von dem Vorgang des Lehrens und
Lernens gebe, außer den Worten des Lehrers auch
mein eigenes Urteil enthalten: der Schüler könne jetzt zählen,
oder: der Schüler habe nun das System der Zahlworte
verstanden?
Wenn ich so ein Urteil nicht in die Beschreibung aufnehme, – ist
sie dann unvollständig? und wenn ich es aufnehme, gehe ich über
die bloße Beschreibung hinaus? –
Kann ich mich jener Urteile enthalten mit der Begründung:
“Das ist alles was
geschieht!” |
1304.
Muß ich nicht viel mehr || vielmehr fragen: “Was
tut die Beschreibung überhaupt? wozu dient sie?”
–
Was eine vollständige und eine unvollständige Beschreibung ist, wissen
wir allerdings in anderem Zusammenhang.
Frage Dich: Wie verwendet man die Ausdrücke
“vollständige” und “unvollständige
Beschreibung”?
Eine Rede vollständig (oder unvollständig) wiedergeben. Gehört dazu auch die Wiedergabe des Tonfalls, des Minenspiels, der Echtheit oder Unechtheit der Gefühle, der Absichten des Redners, der Anstrengung des Redens? Ob das oder jenes für uns zur vollständigen Beschreibung gehört, wird vom Zweck der Beschreibung abhängen, davon, was der Empfänger mit der Beschreibung anfängt. |
1305.
Der Ausdruck “Das ist alles, was
geschieht” grenzt ab, was wir
“geschehen” nennen. |
1306.
Mein Urteil “Der Schüler kann jetzt
zählen” gebe ich zu gewissen – 248
– Zwecken ab.
Man gibt ihm daraufhin etwa eine Anstellung.
Sagst Du “So ist also dies Urteil kein Teil der
Beschreibung des Lernens, sondern eine Vorhersage” – so
antworte ich: “Du kannst es so oder so
auffassen”. || Sagst Du
“So gehört also dies Urteil nicht zur Beschreibung des
Lernens, sondern ist eine Vorhersage” – so
….
Du kannst sagen, Du beschriebest den Zustand des Schülers. – |
1307.
Denk Dir Rot als den Gipfel aller Farben angesehen.
Die besondere Rolle des Dreiklangs in unserer Musik.
Unser Unverständnis für die alten Kirchentonarten. |
1308.
Unter welchen Umständen würde man sagen, diese Menschen fassen alle
Farben als Grade einer Eigenschaft auf? |
1309.
Kannst Du Dir denken, daß wir Blau und Rot immer als
die beiden äußersten Pole einer Veränderung von
Violett ansähen?
Man könnte dann Rot ein ganz hohes Violett und Blau ein
ganz tiefes Violett nennen. |
1310.
Oder denk Dir eine Welt, in welcher Farben beinahe immer in
regenbogenartigen Übergängen vorkämen.
So daß || sodaß man etwas || etwa eine grüne Fläche, wenn sie ausnahmsweise einmal vorkommt
als Modifikation eines Regenbogens
auffaßt || ansieht. |
1311.
Kann ich denn aber nun sagen, daß wenn
dies die Tatsachen wären, die Menschen diese Begriffe
hätten?
Doch gewiß nicht.
Wohl aber dies: Denke nicht, daß
unsere Begriffe die einzig möglichen, oder vernünftigen
sind; wenn Du Dir ganz andere Tatsachen, als die, die uns ständig
umgeben, vorstellst, so werden Dir andere Begriffe als die unsern
natürlich erscheinen. |
1312.
Glaub doch nicht, daß Du den Begriff der Farbe in
Dir hältst, weil Du auf ein färbiges || farbiges Objekt schaust, wie immer Du
schaust.
(So wenig, wie Du den Begriff der negativen Zahl besitzt || besitzt, dadurch, daß Du Schulden hast.) |
1313.
Angenommen, wir kennten ein Volk, welches eine gänzlich andere Form der
Farbaussagen hätte, als die unsere: wir nehmen dann meistens an,
daß es ein Leichtes ist, diese Leute unsere
Ausdrucksform || Ausdrucksweise zu
lehren.
Und daß, wenn sie beide Ausdrucksformen beherrschen,
sie deren Unterschied als unwesentlich anerkennen
werden.
(Das Geschlecht unserer Hauptworte).
Ist das so?
Muß es so sein?
Denken wir uns, Leute hätten für zwei Abschattungen von Blau zwei – 249 – verschiedene
einfache Namen, und für sie wären die Farben sehr
verschieden, die es für uns nicht sind.
Wie würde sich das äußern?
Und denken wir uns auch das Umgekehrte: daß
für ein Volk Rot und Blau nur ‘dem Grade nach’
verschieden wären, nicht ‘gänzlich verschiedene
Farben’.
Und was wären hierfür die Kriterien?
Wir sagen, in der Tonleiter kehre nach je 7 Tönen der gleiche Ton wieder. Was heißt es: “Wir empfinden ihn als den gleichen”? Ist, daß wir ihn den gleichen nennen, nur ein sprachlicher Zufall? |
1314.
Den Schwachsinnigen stellt man sich unter dem Bild des Degenerierten,
wesentlich Unvollständigen, gleichsam
Zerlumpten vor.
Also unter dem der Unordnung, statt des der primitiveren
Ordnung (welches eine weit produktivere Anschauungsart
wäre). |
1315.
Zählen, Rechnen, etc., in einem abgeschlossenen System, so
wie eine Melodie abgeschlossen ist.
Die Leute zählen etwa mit Hilfe der Töne einer besonderen
Melodie; am Ende der Melodie kommt die Zahlenreihe zu einem
Ende. –
Soll ich sagen: Es gibt natürlich noch weitere Zahlen, nur
erkennen diese Leute sie nicht?
Oder soll ich sagen: Es gibt noch ein anderes Zählen –
das, was wir tun – und das kennen (tun) jene
Leute nicht. |
1316.
Der Begriff des Erlebnisses: Ähnlich dem des Geschehens, des
Vorgangs, des Zustands, des Etwas, der Tatsache, der Beschreibung und des
Berichts.
Hier meinen wir, stehen wir auf dem harten Urgrund, und tiefer als
alle || der tiefer liegt als
alle speziellen Methoden und Sprachspiele.
Aber diese höchst allgemeinen Wörter haben eben auch eine höchst
verschwommene Bedeutung.
Sie beziehen sich in der Tat auf eine Unmenge spezieller
Fälle, aber das macht sie nicht härter sondern es macht sie
eher flüchtiger. |
1317.
Das Rechnen im Kopf || Kopfrechnen ist vielleicht der einzige
Fall, in welchem von der Vorstellung ein
regelmäßiger Gebrauch im Alltagsleben gemacht
wird.
Darum hat es besonderes Interesse.
“Aber ich weiß, daß etwas in mir vorgegangen ist!” Und was? War es nicht, daß Du im Kopf gerechnet hast? – So ist also das Kopfrechnen doch etwas Spezifisches! Überlege Dir erst: Wie gebraucht man überhaupt die Beschreibung “Er rechnet im Kopf”, “Ich rechne im Kopf”. Die Schwierigkeit, auf die man stößt ist eine Vagheit in den Kriterien für das Stattfinden des geistigen Vorgangs. Ließe sich die beseitigen? – 250 – there are 2 pages
250. |
1318.
Kann man sich das Kopfrechnen vorstellen? |
1319.
Man kann wahrnehmbar rechnen und im Kopf rechnen:
Könnte man im Kopf auch etwas tun, was man wahrnehmbar
nicht tun kann, wofür es kein wahrnehmbares Äquivalent
gibt?
Wie wäre es, wenn Leute für das Kopfrechnen eine Bezeichnung hätten, die es nicht unter die Tätigkeiten einreihte und schon erst recht nicht unter die des Rechnens? Sie bezeichnen es etwa als ein Können. Ich nehme an, sie gebrauchen radikal von dem unsern verschiedene Bilder. |
1320.
Wenn aber nun einer sagte: “So ist alles, was
geschieht, doch, daß er so und so
reagiert, sich benimmt” – so ist hier wieder
ein grobes Mißverständnis.
Denn hat also der, welcher erzählte “Ich habe die
Multiplikation ohne zu schreiben, etc., in irgend einem Sinn gerechnet” –
hat dieser Unsinn geredet, oder etwas Falsches
berichtet?
Es ist eine andere Sprachverwendung, als die der Beschreibung
eines Benehmens.
Aber man könnte allerdings fragen: Worin besteht die
Wichtigkeit dieser neuen Sprachverwendung?
Worin besteht z.B. die, der
Äußerung der Intention? – |
1321.
“Wie, wenn einer Vorstellungsbilder hätte von der Intensität,
Deutlichkeit, von Nachbildern z.B.; wären das
Vorstellungen, oder wären es Halluzinationen, – auch wenn
er sich der Unwirklichkeit des Gesehenen voll
bewußt ist?”
Vor allem: Wie weiß ich,
daß er Bilder von dieser Deutlichkeit
sieht?
Er sagt es etwa.
Ein Unterschied wäre der, daß seine Bilder von
ihm ‘unabhängig’ sind.
Was heißt das? –
Er könnte sie nicht durch Gedanken verscheuchen.
Stelle ich mir z.B. den Tod meines Freundes vor,
so kann man mir sagen “Denk nicht daran, denk an etwas
anderes”; aber das würde man mir nicht sagen, wenn ich das
Ereignis z.B. im Film vor mir sähe.
Und so würde ich dem, der mir in dem angenommenen Fall sagte, denk
nicht daran, antworten: “Ich mag daran denken oder
nicht, – ich sehe es.” |
1322.
Nimm den Gebrauch des englischen “this”,
“that”, “these”,
“those”, “will”,
“shall”: Regeln für den
Gebrauch dieser Wörter zu geben, wäre schwer.
Es ist aber möglich ihn zu verstehen,
so daß Du
dann geneigt wärst, zu sagen: “Wenn man einmal das
richtige Gefühl für den Sinn dieser
Wörter hat. da kann man sie auch
anwenden.”
Man könnte also auch diesen Wörtern eine eigentümliche Bedeutung in der
englischen Sprache zuschreiben. – 250
–
Wir sehen in dem Gebrauch des Wortes eine
Physiognomie. || Ihr
Gebrauch wird sozusagen als eine Physiognomie
gesehen || empfunden. |
1323.
Kopfrechnen auf Befehl.
Laß Dich durch die Kombination
bekannter Wörter nicht hindern || verhindern, das Sprachspiel von Grund auf
zu untersuchen.
Bedenke, daß man einem das Kopfrechnen lehrt, indem man ihm befiehlt zu rechnen! Aber müßte das sein? Könnte es nicht sein, daß ich ihm, um ihn zum Kopfrechnen zu bringen, nicht sagen dürfte “Rechne!”, sondern vielleicht: “Tu etwas anderes, aber finde das Resultat”. Oder: “Schließ den Mund und die Augen und rühr Dich nicht, und Du wirst die Antwort lernen.” Ich will doch sagen, daß man das Kopfrechnen nicht aus dem Gesichtspunkt des Rechnens betrachten muß, obwohl es wesentlich mit dem Rechnen zusammenhängt. Ja auch nicht unter dem Gesichtspunkt des ‘Tuns’. Denn Tun ist etwa || etwas, was man einem vormacht. |
1324.
Ich will sagen: Es ist nicht notwendig, Reaktionen, die von
den unsern verschieden sind, und daher vielleicht anderen
Begriffsbildungen günstig sind, als Folgen,
oder
unserer Äußerungen,
ihrer Natur nach verschiedener (innerer) Vorgänge zu
deuten.
Es ist nicht notwendig, zu sagen: Hier handelt es sich um verschiedene innere Vorgänge. |
1325.
Wir haben einerseits seine Fähigkeit, ohne wahrnehmbares Rechnen Stufen
der Rechnung mitzuteilen – anderseits die
Äußerungen, die er zu machen geneigt ist; wie
etwa die: “Ich habe in
meinem Inneren || Innern
gerechnet”.
Die Erscheinungen der ersten Art könnten uns zu einer
bildhaften Beschreibung bringen”.
“Es ist, als rechnete er irgendwie und irgendwo, und teilte
uns Stufen dieser Rechnung mit”.
Das, was er zu sagen geneigt ist, können wir als
Ausdrucksweise unserer Sprache annehmen, oder auch
nicht.
Wir könnten ihm z.B. sagen: “Du
rechnest doch nicht ‘in Deinem Innern’!
Du rechnest uneigentlich.”
Und nun sagt er in Zukunft dies. |
1326.
“Aber ich weiß doch,
daß ich wirklich rechne – wenn
auch nicht für den andern
¤wahrnehmbar!”
Dies könnte man als typische Äußerung eines
geistig zurückgebliebenen || Zurückgebliebenen auffassen. – 251 – |
1327.
Aber wenn wir so mit dem innern Vorgang aufräumen, – bleibt nun
nur noch der äußere? –
Es bleibt nicht das Sprachspiel der Beschreibung des
äußern Vorgangs allein, sondern auch
das, welches von der || seiner
Äußerung ausgeht.
Wie immer auch unsere Ausdrucksweise lautet; wie immer
z.B. sie die Beziehung zum
‘äußern’ Rechnen macht.
|
1328.
Wenn Dir plötzlich ein Thema, eine Wendung, etwas sagt, so brauchst Du
Dir's nicht erklären zu können.
Es ist Dir plötzlich auch diese Geste zugänglich.
|
1329.
Vergleich von körperlichen Vorgängen in || und Zuständen, wie Verdauung, Atmung,
etc., mit geistigen, wie Denken, Fühlen, Wollen
etc..
Was ich betonen will, ist gerade die Unvergleichbarkeit.
Eher, möchte ich sagen, wären die vergleichbaren Körperzustände:
Geschwindigkeit der Atmung,
Unregelmäßigkeit des Herzschlags,
Zuverlässigkeit der Verdauung, und dergleichen.
Und freilich könnte man sagen, daß diese alle das
Verhalten des Körpers charakterisieren. |
1330.
Denk Dir einen Stamm von Leuten, die nicht sagen “er hat
Schmerzen”, “wir haben Schmerzen”, “in
ihm geht das Gleiche vor wie in mir”,
“diese Leute haben das gleiche seelische
Erlebnis” etc.; sondern man redet wohl von einer
Seele und von Vorgängen in der Seele, sagt aber, man wisse absolut nichts
darüber, ob zwei Leute, von denen wir etwa sagen, sie
hätten Schmerzen, wirklich dasselbe haben, oder etwas ganz anderes; und
man sagt daher bei ihnen, die Menschen haben etwas Unbekanntes und nun
folgt in ihrer Ausdrucksweise eine Bestimmung, die unserem “sie
haben Schmerzen” gleichkommt.
Diese Leute werden dann auch nicht sagen: “Wenn ich
glaube, jemand habe Schmerzen, so glaube ich, es gehe in ihm etwas
bestimmtes vor”, und dergleichen.
Muß man es aber überhaupt so ansehen, daß das Schmerzsignal und die Beschreibung des Schmerzbenehmens eine begriffliche Einheit geben || bilden? Ich will fragen: “Wo liegt hier das Begriffliche und wo das Phänomenale?” Muß die Sprache eine Schmerzäußerung enthalten? Denken wir uns Leute mit einer Fingersprache. Oder Leute, die nur schreiben, nicht sprechen. Müßten die den Begriff ‘Schmerz’ besitzen? |
1331.
Ist es aber leichter, sich vorzustellen, daß Leute
unsern Begriff des Schmerzes nicht haben, als dies,
daß sie den Begriff des physikalischen Körpers
nicht haben? – 252 – |
1332.
Es ist eine wichtige Tatsache, daß wir annehmen, es
sei immer möglich, Menschen, die eine andere Sprache als die unsere
besitzen, unsere zu lehren.
Darum sagen wir, ihre Begriffe seien die gleichen, wie unsere.
|
1333.
“Du beginnst einen Satz, an dessen letztem Ende das Verbum steht;
Du wirst mir doch nicht sagen, daß
Du den Satz zu sprechen anfingst, ohne eine Ahnung davon, was das Verbum
sein werde!” –
Und worin besteht die Ahnung?
Und wenn nun einer wirklich keine Ahnung davon hätte und doch
fließend Deutsch spräche!
Wie wird man erfahren, ob er diese Ahnung hatte? |
1334.
Inwiefern untersuchen wir den Gebrauch von Wörtern? –
Beurteilen wir ihn nicht auch?
Sagen wir nicht auch, dieser Zug sei wesentlich, jener
unwesentlich? |
1335.
Man kann das Messen mit dem Meterstab beschreiben; wie kann man es
begründen?
Ist der Begriff ‘Schmerz’ ein Instrument, das der Mensch gemacht hat; und wozu dient es? |
1336.
Ja – wie kann man einem befehlen, die und die Worte so
zu meinen?
Es sei denn, daß man ihm befiehlt, sie so zu
verwenden. – |
1337.
Denke, Du müßtest eine Entscheidung treffen und
zwar, indem Du auf einen von einer Anzahl von Knöpfen drückst.
Die Entscheidung, die Du damit triffst, ist durch ein Wort
gekennzeichnet, das auf dem Knopf steht.
Es ist dann natürlich gänzlich gleichgültig, was Du beim Anblick dieses
Worts erlebst.
Ist das Wort z.B. “weiche”, so
kannst Du es als Adjektiv, Substantiv, oder Verbum meinen, die
Entscheidung wird dadurch nicht geändert.
Und ebenso, wenn Du das Wort als Entscheidung
aussprichst.
Es teilt doch jedenfalls dem Andern dasselbe mit, der auf die
Entscheidung wartet. |
1338.
Wie ist es aber, wenn die Entscheidung zweier Deutungen fähig ist, und
der sie hört, gibt ihr
nun || nur
eine von ihnen?
Er kann das entweder durch sein Handeln tun, oder, sozusagen, in
Gedanken.
Wäre aber auf die Entscheidung nicht gleich zu handeln, so könnte er
sie auch hören und vorläufig gar nicht deuten.
Anderseits aber könnte er auf eine Frage || Frage mit einer Deutung antworten.
Dies wäre eine vorläufige Reaktion. |
1339.
Es ist eben möglich, die Worte einer bestimmten Situation
gemäß und also in der und der Bedeutung
auszusprechen, und dabei doch eine andere – 253
– Bedeutung zu denken.
Sodaß die Worte für mich also, dem andern
unbewußt, eine eigene Bedeutung haben. |
1340.
Gefragt, werde ich vielleicht diese Bedeutung
erklären, und die Erklärung hatte mir doch nicht vorgeschwebt.
Was hatte also mein Geisteszustand, als ich das doppelsinnige Wort
aussprach, mit den Worten der Erklärung zu tun?
Inwiefern können diese Worte ihm entsprechen?
Es gibt hier offenbar nicht ein Passen der Erklärung zur
Erscheinung. |
1341.
Man kann auch einen Ausdruck, während man ihn ausspricht, auf eine
Weise meinen und gleich darauf retrospektiv auf eine andere. |
1342.
Es ist uns, als gehörten zu dem Wort in seinen zwei Bedeutungen
verschiedene Illustrationen; und man könne dem Wort nun wohl eine aus den
beiden zusammengesetzte Illustration geben, dann sei es
aber eben nicht eine der beiden dem Worte gemäßen,
oder gewohnten.
Das heißt aber natürlich nicht, daß immer, wenn man von dem Wort Verwendung macht, eine der beiden Illustrationen anwesend sein muß, sondern nur, daß, wenn wir das Wort illustrieren, eine der beiden und nicht beide Bilder zu ihm gehören. |
1343.
‘Hättest Du mich gefragt, so hätte ich Dir die
Antwort gegeben.’
Das bezeichnet einen Zustand; aber nicht eine
‘Begleitung’ meiner Worte. |
1344.
Denke Dir, Leute hätten die Gewohnheit, während des Sprechens zu
kritzeln; warum sollte, was sie auf diese Weise während des Redens
hervorbringen, weniger interessant sein, als begleitende Vorgänge in
ihrem Geist, und warum soll das Interesse an diesen von
anderer Art sein?
Warum scheint einer dieser Vorgänge den Worten das ihnen eigene Leben zu geben? |
1345.
Je nachdem er das Wort so oder so gemeint hat,
hat er die eine, oder andere Absicht ausgesprochen.
Die eine oder andere Absicht gehabt.
Und mehr kann man doch über die Wichtigkeit dieses Meinens nicht
sagen.
Und da scheint es wieder, daß es weniger wichtig ist, was beim Aussprechen des einzelnen Worts (“Bank” z.B.), als was beim, und vor dem, ganzen Satz vor sich gegangen ist. Gleichsam, wie das Gemüt den ganzen Satz illustriert hat, nicht notwendigerweise das eine Wort. Und doch, so müssen wir uns gleich gestehen, muß auch die Illustration nicht wichtig sein. Warum soll denn soviel || so viel auf sie ankommen? Und wie kann sie dem Satz ein bestimmtes Leben geben, wenn – 254 – die Sprache es ihm
nicht gibt?
Warum || Wie soll sie
eindeutiger sein, als die Wortsprache? |
1346.
Nun, das ist das Entscheidende, daß ich nicht nur
nach dem Zusammenhang die Bedeutung beurteilen kann, sondern
daß man nach ihr fragen kann und der
Antwortende die Bedeutung nicht aus dem Zusammenhang entnimmt. || nach dem Zusammenhang feststellt.
|
1347.
Ist es denn eine Selbstverständlichkeit, daß, wer
die Sprache gebrauchen kann, imstande ist die
Wörter, die er versteht, deren Verwendung er versteht, zu
erklären?
Wir würden freilich sehr erstaunt sein, wenn jemand zwar das Wort
“Bank” versteht, aber auf die Frage “Was
ist eine Bank” uns nicht antworten könnte.
Ist es nicht eines, den Satz zu verstehen “Gehen wir ein bißchen an || in die Sonne” – und ein anderes, das Wort “Sonne” erklären zu können? – Aber muß der, der diesen Satz versteht, nicht wissen, wie die Sonne ausschaut? So wie er, welcher den Satz “Ich habe keine Schmerzen” versteht, z.B. wissen muß, wie man sich Schmerzen zufügen kann, und wie sich einer, der Schmerzen hat, benimmt, etc..– |
1348.
Ferner: wenn es möglich ist, dem doppeldeutigen Wort
durch öfteres Wiederholen
jede ‘Bedeutung’ zu nehmen, warum sollten
nicht manche Menschen, die es ohne Zusammenhang aussprechen, dies für
gewöhnlich ohne ein Gefühl einer Bedeutung tun?
Oder warum sollten die Menschen so ein Wort nicht mit einer Art
zitternder Bedeutung aussprechen, wo kein Zusammenhang sie
festhält || hält? |
1349.
“Was tust Du aber, wenn Du dem Befehl folgst ‘Sag
… und meine damit …’?” –
Du tust nicht etwas anderes.
Aber auch nicht: etwas Spezifisches. |
1350.
Jedenfalls ist das kein Sprachspiel, das man sehr viel lernt: ein
Wort, isoliert, in der und der Bedeutung aussprechen.
Die Grundlage ist offenbar, daß einer sagt, er
kann das Wort … aussprechen und dabei eine oder die andere seiner
Bedeutungen meinen.
Das geht leicht, wenn das Wort zwei Bedeutungen hat; aber kannst Du
auch das Wort “Apfel” aussprechen und Tisch damit
meinen?
– Ich könnte doch eine Geheimsprache benützen, in der es diese
Bedeutung hat. |
1351.
“Gib ihm diesen Befehl und mein' damit
…!”
“Sag ihm das und mein' damit
…!”
Das wäre ein merkwürdiger Befehl, den man für gewöhnlich nicht
– 255 – gibt.
Oder ich sage einem “Richte diese Botschaft aus”
– und frage ihn nachher “Hast Du sie auch so und so
gemeint?”. |
1352.
Aber ist dann die Vergangenheitsform der Frage
gerechtfertigt?
Doch; denn ich setze eine Änderung der Gesinnung einem Gleichbleiben
entgegen.
Ich will wirklich nicht nur wissen, was er jetzt meint, sondern auch,
was er gemeint hat. –
Man könnte etwa fragen “Was meinst Du? und hast Du
Deine Gesinnung geändert?”
Wenn auf diese Frage Nein zur Antwort kommt, dann hat er, was die
Erklärung angibt, auch früher gemeint.
Ich will sagen: Die Kriterien für das Geschehene in der Vergangenheit sind hier andere, als etwa für das Auftauchen eines Bildes. |
1353.
Wie soll ich also dieses psychologische Phänomen beschreiben?
Daß man ein Wort auf Befehl so und so meinen
kann? daß man sich einbildet, es so oder so
zu meinen?
Soll ich sagen, daß das Wort
“meinen” hier in einem anderen Sinne gebraucht wird;
daß man eigentlich ein anderes Wort gebrauchen
sollte?
Soll ich so ein Wort in Vorschlag bringen? –
Oder ist das gerade das || unser
Phänomen, daß wir hier das Wort
“meinen” gebrauchen, welches wir für einen anderen
Zweck gelernt haben? |
1354.
Ist es ein sehr primitives Sprachspiel, in dem man sagt:
“Bei diesem Wort ist mir …
eingefallen”? |
1355.
Statt “Ich habe das mit dem Wort
gemeint” könnte man auch sagen “Das Wort stand
für …”.
Und wie konnte denn das Wort, als ich es aussprach, für dies, und nicht
für jenes, stehen?
Und doch hat es gerade diesen Anschein.
Ist also das gleichsam eine optische Täuschung? (So, als spiegelte das Wort den Gegenstand, den die Erklärung ihm zuordnet.) Und wenn das eine optische Täuschung ist, was verlieren Leute, die diese Täuschung nicht kennen? Sie sollten sehr wenig verlieren. |
1356.
Das besondere Erlebnis der Bedeutung ist charakterisiert dadurch,
daß wir mit einer Erklärung und der
Vergangenheitsform reagieren: gerade so, als erklärten wir die
Bedeutung eines Worts für praktische Zwecke. |
1357.
Die Intention mag sich ändern und zugleich auch ein Erlebnisinhalt,
aber die Intention war kein Erlebnis. |
1358.
Einer der Grundsätze des Beobachtens müßte doch
sein, daß ich das Phänomen, das ich beobachte,
durch meine Beobachtung nicht störe.
D.h., meine Beobachtung muß
brauchbar sein, anzuwenden auf die
Fälle, in denen nicht beobachtet wird. || wurde – 256 – |
1359.
Also entspricht diesem Aufzucken “Jetzt
weiß ich's!” kein
besonderes Erlebnis?
Nein. –
Denk Dir den, der immer auffährt “Jetzt hab
ich's!”, wenn er nichts hatte; – was
sollen wir von ihm sagen?
Welches Erlebnis hatte er?
Nicht der besondere ‘Erlebnisinhalt’ beim Aufzucken gibt
ihm sein besonderes Interesse, und wenn einer sagt, er habe in diesem
Augenblick alles verstanden, so ist das nicht die Beschreibung
eines Erlebnisinhalts. –
Aber warum nicht?
w /
– Ich will unterscheiden zwischen einer Aussage,
die “Ich habe die Formel in diesem
Augenblick vor mir gesehen” und einer, wie “Ich habe
die Formel in diesem Augenblick die Methode
erfaßt”.
Aber nicht, als wollte ich sagen – “weil man eine Methode
nicht in einem Augenblick erfassen kann”.
Man kann es wohl, es geschieht sehr oft. –
Ich will sagen: “‘Jetzt verstehe
ich's’ ist ein Signal, nicht eine
Beschreibung”.
Und was ist damit getan, daß ich
dies sage?
Nun, die Aufmerksamkeit wird damit auf den Ursprung so eines Signals
gerichtet; die Frage “Wie lernt einer die Worte
‘Jetzt verstehe ich's’ und wie,
z.B., die der Beschreibung einer
Vorstellung?” tritt in den Vordergrund || tritt hervor.
Denn das Wort “Signal” weist auf einen Vorgang hin,
der signalisiert wird. |
1360.
