600
01
    ‘Ueberraschung’ und die Empfin[f|d]ung des raschen Einziehens des Atems.

 
  ?  
02
    “Ich hoffe unentwegt, …” im Gegensatz zu “Ich hoffe, du wirst kommen!”. Dies heisst ungefähr das Gleiche wie: “Du wirst doch kommen!”

 
   
03
    Man sagt “Ich wü[h|n]sche …” normaler Weise gewiss nicht auf Grund einer Selbstbeobachtung – es ist eben Wunschäusserung – es kann aber doch vorkommen, dass man einen Wunsch du[t|r]ch Beobachtung de[s|r] eigenen Reaktionen erkennt, entdeckt. Wenn du nun fragst “Erkennst du in so einem Fall dasselbe, was du im andern durch die Aeusserung ausdrückst?” – so liegt in der Frage ein Fehler. (Als fragte man: Ist es der selbe Sessel, den ich sehen kann und auf dem ich sitzen kann?)

 
   
04
    Ich sage “Ich hoffe, du wirst kommen”, aber nicht “Ich glaube: ich hoffe, du wirst kommen”; Wohl aber wäre es möglich zu sagen: “Ich glaube, ich hoffe noch immer, er werde kommen”.

 
   
05
    “Aber erlebt man nicht die Bedeutung?” “Aber hört man nicht das Klavier?” Jeder der beiden Fragen kann sachlich und begrifflich gemeint sein, d.h.: gebraucht werden. (Zeitlich, oder zeitlos.)

 
  ?  
06
    Er sagt “Ich will jetzt ausgehen”, plötzlich sagt er “Nein” und [z|t]ut etwas anderes. Als er “Nein” sagte, fiel ihm plötzlich ein, er wolle zue[sr|rs]t … – er sagte “Nein”; aber dachte er auch “Nein”? Dachte er eben nicht an jene andere Angelegenheit? Man kann sagen, er dachte an sie. Er musste dazu aber weder laut
601
noch im Stillen einen Gedanken aussprechen. – Er könnte freilich später die Abs[t|i]cht in einen Satz kleiden. Zur Reit des Wechsels mochte ihm ein Bild vorgeschwebt habe, oder aber er sagte nicht nur “Nein”, sondern iregend ein Wort, das Aequivalent eines Bildes. Wollte er etwa zuerst den Schrank zuschliessen, so sagte er vielleicht “Der Schrank!”; wollte er erst die Hände waschen, so sah er sie etwa an und verzog das Gesicht. “Aber ist das Denken?” – Ich w[i|e]iss es nicht. Sagt man denn in so einem Falle nicht, Einer habe sich etwas ‘überlegt’, er habe sich anders ‘besonnen’? Aber muss er zu diesem Denken unbedingt eine Sprache beherrschen lernen? Könnte nicht ein ‘intelligentes’ Tier so handeln? Man hat es abgerichtet, einen Gegenstand von dort und dort zu holen und ihn dort hin zu bringen. Es geht nun, ohne den Gegenstand dem Ziele zu, kehrt plötzlich [i|u]m (als hätte es gesagt “Ach, ich habe … vergessen!”) und holt den Gegenstand, etc. Sähen wir so etwas, so würden wir sagen: es sei in ihm, in seinem Geiste, damals etwas vorgefallen. Und was ist denn i[r|n] mir vorgefallen, wenn ich so handle? “Nicht gar viel” möchte ich sagen. Und was ist innen vorgeht, ist nicht wichtiger, als was äusserlich, durch Sprechen, Zeichneen, etc. vorgehen kann. ((Woraus du lernen kannst, wie das Wort “denken” gebraucht wird.))

