1[00|23]
               Eine Hauptquelle unseres Unverständnisses ist, dass wir
die Praxis des Gebrauchs
den Gebrauch
unserer Wörter nicht übersehen. –
Der
Unserer
Grammatik und der Sprache fehlt es an [Ue|Ü]bersichtlichkeit. – Die übersichtliche Darstellung vermittelt das Verständnis, welches eben darin besteht, dass wir die ‘Zusammenhänge sehen’. Daher die Wichtigkeit des Findens der Zwischenglieder.
 
   
105
               Die philosophisch wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen. (Man kann es nicht bemerken, weil man es immer offen vor Augen hat.) Die eigentlichen Grundlagen seiner Forschung fallen dem Menschen gar nicht auf. Es sei denn, dass ihm dies einmal aufgefallen ist. – Und das heisst, das Auffallendste (Stärkste) fällt ihm nicht auf.
 
   
103

“Philosophie” könnte man auch das nennen, was vor allen neuen Entdeckungen und Erfindungen möglich ist.
               (Wenn Einer die Lösung des Problems des Lebens’ gefunden zu haben glaubt und sich sagen wollte, jetzt sei alles ganz leicht, so brauchte er sich zu seiner Widerlegung nur erinnern, dass es eine Zeit gegeben hat, wo die Lösung nicht gefunden war; aber auch zu der Zeit musste man leben können, und im Hinblick auf sie erscheint die gefundene Lösung als ein Zufall. Und so geht es in der Logik. Wenn es eine ‘Lösung’ – wie eines mathematischen Problems – der logischen, d.i. philosophischen Probleme gäbe, so müssten wir uns nur vorhalten, dass sie ja einmal nicht gelöst waren (und auch da musste man leben und denken können).)
 
   

Woher nimmt die Betrachtung ihre Wichtigkeit, da sie doch nur alles Interessante, d.h. alles Grosse und Wichtige, zu zerstören scheint? (Gleichsam alle Bauwerke; indem sie nur Steinbrocken und Schutt übrig lässt.) Aber es sind nur Luftgebäude, die wir zerstören, und wir legen den Grund der Sprache frei, auf dem sie standen.
 
   

Die Ergebnisse der Philosophie sind die En[d|t]deckung irgendeines schlichten Unsinns und Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an
die Grenze
das Ende
der Sprache geholt hat. Sie, die Beulen, lassen uns den Wert jener Entdeckung erkennen.
 
   
1[12|36]
               Dass ich bei meinen Erklärungen, die Sprache betreffen[,|d], schon die volle Sprache (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige) anwenden muss, zeigt schon, dass ich nur Aeusserliches über die Sprache vorbringen kann.
               Ja, aber wie können uns diese Ausführungen dann befriedigen? – Nun, Deine Fragen waren ja auch schon in dieser Sprache abgefasst; mussten in dieser Sprache ausgedrückt werden, wenn etwas zu fragen war!
               Und Deine Skrupel sind Missverständnisse.
               Deine Fragen beziehen sich auf Wörter, so muss ich von Wörtern reden.
 
   
               (Hierher gehört auch: Wenn die Philoso-
phie vom Gebrauch des Worts “Philosophie” redet, so könnte man meinen, es muss also eine Philosophie zweiter Ordnung geben. Aber es ist eben nicht so; sondern der Fall entspricht dem der Rechtschreibelehre, die es auch mit dem Wort “Rechtschreibelehre” zu tun hat, aber dann nicht eine R. zweiter Ordnung ist.
 
   

Es ist wahr: eine Masseinheit ist gut gewählt, wenn sie viele ˇder Längen, die wir mit ihr messen wollen, in ganzen Zahlen ausdrückt. Aber der Dogmatismus behauptet, jede Länge müsse ein ganzes Vielfaches unserer Masseinheit sein.
1[08|29]

               Ich habe seinerzeit (in der Log. Phil. Abh.) gesagt, der ‘Elementarsatz’ sei eine Verkettung von Namen. Denn den Namen entsprächen Gegenstände und dem Satz entspreche ein Komplex aus ihnen. Dem Satz, “Die Flasche steht rechts vom Glas”, wenn er wahr ist, entspricht der Komplex bestehend aus der Flasche, dem Glase und der Relation Rechts-Links (oder wie man sie bezeichnen will). – Die [S|s]prachwidrige Verwendung des Wortes “Gegenstand” und “Komplex”!! Ein Häuserkomplex ‘besteht’ doch aus den Häusern, und nicht aus ihnen und ihren
gegenseitigen Lagen!
Wenn
Und
wenn ich sage, ich sehe drei Gegenstände auf dem Tisch, so meine ich doch nicht: das Glas, die Flasche und ihre räumliche Beziehung.

               Z.B. Man kann, ˇunter gewissen Umständen für Andere verständlich, von Kombinationen von Farben mit Formen sprechen (etwa der Farben rot und blau mit den Formen Quadrat und Kreis) ebenso wie von Kombinationen verschiedener Formen oder Körper. Und dies ist die Wurzel meines schiefen Ausdrucks: die Tatsache sei ein Komplex von Gegenständen. Zu sagen, ein roter Kreis ‘bestehe aus’ Röte und Kreisförmigkeit, sei ein Komplex aus diesen Bestandteilen, ist ein Missbr[ä|a]uch dieser Wörter, und irreführend. (Verwandt damit: die Verwechs[e|l]ung von color und pigmentum.) Die Tatsache, dass dieser Kreis rot ist, ‘besteht’ aus gar nichts. (Frege ˇim Gespräch beanstandete ˇeinst meinen Ausdruck, indem er sagte: “der Teil ist doch kleiner als das Ganze.”)
 
   
1[09|31]130

Aber ich suche, suche krampfhaft, nach einem System, nach einer Einheit aller Sätze. – Und nun werde ich der Gefangene bestimmter Ausdrucksformen meiner Sprache, bleibe im Netze der Sprache hängen. ‒ ‒ ‒ Denn, [w|W]enn wirˇ‘Z.B. statt ˇdes Satzes[d|D]ie Flasche ist blau” sagen: “Die Flasche hat die Eigenschaft Blau”, statt “Die Flasche steht rechts vom Glase”: “Die Flasche steht zum Glase in der Beziehung Rechts”, u.s.f., so kann es allerdings den Anschein gewinnen, als sei jeder Satz eine Verbindung von Namen. Denn alle Wörter mit, quasi, materieller Bedeutung erscheinen hier ver-
nichts.
               Man weiss keinen Ausweg, denn die Sprache scheint uns keinen zu lassen.
 
   
[99|122]
               Wir ändern nun den Aspekt, indem wir

Wie hätten wir uns ein komplettes Regelverzeichnis für die Verwendung eines Worts zu denken? – Was versteht man unter einem kompletten Regelverzeichnis für die Verwendung einer Figur im Schachspiel? Könnten wir uns nicht Zweifelfälle konstruieren, in denen das normale Regelverzeichnis nicht entscheidet? Denke etwa an so eine Frage: wie ist es festzustellen, wer zuletzt gezogen hat, wenn die Zuverlässigkeit des Gedächtnisses der Spieler angezweifelt wird?