Es ist freilich die Unbestreitbarkeit, die das Bild begünstigt:
es wäre hier etwas beschrieben, was nur wir sehen und nicht der andere
sieht, was also uns nahe und immer zugänglich, für den andern aber
verborgen ist, also etwas, was in uns selbst liegt und wir
durch Schauen in uns selbst gewahr werden.
Und die Psychologie ist nun die Lehre von diesem Innern.
|
1361.
Wenn ich also sagen will, daß
unsere ‘Äußerungen’, mit denen es
die Psychologie zu tun hat, durchaus nicht alle Beschreibungen von
Erlebnisinhalten seien, so muß ich sagen,
daß, was man Beschreibungen von Erlebnisinhalten
nennt, nur eine kleine Gruppe jener ‘unbestreitbaren’
Äußerungen sind.
Aber durch welche grammatische Züge ist diese Gruppe
charakterisiert? |
1362.
Ein Erlebnisinhalt, das ist das, was ein Bild wiedergeben kann; ein
Bild in seiner subjektiven Bedeutung, wenn es besagt:
“Das sehe ich, – was immer der
Gegenstand sein mag, der diesen Eindruck hervorbringt.”
Denn der Erlebnisinhalt ist der private Gegenstand. –
Aber wie kann dann der Schmerz einen solchen Inhalt bilden? –
Eher noch die Temperaturempfindung.
Und der Gehörsinn ist dem Gesicht noch näher verwandt; – aber auch
schon ganz verschieden. – 257 – |
1363.
Es ist uns förmlich, als hätte der Schmerz einen Körper, als wäre er
ein Ding, ein Körper mit Form und Farbe.
Warum?
Hat er die Form des schmerzenden Körperteils?
Man möchte z.B. sagen: “Ich
könnte den Schmerz beschreiben, wenn ich nur die
nötigen Worte und Elementarbedeutungen
dazu hätte.”
Man fühlt: es fehlt einem nur die notwendige Nomenklatur.
(James.)
Als könnte man die Empfindung sogar malen, wenn nur der andere diese
Ausdrucksweise || Sprache
verstünde. –
Und man kann den Schmerz ja wirklich räumlich und zeitlich
beschreiben. |
1364.
Wäre die Schmerzäußerung nur ein Schreien und dessen
Stärke abhängig nur von dem vorrätigen Atem, aber nicht von der
Verletzung, – wären wir dann auch geneigt, den Schmerz als etwas
Beobachtetes aufzufassen? |
1365.
Warum denkst Du, daß des andern
Schmerz ähnlich ist, wie seine Gesichtsempfindung? –
Oder so: Warum gruppieren wir Gesicht, Gehör und
Tastempfindung zusammen?
Weil wir durch sie ‘die Außenwelt
kennen lernen’?
Der Schmerz könnte ja als eine Art Tastempfindung
aufgefaßt werden. |
1366.
Wie ist es aber mit meiner Idee, daß wir die
Stellungen und die Bewegungen unserer Glieder nicht wirklich nach den
Gefühlen beurteilen, die diese Bewegungen uns geben?
Und warum sollten wir die Oberflächenbeschaffenheit der Körper so
beurteilen, wenn man das von unseren Bewegungen nicht sagen kann? –
Was ist überhaupt das Kriterium dafür, daß unser
Gefühl uns dies lehrt? |
1367.
Wie beurteilt man, ob die Müdigkeit
(z.B.) ein unklar lokalisiertes
Körpergefühl ist? |
1368.
Man möchte sagen “Ich glaube … ” kann nicht
eigentlich das Präsens von “Ich
glaubte” sein.
Oder: man müßte ein Verbum so gebrauchen
können, daß sein Präteritum den Sinn von “ich
glaubte” hat, sein Präsens aber einen andern Sinn, als unser
“ich glaube”.
Oder auch so: Es müßte ein Verbum
geben, dessen dritte Person in der Gegenwart den Sinn “er
glaubt” hat, dessen erste Person aber einen andern als
“ich glaube”.
Aber soll es dann auch ein Verbum geben, dessen erste Person sagt “ich glaube”, dessen dritte aber nicht das, was wir mit “er glaubt” meinen? Die Dritte Person müßte also auch unbestreitbar sein? |
1369.
Wie, wenn einer sagte: “Ich
weiß, es wird nicht regnen, aber ich
glaube, es werde regnen”? |
1370.
Was ist den Sinneserlebnissen gemeinsam? –
Die Antwort, daß sie
– 258 – uns die
Außenwelt kennen lehren, ist eine falsche und eine
richtige.
Sie ist richtig, sofern sie auf ein logisches Kriterium
deuten soll || deutet. |
1371.
Ließe sich ein “Ich habe
gelogen” denken, das ich aus der Beobachtung meines || des eigenen Benehmens
erschließe?
Nur dann, wenn auch der andere nicht das Geständnis
“Ich habe gelogen” machen kann.
Beschreibt “Ich habe gelogen” ein Erlebnis, oder “Ich habe diese Aussage im guten Glauben gemacht”? – Du mußt daran denken, daß ich seinen guten Glauben nicht nur aus dem und jenem Benehmen erschließe, sondern auch sein Wort dafür annehme, welches er nicht auf Selbstbeobachtung stützt. |
1372.
Wie kommt es, daß ich aus meiner Aussage || meiner eigenen Aussage “Es
wird regnen” nicht entnehmen kann, daß ich
dies glaube?
Kann ich denn gar keine interessanten Schlüsse daraus ziehen,
daß ich dies gesagt habe?
Sagt der andere es, so schließe ich etwa, er werde
einen Schirm mitnehmen.
Warum nicht in meinem eigenen Fall?
Natürlich, die Versuchung ist hier, zu sagen: Im eigenen Falle brauche ich diesen Schluß nicht aus meinen Worten zu ziehen, weil ich ihn aus meinem Seelenzustand, aus meinem Glauben selbst ziehen kann. |
1373.
Warum schließe ich nie von meinen Worten
auf meine wahrscheinlichen Handlungen?
Aus demselben Grunde, aus welchem ich nicht von meinem Gesichtsausdruck
auf mein wahrscheinliches Benehmen schließe, –
denn nicht das ist das Interessante, daß ich nicht
aus meinem Ausdruck der Gemütsbewegung auf meine Gemütsbewegung
schließe, sondern, daß ich
aus jenem Ausdruck auch nicht auf mein späteres Verhalten
schließe, wie dies doch die andern tun, die mich
beobachten. |
1374.
Wer philosophiert, macht oft zu einem Wortausdruck die falsche,
unpassende, Geste. |
1375.
Wenn einer mich auf der Straße trifft und fragt
“Wohin gehst Du?” und ich
antworte “Ich weiß es
nicht”, so nimmt er an, ich habe keine bestimmte
Absicht; nicht, ich wisse nicht, ob ich meine Absicht werde
ausführen können.
(Hebel.) |
1376.
Mein Über-Ich könnte von meinem Ich sagen:
“Es regnet, und das Ich glaubt es“, und
könnte fortfahren: “Ich wird also wahrscheinlich
einen Schirm mitnehmen”.
Und wie geht nun das Spiel weiter? – 259 – |
1377.
Betrachte auch die Aussage: “Ich werde wahrscheinlich
… ” – wo das, was folgt, eine willkürliche, keine
unwillkürliche Handlung ist. |
1378.
Man sagt etwa: “Die Überzeugung fühlt
man, man schließt auf sie nicht aus den eigenen
Worten, oder ihrem Tonfall.
Aber was heißt es: man fühle die Überzeugung? Wahr ist: Man schließt nicht aus den eigenen Worten auf die eigene Überzeugung; oder auf die Handlungen, die dieser entspringen. |
1379.
Auf die Frage “Warum schließe ich
nicht aus meinen Reden auf meine wahrscheinlichen Handlungen”
könnte man sagen, es ist hier so, wie ich als Beamter in einem
Ministerium auf die wahrscheinlichen Entschlüsse desselben nicht aus den
offiziellen Äußerungen
schließe, da mir ja der Ursprung, die Genesis
dieser Äußerungen und der Entschlüsse bekannt
ist. –
Zu vergleichen wäre dieser Fall dem, daß ich
Selbstgespräche führe, vielleicht sogar schriftlich, die mich zu meinen
lauten Äußerungen im Gespräch mit andern führen;
und nun sage ich: ich werde doch auf mein künftiges Verhalten nicht
aus diesen Äußerungen schließen,
sondern aus den viel verläßlicheren Dokumenten
meines Innenlebens. |
1380.
Ich weiß doch, wenn ich zornig bin, ich brauche es
doch nicht aus meinem Benehmen zu lernen. –
Aber schließe ich aus meinem Zorn auf eine
wahrscheinliche Handlung?
Man könnte das, glaube ich, auch so sagen: Ich verhalte
mich zu meinen Handlungen nicht beobachtend. |
1381.
Wenn ich einem sage “Ich weiß,
daß Du so handeln wirst”, so ist das beste
Mittel, um diese Vorhersage wahr zu machen, das, den andern zu der
Handlung zu überreden. |
1382.
Wenn ich einem sage “Du wirst jetzt Deine Hand
heben”, so kann diese Voraussage Grund genug dafür sein,
daß sie nicht in Erfüllung geht; es sei denn, sie
sei ein Befehl und der andere respektiere ihn. |
1383.
“Es regnet und ich glaube, daß es
regnet.” –
Zum Wetter gewendet sage ich, daß es regnet;
dann, zu mir selbst gewendet, daß ich dies
glaube. –
Aber was tue ich denn, wenn ich mich zu mir wende, was beobachte
ich?
Denk Dir, ich sage “Es regnet und ich glaube,
daß es bald aufhören wird”– wende ich
mich denn beim zweiten Teil der Aussage zu mir selbst? –
Ja, wenn ich herausfinden will, ob er das glaubt,
dann muß ich mich zu ihm wenden, ihn
beobachten.
Und wenn ich, was ich glaube, durch Beobachtung erfahren wollte,
müßte ich meine Handlungen beobachten,
ganz wie im anderen Fall die seinen. – 260 –
Warum nun beobachte ich sie nicht?
Sind sie für mich nicht interessant?
Sie sind es scheinbar nicht.
Ich frage einen andern, der mich beobachtet hat, fast nie, ob er den
Eindruck hat, ich glaube das und das: nämlich um auf diese Weise
auf meine Handlungen in der Zukunft schließen zu
können.
Warum sollte denn ein wirklich guter Beobachter aus meinen Reden und
Handlungen nicht mein Verhalten richtiger voraussagen können, als ich es
vermag?
Aber vielleicht werde ich nur dann so handeln, wie er's
voraussieht, wenn er's mir nicht voraussagt. |
1384.
Wenn ich sage “Ich erinnere mich, ich glaubte
… ”, so frag Dich nicht “An welche
Tatsache, an welchen Vorgang hat er sich erinnert?”
(das wurde schon festgestellt) – sondern frag:
“Was ist der Zweck dieser Rede, wie wird sie
verwendet?” |
1385.
Der Gesichtssinn, der Gehörsinn, der Tastsinn können
auslassen, so daß ich blind, taub,
etc. bin; aber was entspräche dem im Bereich der
Intention?
Und wie benähme sich ein Mensch ohne Vorstellung? Oder einer, der nicht traurig und lustig sein kann? |
1386.
“Die Hoffnung ist auf die Zukunft gerichtet” – aber
gibt es ein Gefühl, das mit dem der Hoffnung identisch aber auf die
Gegenwart oder Vergangenheit gerichtet ist?
Sozusagen dieselbe seelische Bewegung, aber mit einem andern
Gegenstand?
Frage Dich: was wäre hier als das Kriterium der Gleichheit der
Seelenbewegungen anzusehen?
Damit verbunden: “Ist das Aufschrecken
‘Jetzt kann ich's’ ein besonderes,
spezifisches, Aufschrecken?” |
1387.
Auch wenn ich zugäbe, daß ich mehr von meinem
eigenen Glauben weiß, als von dem des andern, so
müßte ich dann doch sagen, daß
ich eben das von mir wissen kann, was ich vom andern
weiß, wenn auch noch viel mehr. –
So müßte ich also, wenn es auch überflüssig
wäre || ist, ein Verbum auf mich so
anwenden können, wie das Wort “glauben” auf den
andern.
Was hindert mich daran? |
1388.
Der Begriff der Welt des
Bewußtseins.
Wir bevölkern einen Raum mit Eindrücken. |
1389.
“Die ideale Uhr würde einfach immer auf die Zeit
‘Jetzt’ zeigen.”
Hängt auch mit der Sprache zusammen, die nur meine Eindrücke
im gegenwärtigen Augenblick beschreibt.
Verwandt die Uraussage, die nur ein unartikulierter Laut ist.
(Driesch.)
Der ideale Name, der das Wort “dieses” ist.
– 261 – |
1390.
Ich möchte von einem Stammbaum der psychologischen Begriffe reden.
(Ist hier eine Ähnlichkeit mit einem Stammbaum der verschiedenen
Zahlbegriffe?) |
1391.
Die Schwierigkeit des Verzichtens auf jede Theorie: Man
muß das und das, was so offenbar unvollständig
erscheint, als etwas Vollständiges auffassen. |
1392.
Die Angst borgt die Bilder der Furcht.
“I have the feeling of impending
doom.” |
1393.
Was ist aber der Inhalt, der
Bewußtseinsinhalt der Angst?
Die Frage ist falsch gestellt. |
1394.
“Ein Bild (Vorstellungsbild, Erinnerungsbild) der
Sehnsucht”.
Man denkt, man habe schon alles damit getan, daß
man von einem ‘Bild’ redet; denn die Sehnsucht ist eben
ein Bewußtseinsinhalt, und dessen Bild ist etwas,
was ihm (sehr) ähnlich ist, wenn auch undeutlicher als das
Original.
Und man könnte ja wohl von einem, der die Sehnsucht auf dem Theater spielt, sagen, er erlebe, oder habe, ein Bild der Sehnsucht: nämlich nicht als Erklärung seines Handelns, sondern zu seiner Beschreibung. |
1395.
Würde ich aber nicht doch sagen, daß der
Schauspieler etwas der wirklichen Sehnsucht Ähnliches erlebt?
Ist eben nicht doch etwas an dem, was
James sagt:
daß die Gemütsbewegung aus den Gefühlen des Körpers
besteht, und daher, wenigstens teilweise, durch willkürliche Bewegungen
reproduziert werden kann? |
1396.
Ist, die Mundwinkel hinunterziehen, so unangenehm, so traurig, und sie
hinaufziehen, so angenehm?
Was ist es, was so schrecklich an der || Furcht ist?
Das Zittern, der schnelle Atem, das Gefühl in den
Gesichtsmuskeln? –
Wenn Du sagst: “Diese Furcht, diese
Ungewißheit ist schrecklich!” –
könntest Du fortsetzen: “Wenn nur dieses Gefühl im
Magen nicht wäre!”? |
1397.
Der Ausdruck “Diese Angst ist schrecklich!”
ist ähnlich einem Aufstöhnen, einem
Schrei.
Gefragt “Warum schreist Du?” – würden
wir aber nicht auf den Magen, die Brust, etc. zeigen, wie
im Falle des Schmerzes; sondern vielleicht auf das, was die Angst
hervorruft. || was uns Angst
macht. |
1398.
Wenn die Angst furchtbar ist, und wenn ich in ihr mir meiner Atmung
bewußt bin und einer Spannung in meinen
Gesichtsmuskeln, – sagt das, daß diese
Gefühle mir furchtbar sind?
Könnten sie nicht sogar eine Linderung bedeuten? – 262 – |
1399.
Vergleiche Furcht und Angst mit Sorge. |
1400.
Und was ist das für eine Beschreibung:
“Ewiges Düstere steigt
herunter …”?
So könnte man einen Schmerz beschreiben; ja sogar malen. |
1401.
Ist nicht der ‘Inhalt’ das, womit man den
Empfindungsraum bevölkert?
Das, was in Raum und Zeit sich wandelt, vorgeht, || .
Wenn man etwa zu sich selbst spricht, so wären es die vorgestellten
Laute (und etwa Gefühle im Kehlkopf, oder dergleichen).
|
1402.
Ist Lügen ein bestimmtes Erlebnis?
Nun, kann ich denn jemandem sagen: || sagen
“Ich werde Dich jetzt anlügen” und es dann
tun? |
1403.
Inwiefern ist mir die Lüge bewußt, während ich
lüge?
Nur insofern, als sie mir nicht später erst zum
Bewußtsein kommt, und ich doch später
weiß, daß ich gelogen
habe.
Das sich-der-Lüge-bewußt-sein ist
ein Können.
Dem widerspricht nicht, daß es charakteristische
Gefühle des Lügens gibt. |
1404.
Das Wissen wird eben nicht in Worte übersetzt, wenn es
sich äußert.
Die Worte sind keine Übersetzung eines Andern, das || welches vor ihnen da war. |
1405.
Man sagt “Ich merke an seinem Ton,
daß er nicht glaubt, was er spricht”, oder
ich nehme es an, weil er sich im allgemeinen als unzuverlässig erwiesen
hat.
Wie kann ich das auf mich anwenden?
Kann ich z.B. als meinem Ton
schließen, daß ich
wahrscheinlich nicht meinen Worten gemäß handeln
werde?
(Und doch tut's der andere.)
Oder kann ich es aus meiner früheren Unzuverlässigkeit
schließen?
Das Letztere schon eher.
Aber ich beurteile den Ton meiner Stimme gar nicht, wie den des
andern.
Ja, wenn ich mich später, etwa in einem Sprechfilm, sehen könnte, würde
ich vielleicht sagen “Ich traue mir nicht
recht.” |
1406.
Vor allem aber: ich scheine doch einen Ersatz für alle solche
Konjekturen zu haben, einen, der sicherer ist als sie.
Ich weiß doch,
daß ich nicht glaube, was ich sage, und das gibt mir
doch den besten Grund – möchte ich sagen – zur Annahme,
daß ich nicht meinen Worten
gemäß handeln werde.
Ja; ich habe eben eine Absicht meine Handlungen
betreffend. |
1407.
“Ich weiß doch, daß
ich lüge!
Was brauche ich aus meinem Ton, etc., Schlüsse zu
ziehen?” –
Aber so ist es nicht.
Denn die Frage ist; Kann ich – 263
– aus jenem ‘Wissen’ die gleichen
Schlüsse, auf die Zukunft z.B., ziehen, kann ich
von ihm die gleiche Anwendung machen, wie von den
beobachteten Zeichen? |
1408.
Und ist denn die Absicht immer ganz klar?
Ich sage z.B. “Es wird schön
werden” – halb, weil ich es glaube,
halb, weil ich den andern trösten will. |
1409.
Hintergedanken.
“Ich kenne die meinen, vermute die
seinen.”
Aber welches Interesse, welche Wichtigkeit, haben seine
Hintergedanken für mich?
(Nun, überlege es Dir.)
Und das ‘Wissen’ meiner Hintergedanken spielt nun
wirklich dieselbe Rolle für mich, wie die Vermutung der seinen
für ihn. |
1410.
‘Nach sich selbst urteilen.’
Das gibt's natürlich.
Und ich schließe auch manchmal,
daß der andere Schmerzen hat, weil er sich so benimmt,
wie ich in diesem Falle. |
1411.
Man könnte sagen: Sage ich Dir meine Hintergedanken, so teile
ich Dir gerade das mit, was Du vermutest, wenn Du die Hintergedanken
vermutest.
D.h.: wenn Du die Hintergedanken,
sozusagen, als aktives Prinzip vermutest, und ich
äußere sie, so kannst Du meine
Äußerung unmittelbar zur Beschreibung jenes Agens
gebrauchen.
Meine Äußerung erklärt gerade das, was er
erklären will. |
1412.
“Wozu soll ich denn aus meinen eigenen Worten auf mein
Verhalten schließen, wenn ich ohnehin
weiß, was ich glaube?”
Und wie äußert sich's,
daß ich weiß, was ich
glaube?
Äußert es sich nicht dahin:
daß ich eben von meinen Worten nicht auf mein
Verhalten schließe?
Das ist die Tatsache. |
1413.
Warum schließe ich nicht aus meinem Ton darauf,
daß ich nicht wirklich von dem überzeugt bin, was
ich sage? oder auf all das, worauf man aus diesem letzteren
schließt? –
Und antwortet man “Weil ich meine
Überzeugung kenne” – so ist die Frage
“Wie zeigt sich das?”
Soll ich nun sagen: “Darin,
daß ich nicht || nicht daran zweifele || zweifle, was sie ist”?
|
1414.
Die Kenntnis des Metrums.
Wer das Metrum kennt, hört es anders. |
1415.
Es gibt sorgenvolle Gedanken, aber nicht zahnschmerzvolle. |
1416.
Ich pfeife jetzt einen Ton, aber auch jetzt eine Melodie. |
1417.
Wir sagen nicht: “Ich sehe wütend aus; ich hoffe nur,
ich werde keine – 264
– Gewalttat begehen.”
Die Frage ist aber nicht: “Wie kommt
das?” |
1418.
Die Psychologie des Urteils.
Denn auch das Urteil hat seine Psychologie.
Es ist wichtig, daß man sich denken kann, daß jedes Urteil mit dem Worte “Ich” beginnt. “Ich urteile, daß ….” So ist also jedes Urteil eines über den Urteilenden? Insofern nicht, als ich nicht will, daß die Hauptkonsequenzen über mich gezogen werden, sondern über den Gegenstand des Urteils. Sage ich “Es regnet”, so will ich im allgemeinen nicht, daß man antwortet “Also so scheint es Dir.” “Wir reden vom Wetter”, könnte ich sagen, “nicht von mir.” |
1419.
“Warum aber ist die Verwendung des Zeitworts
‘glauben’, seine Grammatik, in so seltsamer Weise
zusammengesetzt || zusammengefügt?”
Nun, sie ist nicht seltsam zusammengesetzt. Seltsam nur, wenn man sie mit der des Wortes “essen” etwa vergleicht. |
1420.
“Was er wohl jetzt tun wird” sage ich,
indem ich ihm zusehe.
Betrachte ich mich || Sehe ich mir auch
zu, und sage “Was ich wohl jetzt tun
werde”? |
1421.
Denke, ich bewegte mich in einem Zimmer, und hätte einen Lichtschirm
vor meinen Augen, auf welchem ich mich sehe || sähe, wie ein Beobachter mich sehen
würde.
Ich schaue, während ich mich in dem Zimmer bewege, stets nur auf
den Schirm und beobachte auf ihm mein
Tun. –
Was wäre nun der Unterschied zwischen den beiden Fällen:
a) Ich werde durch das, was ich auf dem Lichtschirm sehe,
gelenkt, wie durch das normale Sehen meiner Umgebung ‒ ‒ ‒ b)
Ich bewege mich unwillkürlich und beobachte mich wie
einen Fremden.
Aber fühle ich meine Bewegungen nicht? – Aber geschieht mir dies Gefühl nicht, wie jeder andere Sinneseindruck? |
1422.
Nun gut: das kinästhetische ist ein anderes, ein
besonderes Gefühl. –
Aber so ist Geruch, Gehör, etc..–
Warum macht das einen solchen Unterschied?
“Innervationsgefühl” – das drückt aus, was man sagen möchte: Daß es wie ein Impuls ist. Aber ein Gefühl wie ein Impuls?! Was ist denn ein Impuls? Ein physikalisches Bild. Das Bild eines Stoßes. |
1423.
Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden: Einer Linie
unwillkürlich folgend ‒ ‒ ‒ Einer Linie mit Absicht folgend.
Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden: Eine Linie mit Bedacht – 265 – und
großer Aufmerksamkeit nachziehen ‒ ‒ ‒
Aufmerksam beobachten, wie meine Hand einer Linie folgt.
|
1424.
Gewisse Unterschiede sind leicht anzugeben.
Einer liegt im Voraussehen dessen, was die
Hand tun wird. |
1425.
Ist “Ich tue mein
Möglichstes || möglichstes”
die Äußerung eines Erlebnisses? –
Ein Unterschied:
Man sagt “Tue dein
möglichstes || Möglichstes!” |
1426.
Sagt man: “Gib Dir dieses
Muskelgefühl!”?
Und warum nicht? –
“Dieses”? –
“Welches? ‒ ‒ ‒
Aber kann ich mir nicht ein bestimmtes Muskelgefühl geben, indem ich
eben meinen Arm bewege? –
Versuch's!
Beweg Deinen Arm, – und frag Dich, welches Gefühl Du Dir
hervorgerufen hast.
Sagte mir einer “Beug Deinen Arm und ruf Dir das charakteristische Gefühl hervor” und ich beuge meinen Arm, so müßte ich ihn nun fragen: “Welches hast Du gemeint? Eine leichte Spannung im Bizeps, oder ein Gefühl in der Haut an der Innenseite des Ellbogengelenks?” Ja, ich könnte, wenn mir einer eine Bewegung befiehlt, sie machen, und dann die Empfindungen, die sie hervorbringt, und ihren besonderen Ort beschreiben (der beinahe nie das Gelenk wäre). Und ich müßte oft auch sagen, ich habe nichts empfunden. Nur darf man das nicht mit der Aussage verwechseln, es sei gewesen, als wäre mein Glied || Arm gefühllos. |
1427.
Liest Du die Seite willkürlich?
Und worin besteht hier der Akt? –
Es kann einer auf Befehl lesen, und zu lesen aufhören.
Man kann sich auch auf Befehl etwas vorstellen.
Sich z.B. in der Vorstellung ein Gedicht
aufsagen, eine Rechnung machen.
Fühlst Du's, beim Vorstellen, ob Du Dir etwas
willkürlich oder unwillkürlich vorstellst?
Man kann sich auf Befehl Gedanken hervorrufen, Vorstellungen hervorrufen, – aber auch, und das ist etwas anderes, auf Befehl etwas denken, sich etwas vorstellen. |
1428.
Vorstellungen, könnte man sagen, sind willkürlich, Nachbilder
unwillkürlich. |
1429.
Unwillkürlich ist, z.B., die Bewegung, die
man nicht hindern kann; oder die, von der man nichts
weiß; oder, die geschieht, wenn man seine Muskeln
geflissentlich schlaff läßt, um die Bewegung nicht zu
beeinflussen. |
1430.
Frage ich mich, wenn ich, z.B., den andern essen
sehe, ob er es willkürlich oder unwillkürlich tut?
Man sagt vielleicht, ich nehme eben an, daß es
willkürlich geschieht.
Was nehme ich an; daß er es fühlt?
Und auf bestimmte Weise fühlt? – 266 – |
1431.
Wie weiß ich, ob das Kind willkürlich oder nicht
willkürlich ißt, trinkt, geht,
etc.?
Frage ich es, was es fühlt?
Nein; essen, wie jeder ißt, ist
willkürlich. |
1432.
Wenn einer uns nun sagte, er esse unwillkürlich, –
welche Evidenz würde mich dies glauben machen? |
1433.
Wenn ich, um mein Auge zu schützen, die Hand plötzlich hebe,
– ist die Bewegung willkürlich? – und
fühle ich sie anders, als eine willkürliche?
|
1434.
Der Begriff der ‘Anstrengung’.
Fühlst Du die Anstrengung?
Freilich fühlst Du sie.
Aber machst Du sie nicht auch? –
Was sind die Zeichen der Anstrengung?
Ich hebe ein schweres Gewicht mit großer
Anstrengung.
Meine Muskeln sind gespannt, mein Gesicht zusammengekniffen, mein Atem
angehalten ‒ ‒ ‒ aber tue ich das; geschieht es
mir nicht bloß?
Wie wär's, wenn es mir nur geschähe?
Wie unterschiede sich der Fall von dem des
Wollens?
Würde ich etwa anders reden?
Würde ich sagen: “Ich weiß
nicht, was mit mir geschieht: meine Muskeln sind gespannt, mein
Gesicht etc. etc.”?
Und sagte ich: “Nun, so entspann Deine
Muskeln”, so würde er antworten “Ich kann
nicht”.
Aber wie, wenn mir einer sagte: “Ich fühle daß ich tun muß, was immer ich tue”, und daß er sich dabei benimmt, wie jeder andere? |
1435.