 
   
07
    Denk dir nun, Einer habe einen Bau aufzuführen, mit Bausteinen, oder ‘Mechano’. Er probiert nun, verschiedenen Stücke, versucht sie, zusammen zu fassen, macht vielleict eine Skizze, etc. etc. Nun sagt man, er habe bei dieser Tätigkeit gedacht! – Gewiss, man unterscheidet so dies Tun von
602
einem sehr anders gearteten. Aber ist es eine gute Beschriebung dieses Unterschieds: in einem Falle gehe mit dem manuellen Tun noch etwas anderes einher? Könnte man etwa dieses Andere isolieren, und es geschehen lassen, ohne die übrige Tätigkeit?
    Es ist nicht wahr, dass Denken eine Art Sprechen ist, wie ich einmal sagte. Der Begriff ‘denken’ ist vom Begriff ‘sprechen’ kategorisch verschieden. Aber natürlich ist das De[h|n]ken keine Begleitung des Sprechens, noch sonst irgend eines Vorgan[s|g]s.
    Das heisst: man kann z.B. den ‘Denkvorgang’ nicht unbegleitet vor sich gehen lassen. Er hat auch nicht Abschnitte, die den Abschnitten der andern Tätigkeit (des Redens z.B.) entsprechen. D.h.: wenn man von einem ‘Denkvorgang’ redet, so ist er so etwas wie das Operieren) (schriftlich oder mündlich) mit Zeichen. Das Schliessen und Rechnen könnte man einen ‘Denkvorga[l|n]g [en|ne]nnen.

 
   
08
    Es wäre auch nicht ganz falsch, das Sprechen ‘das Instrument des Denkens’ zu nennen. Aber man kann nicht sagen, der Sprechvorgang sei ein Instrument des Denkvorgangs; oder die Sprache gleichsam der Träger des Gedankens, wie etwa die Töne eines Lieds, die Träger der Worte genannt worden können.

 
  ?  
09
    Man kann das Wort “denken” so verwenden, dass es, beiläufig gesprochen, ein Reden zu einem Zweck bezeichnet, d.h. also, ein Sprechen oder Schreiben, ein S[ö|p]rechen in der Vorstellung, so zu sagen ein ‘Kopfsprechen’.

 
   
010
    Man sagt “Ueber[ö|l]eg dir, was du sagen willst, ehe du sprich[ts|st][r|]. Eine Form dies zu tun, ist: sich die Rede leise vorsagen oder aufschreiben und Korrekturen anbringen. Man sagt sich etwa einen Satz vor, schüttelt den Kopf, sagt “das ist zu lang” etc.;
603
sagt den Satz wieder in einer anderen Form.

 
   
011
    Man könnte etwa, was Denken ist, beschreiben, indem man den Unterschied zwischen einem Gesie Geistesschwachen und einem normalen Kind, das zu denken anfängt, beschreibt. Wollte man etwa die Tätigkeit angeben, die der Normale lernt, der [F|G]eistes[.|]schwache nicht lernen kann, man könnte sie nicht aus ihrem Benehmen herausklauben.

 
   
012
    Das Wort “Denken” wird in gewisser Weise sehr anders gebraucht als zum Beispiel “Schmerzen haben”, “traurig sein”, etc.: Man sagt nicht “Ich denke” als Aeusserung eines Seelenzustands. Höchstens “Ich denke nach”. “Lass mich in Ruh; ich denke ueber … nach”. Und damit me[n|i]nt man natürlich nicht “Lass mich in Ru[g|h]; ich benehme mich jetzt so und so.” Also ist “Denken” kein Benehmen.

 
   
013
    “Ich dachte ‘der Stab ist zu lang, ich muss einen Andern probieren’.” – Als ich das dachte, sagte ich mir vielleicht gar nichts, – vielleicht ein oder zwei Worte. Und doch ist der Bericht nicht unwahr (oder kann doch wahr sein). Er hat eine Verwendung. Man sagt z.B. “Ja, ich hab dir zugeschaut und hab mir gedacht, dass du dir das gedacht hast”.

 
  ?  
014
    “Der Mensch denkt, fühlt, wünscht, gl[y|a]ubt, will, weiss.” Das klingt wie ein vernünftiger Satz. So wie: “Der Mensch zeichnet, malt, modelliert.” Oder: “Der Mensch kennt Saiteninstrumente, Glasinstrumente …” Der erste Sazn Satz ist eine Aufzählung [w|a]lles dessen, was der Mensch mit seinem Geiste tut. Aber so wie man zum Satz über die Instrumente die Frage stellen kann “Und
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kennt der Mensch nicht auch Instrumente, die aus quiekenden Mäusen bestehen?” und die Ant[ow|wo]rt darauf wäre; Nein Nein – – so müsste es zu der Aufzählung der Geis[et|te]stätigkeiten auch eine Frage geben der Art: “Und können die Menschen nicht auch …[|?]

