699.
      Überlegen wir uns, was man über ein Phänomen wie dieses sagt: Die Figur       einmal als ein F, einmal als das Sp[e|i]egelbild eines F sehen.
      Ich will fragen: worin besteht es, die Figur einmal so, einmal anders sehen? – Seh[o|e] ich wirklich jedesmal etwas anderes; oder deute ich nur, was ich sehe, auf verschiedene Weise? – Ich bin geneigt, das erste zu sagen. Aber warum? Nun, Deuten ist eine Handlung. Es kann z.B. darin bestehen, daß Einer sagt “Das soll ein R F sein”; oder da[s|ß] er's nicht sagt, aber das Zeichen beim Kopieren durhdurch ein F ersetzt; oder sich überlegt: “Was mag das wohl sein? Es wird ein F sein, das dem Schreiber mi[s|ß]glückt ist.” – Sehen ist keine Handlung, sondern ein Zustand. (Grammatische Bemerkung.) Und wenn ich die Figur nie für etwas anderes als ein Fgehalten, F gehalten, // nie anders als “F” gelesen, // mir nie überlegt habe, was es wohl sein mag, so wird man sagen, ich sehe sie als F; wenn man nämlich weiß, daß sie sich auch anders sehen läßt.
      Wie ist man denn überhaupt zu dem Begriff des ‘das als das sehen’ gekommen? Bei welchen Gelegenh Gelegenheiten zeigt er sich, ist für ihn ein Bedürfnis? // Bei welchen Gelegenheiten wird er gebildet, ist für ihn ein Bedarf? // (Sehr häufig, wenn wir über ein Kunstwerk reden.) Dort, z.B., wo es sich um ein Phrasieren durchs Aug oder Ohr handelt. Wir sagen “Du mußt diese Takte als Einleitung hören”, “Du mußt nach dieser Tonart hinhören”, aber auch
–187–
“Ich höre das [F|f]ranzösische ‘ne … pas’ als zweiteilige Verneinung, nicht als ‘nicht ein Schritt’” etc. Ist es nun ein wirkliches Sehen oder Hören? Nun: so nennen wir es; mit diesen Worten reagieren ˇwir in bestimmten Situationen. Und auf diese Worte reagieren wir wieder durch bestimmte Handlungen.

 
   
670.
      Ist es Introspektion, was mich lehrt, ob ich's mit einem ächten Sehen zu tun habe, oder doch mit einem Deuten? Zuerst einmal muß ich mir klar w darüber werden, was ich denn ein Deuten nennen würde; woran sich erkennen läßt, ob etwas ein Deuten oder ein Sehen sei.
      (Einer Deutung entsprechend sehen.)

 
   
671.
      Ich möchte sagen: “Ich sehe die Figur als das Spiegelbild eines F” sei nur eine indirekte Beschreibung meiner Erfahrung. Es gebe eine direkte; nämlich: Ich sehe die Figur so (wobei ich für mich auf meinen Gesichtseindruck deute). Woher hier diese Versuchung? – Es gibt da ein wichtiges Faktum, nämlich dies, daß wir bereit sind, eine Anzahl verschiedener Beschreibungen unsres Gesichtseindrucks gelten zu lassen; z.B.: “Die Figur schaut jetzt nach rechts, jetzt nach links.”

 
   
672.
      Denke, wir fragten jemand: Welche Ähnlichkeit besteht zwischen dieser Figur und einem F? Nun antwortet Einer “Die Figur ist ein umgekehrtes F”, ein Andrer “Sie ist ein Fm F mit zu langen Anstrichen”. Wir würden sagen Sollen wir sagen “Die beiden sehen die Figur verschieden”?

 
   
673.
      Sehe ich die Figur nicht einmal so, einmal anders, auch wenn ich nicht mit Worten oder durch andere Zeichen reagiere?
      Aber “einmal so”, “einmal anders” sind ja Worte, und mit welchem Recht gebrauche ich sie hier? Kann ich dir, oder
– 188 –
mir selbst, mein Recht erweisen? (Es sei denn durch eine
weitere
andere
Reaktion.)
      Aber ich weiß doch, daß es zwei Eindrücke sind, auch wenn ich's nicht sage! Äber wie weiß ich, daß, was ich dann sage, das ist, was ich wußte?