Ist nicht, zu sagen, das kinästhetische Gefühl zeige mir die gemachte
Bewegung an, analog der Ansicht, ein Merkmal des Schmerzes zeige mir
seinen Ort an? |
1436.
Wenn einer den Schmerz durch ein Farbenbild darstellen wollte,
– würde er in das Bild ein vokales Zeichen || Merkmal aufnehmen?
Und weshalb nicht? |
1437.
Ist nicht die Empfindung das Maß der
Anstrengung?
D.h.: Wenn ich sage
“Ich ziehe jetzt stärker”, merke ich das am Grad der
Empfindung?
Und was ist dagegen zu sagen?
Man sagt einem “Streng Dich mehr an!”
– nicht, damit er mehr empfindet, sondern mehr leistet.
|
1438.
Warum fühlt man, man könne eine Tastempfindung (ihren Inhalt)
beschreiben, malen, nicht aber eine Bewegungs-
oder Positionsempfindung? |
1439.
Kannst Du z.B. sagen, Deine Positionsempfindung sei
schwach oder stark?
Und Deine Empfindungen bei der Bewegung eines Gliedes können zwar stärker oder schwächer (oder abwesend) sein, aber das ist keine Wahrnehmung der Bewegung. |
1440.
Bewegungsempfindungen, – das sind Empfindungen, die durch
Bewegungen hervorgerufen werden – können
z.B. Schmerzen sein. – 267 –
Wie weiß man, daß es nicht
diese Bewegungsempfindungen sind, die uns lehren, wie wir uns
bewegen?
Was wäre ein Zeichen dafür, daß es so
ist? |
1441.
Ist es nicht eine wichtige Tatsache, daß das Theater
uns Farben und Töne vorführt, aber nicht Tastempfindungen?
Man könnte sich etwa die Verwendung von Gerüchen und von
Temperaturempfindungen vorstellen, aber nicht die von
Tastempfindungen. |
1442.
Einer, der mit augenscheinlicher Aufmerksamkeit || Sorgfalt eine Nadel einfädelt und uns
sagt, er tue es unwillkürlich.
Wie könnte er diese Aussage rechtfertigen? |
1443.
Was man wissen kann, davon kann man überzeugt sein, – und das kann
man auch vermuten.
(Grammatische Bemerkung.) |
1444.
Willkürlich sind gewisse Bewegungen mit ihrer normalen
Umgebung von Absicht, Lernen, Versuchen, Handeln.
Bewegungen, von denen es Sinn hat, zu sagen, sie seien manchmal
willkürlich, manchmal unwillkürlich, sind Bewegungen in einer speziellen
Umgebung. |
1445.
Eine Kategorie psychologischer Erscheinungen (Tatsachen) wären
die ‘Keime’.
Aber dies Wort kann ebenso leicht der Ausdruck eines
Mißverständnisses sein, wie das Wort
“Tendenzerlebnis” (James.).
Das Wort “Brettspiel-Zug” charakterisiert auch
nicht eine Art der Bewegung. |
1446.
Übersetzen von einer Sprache in die andere ist eine mathematische
Aufgabe und das Übersetzen eines lyrischen Gedichts
z.B. in eine fremde Sprache ist ganz analog einem
mathematischen Problem.
Denn man kann wohl das Problem stellen “Wie ist dieser
Witz (z.B.) durch einen Witz in der andern
Sprache zu übersetzen,” d.h. zu ersetzen; und
das Problem kann || kann auch gelöst sein; aber eine Methode, ein
System, zu seiner Lösung gab es nicht. |
1447.
Du weißt, daß Du lügst; Du
weißt es, wenn Du lügst.
Eine innere Stimme, ein Gefühl, sagt es mir?
Könnte dies Gefühl mich nicht täuschen? || irreleiten?
Sagt es mir immer eine Stimme? Und wann spricht sie? Die ganze Zeit? – Und wie weiß ich, daß ich ihr trauen kann? |
1448.
Eine Lüge hat eine besondere Umgebung.
Es gibt da vor allem ein Motiv.
Eine Veranlassung. |
1449.
Das Bewußtsein des Lügens ist von der Kategorie des
Bewußtseins der Absicht. – 268 – |
1450.
Vergiß nicht: Gesicht, Gehör, Geruch,
Geschmack, etc., sind Empfindungen nur, weil diesen
Begriffen etwas gemeinsam ist ‒ ‒ ‒ wie man Bohrer,
Meißel, Axt, Knallgasgebläse, zusammennehmen könnte,
weil ihnen gewisse Funktionen gemeinsam sind.
|
1451.
“Der Schmerz, der Ton, der Geschmack, Geruch, hat eine
bestimmte Farbe.”
Was heißt das?
(Qualität.
Eigenschaftswort.)
Eine Farbe kann grünlich sein, oder bläulich – es gibt ein Gemisch von Farben; und so auch ein Gemisch von Gerüchen, Klängen, Geschmäcken; qualitative Zwischenstufen. Wie unterscheidet man qualitative von quantitativen Zwischenstufen, ich meine, von Stufen der ‘Intensität’? Noch auszuhalten – nicht mehr auszuhalten, das sind z.B. Grade der Intensität. Denke, jemand fragte: “Wie kann ich wissen, was, was ich als verschiedene Grade, der Lautheit z.B., empfinde, der andere nicht als verschiedene Qualitäten, vergleichbar verschiedenen Farben, empfindet?” – Vergleiche die Reaktion zu einer || auf eine Änderung der Stärke mit der zu einer || auf eine Änderung der Qualität. |
1452.
Ich fühle meinen Arm und, seltsamerweise, möchte ich nun sagen:
ich fühle ihn im Raum in bestimmter Lage; als wäre nämlich das
Körpergefühl in einem Raum in der Form des Arms verteilt,
so daß ich, um es darzustellen, den Arm, etwa in
Gips, in seiner richtigen Lage darstellen
müßte. |
1453.
Denk Dir, eine Bleistiftspitze würde an irgendeiner Stelle mit meiner
Haut in Berührung gebracht, so kann ich sagen, ich fühle, wo
sie ist.
Aber fühl' ich, wo ich sie
fühle?
“Wie weißt Du, daß
die Spitze jetzt Deinen Schenkel berührt?” –
“Ich fühle es”.
Dadurch, daß ich die Berührung
fühle, weiß ich ihren Ort; aber soll ich darum von
einem Ortsgefühl reden?
Und wenn es kein Ortsgefühl gibt, warum soll es || muß es ein Gefühl der
Lage geben? |
1454.
Ja, es ist seltsam.
Mein Unterarm liegt jetzt horizontal und ich möchte sagen,
daß ich das fühle; aber nicht so, als hätte ich ein
Gefühl, das immer mit dieser Lage zusammengeht (als fühlte man etwa
Blutleere, oder Plethora) – sondern, als wäre eben das
‘Körpergefühl’ des Arms horizontal angeordnet oder
verteilt, wie etwa ein Dunst oder Staubteilchen an der Oberfläche meines
Armes so im Raume verteilt sind.
Es ist also nicht wirklich, als fühlte ich die Lage meines Arms,
sondern als fühlte ich meinen Arm, und das Gefühl hätte die
und die Lage.
D.h. aber nur: ich
weiß einfach, wie er liegt – ohne
es zu wissen, weil ….
Wie ich – 269
– auch weiß, wo ich den
Schmerz empfinde – es aber nicht weiß,
weil …. |
1455.
Betrachte: – “Es ist nicht wahr,
daß ich immer das Falsche glaube.
Z.B. es regnet jetzt, und ich glaube
es.”
Man könnte von ihm sagen: Er spricht wie zwei Menschen. |
1456.
Warum habe ich Zweifel über seine Absicht,
aber nicht über die meine?
Inwiefern kenne ich unzweifelhaft meine Absicht?
Was ist, sozusagen, der Nutzen davon, daß ich
meine Absicht weiß?
Was nämlich ist der Nutzen, die Funktion, der
Absichtsäußerung?
Wann, nämlich, ist es eine
Absichtsäußerung?
Doch, wenn die Tat ihr folgt, wenn sie eine Vorhersage ist.
Ich mache die Vorhersage, dieselbe, die der andere aus der Beobachtung
meines Verhaltens macht, ohne diese Beobachtung.
|
1457.
Wenn es sich um ein ‘Gefühl der Unwirklichkeit’ handelt,
sind wir geneigt, zu sagen: “Alles, was ich
weiß, ist, daß Menschen oft
unter gewissen Umständen sagen, sie fühlten, es sei alles um sie
‘unwirklich’.
Wir wissen natürlich auch, wie der Gebrauch dieses Wortes im
übrigen konditioniert wurde, || auch, welchen Gebrauch
dieses Worts die Leute gelernt hatten? und noch
einiges über ihre anderweitigen Äußerungen.
Mehr wissen wir nicht.” –
Warum reden wir nicht auch so, wenn es sich um die
Äußerungen der Lust, der Überzeugung, der
Willkürlichkeit und Unwillkürlichkeit von Bewegungen handelt?
|
1458.
Was sollte ich einem antworten, der mir sagt, er fühle
die Lage und Bewegung seiner Glieder, ihm sage ein
Gefühl ihre Stellung und Bewegung? || ,
der mir versichert, ihn lehre ein Gefühl die
Stellung und Bewegung seiner Glieder?
Soll ich sagen, er lüge, oder er irre sich, oder soll ich ihm
glauben?
Ich möchte ihn fragen, wie ihn ein Gefühl diese Lage,
z.B., lehrt.
Oder besser: wie er weiß,
daß sein Gefühl ihn das
lehre. |
1459.
(Man sagt das Gewöhnliche, – mit der falschen
Gebärde.) |
1460.
Erinnere Dich hier wieder an das Gefühl ohne Rechtfertigung und, dem
Anscheine nach, ohne Grund eine gewisse Ortschaft müsse in der
Richtung liegen.
Würde uns dies Gefühl nicht zumeist täuschen, so würde man hier von
einem gefühlsmäßigen Wissen
reden.
Und die Quellen dieses Gefühls lassen sich nur vermuten,
oder erfahrungsmäßig feststellen. |
1461.
Das allerwichtigste ist hier, daß man sich
eines Unterschieds, der ein kategorischer ist,
bewußt sein kann, ohne sagen zu können, worin der
Unterschied besteht. || Das wichtigste
ist hier dies: es besteht ein – 270
– Unterschied; man merkt den Unterschied,
‘der ein kategorischer ist’ – ohne sagen zu
können, worin er besteht.
Das ist der Fall, in dem man gewöhnlich sagt, man erkenne den
Unterschied eben durch Introspektion. |
1462.
Und doch klingt es zuviel wie ein Appell an die
Introspektion, wollte ich sagen, “Prüfe Dich doch –
ob Du wirklich die Lage Deiner Glieder nach Gefühlen in ihnen
bestimmst!” –
Und es wäre auch falsch, denn die Frage ist eben: Wie würde
sich das zeigen, wenn einer es täte?
Denn wenn er nach einer Selbstprüfung mich versicherte, es sei so, oder
es sei nicht so, – wie weiß ich, ob ich ihm
trauen darf; ich meine, ob er mich auch richtig verstanden hat.
Oder auch: Wie prüfe ich, ob ich ihn verstehe?
|
1463.
Es sagt mir einer: “Ich weiß
nicht, wie ich meine Finger bewege, aber ich weiß,
wenn ich sie spreize durch das Gefühl in meinen
Schwimmhäuten.”
Hier müßte man fragen: Kannst Du also
den Befehl “Spreiz Deine Finger” mit
geschlossenen Augen nicht ohne weiteres ausführen? |
1464.
Wir fühlen unsere Bewegungen.
Ja, wir fühlen sie wirklich; die Empfindung ist
nicht ähnlich einer Geschmacksempfindung, oder einer Hitzeempfindung,
sondern einer Tastempfindung: der Empfindung, wenn Haut und Muskeln
gedrückt, gezogen, verschoben werden. |
1465.
Wie kann ich bei meinen Bewegungen die Leitung des Bewegungsgefühls
brauchen? denn wie kann ich, ehe die Bewegung angefangen hat, aus all
den Muskeln die aussuchen, die mir das richtige Bewegungsgefühl geben
werden? –
Wenn es ein Problem ist, “Wie weiß
ich, wenn ich die Bewegung nicht sehe, daß sie, und
wie weit sie, stattgefunden hat?” – warum ist es dann
kein Problem: “Wie weiß ich
überhaupt, wie die, sagen wir, befohlene Bewegung einzuleiten
ist?
(Russell machte darüber
einmal eine falsche Bemerkung.) |
1466.
Ich kann z.B. sagen, daß ich
jetzt weiß, daß mein Finger
gebogen ist, daß ich aber keinerlei Gefühl in ihm
habe; jedenfalls aber keines, das ich besonders mit dieser Stellung
assoziiere.
Wenn man mich also fragte: “Spürst Du irgend
etwas, wovon Du sagen willst, Du würdest es in der gestreckten Lage,
nicht fühlen; oder geht Dir ein Gefühl ab || oder ist
ein Gefühl jetzt abwesend, welches in der andern Lage
vorhanden wäre?” – so müßte
ich mit Nein antworten. |
1467.
“Ist Vergnügen eine Empfindung?”
(Ivor Armstrong
Richards).
Das heißt also etwa: Ist Vergnügen so
etwas, wie ein Ton, oder ein Geruch?
– Aber ist ein Ton so etwas wie ein Geruch?
Inwiefern? – 271 – |
1468.
Wer fragt, ob Vergnügen eine Empfindung ist, unterscheidet wahrscheinlich
nicht zwischen Grund und Ursache, denn sonst fiele ihm auf,
daß man, an etwas Vergnügen hat, was
nicht heißt, daß dies
Etwas eine Empfindung in uns
verursacht. |
1469.
Aber Vergnügen geht doch jedenfalls mit einem Gesichtsausdruck
zusammen, und den sehen wir zwar nicht an uns selbst, aber spüren ihn
doch.
Und versuch einmal über etwas sehr Trauriges nachzudenken mit dem Gesichtsausdruck strahlender Freude! |
1470.
Es ist ja möglich, daß die Drüsen des Traurigen
anders sezernieren, als die des Fröhlichen; auch,
daß diese Sekretion
die, oder eine, Ursache der Trauer
ist.
Aber folgt daraus, daß die Trauer eine durch
diese Sekretion hervorgerufene Empfindung ist?
|
1471.
Aber der Gedanke ist hier: “Du fühlst
doch die Trauer ‒ ‒ ‒ also mußt Du sie
irgendwo fühlen; sonst wäre sie eine
Chimäre.”
Aber wenn Du das || so denken
willst, rufe Dir nur die Verschiedenheit von Sehen und Schmerz ins
Gedächtnis.
Ich fühle den Schmerz in der Hand ‒ ‒ ‒ und die Farbe im
Auge?
So wie wir hier ein Schema verwenden wollen, statt
bloß das wirklich Gemeinsame zu notieren,
sehen wir alles falsch vereinfacht. || notieren,
machen wir uns ein falsch vereinfachtes Bild unserer Begriffswelt.
Es ist so, als sagten wir, alle Pflanzen im Garten
hätten Blüten, alle Blütenblätter – Früchte –
Samen. |
1472.
Ein Geruch kann höchst angenehm sein.
Ist das Angenehme an ihm nur eine Empfindung?
Dann würde also die Empfindung der Annehmlichkeit den Geruch
begleiten.
Wie aber würde sie sich auf ihn beziehen?
Freilich, der Ausdruck der Annehmlichkeit ist seiner Art
nach ähnlich dem Ausdruck einer Empfindung, insbesondere des
Schmerzes.
Aber Freude hat keinen Ort; es gibt freudige Gedanken, aber nicht
zahnschmerzliche.
Aber – möchte man sagen – ob Freude eine Empfindung sei, oder was sie sei, muß man doch merken, wenn man sie hat! – (Und warum besonders, wenn man sie hat, und nicht, wenn man sie nicht hat?) Merkst Du auch das Wesen der Eins, wenn Du einen Apfel ißt, und das Wesen der Null, wenn Du keinen ißt? |
1473.
Willkürlichkeit hängt mit Absichtlichkeit zusammen.
Und daher auch mit Entschluß.
Man entschließt sich nicht zu einem Herzkrampf und
hat ihn nun. – 272 – |
1474.
Man ruft sich ein Niesen, oder einen Hustenanfall hervor, aber nicht
eine willkürliche Bewegung.
Und der Wille ruft das Niesen nicht hervor und auch nicht das
Gehen. |
1475.
Empfindung, das ist das, was man für unmittelbar
gegeben und konkret hält, was man nur anzuschauen braucht, um es zu
erkennen; das, was wirklich da ist.
(Die Sache, nicht ihr Abgesandter.) |
1476.
“Ich weiß, ob ich meiner Überzeugung
gemäß, oder ihr entgegen
rede.”
So ist die Überzeugung das Wichtige.
Im Hintergrund meiner Äußerungen || Reden.
Welches starke Bild.
Man könnte Überzeugung und Rede malen. (“aus der
tiefsten Brust”).
Und doch, wie wenig zeigt dieses Bild! |
1477.
“Der Geruch ist herrlich!”
Ist ein Zweifel darüber, daß der Geruch es ist,
der herrlich ist?
So ist es eine Eigenschaft des Geruches? – Warum nicht? Es ist eine Eigenschaft der Zehn durch zwei teilbar zu sein, und auch, die Zahl meiner Finger zu sein. Es könnte aber eine Sprache geben, in der die Leute nur die Augen schließen und sagen “Oh, dieser Geruch!” und es keinen Subjekt-Prädikat-Satz gibt, der dem äquivalent ist. || der dem Ausruf äquivalent ist. Das ist eben eine ‘spezifische’ Reaktion. |
1478.
Ist das, wovon er sagt, er habe es, und wovon ich sage, ich habe es,
ohne daß wir dies aus irgendeiner Beobachtung
erschließen, – ist es dasselbe, wie das, was
wir aus der Beobachtung des Benehmens des Andern und aus seiner
Überzeugungsäußerung
entnehmen? |
1479.
Kann man sagen: Ich
schließe, daß er
handeln wird, wie er zu handeln
beabsichtigt? |
1480.
Ich schließe auf die Folgen seiner Überzeugung aus
dem Ausdruck seiner Überzeugung; aber nicht auf die Folgen meiner
Überzeugung aus ihrem Ausdruck. |
1481.
Denk Dir einen Beobachter, der, gleichsam automatisch, seine
Beobachtungen ausspricht.
Ja, er hört sich reden, nimmt aber sozusagen keine Notiz davon.
Er sieht, daß der Feind herannaht und meldet es,
beschreibt es, aber wie eine Maschine.
Wie wäre das?
Nun, er handelt nicht seiner Beobachtung
gemäß.
Man könnte von ihm sagen, er spreche aus, was er sieht, aber er
glaube es nicht.
Es dringe, sozusagen, in ihn nicht ein. |
1482.
Warum schließe ich aus meinen eigenen Worten nicht
auf einen Zustand, aus dem Worte und Handlungen entspringen?
Ich schließe, vor allem, aus
– 273 – meinen Worten nicht
auf meine wahrscheinlichen Handlungen. |
1483.
Gefragt “Wirst Du so handeln?”–
überlege ich mir Gründe und
Gegengründe. |
1484.
Aber bedenke: “Ich nehme doch manchmal des andern
Wort, – so müßte ich doch zum mindesten
manchmal auch das meine dafür nehmen, daß ich der
und der Überzeugung bin.
Wenn ich aber, quasi automatisch, meine Beobachtung berichte, so hat
dieser Bericht mit meiner Überzeugung gar nichts zu tun.
Wohl aber könnte ich mir, oder meinem beobachtenden Ich, ebenso
vertrauen, wie das ein anderer tut.
Ich könnte also sagen: “Ich sage ‘es
regnet’, da wird es wohl so sein”.
Oder: “Der Beobachter in mir sagt ‘es
regnet’, und ich bin geneigt, ihm zu
glauben.” –
Ist es denn nicht so – oder ähnlich – wenn ein Mensch sagt,
Gott habe zu ihm, oder durch seinen Mund,
gesprochen? |
1485.
Die wichtige Einsicht ist, daß es ein
Sprachspiel gibt, in welchem ich, automatisch, eine
Mitteilung mache, die von den andern ganz so behandelt werden kann, wie
eine nicht automatische ‒ ‒ ‒ nur daß hier von
einem ‘Lügen’ nicht die Rede sein wird || kann – eine Mitteilung, die ich
selbst wie die eines Dritten empfangen kann.
Die ‘automatische’ Aussage, Meldung,
etc., könnte man auch ein ‘Orakel’
nennen. –
Das heißt aber freilich, daß
sich das Orakel nicht der Worte “ich glaube … ”
bedienen dürfte. |
1486.
Wo steht denn in der Logik, daß eine Behauptung
nicht in Trance gemacht werden
darf?! |
1487.
“Schaue ich hinaus, so sehe ich, daß es
regnet; schaue ich in mich, so sehe ich, daß
Ich's nicht glaube || daß ich's
glaube.”
Und was soll man nun mit dieser Mitteilung anfangen? |
1488.
“Angenommen, es regnet und ich glaube es nicht” –
wenn ich das, was diese Annahme annimmt, behaupte, – so spaltet
sich, sozusagen, meine Persönlichkeit.
“Dann spaltet sich meine Persönlichkeit” heißt: Dann spiele ich nicht mehr das gewöhnliche Sprachspiel, sondern ein anderes. |
1489.
Die Worte ‘Es regnet’ sind in seine Seele
geschrieben” – dies soll so viel || soviel
heißen wie (d.h. ersetzbar
sein durch) “Er glaubt, daß es
regnet”.
“Die Worte ‘Es regnet’ sind in meine
Seele geschrieben” – heißt etwa
soviel wie: “Ich kann mich von dem Glauben nicht
befreien, daß … ”, “Die
Idee hat von mir Besitz ergriffen, daß
…”. – 274
–
Bedenke nämlich, daß die Worte “Ich
glaube, es regnet” und “Es dürfte
regnen” das Gleiche || gleiche sagen können:
insofern nämlich, als es in gewissen Zusammenhängen keinen
Unterschied macht, welchen der beiden Sätze wir verwenden.
(Und befreie Dich von der Idee, daß den einen
ein anderer geistiger Vorgang begleitet, als den anderen!)
Die beiden Sätze können das Gleiche || gleiche sagen, obwohl dem ersten ein “Ich glaube
… ” und “Er glaubt … ”
etc. entspricht, dem zweiten nicht.
Der erste ist eben mit einem andern Begriff
gebildet.
D.h.: um zu sagen, daß
es vielleicht regnet, brauchen wir den Begriff
“glauben” nicht, ob schon || obschon wir ihn dazu verwenden können.
Der Begriff, ein Satz sei einem ‘in die Seele
geschrieben’ ist nun ein dritter Begriff, der sich in der Anwendung
zum Teil mit den andern deckt, zum Teil nicht.
Ich will sagen, daß man zur Bildung der Aussage “Es dürfte … ” den ‘seltsamen’ Begriff ‘glauben’ nicht braucht, obwohl man ihn dazu gebrauchen kann. |
1490.
Bedenke auch: ‘Es dürfte regnen und es
regnet’ heiß nichts, und ebenso
‘Es dürfte regnen und es regnet
nicht’.
Dagegen kann man sagen ‘Es scheint zu regnen und es
regnet’ und auch ‘Es scheint … und es
regnet nicht’.
Und ‘Es scheint zu regnen’ kann den gleichen Sinn
haben, wie ‘Es dürfte regnen’. |
1491.
Wie weiß ich, ich sei im Glauben;
…?
Schaue ich in mich?
Ja, nützt es mir irgend etwas, wenn
ich mich beobachte?
Nun, ich könnte mich etwa fragen:
“Um wieviel würde ich in diesem Falle
wetten?” |
1492.
Verstellung.
Schmerzen heucheln.
Es besteht nicht einfach darin, daß man
die Äußerung des Schmerzes von sich gibt, ohne
Schmerzen zu haben.
Es muß ein Motiv des
Heuchelns da sein, also eine Situation, die nicht einfach || ganz einfach zu beschreiben ist.
Sich krank und schwach stellen, um den Helfenden dann zu
überfallen. –
“Aber es ist doch da ein innerer
Unterschied!”
Natürlich; nur ist “innerer” hier eine gefährliche
Metapher. –
Aber der ‘Beweis’, daß ein innerer
Unterschied vorliegt, ist ja, daß ich
gestehen kann, ich habe geheuchelt.
Ich gestehe eine Absicht.
‘Folgt’ daraus, daß
die Absicht etwas Inneres war? |
1493.
Das ‘wirklich Unendliche’ ist ein
‘bloßes Wort’.
Besser wäre, zu sagen: dieser Ausdruck schafft vorläufig
bloß ein Bild, – das noch in der Luft hängt;
dessen Anwendung Du uns noch schuldig bist. – 275 – |
1494.
Eine unendlich lange Kugelreihe, ein unendlich langer Stab.
Denk Dir, davon sei in einer Art Märchen die Rede.
Welche Anwendung könnte man, wenn auch nur fiktiv, von diesem Begriff
machen?
Die Frage sei jetzt nicht: kann es so etwas geben?
Sondern: Was stellen wir uns vor?
Laß also Deiner || Deine Einbildung wirklich die Zügel
schießen!
Du kannst es jetzt haben, wie Du willst.
Du brauchst nur zu sagen, wie Du's willst.
Mach also nur ein Wortbild; illustrier es, wie Du willst – durch
Zeichnungen, durch Vergleiche, etc.!
Du kannst also, gleichsam, eine Werkzeichnung anfertigen.
Und nun ist noch die Frage, wie nach ihr gearbeitet werden
kann. |
1495.
“Wie aber kann der menschliche Geist || Verstand der Wirklichkeit voranfliegen,
und selbst das Unverifizierbare denken?”
–
Warum sollen wir nicht das Unverifizierbare
reden?
Wir machten es ja selbst unverifizierbar.
Es wird ein falscher Schein erzeugt? Und wie kann es auch nur so scheinen? Willst Du denn nicht sagen, daß dies So auch nicht einmal eine Beschreibung ist? Nun, dann ist es also kein falscher Schein, sondern vielmehr einer, der uns der Orientierung beraubt. Sodaß wir eben fragen: Wie ist es möglich? |
1496.
Sowie das Wort ausgesprochen war, wünschte ich, ich hätte es nicht
gesagt. –
Wie bezog sich mein Wunsch auf das ausgesprochene Wort?
Ich fühlte, daß das Wort unpassend war, sobald ich es ausgesprochen hatte. Aber die Zeichen, an die ich mich erinnere, waren nur wie leise Andeutungen. Kleinigkeiten, aus denen ich die Absicht, den Wunsch, etc., etwa hätte erraten können. Es gibt Schamanlässe – Situationen – und Schambenehmen. Sowie es Erwartungsanlässe und Erwartungsbenehmen gibt. |
1497.
Wenn eine Katze vor dem Mauseloch lauert – nehme ich an, sie denke an
die Maus?
Wenn ein Räuber auf sein Opfer wartet, – gehört dazu, daß er an diesen Menschen denkt? Muß er sich dabei dies und jenes überlegen? Vergleiche den, der dies zum ersten Mal tut, mit einem, der es schon unzählige male || Male getan hat! (lesen) |
1498.
Es könnte ein Verbum geben, welches bedeutet: die Absicht durch
Worte, oder andere Zeichen, laut, oder in
Gedanken, aussprechen.
Dies Zeitwort wäre nicht gleichbedeutend unserem
“beabsichtigen”. – 276 –
Es könnte ein Verbum geben, welches bedeutet: einer Absicht
gemäß handeln; und dieses wäre auch
nicht gleichbedeutend mit “beabsichtigen”.
Wieder ein anderes könnte bedeuten: über eine Absicht brüten; oder, sie im Kopfe hin und her wälzen. |
1499.
Wenn ich meinen Kaffee bereite, so beabsichtige ich, ihn zu
trinken.