 
   
015
    Jemand sagt: “Der Mensch hofft.” Wie hätte man das [N|n]aturgeschichtliche Phänomen zu beschreiben? – Man könnte ein Kind beobachten und warten, bis es eines Tages Hoffnung äussert; und man könnte dann sagen: heut hat es zum ersten Mal gehofft”. Aber das klingt doch seltsam! Obwohl es ganz natürl[ci|ic]h wäre zu sagen “Heut hat es zum ersten Mal gesagt ‘ich hoffe’”. Und warum seltsam? Man sagt doch nicht von einem Säugling, er hoffe …, und man sagt es doch vom Erwachsenen. – Nun, das tägliche Leben wird nach und nach zu dem, worin für Hoffnung Raum ist.

 
  ?  
016
    Ich habe in diesem Falle den Ausdruck “eingebettet” gebraucht, gesagt, die Hoffnung, der Glaube, etc. sei i[n|m] uns menschlichen Leben in allen den Situationen und Reaktionen [u|d]ie das menschliche Leben ausmachen, eingebettet. Das Krokodil hoffe nicht, der Mensch hofft. Oder: Vom Krokodil kann man nicht sagen, es hofft; aber vom Menschen.
    Wie aber müsste sich ein Mensch verhalten, von dem man sagen würde: er hoffe nie? – Die e[s|r]ste Antwort ist: Ich weiss es nicht Eher könnte ich schon sagen, wie ein Mensch sich benehmen müsste, der sich nie nach irgend etwas sehnt; oder der sich nie über irgend etwas freut; oder der nie ersch[t|r]ickt, oder sich vor nichts fürchtet.

 
   
017
    Furchtbenehmen bei Furchtanlässen (etc.) ist ein Phänomen un[d|s]eres Lebens. Aber Furcht? – [n|N]un, man könnte sagen, statt
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“ich fürchte mich”: “Das Phänomen der Furcht zeigt sich in mir”; wobei man nicht an das eigene Benehmen denkt. Könnte man dann aber im gleichen Sinne sagen: “Das Phänomen der Furcht zeigt sich in ihm”?

 
   
018
    Wenn ich jemandem sage: “Die Menschen denken, fühlen, …”, so mache ich ihm, scheint es, eine [N|n]aturgeschichtliche Mitteilung. Sie soll ihm etwa den Unterschied des Menschen von den Tierarten zeigen. Kann er sie aber exemplifizieren, in dem er sagt “Ja; ich selbst z.B. sehe jetzt”? Ist denn “Ich sehe …” eine naturgeschichtlich Mitteilung über mich? Würde es n nämlich nicht ebenso g[i|u]t sein, wenn ich sagte “Ich sehe nicht”?

 
   
019
    “Der Mensch denkt, fürchtet sich, etc.etc.”: das könnte man etwa Einem ant[ow|wo]rten, der gefragt hat, welche Kapitel ein Buch über Psychologie enth[h|a]lten soll.

 
   
020
    Woher nehmen wir den Begriff ‘denken’, den wir
nun
hier
betrachten wollen? Aus der Alltagssprache. Was unsrer Aufmerksamkeit zuerst ihre Richtung gibt, ist das Wort “denken”. Aber der Gebrauch dieses Worts ist verworren. Und wir können es nicht anders [w|e]rwarten. Und das lässt sich natürl[ci|ic]h von allen psychologischen Verben sagen. Ihre Verwendung ist nicht so klar, und so leicht zu übersehen, wie die der Wörte[t|r] der Mechanik z.B.

 
   
021
    Es ist mit den psychologischen Wörtern etwa so, wie mit denen, die aus der Sprache des Alltags in die der Mediziner übergehen. (“Shock”).

 
   
022
    Ich sage Einem: “Die Menschen denken.” Er fragt mich: “Was ist Denken?” – Nun erkläre ich ihm den Gebrauch dieses Worts.
606
Aber ist danach jener erste Satz eine noch eine Mitteilung?
    ((Könnte nicht eine Ameise so zu einer Ameise sprechen?))