 
   
674.
      Das vertraute Gesicht eines Wortes; die Empfindung, es // ein Wort // sei gleichsam ein Bild seiner Bedeutung; es habe seine Bedeutung gleichsam in sich aufgenommen – es kann eine Sprache geben, der das alles fremd ist. Und wie drücken sich diese Empfindungen bei uns aus? Darin, wie wir Worte wählen und schätzen. // es ist wichtig, daß wir uns eine Sprache denken können, der ˇdas alles das fremd ist. Die mit ihren Worten
operiert
kalkuliert
. In der das Wort keine ‘Seele’ hat. //

 
   
675.
      Die Fälle, in denen wir mit Recht sagen, wir deuten, was wir sehen, als das und das, sind leicht zu charakterisieren. // leicht zu beschreiben // .

 
   
676.
      Wenn wir deuten, stellen wir eine Vermutung an, sprechen eine Hypothese aus, die sich nachträglich als falsch erweisen kann. Sagen wir “Ich sehe diese Figur als ein F”, so kann das so wenig verifiziert oder falsifiziert werden, wie der Satz “Ich sehe ein leuchtendes Rot”. Hier besteht also eine Ähnlichkeit der Verwendungen des Wortes “sehen” im einen und im andern Zusammenhang. (Nicht eine Ähnlichkeit, die Introspektion uns zeigt.)
// Sagen wir “Ich sehe diese Figur als ein F”, so gibt es dafür, so wie für den Satz “Ich sehe ein leuchtendes Rot”, nicht Verifikation oder Falsifikation. Diese Art Ähnlichkeit ist es, nach der wir ausschauen müssen, um den Gebrauch des Wortes “sehen” in jenem Zusammenhang zu rechtfertigen. Sagt Einer, er erkenne, daß es ein ‘Sehen’ sei, durch Introspektion, so ist die Antwort: “Und wie weiß ich, was du Introspektion nennst? Du erklärst mir ein Geheimnis
– 189 –
durch ein anderes.” //

 
   
677.
      An verschiedenen Stellen eines Buches, eines Lehrbuchs der Physik etwa, sehen wir die Illustration [i|I]m dazugehörigen Text wird einmal von einem Glaswürfel geredet, einmal von einem Drahtg[g|e]stell, einmal von einer umgestülpten offenen Kiste, einmal von drei Brettchen, die ein räumliches Eck bilden. Der Text deutet jedesmal die Illustration.
      Aber wir können auch sagen, daß wir die Illustration einmal als das eine, einmal als das andere Ding sehen. – Wie merkwürdig nun, daß wir die Worte der Deutung auch zur Beschreibung des unmittelbar Wahrgenommenen verwenden können!
      Da möchten wir zuerst so antworten: Jene Beschreibung der unmittelbaren Erfahrung mittels einer Deutung ist nur eine indirekte Beschreibung. Die Wahrheit
sei
ist
die: Wir können der Figur einmal die Deutung A, einmal die Deutung B, einmal die Deutung C geben; [U|u]nd es gibt nun auch drei direkte Errahrungen – Weisen des Sehens der Figur – A', B', C', so daß A' der Deutung A, B' der Deutung B, C' der Deutung C günstig ist. Daher gebrauchen wir die Deutung A als Beschreibung der ihr günstigen Weise des Sehens.

 
   
678.
      Aber was heißt es, die Erfahrung A' sei der Deutung A günstig? Welches ist die Erfahrung A'? Wie identi[g|f]iziert man sie denn?

 
   
679.
      Nehmen wir an, jemand mache die folgende Entdeckung. Er untersucht die Vorgänge in der Retina der Menschen, die die Figur einmal als Glaswürfel, einmal als Drahtgestell sehen, etc. und er findet, daß diese Vorgänge ähnlich denjenigen sind, welche er beobachtet, wenn das Subjekt einmal einen Glaswürfel anschaut, einmal ein Drahtgestell u.s.f..
– 190 –
 
   
      So eine Entdeckung würde man geneigt sein, als Beweis dafür zu betrachten, daß wir die Figur wirklich jedesmal anders sehen.
      Aber mit welchem Recht? Wie kann denn das Experiment etwas über die Natur der unmittelbaren Erfahrung aussagen? – Es reiht sie in eine bestimmte Klasse von Phänomenen ein.