Wenn ich ihn nun ohne diese Absicht bereitete –
müßte da eine Begleitung dieser Handlung
fehlen?
Geht während des normalen Tuns irgend etwas vor sich, was es
als Tun in dieser Absicht charakterisiert?
Wenn man mich aber fragte, ob ich ihn zu trinken beabsichtige, und ich
antwortete “ja freilich!” –
würde ich etwas über meinen gegenwärtigen Zustand
aussprechen?
So reagiere ich in diesem Falle; und das läßt sich aus meiner Reaktion entnehmen. |
1500.
Man kann einen Glauben, Wunsch, eine Furcht, Hoffnung, Zuneigung einen
Zustand des Menschen nennen; wir können auf diesen Zustand bei unserm
Betragen gegen diesen Menschen rechnen, aus seinem Zustand auf seine
Reaktionen schließen.
Und sagt einer “Ich war all diese Zeit im Glauben … ”, “Ich hegte Zeit meines Lebens den Wunsch … ”, etc., so berichtet er von einem Zustand, einer Einstellung. – Sagt er aber “Ich glaube, er kommt” (oder einfach “Da kommt er”) oder “Ich wünsche, daß Du kommst” (oder einfach “Bitte komm”) dann handelt er, spricht er, jenem Zustand gemäß, berichtet nicht, er befinde sich in ihm. Aber wenn das richtig wäre, dann sollte es doch eine gegenwärtige Form jener Berichte geben, also einerseits, z.B., die Äußerung “Ich glaube … ”, anderseits einen Bericht “Ich bin im Glauben ….” Und Ähnliches für den Wunsch, die Absicht, Furcht, etc.. |
1501.
Jemand könnte erzählen: “Ich erinnere mich meines
Zustands in jenen Jahren sehr genau; wenn immer man mich fragte … ,
antwortete ich … ; das war meine Einstellung.”
|
1502.
Es gibt eine Ekelreaktion, in mir und im andern, es gibt auch
Ekelgefühle.
Und darin gleichen sich Ekel, Furcht, Zuneigung,
u.a.; aber nicht Hoffnung, Glaube,
u.a.. |
1503.
Gram wiederholt sich unablässig den traurigen
Gedanken.
Ein Gedanke kann traurig, ekelerregend, entzückend
sein, etc.; wie aber zeigt der
– 277 – Ausdruck,
daß es dieser Gedanke ist, auf den wir so
reagieren?
Wie wehrt man einen Gedanken ab? |
1504.
Soll ich den ganzen Bereich des Psychologischen den des
‘Erlebens’ nennen?
Also etwa alle psychologischen Verben
‘Erlebnisverben’.
(‘Erlebnisbegriffe’) Ihr
Charakteristikum ist dies, daß ihre dritte Person
auf Grund von Beobachtungen ausgesprochen wird, nicht aber die
erste.
Jene Beobachtung ist Beobachtung des Benehmens.
Eine Unterklasse der Erlebnisbegriffe sind die
‘Erfahrungsbegriffe’.
‘Erfahrungen’ haben Dauer, einen Verlauf; sie
können gleichförmig, oder ungleichförmig verlaufen.
Sie haben Intensität.
Sie sind nicht Charaktere von Gedanken.
Vorstellung ist Erfahrung.
Eine Unterklasse der ‘Erfahrungen’ sind die
‘Eindrücke’.
Eindrücke haben räumliche und zeitliche Beziehungen
zueinander.
Es gibt Mischeindrücke.
Z.B. Gemische von Gerüchen, Farben, Klängen.
‘Gemütsbewegungen’ sind
‘Erlebnisse’, aber sind nicht
‘Erfahrungen’.
(Beispiele: Trauer, Freude, Gram, Entzücken.)
Und man könnte unterschieden || unterscheiden ‘gerichtete
Gemütsbewegungen’ und ‘ungerichtete
Gemütsbewegungen’.
Die Gemütsbewegung hat Dauer; sie hat keinen Ort; sie hat
charakteristische Erfahrungen und Gedanken; sie hat einen
charakteristischen mimischen Ausdruck.
Denken ist Reden unter bestimmten Umständen, und anderes, was ihm
entspricht.
Gemütsbewegungen färben Gedanken.
Eine Unterklasse der ‘Erlebnisse’ sind die Formen der
‘Überzeugung’.
(Glauben, Gewißheit, Zweifel,
etc.)
Ihr Ausdruck ist ein Ausdruck von Gedanken.
Sie sind nicht ‘Färbungen’ von Gedanken.
Die gerichteten Gemütsbewegungen könnte man auch
“Stellungnahmen” nennen.
Auch Überraschung und Schreck sind Stellungnahmen, und auch
Bewunderung, Genuß. |
1505.
Wohin gehört aber Erinnerung und wohin
Aufmerksamkeit?
Man kann sich in einem Augenblick einer Situation, oder
Begebenheit erinnern.
Insofern ist also der Begriff des Erinnerns ähnlich dem des
augenblicklichen Verstehens, sich
Entschließens. |
1506.
Mein Benehmen ist eben manchmal Gegenstand meiner Beobachtung aber doch
selten.
Und das hängt damit zusammen, daß ich mein
Benehmen beabsichtige.
Selbst wenn der Schauspieler im Spiegel seine eigenen Minen beobachtet,
oder der Musiker genau auf jeden Ton seines Spiels merkt und ihn
beurteilt, so geschieht es doch, um seine Handlung danach zu
richten || lenken. – 278 – |
1507.
Was heißt es z.B.,
daß Selbstbeobachtung mein
Handeln, meine Bewegungen, unsicher
macht?
Ich kann mich nicht unbeobachtet beobachten. Und ich beobachte mich nicht zu dem gleichen Zweck, wie den Andern. |
1508.
Wenn ein Kind im Zorn mit den Füßen stampft und
heult, – wer würde sagen, es täte dies unwillkürlich?
Und warum?
Warum nimmt man an, es täte dies nicht unwillkürlich?
Was sind die Zeichen des willkürlichen
Handelns?
Gibt es solche Zeichen? –
Was sind denn die Zeichen der unwillkürlichen Bewegung?
Sie folgt Befehlen nicht, wie die willkürliche Handlung.
Es gibt ein “Komm her!”,
“Geh dort hin!”, “Mach diese
Armbewegung!”; aber nicht
“Laß Dein Herz schnell
gehen!” |
1509.
Es gibt ein bestimmtes Zusammenspiel von Bewegungen, Worten, Minen, wie
den || die
Äußerungen des Unwillens, oder der Bereitschaft, die
die willkürlichen Bewegungen des normalen Menschen
charakterisieren.
Wenn man das Kind ruft, so kommt es nicht automatisch: Es
gibt da, z.B. die Gebärde “Ich will
nicht!”
Oder das freudige Kommen, den
Entschluß zu kommen, das Fortlaufen mit dem Zeichen
der Furcht, die Wirkungen des Zuredens, alle die Reaktionen des Spiels,
die Zeichen des Überlegens und seine Wirkungen. |
1510.
Eine Melodie ging mir durch den Kopf.
War es willkürlich, oder unwillkürlich?
Eine Antwort wäre: Ich hätte es auch lassen können, sie mir
innerlich vorzusingen.
Und wie weiß ich das?
Nun, weil ich mich für gewöhnlich unterbrechen kann, wenn ich
will. |
1511.
Wie könnte ich mir beweisen, daß ich meinen Arm
willkürlich bewegen kann?
Etwa, indem ich mir sage “Ich werde ihn jetzt
bewegen” und er sich nun bewegt?
Oder soll ich sagen “Einfach, indem ich ihn
bewege”?
Aber wie weiß ich, daß
ich's getan habe und er sich nicht nur durch Zufall bewegt
hat?
Fühle ich's am Ende doch?
Und wie, wenn mich meine Erinnerung an frühere Gefühle täuschte, und es
also gar nicht die richtigen maßgebenden Gefühle
waren?!
(Und welches sind die richtigen?)
Und wie weiß der andere, ob ich den
Arm willkürlich bewegt habe?
Ich werde ihm vielleicht sagen “Befiehl mir, welche
Bewegung Du willst, und ich werde sie machen, um Dich zu
überzeugen”. –
Und was fühlst Du denn in Deinem Arm?
“Nun, das Gewöhnliche.”
Es ist nichts Ungewöhnliches an den Gefühlen, der Arm ist
z.B. nicht gefühllos (wie wenn er
‘eingeschlafen’ wäre). |
1512.
Eine Bewegung meines Körpers, von der ich nicht
weiß, daß sie
– 279 – stattfindet, oder
stattgefunden hat, wird man unwillkürlich nennen. –
Wie ist es aber, wenn ich bloß
versuche ein Gewicht zu heben, eine Bewegung also nicht
stattfindet?
Wie wäre es, wenn einer sich unwillkürlich anstrengte ein Gewicht zu
heben?
Unter welchen Umständen würde man dies Verhalten
‘unwillkürlich’ nennen? |
1513.
Kann nicht die Ruhe ebenso willkürlich sein, wie Bewegung?
Kann das Unterlassen der Bewegung nicht willkürlich sein?
Welch besseres Argument gegen ein Innervationsgefühl? |
1514.
“Dieser Blick war nicht
beabsichtigt” heißt manchmal:
“Ich wußte nicht,
daß ich so geschaut habe”, oder
“Ich wollte nichts damit sagen”. |
1515.
Es sollte uns nicht so selbstverständlich vorkommen,
daß uns das Gedächtnis den vergangenen innern
Vorgang ebenso zeigt, wie den vergangenen
äußern. |
1516.
Vorstellung ist willkürlich, Erinnerung unwillkürlich, sich
etwas ins Gedächtnis rufen aber
willkürlich. |
1517.
Was für ein merkwürdiger Begriff ‘versuchen’,
‘trachten’ ist; was man alles ‘zu tun
trachten’ kann!
(Sich erinnern, ein Gewicht heben, aufmerken, an nichts
denken.)
Aber dann könnte man auch sagen: Was für ein merkwürdiger
Begriff ‘tun’ ist!
Welches sind die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen
‘Reden’ und ‘Denken’, zwischen
‘Reden’ und ‘zu sich selbst
reden’.
(Vergleiche die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den
Zahlenarten.) |
1518.
Man zieht ganz andere Schlüsse aus der
unwillkürlichen Bewegung, als aus der willkürlichen: das
charakterisiert die willkürliche Bewegung. |
1519.
Aber wie weiß ich, daß diese
Bewegung willkürlich war? –
Ich weiß es nicht, ich
äußere es. |
1520.
“Ich ziehe so stark, als || wie ich kann.”
Wie weiß ich das?
Sagt es mir ein || mein
Muskelgefühl?
Die Worte sind ein Signal; und sie haben eine
Funktion.
Aber erlebe ich denn nichts? Erlebe ich denn nicht etwas? etwas Spezifisches? Ein spezifisches Gefühl der Anstrengung und des Nicht-weiter-könnens, des Anlangens an der Grenze? Freilich, aber diese Ausdrücke sagen nicht mehr, als “Ich ziehe so stark, als || wie ich kann.” |
1521.
Es ist aber doch wichtig, daß es alle diese
Paraphrasen gibt!
Daß man die Sorge mit den Worten beschreiben kann
“Ewiges Düstere steigt
– 280 –
herunter”.
Ich habe vielleicht die Wichtigkeit dieses Paraphrasierens
nie genügend betont.
Man stellt die Freude dar durch ein lichtumflossenes Gesicht durch Strahlen, die von ihm ausgehen. Natürlich heißt das nicht, daß Freude und Licht einander ähnlich sind; aber wir assoziieren – gleichgültig warum – die Freude mit Licht. Es könnte ja sein, daß diese Assoziation dem Kind, wenn es sprechen lernt, beigebracht wird, daß sie nicht natürlicher ist, als der Klang der Wörter selbst ‒ ‒ ‒ genug, daß sie besteht. (“Beethoven” und Beethoven's Werke.) |
1522.
Die Trauer dem bleigrauen Himmel ähnlich?!
Und wie kann man das herausfinden?
Indem man den Trauernden und den
Himmel betrachtet?
Oder sagt es der Trauernde?
Und ist es dann nur für seine Trauer wahr, oder für die
Trauer eines jeden? |
1523.
Wenn aber nun einer sagt, seine Trauer gleiche einer
grauen Wolke, – soll ich es glauben, oder nicht? –
Man könnte ihn fragen, ob sich die beiden in etwas
gleichen, in einer bestimmten Hinsicht.
(Wie z.B. zwei Gesichter; oder wie ein
plötzlicher starker Schmerz einem Aufflammen.)
Man kann Beziehungen – interne Beziehungen und
Zusammenhänge – dessen angeben, was man bei
verschiedenen Eindrücken ‘Intensitäten’
nennt. |
1524.
‘a ist zwischen b und c, und dem b näher
als dem c’ dies ist eine charakteristische Relation
zwischen Empfindungen gleicher Art.
D.h., es gibt z.B. ein
Sprachspiel mit dem Befehl “Erzeuge eine Empfindung
zwischen dieser und dieser, und der ersten
näher als der zweiten!”
Und auch: “Nenne zwei Empfindungen, zwischen
welchen diese liegt”. |
1525.
Und da ist es wichtig, daß man
z.B. bei Grau “Schwarz und
Weiß” zur Antwort kriegen wird; bei
Violett “Blau und Rot”, bei Rosa
“Rot und Weiß”,
etc.; aber nicht bei
Olivengrün “Rot und Grün”.
|
1526.
Woran erkennt man, daß der Ausdruck der Freude nicht
der Ausdruck eines Körperschmerzes ist?
(Eine wichtige Frage.) |
1527.
Woher weiß man, daß der
Ausdruck des Genusses nicht der einer Empfindung ist? |
1528.
Eine Figur als dies oder als jenes ansprechen.
Sprichst Du die Figur immer, während Du sie siehst, als dies oder das
an?
Freilich: gefragt, was diese Figur vorstellt, würde ich immer
sagen: “Einen Hasen”; aber ich bin
mir dessen so wenig ständig bewußt, wie dessen,
daß dies – 281
– hier ein wirklicher Tisch ist.
Denn spreche ich ein Bild immer als das Bild dieses
Gegenstandes an, dann auch jeden Gegenstand als Ding dieses bestimmten
Gebrauches, etc.. |
1529.
Wenn einer zum ersten Mal merkt,
daß das Bild doppeldeutig ist, könnte er etwa mit
dem Ausruf reagieren: “Ah, ein Hase!”
etc.; aber er würde doch wenn er nun
das Bild dauernd in einem Aspekt sieht nicht ununterbrochen ausrufen
wollen “Ah, ein …!” |
1530.
Ich will sagen, daß der natürliche, primitive,
Ausdruck des Erlebnisses, des
Aspekts so ein Ausruf wäre, es könnte auch ein Aufleuchten der Augen
sein.
(Es fällt mir etwas auf!) |
1531.
Wenn ich sage, ich sehe diese Figur dauernd rot, so
heißt das, daß die
Beschreibung, sie sei rot – die Beschreibung in Worten oder durch
ein Bild – dauernd, ohne Änderung, richtig ist; im
Gegensatz also zu dem Falle, in welchem sich
die Figur ändert. –
Die Versuchung ist ja eben, den Aspekt mit den Worten zu beschreiben
“Ich sehe es so” ohne auf etwas zu
zeigen.
Und wenn man ein Gesicht mit seiner Blickrichtung als Pfeil beschreibt,
so will || möchte man sagen:
“Ich sehe dies:
und nicht
dies:”. |
1532.
Dem dauernden Sehen als entspricht dann,
daß diese Beschreibung, ohne Änderung, die richtige
ist und das heißt nur,
daß der Aspekt nicht gewechselt wurde.
|
1533.
Talk of hallucination! –
Was könnte es seltsameres geben, als daß uns der
Punkt, das Auge, Richtung zu haben scheint! |
1534.
Wenn ich über den Gesichtsausdruck dieser Figur nachdenke, – wie
mache ich's, über den Ausdruck von und nicht von
nachzudenken? |
1536.
Es ist doch, als sähe man das Bild: einmal, zusammen mit
einer Gruppe von Bildern, ein andermal mit einer
andern.
Was heißt hier: “Es ist als
sähe man”?
Dies heißt etwas ähnliches wie:
dieser Vorgang könnte den tatsächlichen vertreten, hätte
die rechte ‘Multiplizität’. |
1537.
Es ist – im Gegensatz zu Köhler – gerade eine
Bedeutung, die || was
ich sehe. – 282 – |
1538.
Man könnte sagen, man erlebe die Bereitschaft zu einer
bestimmten Gruppe von Gedanken.
(Den Keim zu ihnen.) |
1539.
Es ist, als käme das Bild in einer Lage (oder in einer andern)
zur Ruhe.
Als könnte es in der Tat fluktuieren, und dann mit
bestimmten Akzenten zur Ruhe kommen.
Man sagt: “Ich sehe es jetzt (oder, meistens) als das.” Es ist uns wirklich, als wären nun die Striche zu dieser und nicht einer || der andern Form zusammengeschossen || zusammengeschlossen. Oder als wären sie in diese und nicht in die andere Hohlform gefallen. Und doch muß es sich uns nur darum handeln, den tatsächlichen Ausdruck unseres Erlebnisses, den ich ja mit allen diesen Bildern nur paraphrasiere, zu beschreiben; zu sagen, was das Wesentliche dieses Ausdrucks ist. |
1540.
Könnte einer die Figur so, oder so sehen, der
nicht von ihr zu Erklärungen etc. fortschreiten
könnte?
Könnte sie also jemand so und so sehen, der
nicht wüßte, wie Tierköpfe ausschauen, was ein Auge
ist, etc.?
Und damit meine ich natürlich nicht: “Wäre ein
solcher imstande, das zu tun, würde es ihm gelingen?”
Sondern: “Bedarf es dazu nicht dieser
Begriffe?” |
1541.
Ich sehe das Bild eines Pferdes: ich weiß
nicht nur, es sei ein Pferd, sondern auch, daß das
Pferd läuft || laufe.
Ich kann also nicht nur das Bild räumlich verstehen,
sondern ich weiß auch, was das Pferd
jetzt im Begriffe ist zu tun.
Denk Dir, einer sähe ein Bild einer Reiterattacke,
wüßte aber nicht, daß die Pferde
nicht in ihren diversen Stellungen stehen bleiben!
Es handelt sich mir aber nicht um eine Erklärung dieses Verstehens, etwa dadurch, daß man behauptet, der Betrachtende mache kleine Laufbewegungen, oder fühle Laufinnervationen. Welchen Grund hat man zu Annahmen dieser Art, außer den, es ‘müsse’ so sein? |
1542.
Wie aber, wenn man sagt “Man sieht
dieses gemalte Pferd laufen!” –
Damit will ich doch nicht nur sagen “Ich
weiß, daß dies ein laufendes
Pferd vorstellt”.
Man will damit etwas anderes sagen.
Denk Dir, jemand reagierte auf so ein Bild mit einer Handbewegung
und dem Ausrufe “Hui!”. Sagt
das nicht ungefähr dasselbe wie: er sähe das Pferd
laufen? || Mit dem Ausrufe
“Hui!” und einer schweifenden
Handbewegung.
Er könnte – 283
– auch ausrufen “Es
läuft!” und das wäre nicht die Feststellung, es laufe,
noch die, es scheine zu laufen.
So wie man sagt:
“Sieh, wie er läuft!” – nicht, um
den || dem andern eine Mitteilung zu
machen, sondern es ist eine Reaktion, in
der sich die Leute finden. || , sondern als
Ausruf, in dem ich und der andere einander
finden. |
1543.
Verstehen ist ähnlich dem Weiterwissen, also ein Können: aber
“Ich verstehe”, so wie “Ich
weiß weiter”, ist eine
Äußerung, ein
Signal. |
1544.
Ich kann ein Wort adjektivisch, oder substantivisch erleben.
Weiß ich, ob jeder, ob viele, mit denen ich rede,
diese Erlebnisse haben?
Wäre es wichtig, um zu wissen, was sie meinen?
|
1545.
Es war mir nicht aufgefallen, daß in
beiden Bildern die gleiche Kontur vorkam, denn ich hatte sie in einem
Bild so aufgefaßt, im andern
so.
Erst auf dem Umweg einer Überlegung sah ich ein, daß
die gleiche Kontur war. –
Ist das ein Beweis: ich hätte jedes Mal etwas
anderes gesehen? –
Es ist wichtig, daß die beiden Aspekte
miteinander unverträglich sind. |
1546.
Ist denn der Gesichtsausdruck etwas Optisches?
Ich könnte mir ein Bild denken, dessen Ausdruck
doppeldeutig wäre.
Und das ich etwa deshalb in einer anderen Umgebung
nicht wiedererkennen würde. || wiedererkennte.
Ich sage dann etwa: “Ach ja, das sind dieselben
Linien; aber sie sehen hier ganz anders aus.”
Und ich sehe ja wirklich, daß das Bild und das Bild das gleiche ist. || Und daß das Bild und das Bild das gleiche ist, sehe ich ja wirklich. Ich erkenne es nicht nur, sagen wir, durch Messung! |
1547.
Ich sehe, sagst Du, zwei verschiedene Gesichtsobjekte, die nur etwas
miteinander gemeinsam haben.
Denn Du betonst damit nur gewisse Analogien auf Kosten anderer.
Aber dieses Betonen muß nun doch
grammatisch gerechtfertigt werden. |
1548.
Wie ist es möglich, daß das Auge, dieser
Punkt, in einer Richtung blickt? –
“Sieh, wie er blickt!”
(Und dabei ‘blickt’ man selbst.)
Aber man sagt und tut das nicht in einem fort || einem fort, während man das Bild
betrachtet.
Und was ist nun dieses “Sieh, wie er
blickt!” – ist es der Ausdruck einer
Empfindung? – 284 – |
1549.
Ich hätte nie daran gedacht, die beiden Bilder so zur
Deckung zu bringen || auf einander || aufeinander zu legen, sie so zu
vergleichen.
Denn sie legen eine andere Vergleichsweise nahe.
Das Bild hat mit dem Bild auch nicht die leiseste Ähnlichkeit, möchte man sagen ‒ ‒ ‒ obwohl sie kongruent sind. |
1550.
“Jetzt weiß ich weiter” – ich
sehe, daß das eine Stirn ist und
das ein Schnabel.
Diese Linie ist stirnhaft, dieser Punkt augenhaft.
Aber wie kann der Gesichtseindruck einer Linie stirnhaft
sein?
Und was ist es, das mich sagen läßt, der
Gesichtseindruck selber sei es, der diese Eigenschaft hat? –
Nun, daß es kein Gedanke, keine
Deutung ist, daß es dauerhaft || dauerhaft ist, wie der
Gesichtseindruck. || Nun, daß
es nicht ein Deuten ist; daß es
dauerhaft, wie der Gesichtseindruck. |
1551.
Versuchen wir zu beschreiben, daß Menschen Absichten
haben!
Wie sähe so eine Beschreibung aus?
Für wen wäre es eine Beschreibung?
Frage Dich dies: Welchem Zweck soll sie dienen?
|
1552.
Man kann sehr ‘deutlich’ zu sich selber in der
Vorstellung reden, wenn man dabei die Information der Rede
durch Summen (bei geschlossenen Lippen) wiedergibt.
Auch Kehlkopfbewegungen helfen.
Aber das Merkwürdige ist ja eben, daß man die
Rede dann in der Vorstellung hört, und nicht
bloß, sozusagen ihr Skelett, im Kehlkopf
fühlt. |
1553.
Es ist dem ‘Vorstellen’ wesentlich,
daß zu seiner Äußerung die
Begriffe der Sinneswahrnehmung verwendet werden.
(Der Satz “Ich höre und ich höre nicht
… ” könnte als Ausdruck der Gehörvorstellung
gebraucht werden.
Eine Verwendung für die Form des Widerspruchs.)
Ein Hauptmerkmal, das Vorstellung vom Sinneseindruck und von der
Halluzination unterscheidet, ist dies, daß der
Vorstellende sich zur Vorstellung nicht beobachtend verhält,
also dies, daß die Vorstellung willkürlich
ist. |
1554.
Stelle Dir ein Gespräch vor, dessen einer Partner Du selbst bist, so
zwar, daß Du selbst in der Vorstellung redest.
Was Du selbst sprichst, wirst Du wahrscheinlich in Deinem Körper
(Kehlkopf, Brust) spüren.
Das aber beschreibt nur, definiert nicht, die Tätigkeit des Redens in
der Vorstellung. |
1555.
Das Gefühl des Unheimlichen.
Wie zeigt es sich?
Die Dauer so eines ‘Gefühls’.
Wie, z.B., sieht eine Unterbrechung des Gefühls
aus?
Wäre es, z.B., möglich, abwechselnd eine Sekunde
es zu haben, und wieder nicht zu haben?
Ist nicht unter seinen Merkmalen auch eine charakteristische Art des
285 Verlaufs (Beginns und
Endes), die es z.B. von einer Sinneswahrnehmung
unterscheidet? |
1556.
Das Sprechen der Musik.
Vergiß nicht, daß ein Gedicht,
wenn auch in der Sprache der Mitteilung abgefaßt,
nicht im Sprachspiel der Mitteilung verwendet wird.
Könnte man sich nicht denken, daß einer, der Musik nie gekannt hat und zu uns kommt und jemand || jemanden einen nachdenklichen Chopin spielen hört, daß der überzeugt wäre, dies sei eine Sprache und man wolle ihm nur den Sinn geheimhalten. In der Wortsprache ist ein starkes musikalisches Element. (Ein Seufzer, der Tonfall der Frage, der Verkündigung, der Sehnsucht, alle die unzähligen Gesten des Tonfalls.) |
1557.
“Man suche nichts hinter den Phänomenen; sie selbst sind die
Lehre.”
(Goethe.) |
1558.
Ich beobachte sein Gesicht genau.
Warum?
Was lehrt es mich?
Ob er traurig, oder fröhlich, z.B..
Aber warum interessiert mich das?
Nun, wenn ich seine Stimmung kennen lerne,
so ist es, wie wenn ich den Zustand eines Körpers (seine Temperatur,
z.B.) kennen lernte;
ich kann mancherlei Schlüsse daraus ziehen.
Und darum beobachte ich im gleichen Fall mein eigenes Gesicht
nicht.
Beobachtete ich mich, so wäre mein Gesicht nicht mehr ein
verläßlicher Index; und ich könnte auch, wenn es
dies || das für einen andern wäre,
keine Schlüsse aus ihm ziehen. |
1559.
Sich eines Gedankens schämen.
Schämt man sich dessen, daß man den und den Satz
zu sich selbst in der Vorstellung gesprochen hat?
Die Sprache hat eben eine vielfache Wurzel; sie hat Wurzeln, nicht eine Wurzel. |
1560.
“Der Gedanke stand in diesem Augenblick vor meiner
Seele.” –
Und wie? –
“Ich hatte dieses Bild.” –
So war das Bild der Gedanke?
Nein; denn hätte ich einem bloß das Bild
mitgeteilt, so hätte er nicht den Gedanken erhalten. |
1561.
Das Bild war der Schlüssel.
Oder es erschien doch als Schlüssel. |
1562.
Wie unterscheiden sich Gesichtseindrücke von
Gehörseindrücken? –
Soll ich antworten: “Das
läßt sich nicht sagen; aber wer sieht und hört,
weiß, daß sie
total verschieden
sind”?
Könnte man sich denken, daß bei einem Menschen
ein bestimmter Gesichtseindruck derselbe wäre, wie
ein 286
bestimmter Gehörseindruck?
sodaß er diesen einen
Eindruck durchs Auge und durch's Ohr erhalten
könnte?
Würde dieser etwa auf ein Bild zeigen und einen Ton am Klavier
anschlagen und uns sagen, diese beiden seien
identisch?
Und würden wir ihm das glauben?
Und warum nicht?
Würden wir ihm glauben, daß die
‘Affektion der Seele’ in beiden Fällen dieselbe
sei?
Und wenn wir's glaubten, wie könnten wir das Faktum
verwenden? |
1563.