 
   
023
    “Die Menschen denken

,
die Heuschrecken nicht.” Das heisst etwa: Der Begriff ‘denken’ bezieht sich auf das Leben der Menschen, nicht der Heuschrecken. [!|] Und diese Mitteilung könnte man Einem machen, der das deutsche Wort “denken” nicht versteht und etwa irrtümlich glaubt, es beziehe sich auf etwas, was Heuschrecken tun.

 
   
024
    “Heuschrecken denken nicht.” Wohin gehört das? – Ist es ein Glaubensartikel, oder gehört es in die Naturgeschichte? Wenn das letztere, so sollte es etwa ein Satz sein wie: “Heuschrecken können nicht lesen und schreiben.” Dieser Satz hat einen klaren Sinn, und wenn er vielleicht auch nie verwendet wird, so ist es doch leicht, sich eine Verwendung für ihn vorzustellen.

 
   
025
    “Eine Dampfmaschine hat einen Kreuzkopf, eine Dampfturbine nicht.” Wem, in welchem Zusammenhang, würde man das sagen?

 
   
026
    “Kann ein Mensch verstehen, was ‘lesen’ ist, es sei denn, erk könne selber lesen; kann er verstehen, was ‘fürchten’ ist, ohne Furcht zu kennen; u.s.w.?” Nun, ein Analpha[l|b]et kann doch gewiss sagen, er könne nicht lesen, aber sein Sohn habe es gelernt. Ein Blinder kann sagen, er sei blind und die Leute um ihn sei[n|e]n sehend. “Ja, aber meint er nicht doch etwas anderes mit den Worten ‘blind’ und ‘sehend’, als der Sehende?” Worauf beruht es, dass man das sagen will? Nun, wenn Einer nicht wüsste wie ein Leopard ausschaut, so könnte er doch sagen und verstehen “Dieser Ort ist sehr gefährlich, es gibt Leoparden dort”. Man
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würde aber doch vielleicht sagen, er weiss nicht, was ein Leopard ist, also nicht, oder nur unvollständig, was das Wort “Leopard” bedeutet, bis man ih[r|m] einmal ein solches Tier ze[n|i]gt. Nun kommt es uns mit de[r|m] Blinden ähnlich vor. Sie wissen, so zu sagen, nicht, wie sehend ist. – Ist nun ‘Furcht nicht kennen’ analog dem ‘nie einen Leoparden gesehen haben’? Das will ich natürlich verneinen.

 
   
027
    Die Frage ist: Was für Sprachspiele kann, der die Furcht nicht kennt, eo ipso, nicht spielen?
    Man könnte da z.B. sagen: er würde einer Tragödie ohne Verständnis zuschauen. [u|U]nd man könnte das so erklären: Wenn ich den Andern in einer furchtbaren Lage sehe, auch wenn ich selbst gar nichts zu f[r|ü]rchten habe, so kann ich schaudern, aus Mitgefühl schau[e|d]ern. Wer aber die Furcht nicht kennte, täte das nicht. Wir fürchten uns mit ihm, ihm, auch wenn wir nichts zu fürchten haben; und das ist es, was [J|j]ener nicht kann. Wie ich mein Gesicht schmerzlich verziehe, wenn man dem Andern Schmerz zufügt.

 
   
028
    Gut; aber wäre es nicht denkbar, dass Einer, der den Schmerz nie gefühlt hat, ihn in der Form des Mitleids dennoch empfände? Er würde also, was immer ihm geschähe, nicht stöhnen, wohl aber, wenn einem Andern Schmerz zugefügt wird.
    Aber ob wir nun von [d|D]iesem sagen würden, er habe Mitleid? Ob wir nicht sagen würden: “Es ist natürlich eigentlich kein Mitleid, weil er ja eigenen Schmerz gar nicht kennt. –? Oder man könnte sich in so einem Fall denken, dass die Leute sagten, diesem Menschen habe Gott ein Gefühl für das Leid, die Furcht des Andern gegeben. So etwas würde man vielleicht eine Intuition nennen.