 
   
680.
      Wie identifiziert man die Erfahrung A'? Wie kommt es, daß ich überhaupt von dieser Erfahrung weiß? Wie lehrt man jemand den Ausdruck dieser Erfahrung “Ich sehe die Figur jetzt als Drahtgestell”?
      Viele haben das Wort “sehen” gelernt und nie einen derartigen Gebrauch von ihm gemacht.
      Wenn ich nun so einenm unsre Figur zeige und ihm sage “Jetzt versuch einmal, sie als Drahtgestell zu sehen!” – muß er mich verstehen? Wie, wenn er sagt: “Meinst du etwas anderes als, ich soll dem Text des Buchs, der von einem Drahtgestell redet, an der Hand di der Figur folgen?” Und wenn er mich nun nicht versteht, was kann ich machen? Und wenn er mich versteht, wie äußert sich das? Nicht eben dadurch, daß auch er sagt, er sehe jetzt die Figur als Drahtgestell?

 
   
681.
      Es ist also die Neigung, jenen Wortausdruck zu gebrauchen, eine charakteristische Äußerung des Erlebnisses. (Und eine Äußerung ist kein Symptom.)

 
   
682.
      Gibt es noch andere Äußerungen dieses Erlebnisses? Wäre nicht dieser Vorgang denkbar: Ich lege Einem ein Drahtgestell, einen Glaswürfel, eine Kiste, etc. vor und frage ihn “Welches dieser Dinge stellt die Figur dar?” Er antwortet “Das Drahtgestell”.

 
   
683.
      Sollen wir nun sagen, er habe die Figur als Drahtgestell gesehen, – obwohl er die Erfahrung, sie einmal als
– 191 –
das, einmal als etwas andres zu sehen, nicht hatte?

 
   
684.
      Denken wir, es fragte jemand: “Sehen wir alle ein Druck-F auf die gleiche Weise?” Nun, man könnte folgenden Versuch machen: Wir zeigen verschiedenen Leuten ein F und stellen die Frage “Wohin schaut ein F, nach rechts oder nach links?”
      Oder wir fragen: “Wenn du ein F mit einem Gesicht im Profil vergleichen solltest, wo wäre vorne, wor hinten?”
      Mancher aber würde diese Fragen vielleicht nicht verstehen. Sie sind analog Fragen der Art: “Welche Farbe hat für dich der Laut a?” oder “Kommt dir a gelb oder weiß vor?” etc.
      Wenn Einer diese Frage nicht verstünde, wenn er erklärte sie sei Unsinn, – könnten wir sagen, er verstehe nicht [d|D]eutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter “Farbe”, “Laut”, etc.?
      Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auf jene Fragen ‘mit Verständnis’ oder ‘ohne Verständnis’ reagieren.

 
   
685.
      “Sehen wir aAlle ein F auf die gleiche Weise?” – Das heißt noch gar nichts, solange nicht festgestellt ist, wie wir erfahren, ‘auf welche Weise’ Einer es sieht. Aber wenn ich nun z.B. auch sage “Für mich schaut ein F nach rechts und ein J nach links”, – darf ich sagen: wenn immer ich ein F sehe, schaue es in dieser, oder in irgend einer Richtung? Welchen Grund hätte ich, so etwas zu sagen?!

 
   
686.
      Nehmen wir an, die Frage wäre nie gestellt worden “In welcher Richtung schaut ein F?” – sondern nur die: “Wenn du einem F und einem J ein Aug und eine Nase malen solltest, würde es nach rechts oder nach links schaun?” Dies wäre doch auch eine psychologische Frage. Und in ihr
– 192 –
wäre von einem ‘so, oder anders, sehen’ nicht die Rede. Wohl aber von einer Neigung, das eine, oder andere zu tun.

 
   
687.
      Eine Verwendung des Begriffs ‘in dieser Richtung schauen’ ist z.B. die: Man sagt etwa einem Architekten “Mit dieser Verteilung der Fenster schaut die Fassade dorthin”. Ähnlich verwendet man den Ausdruck: “Dieser Arm unterbricht die Bewegung der Skulptur” oder “Die Bewegung sollte so verlaufen” (dabei macht man etwa eine Geste).

 
   
688.
      Die Frage, ob es sich um ein Sehen oder ein Deuten handelt, entsteht dadurch, daß eine Deutung [a|A]usdruck der Erfahrung wird. Und die Deutung ist nicht eine indirekte Beschreibung, sondern ihr primärer Ausdruck.