Der Stammbaum der psychologischen Phänomene: Nicht
Exaktheit strebe ich an, sondern Übersichtlichkeit. |
1564.
Was das Bündel der ‘Sinneseindrücke’ zusammenhält, sind
ihre Relationen zu einander || zueinander.
Das, was ‘rot’ ist, ist auch
‘süß’ und ‘hart’
und ‘kalt’, und ‘klingt’, wenn man es
anschlägt.
In dem Sprachspiel mit diesen Wörtern heißt es
ursprünglich nicht “Dies scheint rot”,
sondern “Dies ist rot” (hart,
etc.).
Unsere Übereinstimmung ist dem Sprachspiel wesentlich.
Anders ist es aber mit “angenehm”,
“unangenehm”, “schön”,
“häßlich”.
Schmerz ist in mancher Weise analog den übrigen Sinneseindrücken, in mancher Weise verschieden. Es gibt einen Gesichtsausdruck, Ausrufe, Gebärden des Schmerzes (wie der Freude), Zeichen der Ablehnung, einen Empfang, der für den Schmerz, aber nicht einen, der für die rote Farbe charakteristisch ist || der für die Empfindung Rot charakteristisch ist. Bitterkeit ist darin dem Schmerz verwandt. Man könnte sich einen Druck ohne Sinnesorgan denken. Es könnte einer hören, und so ziemlich alle Sprachspiele mit den Wörtern für Gehörseindrücke lernen, ohne Ohren zu haben, und ohne daß man weiß ‘womit’ er hört. Daß man mit den Ohren hört, zeigt sich ja verhältnismäßig sehr selten. Ja es könnte sein, daß einer hört, wie wir alle, und man erst später darauf kommt, daß seine Ohren taub sind. Der Inhalt der Erlebnisse. Man möchte sagen “So sehe ich Rot”, “So höre ich den Ton, den Du anschlägst”, “So fühle ich Vergnügen”, “So empfinde ich Trauer”, oder auch “Das empfindet man, wenn man traurig ist; das, wenn man sich freut”, etc.. Man möchte eine Welt, analog der physikalischen, mit diesen So und Das bevölkern. Das hat aber nur dort Sinn, wo es ein Bild des Erlebten gibt, worauf man bei diesen Aussagen zeigen kann. |
1565.
Wenn nur einer einmal eine Körperbewegung gemacht hätte,
287 – könnte die Frage sein,
ob sie willkürlich oder unwillkürlich war? |
1566.
“Wenn ich mich anstrenge, tue ich doch etwas, habe
doch nicht bloß eine Empfindung.”
Und so ist es auch; denn man befiehlt einem:
“Streng Dich an!” und er kann die Absicht
äußern “Ich werde mich jetzt
anstrengen”.
Und wenn er sagt “Ich kann nicht mehr!”
– so heißt das nicht “Ich kann
das Gefühl in meinen Gliedern – den Schmerz,
z.B., – nicht länger ertragen”. –
Anderseits aber leidet man unter der Anstrengung, wie
unter Schmerzen.
“Ich bin gänzlich erschöpft” – wer das sagte, sich
aber so frisch bewegte, wie je, den würde man nicht verstehen.
|
1567.
Der Aspekt ist dem Willen unterworfen.
Ich kann etwas nicht rot sehen, wenn es mir blau erscheint, und es hat
keinen Sinn, zu sagen “Sieh dies rot”, wohl aber
“Sieh dies als …”.
Und daß der Aspekt (wenigstens bis zu einem
gewissen Grade) willkürlich ist, scheint ihm wesentlich zu sein, wie
auch der Vorstellung, daß sie es ist.
Ich meine: die Willkürlichkeit scheint mir (aber
warum?) nicht nur eine Zutat zu sein; als sagte man
“Diese Bewegung läßt sich,
erfahrungsgemäß, auch so
hervorbringen”.
D.h.: Es ist wesentlich,
daß man sagen kann “Sieh es jetzt
so an!” und “Stell Dir vor
…!”
Denn das hängt damit zusammen, daß uns der Aspekt
nichts über die ‘äußere Welt
lehrt’.
Man kann die Worte “rot” und “blau”
lehren, indem man sagt “Dies ist rot und nicht
blau”; aber man kann einem || einen nicht die Bedeutung von “Figur” und
“Grund” lehren, indem man auf
eine doppeldeutige Figur zeigt. |
1568.
Wir lernen nicht Vorstellungen kennen und später erst, sie mit unserm
Willen zu lenken.
Und natürlich ist es überhaupt ganz falsch zu denken, wir lenkten sie,
sozusagen, mittels unseres Willens.
Als reagierte der Wille sie, wie Befehle Menschen regieren
können.
Als wäre also der Wille ein Einfluß, eine Kraft,
oder auch: eine primäre Handlung, die dann die
Ursache der wahrnehmbaren äußeren Handlungen
ist. |
1569.
Ist es richtig, zu sagen: was eine Handlung zu einer willkürlichen
macht, sind die psychischen Erscheinungen, in denen sie
eingebettet liegt?
(Die psychologische Umgebung.)
Sind, z.B., meine normalen Gehbewegungen “willkürlich” in einem nicht potentiellen Sinn? |
1570.
Ein Kind stampft mit den Füßen im Zorn: ist es
nicht willkürlich?
Und weiß ich irgend
etwas von seinen Bewegungsempfindungen, wenn es dies tut?
288
Im Zorn stampfen ist willkürlich.
Kommen, wenn man gerufen wird, in der gewöhnlichen Umgebung, ist
willkürlich.
Unwillkürliches Gehen, Spazierengehen, Essen, Sprechen, Singen wäre
(ein) Gehen, Essen, Sprechen, etc. in einer
abnormalen Umgebung.
Z.B.,
bewußtlos: wenn man im übrigen
handelt, wie in der Narkose; oder wenn die Bewegung vor
sich geht, und man weiß nichts von ihr, sobald man
die Augen schließt; oder wenn man die Bewegung
nicht einstellen kann, so sehr man sich auch bemüht;
etc.. |
1571.
Keine Annahme scheint mir natürlicher, als daß dem
Assoziieren, oder Denken, kein Prozeß im Gehirn
zugeordnet ist; sodaß es also unmöglich wäre, aus
Gehirnprozessen Denkprozesse abzulesen.
Ich meine das so: Wenn ich rede, oder schreibe, so geht,
nehme ich an, ein meine gesprochenen oder geschriebenen Gedanken
zugeordnetes System von Impulsen von meinem Gehirn aus.
Aber warum sollte das System sich weiter in zentraler
Richtung fortsetzen?
Warum soll nicht, sozusagen, diese Ordnung aus dem Chaos
entspringen?
Der Fall wäre ähnlich dem– daß sich gewisse
Pflanzenarten durch Samen vermehrten, so daß ein
Same immer dieselbe Pflanzenart erzeugt, von der er erzeugt wurde, –
daß aber nichts in dem Samen der
Pflanze, die aus ihm wird, entspricht; sodaß es
unmöglich ist, aus den Eigenschaften, oder der Struktur des Samens auf
die der Pflanze, die aus ihm wird, zu schließen,
– daß man dies nur aus seiner
Geschichte tun kann.
So könnte also auch aus etwas ganz Amorphem ein Organismus, sozusagen
ursachelos, werden; und es ist kein Grund, warum sich dies nicht mit
unserem Gedanken, also mit unserem Reden oder Schreiben
etc. wirklich so verhalten sollte.
|
1572.
Es ist also wohl möglich, daß gewisse psychologische
Phänomene physiologisch nicht untersucht werden können,
weil ihnen physiologisch nichts entspricht. |
1573.
Ich habe diesen Mann vor Jahren gesehen; nun sehe ich ihn wieder,
erkenne ihn, erinnere mich seines Namens.
Und warum muß es nun für dies Erinnern eine
Ursache in meinem Nervensystem geben?
Warum muß irgend etwas || irgendetwas, was immer, in irgendeiner
Form dort aufgespeichert worden sein?
Warum muß er eine Spur hinterlassen
haben?
Warum soll es keine psychologische
Gesetzmäßigkeit geben, der keine
physiologische entspricht?
Wenn das unsere Begriffe von der Kausalität umstößt,
dann ist 289
es Zeit, daß sie
umgestoßen werden. |
1574.
Das Vorurteil für den psycho-physischen Parallelismus ist auch
eine Frucht der primitiven Auffassung der Grammatik. Denn,
wenn man Kausalität zwischen psychologischen Erscheinungen
zuläßt, die nicht physiologisch vermittelt
ist, so denkt man damit das Eingeständnis eines nebelhaften
Seelenwesens zu machen. || , so meint man, damit ein
Zugestehen, es existiere eine Seele neben dem Körper, ein
geisterhaftes Seelenwesen. || Das Vorurteil zugunsten des psycho-physischen Parallelismus ist eine Frucht primitiver Auffassungen || primitiven Denkens der Grammatik. Denn wenn man Kausalität zwischen psychologischen Erscheinungen zuläßt, die nicht physiologisch vermittelt ist, so meint man damit die Existenz einer Seele neben dem Körper einzugestehen. |
1575.
Muß das Verbum “ich glaube” eine
Vergangenheitsform haben?
Nun, wenn wir statt “Ich glaube, er kommt”
immer sagten “Er dürfte kommen” (oder
dergleichen), aber dennoch sagten “Ich habe geglaubt
… ” – so hätte das Verbum “glauben”
keine Gegenwart.
Es ist charakteristisch für die Art und Weise, wie wir gewohnt sind,
die Sprache zu betrachten, daß wir glauben, es
müsse am Ende doch Gleichförmigkeit, Symmetrie, bestehen; statt,
umgekehrt, dafür zu halten, sie könne nicht bestehen.
|
1576.
Denk Dir diese Erscheinung: Wenn ich will,
daß jemand sich einen Text merkt, den ich
ihm vorspreche, so daß er ihn mir
später wiederholen kann, muß ich ihm ein Papier und
einen Bleistift geben; und während ich spreche, schreibt er Striche,
Zeichen auf das Papier; soll er später den
Text reproduzieren, so folgt er jenen Strichen mit den Augen und sagt den
Text her.
Ich nehme aber an, seine Aufzeichnung sei keine Schrift, sie
hänge nicht durch Regeln mit den Worten des Textes zusammen; und doch
kann er ohne diese Aufzeichnung den Text nicht reproduzieren; und wird an
ihr etwa etwas verändert || geändert,
wird sie zum Teil zerstört, so bleibt er beim ‘Lesen’
stecken, oder spricht den Text unsicher, oder unzuverlässig, oder kann
die Worte überhaupt nicht finden. –
Das ließe sich doch denken! –
Was ich die ‘Aufzeichnung’ nannte, wäre dann keine
Wiedergabe
des Textes, nicht eine Übersetzung sozusagen in einen anderen
Symbolismus.
Der Text wäre nicht in der Aufzeichnung
niedergelegt.
Und warum sollte er in unserm Nervensystem niedergelegt sein?
|
1576.(A)
Warum soll nicht ein Naturgesetz einen Anfangs- und
einen Endzustand 290
eines Systems verbinden, den Zustand zwischen beiden
aber übergehen?
(Nur denke man nicht an Wirkung!) |
1577.
Was man eine Änderung im Denken || in den
Begriffen nennt, ist natürlich nicht nur eine Änderung
im Reden, sondern auch eine im Tun. |
1578.
Die Terminologie sieht man, die Technik ihrer Anwendung sieht
man nicht. |
1579.
Man sagt “Er scheint furchtbare Schmerzen zu
haben”, auch wenn man keinerlei Zweifel hat,
daß der Schein nicht trügt.
Warum sagt man nun nicht “Ich scheine furchtbare
Schmerzen zu haben”, denn dies müßte zu
mindestens auch Sinn haben?
Bei einer Theaterprobe könnte ich das sagen; und ebenso
“Ich scheine die Absicht zu haben … ”,
etc. etc..
Jeder wird sagen: “Natürlich sage ich das nicht;
weil ich weiß, ob ich Schmerzen
habe.”
Es interessiert mich für gewöhnlich nicht, ob ich Schmerzen
zu haben scheine; denn die Schlüsse, die ich aus diesem Eindruck beim
andern ziehe, ziehe ich für mich selbst nicht.
Ich sage nicht: “Ich stöhne furchtbar, ich
muß zum Arzt gehen”; wohl aber
“Er stöhnt furchtbar, er muß
…”. |
1580.
Wenn dies keinen Sinn hat: “Ich
weiß, daß ich Schmerzen
habe” – noch dies: “Ich fühle meine
Schmerzen”, – dann hat es auch keinen Sinn zu sagen:
“Ich kümmere mich nicht um mein eigenes Stöhnen, weil
ich weiß, daß
ich Schmerzen habe” – oder “weil ich meine Schmerzen
fühle.”
Wohl aber ist es wahr: “Ich kümmere mich nicht um mein Stöhnen.” |
1581.
Ich schließe aus der Beobachtung seines Benehmens,
daß er zum Arzt muß; aber ich
ziehe diesen Schluß für mich nicht aus
der Beobachtung meines Benehmens.
Oder vielmehr: ich tue auch dies manchmal, aber
nicht in analogen Fällen. |
1582.
Es hilft hier, wenn man bedenkt, daß es ein
primitives Verhalten || eine primitive
Reaktion ist, die schmerzende Stelle des andern zu
pflegen, zu behandeln, und nicht nur die eigene – also auf des
andern Schmerzbenehmen zu achten, wie auch, auf das eigene
Schmerzbenehmen nicht zu achten. |
1583.
Was aber will hier das Wort “primitiv” sagen?
Doch wohl, daß die Verhaltungsweise
vorsprachlich ist: daß ein
Sprachspiel auf ihr beruht, daß sie
das Prototyp einer Denkweise ist und nicht das Ergebnis des
Denkens. 291 |
1584.
“Falsch aufgezäumt” kann man von einer Erklärung sagen,
wie dieser: wir pflegten den andern, weil wir nach
Analogie des eigenen Falles glaubten, auch er habe ein
Schmerzerlebnis. –
Statt zu sagen: Lerne also aus diesem besondern
Kapitel unseres Betragens – aus diesem Sprachspiel
– welche Funktion in ihm “Analogie” und
“Glauben” haben. |
1585.
“Wie kommt es, daß ich den Baum aufrecht
sehe, auch wenn ich meinen Kopf zur Seite neige, und also das
Netzhautbild das eines schiefstehenden Baums ist?”
Wie kommt es also, daß ich den Baum auch unter
diesen Umständen als einen aufrechten anspreche? –
“Nun, ich bin mir der Neigung meines Kopfes
bewußt, und bringe also die nötige Korrektur an der
Auffassung meiner Gesichtseindrücke an.” –
Aber heißt das nicht, Primäres mit Sekundärem
verwechseln?
Denk Dir, wir wüßten gar
nichts von der innern Beschaffenheit des Auges, –
würde dies Problem überhaupt auftauchen? || ,
– könnte sich diese Frage überhaupt
erheben?
Wir bringen ja hier, in Wahrheit keine Korrekturen an, dies
ist ja bloß eine Erklärung.
Wohl ‒ ‒ ‒ aber da nun die Struktur des Auges einmal bekannt ist, – wie kommt es, daß wir so handeln, so reagieren? Aber muß es hier eine physiologische Erklärung geben? Wie, wenn wir sie auf sich beruhen lassen würden || ließen? – Aber so würdest Du doch nicht sprechen, wenn Du das Verhalten einer Maschine prüftest! – Nun, wer sagt, daß in diesem Sinne das Lebewesen, der tierische Leib, eine Maschine ist? – |
1586.
Man kann eine Veränderung eines Gesichts merken und mit den Worten
beschreiben, das Gesicht habe einen härteren Ausdruck angenommen, – und
doch nicht imstande sein, die Änderung || sie mit räumlichen Begriffen zu
beschreiben.
Dies ist ungeheuer wichtig. –
Vielleicht sagt nun jemand: wer das tut, beschreibe eben nicht die
Veränderung des Gesichts, sondern nur der Wirkung auf ihn selbst; aber
warum sollte dann eine Beschreibung durch Form-
und Farbbegriffe nicht auch dies sein? |
1587.
Man kann auch sagen “Er machte dieses
Gesicht”, oder “Sein Gesicht veränderte sich
so”, indem man's nachmacht, – und ist
wieder nicht
imstande, die Veränderung anders zu beschreiben.
((Es gibt eben viel mehr Sprachspiele, als
Carnap und andere sich träumen
lassen.)) |
1588.
Das Bewußtsein, daß … ,
kann mich in der Arbeit stören; das Wissen nicht. |
1589.
Wie weiß ich, daß ein Hund
etwas dauernd hört, dauernd einen 292
Gesichtseindruck empfängt, Freude, Furcht, Schmerz
empfindet?
Was weiß ich von den ‘Erlebnisinhalten’ eines Hundes? |
1590.
Sind die Farben wirklich Geschwister?
Sind sie nur der Farbe nach verschieden, nicht auch der Art
nach?
Sind Gesicht, Gehör, Geschmack wirklich Geschwister?
Suche nicht nur nach Ähnlichkeiten um einen Begriff zu rechtfertigen, sondern auch nach Zusammenhängen. Der Vater überträgt seinen Namen auf den Sohn, auch wenn dieser ihm ganz unähnlich ist. |
1591.
Vergleiche einen furchtbaren Schreck und einen plötzlichen heftigen
Schmerz.
Es ist die Schmerzempfindung, die furchtbar ist, – aber ist es die
Schreckempfindung?
Wenn jemand in meiner Gegenwart hinstürzt, – ist das nur die
Ursache einer höchst unangenehmen augenblicklichen Empfindung in
mir?
Und wie läßt sich diese Frage
beantworten?
Klagt der, der den schrecklichen Vorfall berichtet, über die
Empfindungen, das Stocken des Atems, etc.?
Wenn man einem über den Schreck hinweghelfen will, – behandelt man
den Körper?
Beruhigt man den Erschrockenen nicht vielmehr
über das Ereignis, die Veranlassung? |
1592.
Wer im Studierzimmer sich die Trauer vormacht, der wird sich allerdings
leicht der Spannungen in seinem Gesicht bewußt
werden.
Aber trauere wirklich, oder folge einer traurigen Handlung im Film, und
frag Dich, ob Du Dir Deines Gesichts bewußt
warst. |
1593.
Ein Zusammenhang zwischen den Stimmungen
in || und Sinneseindrücken ist,
daß wir die Stimmungsbegriffe zur Beschreibung von
Sinneseindrücken und Vorstellungen benützen.
Wir sagen von einem Thema, einer Landschaft, sie seien || sei traurig, fröhlich, etc..
Aber viel wichtiger ist es natürlich, daß wir das
menschliche Gesicht, die Handlung, das Benehmen, durch alle
Stimmungsbegriffe beschreiben. |
1594.
Das Bewußtsein in des andern Gesicht.
Schau ins Gesicht des andern und sieh das
Bewußtsein in ihm und einen bestimmten
Bewußtseinston.
Du siehst auf ihm, in ihm, Freude, Gleichgültigkeit, Interesse,
Rührung, Dumpfheit, usf..
Das Licht im Gesicht des andern.
Schaust Du in Dich, um den Grimm in seinem Gesicht zu erkennen? Er ist dort so deutlich, wie in Deiner eigenen Brust. (Und was will man nun sagen? Daß das Gesicht des andern mich zur Nachahmung anregt, und daß ich also kleine Bewegungen und Muskelspannungen 293
im eigenen empfinde, und die Summe dieser
meine?
Unsinn.
Unsinn, – denn Du machst Annahmen, statt
bloß zu beschreiben.
Wem hier Erklärungen im Kopfe spuken, der vernachlässigt es, sich auf
die wichtigsten Tatsachen zu besinnen.) |
1595.
Das Wissen, die Meinung || das Glauben
haben keinen Gesichtsausdruck.
Es gibt wohl einen Ton, eine Gebärde der Überzeugung, aber nur, wenn
etwas in diesem Ton, mit dieser Gebärde, gesagt wird. |
1596.
“Das Bewußtsein ist so deutlich in seinem
Gesicht und Benehmen, wie in mir selbst.” |
1597.
Was hieße es, mich darin irren,
daß er eine Seele,
Bewußtsein, habe?
Und was hieße es, daß ich mich
irre und selbst keines habe?
Was hieße es, zu sagen “Ich bin
nicht bei Bewußtsein.” ‒ ‒ ‒
Aber weiß ich nicht doch,
daß Bewußtsein in mir
ist? –
So weiß ich's also, und doch hat die
Aussage, es sei so, keinen Zweck?
Und wie merkwürdig, daß man lernen kann, sich in dieser Sache mit andern Leuten zu verständigen! |
1598.
Einer kann sich bewußtlos stellen; aber auch
bewußt? |
1599.
Wie wäre es, wenn mir jemand allen Ernstes sagte, er wisse wirklich
nicht, ob er träume oder wache? –
Kann es diese Situation geben: Einer sagt “Ich glaube, ich träume jetzt”; wirklich wacht er bald danach auf, erinnert sich an jene Äußerung im Traum und sagt “So hatte ich wirklich || also recht!” ‒ ‒ ‒ Diese Erzählung kann doch nur heißen: Einer habe geträumt, er hätte gesagt, er träume. Denke, ein Bewußtloser sagte (etwa in der Narkose) “Ich bin im Bewußtsein” – würden wir sagen “Er muß es wissen”? Und wenn einer im Schlaf spräche “Ich schlafe”, – würden wir sagen “Er hat ganz recht”? Spricht einer die Unwahrheit, der mir sagt: “Ich bin nicht bei Bewußtsein”? (Und die Wahrheit, wenn er's bewußtlos sagt? Und wie, wenn ein Papagei sagte “Ich verstehe kein Wort”, oder ein Grammophon “Ich bin bloß eine Maschine”?) |
1600.
Denke, in einem Tagtraum ließe ich mich sprechen
“Ich phantasiere bloß”,
wäre das wahr?
Denke, ich schreibe so eine Phantasie, oder Erzählung, einen
phantasierten Dialog, und in ihm sage ich “Ich
phantasiere” 294
‒ ‒ ‒ aber, wenn ich es aufschreibe, – wie
zeigt sich's daß diese Worte Worte der
Phantasie sind und daß ich nicht aus der Phantasie
herausgetreten bin?
Wäre es nicht wirklich möglich, daß der Träumende, sozusagen aus dem Traum heraustretend, im Schlaf spräche “Ich träume”? Es wäre wohl denkbar, daß so ein Sprachspiel existierte. Dies hängt mit dem Problem des ‘Meinens’ zusammen. Denn ich kann im Dialog schreiben “Ich bin gesund” und es nicht meinen, obwohl es wahr ist. Die Worte gehören zu diesem und nicht zu jenem Sprachspiel. |
1601.
‘Wahr’ und ‘Falsch’ im
Traum.
Ich träume, daß es regnet und
daß ich sage “Es regnet”
‒ ‒ ‒ anderseits: Ich träume, daß ich
sage “Ich träume”. |
1602.
Hat das Verbum || Wort
“träumen” eine Gegenwartsform?
Wie lernt diese der Mensch gebrauchen? || der
Mensch diese gebrauchen |
1603.
Ein Ein Sprachspiel analog einem
Fragment eines andern.
Ein Raum in begrenzte Stücke eines Raums
projiziert. |
1604.
Angenommen, ich hätte eine Erfahrung, ähnlich
einem Erwachen, befände mich dann in einer ganz andern Umgebung, mit
Leuten, die mich versichern, ich habe geschlafen.
Angenommen ferner, ich bliebe dabei, ich habe nicht geträumt, sondern
auf irgendeine Weise außer
meinem schlafenden Körper || außerhalb meines
schlafenden Körpers gelebt.
Welcher Funktion hat diese Behauptung? |
1605.
“‘Ich habe Bewußtsein’,
das ist eine Aussage, an der kein Zweifel möglich ist.”
Warum soll das nicht das Gleiche sagen wie dies:
“‘Ich habe
Bewußtsein’ ist kein
Satz”?
Man könnte auch so sagen: Was schadet es, daß einer sagt, “Ich habe Bewußtsein” sei eine Aussage, die keinen Zweifel zulasse? Wie komme ich mit ihm in Widerspruch? Nimm an, jemand sagte mir dies, – warum soll ich mich nicht gewöhnen, ihm nichts darauf zu antworten, statt etwa einen Streit anzufangen? Warum soll ich seine Worte nicht behandeln, wie sein Pfeifen oder Summen? |
1606.
“Nichts ist so gewiß, wie,
daß mir Bewußtsein
eignet.”
Warum soll ich es dann nicht auf sich beruhen lassen?
Diese Gewißheit wie || ist eine große
Kraft, deren Angriffspunkt sich nicht bewegt, die also keine Arbeit
leistet. |
1607.
Einer wirft im Würfelspiel etwa 5, dann 4 und sagt “Hätte
ich bloß statt der 5 eine 4 geworfen, so hätte ich
gewonnen”!
Die Bedingtheit ist nicht physikalisch, sondern nur mathematisch, denn
man könnte antworten: “Hättest Du zuerst 4 geworfen,
– wer weiß, was Du danach geworfen
hättest!” 295 |
1608.
Sagst Du nun “Die Verwendung des Konjunktivs beruht auf dem
Glauben an ein Naturgesetz” – so kann man entgegnen:
“Sie
beruht nicht auf diesem Glauben;
sie und dieser Glaube stehen auf gleicher Stufe.” |
1609.
Das Schicksal steht im Gegensatz zum Naturgesetz.
Das Naturgesetz will man ergründen, und verwenden, das Schicksal
nicht. |
1610.
Der Begriff des ‘Fragments’.
Es ist nicht leicht, die Verwendung dieses Worts auch nur
beiläufig zu beschreiben. |
1611.
Wenn wir den Gebrauch eines Wortes beschreiben wollen, – ist es
nicht ähnlich, wie wenn man ein Gesicht porträtieren will?
Ich sehe es deutlich; der Ausdruck dieser Züge ist mir
wohl bekannt || wohlbekannt; und sollte
ich's malen, ich wüßte
nicht, wo anfangen.
Und mache ich wirklich ein Bild, so ist es gänzlich
unzulänglich. || inadäquat.–
Hätte ich eine Beschreibung vor mir, ich würde sie erkennen; vielleicht
auch Fehler in ihr merken.
Aber, daß ich das kann, sagt nicht,
daß ich die Beschreibung selber hätte geben
können. |
1612.
Zwei Gegenstände ‘gehören zusammen’.
Man lehrt ein Kind, Dinge ‘ordnen’, man begleitet die
Tätigkeit mit den Worten “Diese gehören
zusammen”.
Das Kind lernt diesen Ausdruck auch.
Es könnte die Dinge auch mit Hilfe dieser Worte und
gewisser Gebärden ordnen.
Die Worte können aber auch bloße Begleitung des
Tuns sein.
Ein Sprachspiel.
Denk Dir ein solches Spiel ohne Worte, aber mit der Begleitung einer zu den Handlungen passenden Musik gespielt || einer die Handlungen illustrierenden Musik gespielt. |
1613.
“Leg es hier hin” – wobei ich mit dem
Finger den Platz bezeichne ‒ ‒ ‒ dies ist eine absolute
Ortsangabe.
Und, wer sagt, der Raum sei absolut, möchte als Argument dafür
sagen || vorbringen:
“Es gibt doch einen Ort:
Hier.” |
1614.
Das ‘Erleben der Ähnlichkeit’.
Denke an das Sprachspiel: “Ähnlichkeiten
erkennen”, oder “Ähnlichkeiten
angeben”, oder “Dinge nach ihrer Ähnlichkeit
ordnen”.
Wo ist hier das besondere Erlebnis? der besondere
Erlebnisinhalt, nach dem man fahndet? |
1615.
Die Dauer der Empfindung.
Vergleiche die Dauer einer Tonempfindung mit der Dauer der
Tastempfindung, die Dich lehrt, daß Du eine Kugel in
der Hand hältst; und mit dem “Gefühl” das Dich lehrt,
daß Deine Knie gebogen sind.
|Und hier haben wir wieder einen Grund, warum wir von
der Empfindung der |Positur sagen möchten, sie habe keinen
Inhalt. 296 |
1616.