 
   
689.
      Warum aber sehen wir das nicht sogleich, sondern denken, es müßte hier einen unmittelbarern Ausdruck geben, und das Phänomen sei nur zu ungreifbar, nicht recht zu beschreiben, und wir müssen jedenfalls zur Verständigung mit Andern zur indirekten Darstellung greifen?
      Wir sagen uns: Es ist unmöglich, daß wir, ohne in der Phantasie der Figu[t|r] hinzuzufügen, ein Erlebnis haben, das wesentlich mit Dingen zusammenhängt, die ganz außerhalb der Sphäre der unmittelbaren Wahrnehmung sind.
      Man könnte z.B. sagen: “Du behauptest, du siehst die Figur als Drahtgestell. Weißt du vielleicht auch, ob es Kupferdraht oder Eisendraht ist? Und warum soll es dann Draht sein? – Das zeigt, daß das Wort “Draht” wirklich nicht unbedingt // wesentlich // zur Beschreibung des Erlebnisses gehört.

 
   
690.
      Denken wir uns aber nun diese Art von Erklärung: Wenn man sich beim Essen die Nase zuhält, verlieren die
– 193 –
Speisen jeden Geschmack, außer den der Süße, Bitterkeit, Salzigkeit und Säure. Also, wollen wir einmal sagen, besteht der besondere ‘Geschmack, des Brotes z.B., aus diesem ‘Geschmack’ im engern Sinne und dem Aroma, das eben verloren geht, wenn wir nicht durch die Nase atmen. Warum soll es nun beim Sehen von etwas als etwas nicht ähnlich zugehen. Etwa so: Das Auge unterscheidet nicht die Figur als Drahtgestell von der Figur als Kiste, u.s.w. Das ist sozusagen das Aroma, welches das Gehirn dem Gesehenen hinzufügt. Dagegen unterscheidet auch das Auge verschiedene Aspekte: es phrasiert quasi das Gesichtsbild; und eine Phra eine Phrasierung ist einer Deutung, die andre der andern gemäßer. (Erfahrungsmäßig gemäßer.)
      Denk z.B. an gewissen unwillkürliche Deutungen, die wir der einen oder andern Stelle eines Musikstücks geben. Wir sagen: diese Deutung drängt sich uns auf. (Das ist doch ein Erlebnis.) Und die Deutung kann aus gewissen rein musikalischen Beziehungen erklärt werden. – Wohl, aber wir wollen ja nicht erklären, sondern beschreiben.

 
   
691.
      Sieh das Dreieck so, da[s|ß] o die Basis und C die Spitze ist; und jetzt so, daß o die Basis und B die Spitze ist. – Was tust du? – Vor allem: – Weißt du, was du tust? Nein.
      “Nun, vielleicht ist es der Blick, der erst auf der ‘Basis’ haftet, dann zur ‘Spitze’ geht.” Aber kannst du sagen, daß in einem anderen Zusammenhang der Blick nicht ganz ebenso wandern könnte, ohne daß du das Dreieck in dieser Weise gesehen hast?
      Mach auch diesen Versuch. Sieh das Dreieck so, daß es [)| (]wie eine Pfeilspitze) einmal in der Richtung A, einmal in der Richtung B zeigt.

 
   
692.
      Von wem sagt man, er sehe das Dreieck als Pfeil, der
– 194 –
nach rechts zeigt? Von dem, der es einfach als einem solchen Pfeil zu gebrauchen gelernt und es immer so gebraucht hat? Nein. Das heißt natürlich nicht, man sage von so einem, er sehe es anders, oder wir wüsten nicht, wie er es sehe. Es ist hier von einem so oder anders se sehen noch nicht die Rede. – Wie ist es aber in einem Fall, in welchem ich den Andern korrigiere und sage “Was dort steht, ist nicht ein Pfeil, der nach rechts zeigt, sondern einer, der nach oben zeigt”, und nun setze ich ihm eine praktische Folge dieser Deutung auseinander. Er sagt nun: “Ich habe das Dreieck immer als Pfeil nach rechts aufgefaßt.” – Ist hier von einem Sehen die Rede? Nein; denn es kann ja heißen “Ich bin, wenn ich diesem Zeichen begegnet bin, ihm immer so gefolgt.” Wer das sagt, müßte die Frage “Aber hast du es als Pfeil nach rechts gesehen?” gar nicht verstehen.