Philosophische Untersuchungen: begriffliche Untersuchungen.
Das Wesentliche der Metaphysik: daß ihr der
Unterschied zwischen sachlichen und begrifflichen Untersuchungen nicht
klar ist.
Die metaphysische Frage immer dem Anscheine nach eine sachliche,
obschon das Problem ein Begriffliches ist. |
1617.
Was aber tut eine begriffliche Untersuchung?
Ist sie eine der Naturgeschichte der menschlichen Begriffe? –
Nun, Naturgeschichte beschreibt, sagen wir, Pflanzen und Tiere.
Aber könnte es nicht sein, daß Pflanzen in allen
Einzelheiten beschrieben worden wären, und nun erst jemand daherkäme, der
Analogien in ihrem Baue sieht, die man früher nicht gesehen hatte?
Daß er also eine neue Ordnung in diesen
Beschreibungen herstellt.
Er sagt z.B.: “Vergleiche
nicht diesen Teil mit diesem; sondern vielmehr mit
jenem!”◇ (Goethe wollte so etwas tun.) und
dabei spricht er nicht notwendigerweise von Abstammung;
dennoch aber könnte die neue Anordnung auch der
wissenschaftlichen Untersuchung eine neue Richtung geben.
Er sagt “Sieh es so an!”
– und das kann nun verschiedenerlei Vorteile und Folgen
haben. || verschiedenerlei Folgen
haben. |
1618.
Warum zählen wir?
Hat es sich als praktisch erwiesen?
Haben wir unsere Begriffe, z.B. die
psychologischen, weil es vorteilhaft ist?
– || weil es sich als vorteilhaft erwiesen hat?
–
Und doch haben wir gewisse Begriffe eben deswegen, haben
sie deswegen eingeführt. |
1619.
Man sollte nicht glauben, es sei eine Vereinfachung, das Sehen mit
einem Auge in Betracht zu ziehen, statt des Sehens mit beiden Augen; wenn
man nämlich darüber klar ist, daß man das Sehen nicht
in den Augen spürt.
Die Idee des visuellen Gegenstands ist viel schwerer für das zweiäugige
Sehen durchzuführen.
Denn was ist das zweiäugige
‘Gesichtsbild’?
‘Das Porträt dessen, was man wirklich sieht’ ‘des visuellen Eindrucks selbst’. |
1620.
Es kommt einem vor: Wenn ich nur die rechten Farben und Dinge
zur Verfügung hätte, könnte ich genau darstellen, was ich
sehe.
Und so ist es ja bis zu einem Punkt wirklich.
Und jener Bericht dessen, was ich vor mir habe, und die Beschreibung
dessen, was ich sehe, haben die gleiche Form. –
Aber sie lassen z.B. ganz das Wandern des
Blicks aus.
Aber auch z.B. das Lesen einer Schrift im
Gesichtsfeld und jeden Aspekt des Gesehenen. |
1621.
Ist nun, was Du anschaust, eine große Tafel, oder
ebene Wand mit einer Figur darauf, so wird als eine genaue Beschreibung
ein Bild dieser Figur 297
gelten können.
Ist die Figur z.B. F, was kann man mehr
wollen, als daß sie genau abgezeichnet wird; und
doch gibt es noch eine ganz andere Beschreibung, die in dem Abzeichnen
nicht steckt.
So auch, wenn die Figur ein Gesicht ist. |
1622.
Was in einem Sinne eine geringe Ungenauigkeit der
Beschreibung ist, ist in einem andern Sinne eine
große. |
1623.
Aktiv und Passiv.
Kann man es befehlen, oder nicht?
Dies scheint vielleicht eine weit
hergeholte Unterscheidung, ist es aber nicht.
Es ist ähnlich wie: “Kann man sich
(logische Möglichkeit) dazu
entschließen, oder nicht?” –
Und das heißt: Wie ist es von
Gedanken, Gefühlen, etc.﹖
umgeben? |
1624.
Wie würde eine Gesellschaft von lauter tauben Menschen aussehen?
Wie, eine Gesellschaft von
‘Geistesschwachen’?
Wichtige Frage!
Wie, also, eine Gesellschaft, die viele unserer gewöhnlichen
Sprachspiele nie spielte? |
1625.
Sich einer Gleichheit von Farben in einem Bild
bewußt sein, oder dessen, daß
diese Farbe dunkler ist als jene.
Bin ich mir beim Hören dieses Stücks die ganze Zeit bewußt, daß es von … ist? Wann ist man sich einer Tatsache bewußt? |
1626.
Liebe ist kein Gefühl.
Liebe wird erprobt, Schmerzen nicht. |
1627.
Ich sehe etwas in verschiedenen Zusammenhängen.
(Ist dies dem Vorstellen nicht verwandter als dem Sehen?) |
1628.
Es ist, als hätte man an das Gesehene einen Begriff herangebracht, den
man nun mitsieht.
Der zwar selbst kaum sichtbar ist, aber doch einen ordnenden
Schleier über die Gegenstände breitet. |
1629.
“Was siehst Du?”
(Sprachspiel) ‒ ‒ ‒
“Was siehst Du wirklich?” |
1630.
Stellen wir uns das Sehen rätselhaft vor! ohne jederlei
physiologische Erklärung. – |
1631.
Auf die Frage “Was siehst Du?” kommen
verschiedenerlei Beschreibungen zur Antwort. –
Wenn einer nun sagt: “Ich sehe doch den Aspekt,
die Organisation, ebenso gut wie Formen und
Farben” – was soll es heißen?
Daß man das alles zum ‘Sehen’
rechnet?
Oder, daß hier doch die
größte Ähnlichkeit besteht? –
Und was kann ich dazu sagen?
Ich kann Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten aufzeigen. 298 |
1632.
Könnte man es nicht für Wahnsinn halten, wenn ein Mensch eine Zeichnung
als Porträt des N.N. erkennt und ausruft
“Das ist Herr N.N.!”
–
“Er muß verrückt sein”, sagt
man von ihm, “Er sieht ein Stück Papier mit schwarzen
Strichen darauf und hält das für einen Menschen!” |
1633.
Das ‘Sehen der Figur als … ’ hat
etwas Okkultes, etwas Unbegreifliches.
Man möchte sagen: “Es hat sich etwas geändert und es
hat sich nichts geändert.” ‒ ‒ ‒
Aber versuche es nicht zu erklären!
Betrachte lieber das übrige Sehen auch als
Okkult || okkult. |
1634.
Der Ausdruck jener Erfahrung ist und bleibt: “Ich
sehe es als Berg”, “Ich sehe es als
Keil”, “Ich sehe es mit dieser Basis und dieser
Spitze, aber umgefallen”, etc..
Und die Wörter “Berg”, “Keil”,
“Basis”, “umgefallen”, sind
ja auch nur Striche, oder Laute – mit einer
Verwendung. |
1635.
Denk an eine Darstellung eines Gesichts von vorn und im Profil zugleich
wie in manchen modernen Bildern.
Eine Darstellung in die eine Bewegung, eine Änderung, ein Schweifen des
Blicks miteinbezogen ist.
Stellt so ein Bild das, was man sieht, nicht eigentlich
dar? |
1636.
“Ich verzeihe Dir.”
Kann man sagen “Ich bin damit beschäftigt,
Dir zu verzeihen”?
Nein.
Aber das heißt nicht, daß es
nicht einen Vorgang gibt, den man auch “verzeihen”
nennen könnte – aber nicht so nennt – ich meine, das Austragen
des innern Streites der zum Verzeihen führen kann. |
1637.
Ich möchte sagen: Es gibt Aspekte, die hauptsächlich
von Gedanken und Assoziationen bestimmt sind, und andere, die
‘rein optisch’ sind, und automatisch eintreten und
wechseln, beinahe wie Nachbilder. |
1639.
Ich kann auf den Verlauf meiner Schmerzen achten; aber nicht ebenso auf
den meines Glaubens, oder Wissens. |
1640.
Das Beobachten der Dauer kann ununterbrochen, oder unterbrochen
sein.
Wie beobachtest Du Dein Wissen, Deine Meinungen? und andererseits, ein Nachbild, einen Schmerz? Gibt es ein ununterbrochenes Beobachten meiner Fähigkeit, die Multiplikation … auszuführen? |
1641.
⇒((Zu Nr.
1638))
Das könnte man daraus erklären, daß
der Aspekt mit der Augenbewegung zusammenhängt. |
1642.
Analogie zum Gegensatz von ‘Wert’ und
‘Grenzwert’ einer Funktion.
((wichtig)) 299 |
1643.
Daß der Aspekt dem Willen untersteht, ist nicht
eine, sein Wesen selbst nicht berührende,
Tatsache.
Denn wie wäre es, wenn wir Dinge willkürlich rot oder grün sehen
könnten?
Wie würde man dann die Wörter “rot” und
“grün” anwenden lernen?
Es gäbe dann vor allem nicht einen ‘roten
Gegenstand’, höchstens einen, den man leichter rot als grün
sieht. |
1644.
Ist nicht, was Köhler sagt,
ungefähr: “Man könnte etwas nicht für das oder das
halten, wenn man es nicht als das oder das
sehen könnte”?
Beginnt ein Kind damit, etwas so oder so zu sehen, ehe es lernt, es für
das oder das zu halten?
Lernt es zuerst die Frage beantworten “Wie siehst Du
das?” und dann erst “Was ist
das?” – |
1645.
Kann man sagen, es muß imstande sein, den Sessel
visuell als Ganzes || Ding
aufzufassen, um ihn als Ding erkennen zu können? –
Fasse ich jenen Sessel visuell als Ding auf, und welche meiner
Reaktionen zeigen das?
Welche Reaktionen eines Menschen zeigen, daß er
etwas als Ding erkennt, und welche, daß er etwas
als ein Ganzes, dinglich, sieht? |
1646.
Man könnte es sich so vorstellen: Man prüft, in welcher Weise
ein Kind ebene Figuren abbildet, wenn man es keine Abbildungsart gelehrt
hat, und wenn es räumliche Gegenstände noch nie gesehen
hat. |
1647.
Ich lerne beschreiben, was ich sehe; und da lerne ich alle
möglichen Sprachspiele. – |
1648.
Nicht “Wie kann ich, was ich sehe,
beschreiben?” – sondern: “Was
nennt man ‘Beschreibung des
Gesehenen’?”
Und die Antwort auf diese Frage ist: “Sehr Verschiedenes.” |
1649.
Köhler
sagt, nur sehr wenige Menschen sähen von selbst die Ziffer 4 in der
Zeichnung und das ist gewiß wahr.
Wie unterschiede sich nun ein Mensch von den normalen Menschen, der in
seiner Beschreibung ebener Figuren, oder wenn er sie kopiert, darin
radikal von der Norm abweicht, daß er beim Kopieren
und Beschreiben andere ‘Einheiten’
verwendet?
D.h., wie wird sich dieser auch noch in anderen
Dingen von den normalen Menschen unterscheiden? |
1650.
Ein Mensch könnte hohe zeichnerische Begabung haben, ich meine die
Begabung, Gegenstände, ein Zimmer z.B., sehr genau
abzuzeichnen, und könnte dabei doch immer wieder kleine Fehler gegen den
Sinn machen; sodaß man
sagen könnte “Er faßt einen Gegenstand
nicht als Gegenstand auf”.
Er würde z.B. nie einen Fehler machen, wie
den des Maler Klecksel, der zwei
Augen im 300
Profil malt.
Sein || Kein Wissen
würde ihn verführen. |
1651.
Der verführerische Begriff ist: “die
vollständige Beschreibung dessen, was man
sieht”. |
1652.
Eliminiere Dir immer das private Objekt, indem Du annimmst: Es
ändere sich fortwährend; Du merkst es aber nicht, weil Dich Dein
Gedächtnis fortwährend täuscht. |
1653.
“Wer etwas sieht, sieht irgendetwas
Bestimmtes” – aber das heißt eben
nichts.
Es ist, als wollte man sagen: Wenn auch keine Darstellung dem Gesichtseindruck gleicht, so gleicht er doch sich selber. |
1654.
Es könnte doch einer auf die Frage “Was siehst Du
hier?” die Figur richtig nachzeichnen, auf die Frage aber
“Siehst Du eine 4” mit Nein
antworten, obwohl er sie doch selbst beim
Nachzeichnen gebildet hat. |
1655.
Was teile ich dem mit, dem ich die Mitteilung mache, ich sehe das
Ornament jetzt so? (Seltsame Frage.)
–
Das heißt doch: “In welchem
Sprachspiele findet dieser Satz Verwendung?” –
“Was fangen wir mit diesem Satz an?” |
1656.
Nehmen wir an, gewisse Aspekte wären durch die Augenbewegung
erklärbar: Dann möchte man sagen, diese wären rein optischer
Natur; und es müßte also für sie eine Beschreibung
geben, die sich nicht der Analogien aus anderen Gebieten bedienen
müßte.
Dann müßte man also den Befehl “Sieh
dies als … !” durch den ersetzen können:
“Laß den Blick so und so
wandern”, oder einen ähnlichen. |
1657.
Aber es ist eben nicht wahr, daß eine
Erfahrung, die nachweisbar mit der Augenbewegung zusammenhängt, von
ihr erzeugt werden kann, darum durch eine
Folge von Gesichtsbildern beschrieben werden kann.
(Etwa so wenig, wie der, welcher sich einen Ton vorstellt, sich eine Folge von Luftstößen vorstellt.) |
1658.
Halte die Zeichnung eines Gesichts verkehrt und Du kannst den
Ausdruck des Gesichts nicht erkennen.
Vielleicht kannst Du auch sehen, daß es lacht,
aber doch nicht genau, wie es lacht.
Du könntest das Lachen nicht nachahmen, oder seinen Charakter genauer
beschreiben.
Und doch kann das umgekehrte Bild den Gegenstand höchst genau darstellen. |
1659.
Man muß da bedenken, daß das
So-Sehen eine ähnliche
Wirkung haben kann wie ein Verändern des Gesehenen,
z.B. durch ein Setzen von Klammern, ein
301 Unterstreichen,
Zusammenfassen auf die oder jene Art, etc., und
daß das
So-Sehen in dieser Weise wieder mit
dem Vorstellen Ähnlichkeit hat.
Niemand wird doch leugnen, daß ein Unterstreichen, ein Setzen von Klammern, dem Erkennen einer Ähnlichkeit günstig sein kann. |
1660.
Es ist doch klar, daß nur der, welcher das
doppeldeutige Bild als Hasen sieht, den Gesichtsausdruck des Hasen wird
nachahmen können.
Sieht er das Bild also auf diese Weise, so wird ihm dies
ermöglichen eine gewisse Ähnlichkeit zu beurteilen. |
1661.
Man wird auch gewisse Dimensionen nur dann richtig schätzen, wenn man
das Bild auf diese Weise sieht. |
1662.
Bedenke, daß man sagen kann: “Du
mußt diese Melodie so hören, und dann
auch entsprechend spielen.” |
1663.
Könnte es nicht Menschen geben, die nicht im Kopf rechnen und nicht
leise lesen lernen können, dabei aber sonst intelligente Menschen wären
und in keinem Sinne ‘schwachsinnig’? |
1664.
Es ist kein Zweifel, daß man einen Aspekt oft durch
eine Augenbewegung, durch eine Bewegung des
Blicks, hervorruft. |
1665.
Aber wie seltsam! möchte man sagen – wenn man eine Art der
Zusammensetzung entdecken kann, – wie ist es möglich, sie auch zu
sehen?! ‒ ‒ ‒
Wie ist es möglich, mit einem Schlage zu wissen, was man sagen
will?
Ist dies nicht ebenso merkwürdig? |
1666.
Ist denn die Erscheinung des Aspekts seltsamer, als meine Erinnerung an
eine bestimmte wirkliche Person, von der ich ein Erinnerungsbild
habe?
Ja, es ist sogar eine Ähnlichkeit zwischen beiden.
Denn man fragt sich auch hier: Wie ist es
möglich, daß ich von ihm
ein Vorstellungsbild habe und es keinen Zweifel daran gibt,
daß es sein Bild sei?
|
1667.
Die Philosophie löst ein Problem oft nur, indem sie sagt:
Hier ist so wenig eine Schwierigkeit, wie
da.
Nur also, indem sie ein Problem heraufbeschwört, wo früher keines war. Sie sagt: “Ist es nicht ebenso merkwürdig, daß … ” und läßt es dabei || damit bewenden. |
1668.
Wie befolgt man den Befehl “Stell Dir Herrn N
vor!”?
Wie weiß man, daß der
Befehl befolgt wurde?
Wie weiß einer, daß
er ihn befolgt hat?
Wozu ist der Zustand der Vorstellung hier nütze? –
Ich will sagen, es verhalte sich ähnlich beim Sehen eines
Aspekts. 302 |
1670.
Denk Dir ein Dreieck im Film um den Punkt schwingend dargestellt
und dann stehen bleibend.
Und nun könnte es sein, als wirke diese zeitliche Umgebung noch im
Bilde des zur Ruhe gekommenen Dreiecks.
“Hängend” möchte ich sagen. Aber entspricht dem nichts? Doch gewiß! Aber das heißt nur, daß ich nicht lüge, und daß der Ausdruck des Aspekts eine Verwendung hat. “Welche Anwendung?!” mußt Du Dich immer fragen. |
1671.
Man könnte die Schachbrettzeichnung als Werkzeichnung betrachten, nach
welcher Stücke herzustellen sind, die das Schachbrett ergeben.
Man kann diese Zeichnung nun auf verschiedene Weise verwenden; und man
kann sie auch auf verschiedene Weise, solchen Verwendungen entsprechend,
sehen. |
1672.
Denke, man erklärte das so, daß der Aspekt durch
verschiedene, dem visuellen Bild superponierte Vorstellungen und
Erinnerungen entstehe.
Natürlich interessiert mich diese Erklärung nicht als Erklärung, sondern
als logische Möglichkeit, also begrifflich (mathematisch).
|
1673.
“Das Grüne, was ich dort sehe, ist
blatthaft.
Diese Dinge dort augenhaft.”
(Welche Dinge sind es?) |
1674.
Es scheint hier das Objekt des Sehens zu sein, was nicht Objekt des
Sehens sein || werden kann.
Als sagte man, man sehe Töne.
(Aber man sagt ja wirklich, man sehe einen Vokal gelb, oder
braun.) |
1675.
Wie könnte denn Assoziation ein Dauerzustand sein?
Wie könnte ich denn fünf Minuten lang diese Art von
Gegenstand mit diesen Linien assoziieren?
|
1676.
Was überzeugt mich denn, daß der andere ein
gewöhnliches Bild dreidimensional sieht? –
Daß er's sagt?
Unsinn ‒ ‒ ‒ wie weiß ich denn, was er
mit dieser Versicherung meint?
Nun, daß er sich darin auskennt; die Ausdrücke auf das Bild verwendet, die er auf den Raum anwendet; sich vor einem Landschaftsbild benimmt, wie vor einer Landschaft, etc. etc.. |
1677.
Ich kann von ihm nie wissen, ob er wirklich sieht.
Nun, dann kann ich's von mir natürlich auch nicht
wissen.
Denn wie weiß ich, daß ich
jetzt das Gleiche so nenne, wie früher, und daß ich
das Gleiche “gleich” nenne? 303 |
1678.
Nun, wie sieht es alles in der dritten Person aus?
Und was für die dritte Person gilt, gilt dann, so seltsam das scheinen
mag, auch für die erste. |
1679.
Denk Dir eine physiologische Erklärung dafür, daß
ich eines (A) als Variation des
andern (B) sehe.
Es könnte sich zeigen, daß, wenn ich A als
B sehe, auf meiner Retina gewisse Vorgänge stattfinden,
die sich sonst zeigen, wenn ich wirklich B sehe.
Und dies könnte nun manches in meinem Benehmen erklären.
Man könnte z.B. sagen, daß ich
mich darum beim Anblick von A benehme, als sähe ich B, wie
ich's gewöhnlich nicht tue, wenn ich A nicht als B
sehe.
Aber diese Erklärung meines Benehmens ist für uns überflüssig.
Ich nehme das Benehmen eben so || ebenso hin, wie einen
Vorgang auf der Retina, oder im Gehirn.
Ich will sagen: Die physiologische Erklärung ist zuerst scheinbar eine Hilfe, zeigt sich aber dann gleich als bloßer Katalysator der Gedanken. Ich führe sie nur ein, um sie gleich wieder loszuwerden. |
1680.
Denk nur ja nicht, Du wüßtest im vorhinein, was
“Zustand des Sehens” || Bewußtseinszustand”
in diesem Falle bedeutet!
Laß Dich die Bedeutung durch den Gebrauch || vom Gebrauch
lehren. |
1681.
Hätte ich mir das Phänomen der Vorstellung erklären
können? || , wenn mir gesagt
worden wäre: es sähe einer mit offenen Augen etwas, was nicht vor
ihm ist, und zugleich doch || auch, was vor ihm ist, und es wären die
beiden Gesichtsobjekte einander nicht im Wege?! |
1682.
Und es wäre nun natürlich ganz falsch, zu sagen: “Und
doch geschieht das Seltsame” oder
“das Unglaubliche”.
Vielmehr ist eben, was geschieht, nicht seltsam und nur
falsch als Seltsames gesehen. |
1683.
Die alte Ansicht von der Rolle der Anschauung in der
Mathematik.
Ist diese Anschauung eben das Sehen der Komplexe in verschiedenen
Aspekten? |
1684.
Muß man unter den Aspekten nicht rein optische von
andern unterscheiden?
Daß sie untereinander || von einander sehr verschieden sind, ist klar: Es tritt z.B. in ihre Beschreibung manchmal die Tiefendimension ein, manchmal nicht; manchmal ist der Aspekt eine bestimmte ‘Gruppierung’, wenn man aber Striche als Gesicht sieht, so hat man sie nicht nur visuell zu einer Gruppe zusammengefaßt; man kann die schematische Zeichnung eines Würfels als offene Kiste, oder als soliden Körper sehen, auf der Seite liegend, oder 304
stehend; die Figur kann nicht nur auf zwei,
sondern auf sehr viele verschiedene Arten gesehen werden. |
1685.
Man hängt Bilder, Photographien auf von Landschaften, Innenräumen,
Menschen, und betrachtet sie nicht, wie Werkzeichnungen.
Man liebt, sie anzusehen, wie die Gegenstände selbst; man lächelt die
Photographie an wie den Menschen, den sie zeigt.
Wir lernen nicht, eine Photographie verstehen, wie eine Blaupause. –
Es wäre freilich möglich, daß wir eine
Abbildungsart erst mit Mühe verstehen lernen müssen, um sie später als
natürliches Bild gebrauchen zu können.
Dies mühsame Lernen wäre später nur noch Geschichte, und
das Bild würden wir nun ebenso betrachten, wie jetzt unsere
Photographien Photographie. |
1686.
Es könnte doch auch Menschen geben, die Photographien nicht, wie wir,
verstünden, sähen; die zwar verstünden, daß auf diese
Weise ein Mensch dargestellt werden kann, die seine Formen auch ungefähr
nach einer Photographie beurteilen könnten, die aber das Bild doch nicht
als Bild sähen.
Wie würde sich das äußern?
Was würden wir als Äußerung dessen
betrachten??
Das ist vielleicht nicht leicht zu sagen.
Diese Leute hätten vielleicht nicht Freude an Photographien wie wir. Sie würden nicht sagen “Schau, wie er lächelt!” und dergleichen; sie würden eine Person oft nicht gleich nach dem Bild erkennen; müßten die Photographie lesen lernen und lesen; sie hätten Schwierigkeiten, zwei gute Aufnahmen desselben Gesichts als Bilder etwas verschiedener Stellungen zu erkennen. |
1687.
Wenn mir einer sagte, er habe die Figur eine halbe Stunde lang ohne
Unterbrechung als umgekehrtes F gesehen, so
müßte ich annehmen, er habe fortwährend an diese
Interpretation gedacht, sich damit
beschäftigt. |
1688.
Es ist, als wäre der Aspekt etwas, was nur aufleuchtet, aber nicht
stehenbleibt; und doch
muß dies eine begriffliche Bemerkung
sein, keine psychologische. |
1689.
Beim Umschnappen des Aspekts erlebt man die zweite Phase in akuter
Weise (entsprechend etwa dem Ausruf “Ach, es ist ein
… !” und hier beschäftigt man sich ja
mit dem Aspekt.
Im chronischen Sinne ist er nur die Art und Weise, wie wir die Figur
wieder und wieder behandeln. |
1690.
‘Ding’ und ‘Hintergrund’ sind
visuelle Begriffe, wie rot und rund – 305
will Koehler
sagen.
Die Beschreibung des Gesehenen
schließt die Angabe, was Ding und was
Hintergrund ist, nicht weniger ein, als die Angabe der Farbe
und der Form.
Und die Beschreibung ist ebenso unvollständig, wenn nicht gesagt wird,
was Ding, was Grund ist, wie sie es ist, wenn Farbe oder Form nicht
angegeben wurden.
Ich sehe das eine ebenso unmittelbar, wie das andere – will
er || man sagen.
Und was ist dagegen einzuwenden?
Zuerst: wie sich das erkennen läßt, –
ob durch Introspektion, und ob alle darin übereinstimmen müssen.
Denn es handelt sich offenbar um die Beschreibung des
subjektiv Gesehenen.
Aber wie lernt man nur, das Subjektive durch Worte
wiedergeben?
Und was können uns diese Worte bedeuten?
Denk, statt um Worte handelte sich's um zeichnerische Wiedergabe; und den Wörtern “dinglich” und dergleichen entspräche in dieser Wiedergabe die Reihenfolge, Ordnung, in der wir die Zeichnung anfertigen. (Ich nehme an, wir könnten außerordentlich rasch zeichnen.) Und nun sagte jemand: “Zur Darstellung des Gesehenen gehört die Reihenfolge ebenso, wie Farben und Formen.” – Was hieße das? Man kann wohl sagen: Es gibt Gründe, zum zeichnerischen Beschreiben des Gesehenen nicht nur das gezeichnete Bild, sondern auch die Phrasierung beim Zeichnen zu rechnen. Es gehörten diese Reaktionen des Beschreibenden irgendwie zusammen. In gewisser Beziehung gehören sie zusammen, in anderer nicht. |
1691.
Denkt man an Ströme in der Netzhaut (oder dergleichen), so möchte
man sagen: “Also ist der Aspekt so gut
‘gesehen’, wie Form und Farbe.”
Aber wie konnte uns denn so eine Hypothese zu dieser Überzeugung
helfen?
Nun, sie kommt der Tendenz entgegen, hier zu
sagen, wir sähen zwei verschiedene Gebilde.
Aber diese Tendenz, wenn sie zu begründen ist, muß
ihren Grund woanders haben. |
1692.
Der Ausdruck des Aspekts ist der Ausdruck einer Auffassung (also
einer Behandlungsweise, einer Technik); aber gebraucht als
Beschreibung eines Zustands. |
1693.
Wenn es scheint, es wäre für eine solche logische Form kein
Platz, so mußt Du sie in einer andern Dimension
aufsuchen. Wenn hier kein Platz ist, so ist er eben in einer
andern Dimension. || Wenn es scheint, es wäre für
so eine Form zwischen den andern Formen doch kein Platz, so
mußt Du sie in einer andern
Dimension aufsuchen. 306 |
1694.
In diesem Sinne ist auch auf der Zahlenlinie nicht für imaginäre Zahlen
Platz.
Und das heißt doch: Die Anwendung eines
imaginären Zahlbegriffs ist grundverschieden von der
einer Anzahl etwa; || von der des Begriffs der Anzahl
etwa; verschiedener, als die mathematischen Operationen
allein es offenbaren.
Man muß also, um Platz für sie zu gewinnen, zu
ihrer Anwendung hinuntersteigen und dann finden sie einen
sozusagen ungeahnt verschiedenen Platz. |
1695.