 
   
693.
      Wir sagen von dem, er sehe das Dreieck einmal so, einmal so, der dies von sich aussagt, der diese Worte mit dem Zeichen des Verständnisses ausspricht, oder hört; aber auch von dem, der etwa sagt “Jetzt zeigt das Dreieck in dieser Richtung, früher hat es in der andern gezeigt”, und der nun auf die Frage, ob das Dreieck seine Form oder Lage geändert habe, antwortet: so sei es nicht. U.s.w.

 
   
694.
      Betrachten wir den Fall des Bildes der gegen|einander rotierenden Räder. Erstens kann ich die Bewegung im Bild wieder als eine oder die andere sehen. Zweitens kann ich sie auch für die eine oder die andere halten.

 
   
695.
      Das etwas seltsame Phänomen des so oder anders Sehens erscheint doch erst, wenn Einer erkennt, daß das Gesichtsbild in einem Sinne gleichbleibt, und etwas anderes, was man “Auffassung” nennen möchte, sich ändern kann. // wechseln kann // . Halte ich das
– 195 –
[s|d]as Bild für dies oder das, sagen wir für zwei ei gegeneinander laufende Räder, so ist doch damit von der Teilung des Eindrucks in Gesichtsbild und Auffassung noch keine Rede. – Soll ich also sagen, die Trennung ist das Phänomen, das mich interessiert?
      Oder fragen wir so: Welche Reaktion interessiert mich? Die, welche zeigt, daß Einer eine Schale für eine Schale hält (also auch die, daß er eine Schale für etwas anderes hält?)? Oder die, daß er einen Wechsel beobachtet und zugleich
auch
doch
, daß sich am Gesichtsbild nichts geändert hat?

 
   
696.
      Es ist auch möglich, daß ich sage: “Ich habe das immer für eine Schale gehalten; jetzt sehe ich, daß es keine ist” – ohne daß ich mir eines Wechsels des ‘Aspekts’ bewußt bin. Ich meine einfach: ich sehe jetzt etwas anderes, habe jetzt einen anderen Gesichtseindruck.
      Nehmen wir an, Einer zeigte mir etwas und fragt, was das sei. Ich sage “Es ist ein Würfel”. Darauf er: “Also so siehst du es.” – Müßte ich dieses Worte anders verstehen als d so: “Also dafür hälst du es”?

 
   
670 697.
      Ich bin mir, wenn ich die Gegenstände um mich her betrachte, nicht bewußt, daß es so etwas wie eine visuelle Auffassung gibt.

 
   
698.
      “Ich sehe diese Figur als räumliches Eck”
: warum
– Warum
nimmst du es nicht einfach als wahr hin, – wenn er nämlich Deutsch kann und glaubwürdig ist? – Ich zweifle nicht daran, daß es die Wahrheit ist. Aber, was er sagte, ist ein zeitlicher Satz. // ist ein Satz mit einer Zeitbestimmung, // [,|.] Nicht einer über das Wesen dieses Phänomens; sondern, der sagt: das habe stattgefunden.
– 196 –


 
   
699.
      Die Äußerung des Erlebnisses ist: “Ich sehe das jetzt als Pyramide; jetzt als Quadrat mit den Diagonalen.” – Was ist nun das ‘das’, welches ich einmal so, einmal so sehe? Ist es die Zeichnung? Und wie weiß ich, daß es beidemale dieselbe Zeichnung ist? Weiß ich es nur, oder sehe ich's auch? – Wie wäre es, wenn nachgewiesen würde, die Zeichnung habe sich immer ein wenig geändert, wenn man sie als etwas anderes sieht; oder das Gesichtsbild sei dann ein wenig anders. Es sehe, z.B., dann eine Linie um ein weniges stär[l|k]er, oder dünner aus, als früher.

 
   
700.
      Soll ich sagen, die verschiedenen Aspekte der Figur seien Assoziationen? Und was hilft es mir?

 
   
701.
      Es scheint sich hier etwas am Gesichtsbild der Figur zu ändern; und ändert sich doch wieder nichts. Und ich kann nicht sagen “Es fällt mir immer wieder eine neue Deutung ein”. Ja, es ist wohl das, aber sie verkörpert sich auch gleich im Gesehenen. Es fällt mir immer wieder ein neuer Aspekt der Zeichnung ein – die ich gleichbleiben sehe. Es ist, als ob ihr immer wieder ein neues Kleid angezogen würde, und als ob doch jedes Kleid wieder gleich sei dem andern.
      Man könnte auch sagen: “Ich deute die Figur nicht nur, sondern ich ziehe ihr auch die Deutung an.”