Wenn diese Konstellation für mich stets und ständig ein Gesicht ist,
dann habe ich damit keinen Aspekt bezeichnet.
Denn das hieße,
daß ich ihr immer als Gesicht
begegne, sie als Gesicht behandle; während das
Eigentümliche des Aspekts ist, daß ich etwas in ein
Bild hineinsehe.
Sodaß man sagen könnte: ich sehe etwas, was
gar nicht da ist, was nicht in der Figur liegt, so
daß es mich überrascht, daß
ich's sehen kann (mindestens, wenn ich später darüber
reflektiere). |
1696.
Wenn das Sehen eines Aspekts einem Gedanken entspricht, dann kann es
nur in einer Welt || in
einem Reich von Gedanken ein Aspekt
sein. |
1697.
Wenn ich einen Aspekt beschreibe, so setzt die Beschreibung Begriffe
voraus, die nicht zur Beschreibung der Figur selbst gehören. |
1698.
Ist es nicht merkwürdig, daß man bei der
Beschreibung eines Gesichtseindrucks so ungemein selten das Wandern des
Blicks in die Beschreibung einbezieht?!
Es wird so gut wie nie einbezogen, wenn der Gegenstand klein,
z.B. ein Gesicht ist; obgleich doch auch da der
Blick fortwährend in Bewegung ist. |
1699.
Der Aspekt kann plötzlich wechseln und es folgt dem Wechsel dann ein
neues Betrachten.
Man ist sich, z.B., des Gesichtsausdrucks bewußt,
betrachtet ihn. |
1700.
Ich kann z.B. eine Photographie anschauen und mich
mit dem Ausdruck des Gesichts beschäftigen, ihn mir
sozusagen zu Gemüt führen, ohne mir, oder einem
andern, dabei etwas zu sagen.
Ich lasse die Augen der Photographie zu mir sprechen. Ich sehe das Bild vielleicht zum ersten Mal, als wirkliches Gesicht. ‘Gehe auf den Ausdruck ein’. Frage nicht “Was geht dabei vor?”, sondern “Was tut man mit dieser Äußerung?” |
1701.
Wir werden uns des Aspekts nur im Wechsel
bewußt.
Wie wenn sich einer nur des Wechselns der Tonart
bewußt ist, aber kein absolutes Gehör hat.
307 |
1702.
Wenn man das Mittelmeer auf der Karte bei anderer Kolorierung
nicht erkennt, so zeigt das nicht,
daß hier wirklich ein anderer
visueller Gegenstand vorliegt.
(Koehler's Beispiel)
Es könnte das höchstens einen plausiblen || guten Grund für eine bestimmte
Ausdrucksweise abgeben. || Das könnte
höchstens einen guten Grund für die und die Ausdrucksweise
abgeben.
Es ist eben nicht das Gleiche || gleiche, zu sagen “Das zeigt,
daß hier wirklich zweierlei gesehen wird”
– und “Unter diesen Umständen wäre es besser von
‘zwei verschiedenen Gesichtsobjekten’ zu
reden”. |
1703.
Daß man einen Aspekt durch Gedanken hervorrufen kann, ist
äußerst wichtig, obwohl es das Hauptproblem nicht
löst.
Ja, es ist, als wäre der Aspekt ein unartikulierter Fortklang eines Gedankens. |
1704.
Ich höre zwei Leute reden, verstehe nicht, was sie sagen, höre aber das
Wort “Bank”.
Nun nehme ich an, sie sprächen von Geld.
(Das kann sich als richtig oder unrichtig herausstellen.)
Habe ich damit das Wort “Bank” in
der Bedeutung gehört?
Anderseits: Es spricht einer in einer Art Spiel doppeldeutige Wörter ohne Zusammenhang; ich höre “Bank” und höre es in jener Bedeutung. Es ist beinahe, als wäre dies letztere ein wertloses Überbleibsel des ersten Vorgangs. |
1705.
Warum soll nicht die überwältigende Neigung, ein gewisses Wort
in unserer Äußerung zu gebrauchen,
bestehen?
Und warum sollte dies Wort nicht dennoch irreführend sein, wenn wir
über unser Erlebnis nachdenken?
Ich meine: Warum sollen wir nicht “sehen” sagen wollen, obwohl der Vergleich mit dem Sehen in mancher Weise nicht stimmt. Warum sollen wir nicht von einer Analogie beeindruckt sein, zum Nachteil aller || von allen Verschiedenheiten. Aber darum kann man sich auch nicht auf die Worte der Äußerung berufen. Die physiologische Betrachtung verwirrt hier nur. Weil sie von dem logischen, begrifflichen Problem ablenkt. |
1706.
Die Verwirrung in der Psychologie ist nicht damit zu
erklären, daß sie eine “junge
Wissenschaft” ist.
Ihr Zustand ist mit dem der Physik, z.B., in
ihrer Frühzeit gar nicht zu vergleichen.
Eher mit dem gewisser Zweige der Mathematik.
(Mengenlehre).
Es besteht da nämlich einerseits eine gewisse
308 experimentelle Methode,
anderseits Begriffsverwirrung || Es besteht da
nämlich eine gewisse experimentelle Methode, und zugleich
Begriffsverwirrung, so wie in manchen Teilen der
Mathematik Begriffsverwirrung und Beweismethoden.
Während man aber in der Mathematik ziemlich sicher sein kann,
daß ein Beweis von Wichtigkeit sein wird, auch wenn er
noch nicht recht verstanden || gedeutet ist, ist man in der Psychologie
der Fruchtbarkeit der Experimente durchaus nicht sicher.
Vielmehr besteht || bestehen in ihr
Problematisches und Experimente, die man für die Methode der Lösung der
Probleme ansieht, auch wenn sie an dem, was uns beunruhigt,
ganz vorbeigehen. |
1707.
Man könnte dazu verführt werden zu glauben, es gäbe eine bestimmte Art
und Weise, wie man Jahreszahlen ausspricht, einen bestimmten Tonfall oder
dergleichen.
Denn eine Zahl, etwa eine Hausnummer, wie 1854 kann für mich etwas
Jahreszahlhaftes an sich haben.
Man könnte glauben, unser Erlebnis sei das einer bestimmten Einstellung
des Geistes, die ihn für eine bestimmte Tätigkeit bereit macht; zu
vergleichen also der Stellung des Körpers vor dem Sprung.
Hier ist ein sehr verlockender Irrtum.
Es ist Erfahrungstatsache, daß
diese Stellung eine häufige, oder
zweckmäßige Vorbereitung für
diese Tätigkeit ist.
Wir aber haben nicht gelernt,
daß dies Gefühl, diese Erfahrung, eine
zweckdienliche Vorbereitung der und der Anwendung der Figur, Zahl,
etc. ist.
Ausdrücke wie “Es ist, als zitterte in dem Erlebnis
bereits die künftige Verwendung”, “Es ist, als
innervierten wir schon die Muskeln zu dieser bestimmten
Tätigkeit”, etc. etc. sind nur
paraphrasierte Äußerungen des
Erlebnisses.
(Als sagte man “Die Liebe zu … glüht mir im
Herzen.”) –
Hier haben wir übrigens eine Andeutung des Ursprungs der
Innervationsempfindung, die das Bewußtsein des
Willensakts ausmachen soll. |
1708.
Ich sage beim Erkennen eines Menschen: “Jetzt seh
ich's – es sind dieselben Züge, nur …”
– und es folgt eine Beschreibung der tatsächlichen
Veränderungen. –
Denk Dir, ich sagte “Das Gesicht ist runder, als es
war” – soll ich sagen, es ist eine Eigentümlichkeit des
Gesichtsbildes, des Gesichtseindrucks, die mir das zeigt?
Freilich, man wird sagen: “Nein; hier kommt ein
Gesichtsbild in eine || mit
einer Erinnerung zusammen.”
Aber wie kommen diese zusammen?
Ja – es ist als ob hier zwei Bilder verglichen
würden.
Aber es werden nicht zwei Bilder verglichen; und würden
309 sie's, so
müßte man noch immer eines als das des früheren
Gesichts anerkennen. |
1709.
Ich kann doch sagen: Ich sehe, daß diese
Figur in jener enthalten ist, kann sie aber nicht darin sehen.
Diese Beschreibung paßt wohl für diese Figur,
aber doch kann ich die Figur nicht der Beschreibung
gemäß sehen.
Und “sehen” heißt hier auch nicht “auf einen || mit einem Schlag erkennen”. Denn es könnte wohl sein, daß jemand nicht imstande wäre, auf den ersten Blick die eine Figur in der andern zu sehen, daß er dies aber könnte, nachdem er das Enthaltensein, sozusagen stückweise, erkannt hätte. |
1710.
Teile ich ihm mittels der beiden Bilder mit, die eine
Figur sei in der andern enthalten, oder, ich erkenne,
daß es so sei, so teile ich ihm damit nicht mit,
ich sehe die eine in der andern.
Worin liegt der Unterschied der beiden Mitteilungen?
(Ihr Wortausdruck muß sich nicht
unterscheiden.) |
1711.
Ich kann die Figur nicht als Vereinigung von und
sehen, die zusammengeschoben sind, daß sie
sich halb überdecken, sodaß das mittlere || schwarze Feld gleichsam doppelt
gilt. || Feld ein oberes und ein unteres
darstellt.
Wenn nun einer sagte, er könne die Figur so sehen, könnte ich
es || dies nicht verstehen?
Könnte ich es glauben?
Sollte ich sagen, dies sei möglich – auch wenn mir derlei noch nie
vorgekommen ist?
Müßte ich sagen “Du meinst eben mit
‘So-sehen’ etwas anderes
als ich”? –
Und wenn ich es annähme, was wüßte ich nun, was
könnte ich damit anfangen?
(Eine physiologische Verwendung ist natürlich wieder
vorstellbar.) |
1712.
Hierher gehört die Frage “Was würde mir einer mitteilen,
der sagte, er könne ein regelmäßiges 50-Eck als
solches sehen”?
Wie würde man seine Aussage prüfen?
Was als Prüfung gelten lassen?
Mir scheint, es könnte nun sein, daß man gar nichts als Bestätigung dieser Aussage annehmen würde. |
1713.
“Für mich ist es jetzt dieses
Ornament.”
Das “dieses” muß erklärt werden
durch Hinweis auf eine Klasse von Ornamenten.
Man kann etwa sagen “Es sind weiße
Bänder auf etwas Schwarzem”.
Ja – anders ist es nicht zu erklären.
Obgleich man sagen möchte: “Es
muß doch einen einfacheren Ausdruck für das geben,
was ich sehe!”
Und vielleicht gibt es ihn auch.
Denn von allem könnte man den Ausdruck “hervortreten”
benützen.
Man kann sagen “Diese Teile treten
hervor”.
Und nun kann man sich ja eine 310
primitive Reaktion eines Menschen denken, der dies
nicht durch Worte ausdrückt, sondern etwa auf die
“hervortretenden” Teile mit dem Finger und einer
besondern Gebärde deutet.
Aber dieser primitive Ausdruck wäre damit noch nicht
äquivalent dem Wortausdruck
“weißes Bandornament”.
|
1714.
Es wäre aber auch das möglich:
daß eine große Menge von
Ausdrücken, Begriffen für jemanden in diesem Fall ganz gleichbedeutend
wären.
Und sollte man in diesem Fall sagen, der beschriebene
Aspekt sei rein optisch? |
1715.
Es ist aber die Frage: warum die primitive Reaktion
des Deutens mit dem Finger ein Ausdruck des
So-Sehens genannt werden soll.
Ohne weiteres wird man sie doch so nicht nennen können.
Nur wenn sie sich mit andern Ausdrücken vereinigt. |
1716.
Denke, es drückte einer das So-Sehen immer durch
eine Erinnerung aus!
Er sagte z.B., jetzt erinnere ihn die Figur an dies
jetzt an jenes, was er einmal gesehen habe.
Was könnte ich mit dieser Mitteilung anfangen?
Kann mich etwas eine halbe Stunde lang an diesen Gegenstand erinnern? Es sei denn, daß ich mich mit dieser Erinnerung beschäftige. |
1717.
Wenn es sich nun so verhält, daß es ein
Bedeutungserlebnis zwar gibt, dies aber etwas
nebensächliches || Nebensächliches ist, – wie kann es dann so sehr
wichtig scheinen?
Kommt das daher, daß dies Phänomen einer gewissen
primitiven Deutung unserer Grammatik (Sprachlogik)
entgegenkommt?
So wie man sich oft vorstellt || Aus dem
gleichen Grunde, wie man sich oft
vorstellt, es müsse die Erinnerung an ein Ereignis
ein inneres Bild sein, und wie ja so ein Bild manchmal wirklich
existiert. |
1718.
Wie verschwommen auch mein Gesichtsbild sein mag, so
muß es doch eine bestimmte
Verschwommenheit haben, so muß es doch ein
bestimmtes Gesichtsbild sein.
Das heißt wohl, es muß einer
genau passenden Beschreibung fähig sein, wobei eben die Beschreibung die
gleiche Vagheit haben müsse, wie das Beschriebene. –
Aber nun wirf einen Blick auf das Bild und gib eine in diesem Sinne
passende Beschreibung!
Diese Beschreibung sollte eigentlich ein Bild, eine
Zeichnung sein!
Aber hier handelt sich's eben nicht um eine verschwommene
Kopie eines verschwommenen Bildes.
Was wir sehen, ist in ganz anderm Sinne unklar.
Und ich glaube, die Lust, von einem privaten Gesichtsobjekt zu reden,
könnte einem vergehen, wenn man öfter an – 311
– dies Bild || Gesichtsbild dächte.
Die Abbildungsweise, die sonst möglich ist, ist eben hier nicht möglich. |
1719.
Wenn ich sage “Er hat sich im Park auf die Bank
gesetzt”, so ist es freilich schwierig, dabei an eine Geldbank
zu denken, sich eine vorzustellen; aber das beweist nicht,
daß man sich sonst eine andere Bank vorgestellt
hätte.
Es könnte uns z.B. leicht fallen, während des Redens gewisse Bilder zu zeichnen, die der Rede entsprechen, und sehr schwer, dabei Bilder zu zeichnen, die der Absicht, oder dem Zusammenhang der Rede zuwider sind. Aber das würde nicht beweisen, daß wir beim Reden immer zeichnen. |
1720.
Wenn ich jetzt beim Überlegen dieser Frage allein den Satz ausspreche
“Du mußt das Geld in die Bank legen”
und ihn so und so meine, – heißt das,
daß in mir beim Aussprechen des Satzes das Gleiche
vorgeht, wie wenn ich den Satz bei einer wirklichen Gelegenheit jemandem
in dieser Bedeutung sage?
Was könnte so eine Annahme rechtfertigen??
Höchstens, daß ich danach sage
“Ich habe das Wort … jetzt in der Bedeutung …
gemeint”.
Und hier handelt sich's doch um eine Art optischer
Täuschung!
Denn, was mich im praktischen Gebrauche zu dieser Feststellung
berechtigt, ist ja nicht ein das Sprechen begleitender Vorgang.
Wenn auch Vorgänge das Sprechen begleiten können, die
auf diese Bedeutung hinweisen.
(Die Richtung des Blicks z.B..) |
1721.
Die Schwierigkeit ist, sich unter den Begriffen der
‘psychologischen Erscheinungen’ auszukennen.
Sich unter ihnen zu bewegen, ohne immer wieder gegen ein Hindernis anzurennen. D.h., man muß die Verwandtschaften und Unterschiede der Begriffe beherrschen. Wie einer den Übergang von jeder Tonart in jede beherrscht, von der einen in die andere moduliert. || Wie man den Übergang von einer Tonart in die andere || von jeder Tonart in jede andere beherrscht, … |
1722.
“Ich habe jetzt das Wort … in der Bedeutung …
ausgesprochen” – Wie
weißt Du, daß
Du's getan hast?
Wie, wenn Du Dich geirrt hast || hättest?
Wie hast Du denn gelernt, es in der Bedeutung auszusprechen?
Wer sagt “Ich habe jetzt das Wort in der Bedeutung isoliert gesprochen”, der spielt ein gänzlich anderes Sprachspiel, als der, welcher mir mitteilt, er habe mit dem Wort in jenem Bericht, oder Befehl, das gemeint. – 312 –
Und nun ist es also wesentlich, oder unwesentlich,
daß er auch im ersten Falle das Wort
“meinen” gebraucht.
Ist es wesentlich, dann ist dies erste Sprachspiel sozusagen eine
Spiegelung des zweiten.
Etwa, wie die Schachpartie auf der Bühne eine Spiegelung einer wirklichen Schachpartie genannt werden könnte. |
1723.
Schach in der Vorstellung mit dem andern spielen: Beide
Spieler spielen in der Vorstellung und stimmen miteinander darin überein,
dieser habe gewonnen, dieser verloren.
Sie können dann beide aus dem Gedächtnis die Partie übereinstimmend
reproduzieren, sie aufschreiben, erzählen. –
Denke Tennis so gespielt.
Es wäre möglich.
Nur natürlich keine Übung für die Muskeln.
(Obwohl sich auch das denken
ließe.)‒ ‒ ‒
Wichtig ist, daß man auch beim ‘Tennis
in der Vorstellung’ wird sagen können “Es ist
mir gelungen, den Ball …”. |
1724.
Ich könnte doch von einer Schachpartie träumen, der Traum hat mir aber
vielleicht nur einen Zug des Spiels gezeigt.
Dennoch hätte ich geträumt: ich habe eine Schachpartie
gespielt.
Man wird dann sagen “Du hast sie nicht wirklich gespielt, Du
hast es geträumt”.
Warum sollte man nicht auch sagen “Du hast das Wort nicht
wirklich so gemeint, Du hast es nur geträumt”? |
1725.
Vor Gericht, z.B. könnte es sich darum
fragen || könnte die Frage erörtert
werden, wie einer ein Wort gemeint habe, und
es kann auch aus gewissen Tatsachen geschlossen werden, er habe es
so gemeint.
Es ist eine Frage der Absicht könnte aber auch jenes
andere geträumte meinen diese Wichtigkeit haben?
|
1726.
Aber wie ist es: Wenn ich ein Gedicht, oder ausdrucksvolle
Prosa lese, besonders wenn ich sie laut lese, so geht doch beim Lesen
etwas vor, was nicht vorgeht, wenn ich die Sätze nur ihrer || der Information wegen lese. || überfliege.
Ich kann doch, z.B., einen Satz mehr, oder
weniger eindringlich lesen.
Ich bemühe mich den Ton genau zu treffen.
Dabei sehe ich oft ein Bild, gleichsam eine Illustration, vor
mir.
Ja ich kann auch einem Wort einen Ton verleihen, der
seine Bedeutung, beinahe als wäre das Wort ein Bild, hervortreten
läßt. || heraushebt.
Man könnte sich selbst eine Schreibweise denken, in der gewisse Wörter
durch bildliche Zeichen ersetzt und so hervorgehoben werden.
Ja dies geschieht manchmal, wenn wir ein Wort unterstreichen, oder es
im Satz förmlich || gleichsam auf ein
Postament stellen.
((“… there lay a something
…”)) – 313 – |
1727.
Wenn ich beim ausdrucksvollen Lesen dies Wort ausspreche, so ist es
sozusagen mit seiner Bedeutung gefüllt. || angefüllt.
Und nun könnte man fragen: “Wie kann
das sein?” |
1728.
“Wie kann das sein, wenn Bedeutung das ist, was Du
glaubst?”
Der Gebrauch eines Wortes kann das Wort nicht begleiten, oder
anfüllen.
Und nun kann ich antworten: Mein
Ausdruck war bildlich gebraucht. –
Aber das Bild drängte sich mir
auf.
Ich will sagen: das Wort war von seiner Bedeutung
erfüllt.
Wie ich dazu komme, das sagen zu wollen, ließe
sich vielleicht erklären.
Warum aber soll ich dann nicht auch ‘sagen wollen’: ich habe das Wort (isoliert) in dieser Bedeutung ausgesprochen? |
1729.
Warum soll mich eine bestimmte Technik der Verwendung der Worte
“Bedeutung”, “meinen” und anderer nicht
dazu führen, diese Worte sozusagen in einem bildlichen, uneigentlichen
Sinne zu gebrauchen?
(So wie ich sage, der Laut e ist
gelb.)
Ich meine aber nicht: es sei ein Irrtum–
ich habe das Wort nicht wirklich in dieser Bedeutung
ausgesprochen, sondern mir's nur eingebildet. Nicht
so ist es. || ein Irrtum: ich habe
mir nur eingebildet, das Wort in dieser Bedeutung auszusprechen.
Nicht so ist es.
Ich bilde mir ja auch nicht bloß ein,
es werde im “Nathan” Schach gespielt. |
1730.
Das Denken in den Begriffen physiologischer Vorgänge ist für die
Klarstellung der begrifflichen Probleme in der Psychologie höchst
gefährlich.
Das Denken in physiologischen Hypothesen spiegelt uns
manchmal falsche Schwierigkeiten, manchmal falsche Lösungen vor.
Die beste Kur dagegen ist der Gedanke daß ich gar
nicht weiß, ob die Menschen, die ich kenne,
wirklich ein Nervensystem haben. |
1731.
Der Fall der ‘erlebten Bedeutung’ ist
verwandt dem des Sehens einer Figur als dies, oder
jenes.
Wir müssen diese begriffliche Verwandtschaft beschreiben;
daß eigentlich beide Male das
Gleiche vorliege, sagen wir nicht. |
1732.
“Wenn Du Dein F so schreibst , meinst Du es als
‘verschobenes’ F, oder als
Spiegel-F? –
Willst Du, daß es nach rechts, oder
daß es nach links schaue? –
Die zweite Frage bezieht sich offenbar nicht auf einen
Vorgang, der das Schreiben begleitet.
Bei der ersten Frage könnte man an so einen Vorgang
denken. – 314 – |
1733.
“Ich sehe, daß das Kind den Hund anrühren
will, sich aber nicht recht traut.”
Wie kann ich das sehen? –
Ist diese Beschreibung des Gesehenen auf gleicher Stufe mit einer
Beschreibung sich bewegender Formen und Farben?
Liegt ein Deuten || Deuten vor?
Nun, bedenke, daß Du ja auch einen Menschen
nachmachen kannst, der etwas angreifen möchte, sich aber
nicht traut!
Und was Du nachmachst ist doch ein Benehmen.
Aber Du wirst dies Benehmen charakteristisch vielleicht
nur in einem weiteren Zusammenhang nachahmen können. |
1734.
Man wird auch sagen können: Was diese Beschreibung sagt,
wird sich irgendwie in der Bewegung und dem übrigen Benehmen des Kindes,
aber auch in der räumlichen und zeitlichen Umgebung ausdrücken. || sagt, drückt sich irgendwie in der Bewegung und dem übrigen
Benehmen des Kindes, in dieser räumlichen und zeitlichen Umgebung
aus. |
1735.
Soll ich nun aber sagen, daß ich die Furchtsamkeit
in diesem Benehmen – oder den Gesichtsausdruck –
eigentlich ‘sehe’?
Warum nicht?
Aber damit ist ja der Unterschied zweier Begriffe des Wahrgenommenen
nicht geleugnet.
Ein Bild des Gesichts könnte die Gesichtszüge sehr genau, den
Ausdruck aber nicht richtig wiedergeben; es könnte aber auch der Ausdruck
ähnlich sein und die Züge nicht gut getroffen.
“Ähnlicher Ausdruck” faßt
Gesichter ganz anders zusammen, als “ähnliche
Anatomie”. |
1736.
Die Frage ist natürlich nicht: “Ist es richtig, zu
sagen ‘ich sehe sein schlaues
Blinzeln’?”
Was sollte daran richtig oder falsch sein, außer
der Gebrauch der deutschen Sprache?
Wir werden auch nicht sagen: “Der naive Mensch hat
ganz recht, wenn er sagt, er sähe den
Gesichtsausdruck”! |
1737.
Anderseits möchte man aber sagen: Wir können doch den
Ausdruck, die Schüchternheit des Benehmens, etc.
nicht in demselben Sinne ‘sehen’, wie die
Bewegung, die Formen und Farben.
Was ist nun daran?
(Physiologisch ist die Frage natürlich nicht zu
beantworten.)
Nun, man sagt eben von der Bewegung und auch von der Freude des Hundes,
man sähe sie.
Schließt man die Augen, so kann man weder das
eine noch das andere sehen.
Sagt man aber von dem, er habe alles gesehen, was zu
sehen ist, der die Bewegung des Hundes auf irgendeine Weise
genau im Bilde wiedergeben könnte, dann müßte
der die Freude des Hundes nicht erkennen.
Ist also die ideale Darstellung des Gesehenen die photographisch
(metrisch) genaue Wiedergabe im Bild, dann könnte man sagen
wollen: “Ich sehe die Bewegung, und merke
irgendwie die Freude.” – 315 –
Aber bedenke doch, in welcher Bedeutung wir das Wort
“sehen” gebrauchen lernen.
Wir sagen doch gewiß, wir sehen diesen Menschen,
diese Blume, während unser Gesichtsbild
– die Farben und Formen – sich stetig || stätig und zwischen
den weitesten Grenzen ändern.
Nun, so gebrauchen wir eben das Wort “sehen”.
(Glaub nicht, Du kannst einen bessern Gebrauch dafür finden, –
einen phänomenologischen!) |
1738.
Lerne ich nun die Bedeutung des Wortes “traurig” –
aufs || auf's Gesicht
angewendet – ganz so, wie die Bedeutung von “rund”
oder “rot”?
Nein, nicht ganz so, aber doch ähnlich.
(Ich reagiere ja auch anders auf die Traurigkeit des
Gesichts, als auf die Röte.) |
1739.
Schau eine Photographie an; frag Dich, ob Du nur die Verteilung von
dunklern und helleren Flecken, oder auch den Gesichtsausdruck
siehst!
Frag Dich, was Du siehst: Wie wäre es leichter
darzustellen: durch eine Beschreibung jener Verteilung von Flecken,
oder durch die Beschreibung eines menschlichen Kopfes; und wenn Du nun
vom Gesicht sagst, es lächle, – ist es leichter, die
entsprechende Lage und Form der Gesichtsteile zu beschreiben,
oder selbst zu lächeln? |
1740.
“Was ich sehe, kann nicht der Ausdruck sein, weil
das Erkennen des Ausdrucks von meinem Wissen, meiner Kenntnis des
menschlichen Benehmens im allgemeinen, abhängt.”
Aber ist dies nicht bloß eine geschichtliche
Feststellung? |
1741.
Ist es hier, als nähme ich eine ‘vierte
Dimension’ wahr?
Nun, ja und nein.
Seltsam ist es aber eben nicht.
Woraus Du lernen sollst, daß das nicht seltsam
ist, was einem beim Philosophieren so vorkommt.
Wir nehmen an: das Wort … müßte doch
eigentlich so gebraucht werden (dieser
Gebrauch fällt uns als Prototyp ein) und dann finden wir den normalen
Gebrauch höchst seltsam. |
1742.
“Was ich eigentlich sehe, muß
doch das sein, was in mir durch Einwirkung des Objekts
zustandekommt.” –
Das, was in mir zustandekommt, ist dann so etwas wie ein Abbild, etwas,
was man selbst wieder anschauen, vor sich haben
könnte.
Beinahe so etwas wie eine
Materialisation.
Und diese Materialisation ist etwas Räumliches und muß sich ganz in räumlichen Begriffen beschreiben lassen. Sie kann dann zwar lächeln, aber der Begriff der Freundlichkeit gehört nicht zu ihrer Darstellung, sondern – 316
– ist dieser Darstellung fremd
(wenn er ihr auch dienen kann). |
1743.
Wer z.B. imstande wäre, dieses Bildnis genau zu
kopieren, – sollte ich von dem nicht sagen, er sähe
alles, was ich sehe?
Und er müßte den Kopf gar nicht als Kopf, oder
als etwas Räumliches ansprechen; und wenn auch das, so brauchte ihm der
Ausdruck nichts zu sagen.
Und wenn dieser nun zu mir spricht, – sollte ich sagen, ich sehe
mehr, als der andere?
Ich könnte es sagen. |
1744.
Aber ein Maler kann doch ein Auge malen, daß er
starrt; so muß also sein || das Starren sich durch die Verteilung der
Farbe auf der Fläche beschreiben lassen.
Aber wer es malt, muß diese Verteilung nicht
beschreiben können. |
1745.
Verstehen eines Musikstücks – Verstehen eines Satzes.
Man sagt, ich verstehe eine Redeweise nicht wie ein Einheimischer, wenn ich zwar ihren Sinn kenne, aber, z.B., nicht weiß, was für eine Klasse von Leuten sie verwenden würde. Man sagt im so einem Falle, ich kenne die genaue Schattierung der Bedeutung nicht. Wenn man aber nun dächte, man empfände beim Aussprechen des Wortes etwas anderes, wenn man diese Schattierung kennt, so wäre dies wieder unrichtig. Aber ich kann z.B. unzählige Übergänge machen, die der andere nicht machen kann. |
1746.
Man möchte doch sagen: “Das Seelenleben des Menschen
läßt sich gar nicht beschreiben; es ist so ungemein
kompliziert und voll von kaum greifbaren Erlebnissen.
Es gleicht großenteils einem Brauen farbiger
Nebel, in dem jede Form nur Durchgang zu anderen Formen, zu anderen
Durchgängen ist. –
Ja, nimm nur das visuelle Erlebnis!
Dein Blick wandert beinahe unaufhörlich: wie könntest
Du es beschreiben?” –
Und doch beschreibe ich's! –
“Aber das ist nur eine ganz rohe Beschreibung, sie beschreibt
Dein Erlebnis eigentlich nur in den gröbsten Zügen.”
–
Aber ist dies eben nicht, was ich Beschreibung meines Erlebnisses
nenne?
Wie komme ich denn zum Begriff einer Art Beschreibung, die ich
unmöglich || nie geben kann?
|
1747.
Denk, Du blickst auf strömendes Wasser.
Das Bild der Oberfläche ändert sich fortwährend.
Lichte und Dunkelheiten tauchen überall auf und
verschwinden.
Was würde ich eine ‘genaue Beschreibung’ dieses
Gesichtsbildes || Bildes
nennen?
Ich würde nichts so nennen.
Sagt einer, es läßt sich nicht beschreiben, so
kann man antworten: Du weißt nicht, was
eine Beschreibung zu nennen wäre.
Denn die genaueste Photographie z.B.,
würdest || – 317
– könntest Du nicht
als genaue Darstellung Deines Erlebnisses
anerkennen.
Genauigkeit gibt es in diesem Sprachspiel nicht.
(Nämlich so, wie ein Rössel nicht im Damespiel.) |
1748.
Die Beschreibung des Erlebnisses beschreibt nicht einen
Gegenstand.
Sie kann sich der Beschreibung eines Gegenstands bedienen.
Und dieser Gegenstand ist manchmal der, welchen man anschaut, manchmal
(Photographie) nicht.
Der Eindruck – möchte ich sagen – sei kein Gegenstand. |
1749.
Wir lernen Gegenstände beschreiben, und dadurch, in anderm Sinne,
unsere Empfindungen. |
1750.
Ich schaue in das Okular eines Instruments und zeichne, oder male ein
Bild dessen, was ich sehe.
Wer es ansieht, kann sagen: “Also so
schaut es aus” – aber auch “Also
so erscheint es Dir”.
Ich könnte das Bild einer || eine Beschreibung des Angeschauten, aber auch eine Beschreibung meines Gesichtsausdrucks nennen. |
1751.
“Der Eindruck ist verschwommen”– ‘also ist
der Gegenstand in meinem Bewußtsein
verschwommen’. |
1752.
Den Eindruck kann man nicht betrachten, darum ist er kein
Gegenstand.
(Grammatisch.)
Denn man betrachtet den Gegenstand nicht, um ihn zu ändern.
(Das ist eigentlich, was Leute damit meinen: die Gegenstände
existierten ‘unabhängig von uns’.) |
1753.
“Der Sessel ist der gleiche, ob ich ihn betrachte oder
nicht” – das müßte
nicht wahr sein.
Menschen werden oft verlegen, wenn man sie anschaut.
“Der Sessel fährt fort zu existieren, ob ich ihn anschaue oder
nicht.”
Das könnte ein Erfahrungssatz, oder es könnte grammatisch
aufzufassen sein.
Man kann aber auch einfach an dem begrifflichen Unterschied zwischen
Sinneseindruck und Objekt dabei denken. |
1754.
Deutsche Hauptwörter in kleinem Druck bei gewissen modernen
Dichtern.
Ein deutsches Hauptwort in kleinem Druck sieht fremdartig aus, man
muß es aufmerksam lesen, um es zu erkennen.
Es soll uns neu vorkommen, als hätten wir es jetzt zum
ersten Mal gesehen. –
Was aber interessiert mich daran?
Dies, daß der Eindruck zuerst nicht genauer
beschrieben werden kann, als durch Worte wie “seltsam”,
“ungewohnt”.
Später erst folgen sozusagen Analysen des Eindrucks.
(Die Reaktion des Zurückschreckens vor dem seltsam geschriebenen
Wort.) – 318 – |
1755.
Wir lehren einen die Bedeutung des Wortes “unheimlich”,
indem wir es mit einem gewissen Benehmen in gewissen
Situationen in Zusammenhang bringen (aber nicht:
das Benehmen so nennen).
Er sagt nun in solchen Situationen, es sei ihm unheimlich; und einmal
auch, das Wort “ghost” habe etwas
Unheimliches. –
Inwiefern war das Wort “unheimlich” von Haus aus die
Bezeichnung eines Gefühls?
Wenn einer davor zurückscheut, in ein dunkles Zimmer zu gehen, warum
soll ich dies und Ähnliches || ähnliches
die Äußerung eines Gefühls nennen?
Denn “Gefühl” läßt uns ja doch an
Empfindung und Sinneseindruck denken, und dies wieder sind die
Gegenstände, die unsere Seele unmittelbar vor sich hat.
((Ich will hier einen logischen Schritt
machen, der mir sehr schwer fällt.)) |
1756.
“Was weiß ich von den Gefühlen des andern,
und was weiß ich von den
meinen?” heißt,
daß die Erfahrung, als Gegenstand
aufgefaßt, aus der Betrachtung herausfiele.
|
1757.
Kann denn etwas merkwürdiger sein, als daß der
Rhythmus des Satzes für sein genaues || genaueres Verständnis von Wichtigkeit sein
soll! |
1758.
Es ist, als teilte uns der etwas mit, der den Satz als Mitteilung
ausspricht, aber auch der Satz als bloßes
Beispiel. |
1759.
Es ist ja klar, daß die Beschreibungen der
Eindrücke || Empfindungen die Form
der Beschreibung
‘äußerer’ Gegenstände
haben – mit gewissen Abweichungen.
(Einer gewissen Vagheit, z.B.)
Oder auch: Soweit die Beschreibung des Eindrucks der Beschreibung eines Gegenstandes gleichsieht, ist sie eine Beschreibung eines Gegenstands der Wahrnehmung. (Darum sollte die Betrachtung des zweiäugigen Sehens den einigermaßen beunruhigen, der vom visuellen Gegenstand redet.) |
1760.
“Das Denken ist ein rätselhafter Vorgang, von dessen vollem
Verständnis wir noch weit entfernt sind.”
Und nun stellt man Experimente an.
Offenbar, ohne sich bewußt zu sein,
worin das Rätselhafte des Denkens für uns liegt.
Die experimentelle Methode tut etwas; daß sie das Problem nicht löst, schiebt man darauf, daß sie noch in ihren Anfängen liegt. Es ist, als wollte man durch chemische Experimente feststellen, was Materie, und was Geist ist. |
1761.
Wer den Gesichtseindruck beschreibt, beschreibt die Ränder des
Gesichtsfelds nicht.
Ist dies eine Unvollkommenheit unserer Beschreibungen? – 319 –
Schließe ich das linke Auge und drehe dann die
Augen, soweit ich nur kann nach rechts, so sehe ich ‘aus dem
Augenwinkel’ noch einen Gegenstand aufglänzen.
Ja, ich könnte eine beiläufige Beschreibung von diesem Eindruck
geben.
Ich könnte auch eine Zeichnung von ihm herstellen, und sie würde
vielleicht Dunkelheiten und einen dunkeln, verlaufenden Rand zeigen:
aber richtig verstehen, verwenden könnte nur der dies Bild,
der weiß, in welcher Situation es zu verwenden
ist.
D.h.: er könnte nun auch ein Auge
schließen, soweit wie möglich nach rechts schauen,
und sagen, auch er sehe es so, oder in dieser oder jener Weise
abweichend. || und sagen, auch er habe diesen
Eindruck, oder: der seine weiche von meinem Bild in dieser oder
jener Weise ab. |
1762.
Daß wir mit gewissen Begriffen
rechnen, mit andern nicht, zeigt nur, wie verschiedener Art
die Begriffswerkzeuge sind (wie wenig Grund wir haben, hier ja
Einförmigkeit anzunehmen.) |
1763.
Turing's
‘Maschinen’.
Diese Maschinen sind ja die Menschen, welche
kalkulieren.
Und man könnte, was er sagt, auch in Form von Spielen
ausdrücken.
Und zwar wären die interessanten Spiele solche, bei denen man
gewisse || gewissen Regeln
gemäß zu unsinnigen Anweisungen gelangt.
Ich denke an Spiele ähnlich dem
“Wettrennspiel”.
Man erhielte etwa den Befehl “Setze auf
die gleiche Art fort”, wenn dies keinen Sinn ergibt, etwa, weil
man in einen Zirkel gerät; denn jener
Befehl hat eben nur an gewissen Stellen Sinn.
(Watson.) |
1764.
Eine Variante des Cantor'schen Diagonalbeweises: N = F (k,n) sei die Form der Gesetze für die Entwicklung von Dezimalbrüchen. N ist die n-te Dezimalstelle der k-ten Entwicklung. Das Gesetz der Diagonale ist dann: N = F (n,n) = = Definition F'(n). Zu beweisen ist, daß F'n nicht eine der Regeln F(k,n) sein kann. Angenommen, es sei die 100ste. Dann lautet die Regel zur Bildung von Aber die Regel zur Bildung der 100sten Stelle von F'(n) wird || lautet F(100,100); d.h., sie sagt uns nur, daß die 100ste Stelle sich selber gleich sein soll, ist also für n = 100 keine Regel. Die Spielregel lautet “Tu das Gleiche || gleiche, wie … !” – und im besondern Fall wird sie nun “Tu das Gleiche || gleiche, wie das, was Du tust!” 449. |
1765.
Der Begriff des
‘Ordnens’ der Rationalzahlen z.B.
und der ‘Unmöglichkeit’ die
Irrationalzahlen so zu ordnen.
Vergleiche das mit dem, was man ‘Ordnen’ von Ziffern
nennt.
Gleichermaßen der Unterschied zwischen dem
‘Zuordnen’ einer Ziffer (oder
Nuß) zu einer andern und dem
‘Zuordnen’ aller ganzer
Zahlen zu den geraden Zahlen; etc.
Überall Begriffsverschiebungen. |
1766.
Die Beschreibung des subjektiv Gesehenen ist nahe oder entfernt
verwandt der Beschreibung eines Objekts || Gegenstands, aber funktioniert nicht als
Beschreibung eines Gegenstands.
Wie vergleicht man Gesichtsempfindungen?
Wie vergleiche ich meine mit des Andern Gesichtsempfindungen?
|
1767.
Das menschliche Auge sehen wir nicht als
Empfänger || Empfangsorgan, es scheint nicht etwas
einzulassen, sondern auszusenden.
Das Ohr empfängt; das Auge blickt.
(Es wirft Blicke, es blitzt, strahlt leuchtet.)
Mit dem Auge kann man schrecken, nicht mit dem Ohr, der Nase.
Wenn Du das Aug siehst, so siehst Du etwas von ihm ausgehen.
Du siehst den Blick des Auges. |
1768.
“Wenn Du nur von Deinen physiologischen Vorurteilen wegkommst,
wirst Du garnichts daran finden,
daß das Blicken des Auges auch gesehen werden
kann.”
Ich sage ja auch, ich sehe den Blick, den Du dem Andern
zuwirfst.
Und wollte man mich verbessern und sagen, ich
sähe ihn eigentlich nicht, so hielte ich
das für eine Dummheit.
Anderseits habe ich mit meiner Redeweise nicht etwas zugegeben, 450. ,
und ich widerspreche dem, der mir sagt, ich sähe
den Blick ‘geradeso’ wie die Gestalt und Farbe des
Auges.
Denn das ‘naive Sprechen’, d.h. unsere naive, normale, Ausdrucksweise, enthält ja keine Theorie des Sehens – zeigt Dir keine Theorie, sondern nur einen Begriff des Sehens. |
1769.
Und wenn Einer sagt “Ich sehe eigentlich nicht das
Blicken, sondern nur Formen und Farben”, – widerspricht der
der naiven Ausdrucksweise?
Sagt er, der war im Unrecht, der sagte, er habe meinen Blick
wohl gesehen, gesehen, daß dieses
Menschen Augen starren, ins Leere blicken,
etc.?
Doch gewiß nicht.
Was wollte also der Purist tun?
Will er sagen, es sei richtiger, hier ein anderes Wort statt des Wortes “sehen” zu gebrauchen? Ich glaube, er will nur auf eine Scheide ¤ ¤ ¤ –321– zwischen Begriffen
aufmerksam machen.
Wie stellt denn das Wort “sehen” die
Wahrnehmungen zusammen?
Ich meine: es kann sie zusammennehmen als Wahrnehmungen
mit dem Auge; denn wir spüren ja das Sehen nicht im
Auge.
Aber eigentlich scheint der, der auf der
Richtigkeit unserer normalen Ausdrucksweise besteht, zu
sagen: daß im Gesichtseindruck das
alles enthalten sei; daß das subjektive
Auge sowohl Form als Farbe, als Bewegung, als
Ausdruck und Blick (Richtung nach außen)
habe.
Daß man den Blick, sozusagen, nicht
woanders spürt.
Aber das heißt nicht: ‘woanders
als in den Augen’, sondern: woanders als im
Gesichtsbild.
Aber wie wäre es denn, wenn's anders wäre?
Etwa so, daß ich sagte: “Ich
sehe in diesem Auge die und die Formen, Farben, Bewegungen, – das
heißt, es blickt jetzt freundlich”, als zöge
ich also einen Schluß. –
Man könnte also sagen: Der Ort des wahrgenommenen
Blickes ist das subjektive Auge, das Gesichtsbild des
Auges, selber. |
1770.
Vor allem kann ich mir sehr wohl jemand denken, der zwar ein Gesicht
höchst genau sieht, es z.B. genau porträtieren kann,
aber seinen lächelnden Ausdruck nicht als Lächeln erkennt.
Zu sagen, sein Sehen sei mangelhaft, fände ich absurd.
Und zu sagen, daß sein subjektiver
Gesichtsgegenstand eben nicht lächle, obwohl er alle Farben und Formen
des meinen hat, ebenso absurd. |
1771.
D.h.: wir ziehen hier eine
begriffliche Grenze (und sie hat mit
physiologischen Meinungen nichts zu tun). |
1772.
Der Glanz, oder die Spiegelung: Wenn ein Kind malt, so wird es
diese nie malen.
Ja es ist beinahe verblüffend, daß sie
durch die gewöhnlichen Öl- oder
Wasserfarben dargestellt werden können. |
1773.
Wer sieht, daß jemand die Hand ausstreckt, um etwas
zu berühren, sich aber davor scheut, der sieht doch, in einem gewissen
Sinne, dasselbe wie einer, der die Bewegung der Hand in allen
Einzelheiten nachahmen, oder durch Zeichnungen darstellen kann, sie aber
nicht so zu deuten vermag. |
1774.
Wenn jemand sagt: Die Form, die Farbe, die Organisation,
der Ausdruck, sind doch alle, offenbar, (für jeden
Unvoreingenommenen) Eigenschaften, Züge, des subjektiv Gesehenen, des
unmittelbaren Gesichtsobjekts, – so verrät ihn hier das
Wort “offenbar”. “Offenbar”
ist es darum, weil's jeder zugibt; und er gibt es nur durch den
Sprachgebrauch zu. Man begründet also hier einen Satz durch
ein Bild. || –322–
Wenn einer sagt: Die Form, die Farbe, die Organisation, der Ausdruck, sind doch alle, offenbar, Eigenschaften des unmittelbar Gesehenen (meines Gesichtsobjekts) – so stützt er seine Meinung auf ein Bild. – Denn, wenn einer ‘zugibt’, alles dies sei eine Eigenschaft seines unmittelbaren Gesichtsobjekts, – was teilt er uns mit? Wenn er z.B. zu einem andern sagt “Es geht mir auch so”, was kann ich nun daraus schließen? (Wie, wenn diese volle Übereinstimmung auf einem Mißverständnis beruhte?) |
1775.
Jenes Bild ist ja nur eine Illustration zur Methodologie
unserer Sprache.
Wenn wir wirklich alle geneigt sind, dies Bild treffend zu finden, so
hat dies || das etwa
psychologisches Interesse, ersetzt aber eine begriffliche Untersuchung
nicht. |
1776.
“Methodologie” kann man zweierlei
nennen: Eine Beschreibung der Tätigkeiten, die man,
z.B., “Messen” nennt, einen Zweig
der menschlichen Naturgeschichte, der uns die Begriffe des Messens, der
Genauigkeit, etc. in ihren Varianten verständlich machen
wird; oder aber einen Zweig der angewandten Physik, die Lehre davon, wie
man am besten (genauesten, bequemsten, etc.) das
und das unter den und den Umständen mißt.
|
1777.
Ich sage ihm “Ändere Deine Einstellung so:
… ” – er tut es; und nun hat sich etwas
in ihm geändert.
‘Etwas’?
Seine Einstellung hat sich geändert; und diese Änderung kann man nun
beschreiben.
Die Einstellung ‘etwas in ihm’ zu nennen, ist
irreführend.
Es ist, als könnten wir nun dunkel ein Etwas sehen, oder
fühlen, was sich geändert hat und “die
Einstellung” genannt wird.
Während alles klar zutage liegt, – die Worte
“eine neue Einstellung” aber eben nicht eine Empfindung
bezeichnen. |
1778.
Wie sieht die Beschreibung einer ‘Einstellung’
aus?
Man sagt z.B.: “Sieh von diesen Flecken ab und auch von dieser kleinen Unregelmäßigkeit, und schau es als Bild eines … an!” “Denk Dir das weg! Wär's Dir auch ohne dieses … unangenehm?” Man wird doch sagen, ich ändere mein Gesichtsbild – wie durch Blinzeln, oder Weghalten eines Details. Dieses “Absehen von … ” spielt doch eine ganz ähnliche Rolle, wie etwa die Anfertigung eines neuen Bildes. |
1779.
Nun wohl, – und das sind gute Gründe dafür, zu sagen, wir hätten
durch unsre Einstellung unsern Gesichtseindruck geändert.
D.h., es sind (dies) gute Gründe, den
Begriff ‘Gesichtseindruck’ so zu begrenzen. |
1780.
Das Wort “Organisation” verträgt sich sehr gut mit dem
Begriff –323–
‘Zusammengehörigkeit’.
Es scheint hier eine Reihe einfacher Modifikationen des
Gesichtseindrucks zu geben, die alle eigentlich
‘optisch’ sind.
Man kann aber eben in verschiedenen Aspekten noch ganz andere Dinge tun,
als Teile trennen und zusammennehmen, oder unterdrücken und
hervorheben. |
1781.
Ich kann doch etwas bestimmtes eine bestimmte Eigentümlichkeit
des Vorgangs des Kopierens einer Zeichnung
“zusammenfassen” nennen.
Ich kann dann sagen, einer fasse bei der zeichnerischen Wiedergabe
– oder bei der Beschreibung, die Figur so zusammen,
organisiere sie so.
(Freilich hätte es damit in manchen Fällen Schwierigkeiten;
z.B. im Fall Hase-Ente.) |
1782.
Man sage || sagt nun: Ich
kann Striche beim Kopieren zusammennehmen, aber auch
bloß durch die
Aufmerksamkeit.
Ähnlich, wie ich im Kopfe, so wie auf dem Papier, rechnen kann.
|
1783.
Kann die Gestaltpsychologie die verschiedenen
Organisationen, die sich ins unorganisierte Gesichtsbild einführen
lassen, klassifizieren; kann sie die möglichen Arten der
Modifikationen, die die Gestaltungsfähigkeit unseres Nervensystems
hervorrufen kann, ein für alle mal angeben?
Wenn ich den Punkt als Auge sehe, das in dieser Richtung
schaut, – in welches System von Modifikationen
paßt dieser Aspekt?
(System von Formen und Farben.) |
1784.
Es ist z.B. irreführend, glaube ich, wenn
Koehler die spontanen Aspekte
der Figur damit beschreibt: die Striche, die in einem
Aspekt zum gleichen Arm gehören, gehören nun zu verschiedenen
Armen.
Das klingt, als handelte es sich hier wieder um ein Zusammennehmen
dieser Radien.
Während doch die Radien, die früher zusammengehörten, auch jetzt
zusammengehören; nur umgrenzen sie einmal einen ‘Arm’
einmal einen Zwischenraum. |
1785.
Ja, Du kannst wohl sagen: Zur Beschreibung
dessen, was Du siehst, Deines Gesichtseindrucks, gehört nicht
bloß, was die Kopie zeigt, sondern auch die Angabe
z.B., Du sähest dies ‘solid’, das
andere ‘als Zwischenraum’.
Es kommt eben hier darauf an, was wir wissen wollen, wenn
wir einen fragen, was er sieht. |
1786.
“Aber ich kann doch offenbar im Sehen Elemente (Striche
z.B.)
zusammennehmen!”
Aber warum nennt man es “zusammennehmen”?
Warum braucht man hier ein Wort – wesentlich – das
schon eine andere Bedeutung hat?
(Es ist hier natürlich wie im Fall des Wortes
“Kopfrechnen”.) |
1787.
Wenn ich jemandem sage:
“Nimm diese Striche (oder anderes) –324–
zusammen!” was wird er tun?
Nun, Verschiedenes, je nach den Umständen.
Vielleicht soll er sie zu zwei und zwei zählen, oder in eine Lade
legen, oder anblicken, etc. |
1788.
Ist denn die Zeichnung selber, die Du ansiehst, organisiert?
Und wenn Du sie so und so ‘organisiert’ siehst,
siehst Du da mehr, als vorhanden ist? |
1789.
“Organisiere diese Dinge!” –
Was heißt
das?
Etwa: “ordne sie”.
Es könnte heißen: bring Ordnung in sie, –
oder auch: lern Dich unter ihnen auskennen, lerne sie beschreiben;
lerne sie durch ein System, durch eine Regel, beschreiben. |
1790.
Die Frage ist wieder: Was teile ich einem durch die Worte mit
“Ich nehme jetzt die Striche mit dem Blick
so zusammen”? || “Jetzt nehme ich die Striche
…”
Man kann auch so fragen || Man kann diese Frage
auch so stellen: Zu welchem Zweck sage ich
einem “Nimm diese Striche mit dem Blick so
zusammen!” –
Es ist hier wieder eine Ähnlichkeit mit der Aufforderung
“Stell Dir das vor!” |
1791.
Jedem Denken || Denker kleben die
Eierschalen seines Ursprungs an.
Man kennt es Dir an, im Kampf womit Du aufgewachsen bist. Welche Anschauungen die Deinen bezeugt; von welchen Du Dich dann hast losmachen müssen. |
1793.
Es ist vielleicht wichtig, zu bedenken, daß ich eine
Figur heute so sehen, auffassen, kann, morgen anders, und kein
‘Umschnappen’ stattgefunden haben
muß.
Ich könnte z.B. eine Illustration in einem Buch
heute so auffassen und gebrauchen, morgen der gleichen
Illustration auf einer späteren Seite begegnen wo sie anders aufzufassen
ist, ohne daß ich merke, daß
es wieder die gleiche Figur ist. |
1794.
Könnte einer seine Zuverlässigkeit dartun, indem er sagte:
“Es ist wahr; und sieh, ich glaube es!”
|
1795.
|| Könnte man sagen:
es spiegelt sich eine Auffassung, eine Technik, im
Erleben?
Was doch nur heißt: Wir verwenden den
Ausdruck, den wir für eine Technik gelernt haben, in einem
Erlebnisausdruck (nicht: als
Bezeichnung eines Erlebnisses). |
1796.
Warum soll denn eine Sprechweise nicht für ein Erlebnis
verantwortlich sein? |
1797.
Hätte es einen Sinn, einen Komponisten zu fragen, ob man eine Figur
–325– so oder
so hören soll, wenn das nicht auch
heißt, ob man sie auf diese, oder jene Weise
spielen soll? |
1798.
Erinnerung: “Ich sehe uns noch an jenem Tisch
sitzen”. –
Aber habe ich wirklich das gleiche Gesichtsbild – oder eines von
denen, welche ich damals hatte?
Sehe ich auch gewiß den Tisch und meinen Freund vom
gleichen Gesichtspunkt wie damals, also mich
selbst nicht? ‒ ‒ ‒
Mein Erinnerungsbild ist nicht Evidenz jener vergangenen Situation; wie
eine Photographie es wäre, die, damals aufgenommen, mir jetzt bezeugt,
daß es damals so war.
Das Erinnerungsbild und die Erinnerungsworte stehen auf
gleicher Stufe. |
1799.
Warum sollte man nicht sich selbst widersprechende Sätze
ausschließen: nicht, weil sie sich selbst
widersprechen, sondern weil sie nutzlos sind?
Oder so: Darum, weil sie sich selbst widersprechen, braucht man sie ja nicht wie etwas Unreines scheuen; man schließe sie aus, weil sie zu nichts zu brauchen sind. |
1800.
Du mußt mit der Vorstellung Ernst machen,
daß es ja wirklich in einer Sprache ein Wort geben
könnte, welches Schmerzbenehmen, und nicht Schmerz,
bezeichnet. |
1801.
Er fragt “Was hast Du mit dem Wort
gemeint?” –
Ich beantworte die Frage und setze hinzu: “Hättest
Du mich früher gefragt, so hätte ich das gleiche geantwortet; meine
Antwort war nicht eine Deutung, die mir jetzt eingefallen
ist.”
So war sie mir schon früher eingefallen?
Nein. –
Und wie konnte ich dann sagen: “Hättest Du mich
früher gefragt, so hätte ich …”?
Woraus schloß ich das || es?
Aus gar nichts.
Was teile ich ihm mit, wenn ich diesen Konditional
ausspreche?
Etwas, was manchmal von Wichtigkeit sein kann. |
1802.
Er weiß z.B. jetzt,
daß keine Sinnesänderung in mir vorgegangen
ist.
Es macht auch einen Unterschied, ob ich antworte, ich hätte die Worte
‘nur so vor mich hin gesagt’, ohne etwas mit ihnen zu
meinen; oder, ich habe den und den mit ihnen gemeint.
Es hängt manches davon ab.
Es ist auch nicht gleichgültig ob jemand mir sagt “Ich liebe sie”, weil ihm die Worte eines Gedichts im Kopf herumgehen, oder ob er's sagt, mir seine Liebe zu gestehen. |
1803.
Ist es aber nicht sonderbar, daß es so eine Reaktion
so ein Geständnis der Intention gibt?
Ist es nicht ein höchst merkwürdiges Sprachinstrument?
Was ist eigentlich merkwürdig daran?
Nun, – es ist schwer –326– vorstellbar, wie der
Mensch diesen Wortgebrauch lernt.
Es ist gar so subtil. |
1804.
Aber ist er wirklich subtiler, als der der Worte “Ich habe
mir ihn vorgestellt”, z.B.?
Ja, merkwürdig, sonderbar, ist jede solche Sprachverwendung, wenn man
nur auf die Betrachtung der Beschreibungen physikalischer Gegenstände
eingestellt ist. |
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