 
   
029
    “Die Menschen denken manchmal.” Wie habe ich gelernt, was “[D|d]enken”
608
heisst? – Es scheint, ich kann nur gelernt haben, indem ich mit Menschen lebte. – Man könnte sich freilich denken, dass Einem das Leben der Menschen im Film vorgeführt würde, oder dass er das Leben nur beobachten dürfte, ohne mitzutun. Er würde ihr Leben dann etwa verstehen wie wir das Leben der Fische verstehen oder gar der Pflanzen. Von Lust und Leid etc. der Fische können wir nicht reden.

 
   
030
    Ich meine aber natürlich nicht: Er kann es, erfahrungsgemäss, nicht verstehen, wenn er das Leben nicht mitlebt (als sagte man: man kann [r|R]udern nicht lernen indem man bloss Andern beim Rudern zuschaut) – sondern gemeint ist: Ich w[p|ü]rde von mir nicht (noch vom Andern) sagen, wir verstünden die Lebensäusserungen, die uns fremd sind. Und hier gibt es natürlich Grade.

 
   
031
    Das Denken kann man keine Erscheinung nennen; wohl aber kann man von ‘Erscheinungen des Denkens’ reden, und Jeder wird wissen was für Erscehinungen da geme[ni|in][n|t]t sind.

 
   
032
    Man kann offenbar sagen: “Denk an Zornanlässe und Zornerscheinungen (Zornbenehmen).
    Nenne ich aber den Zorn eine Erscheinung, so muss ich meinen Zorn, meine Zornerfahrung eine Erscheinung nennen. (Eine Erscheinung meines Innenlebens etwa.)

 
   
033
    Sieh es einmal rein behaviouristisch an: Jemand sagt: Der Mensch denkt, wünscht, freut sich, ist zornig, etc. Denk, es sei hier nur von gewissen Formen des Verhaltens bei gewiss Anlässen die Rede. Man könnte sich vorstellen, wer so vom Menschen redet, habe diese Verhaltungsweisen zuerst bei andern Wesen
609
beobachtet und sage nun, beim Menschen liessen sich diese Erscheinungen auch beobachten. Das wäre also, wie wenn wir dies von einer Tierart sagten. ‒ ‒ ‒

 
   
034
    Plötzlich lächle ich und sage … Als ich lächelte, war mir der Gedanke gekommen.
    Worin be[t|s]tand er? Er bestand in gar nichts; denn das Bild, oder Wort, etc. das etwa auftauchte, war nicht der Gedanke.

 
   
035
    Ich würde gerne sagen: Die Psychologie hat es mit bestimmten Aspekten des menschlichen Lebens zu tun.
    Oder auch: mit gewissen Erscheinungen – aber die Wörter “denken”, “fürchten”, etc. etc. bezeichnen nicht diese Erscheinungen.

 
   
036
    “Wie ist es aber möglich, dass man ein Ding einer Deutun Deutung gemäss sieht?” – Die Frage stellte diese als ein seltsames Fa[t|k]tum da; als wäre hier etwas in eine Form gezwängt worden, was eigentlich nicht hineinpasst. Aber es ist hier kein Drücken und Zwängen geschehen.

 
   
037
    Und nun ist das Merkwürdige, dass man so zu sagen nicht w[ie|ei]ss weiss, was man tut, wenn man die Figur einmal als das, einmal als das ansieht, oder sieht. Das heisst, man man ist geneigt // versucht // , zu fragen “Wie mache ich das?”, “Was sehe ich eigentlich anderes?” – Und darauf erhält man keine relevante Erklärung zur Antwort.

 
   
038
    Denn nicht das ist die Frage: was ich mache, wenn … (dies könnte nur eine psychologische Frage sein) – sondern, welche Bedeutung die Aeusserung hat, was sich aus ihr entnehmen lässt,
610
welche Folgen sie hat.

 
   
039
    Wer den Aspektwechsel nicht empfände, wäre nicht geneigt zu sagen: “Jetzt sieht es ganz anders aus!” oder “Es ist als hätte sich das Bild verändert, und hat sicht doch nicht verändert[
1
2
|!]” oder “Die Form ist gleich geblieben und doch hat sich etwas verändert; etwas, was ich die Auffassung nennen möchte und was man sieht!” –

 
   
040
    Etwas einmal als da das, einmal als das sehen, könnte ein blosses Spiel sein. Man redet zum Kind einmal in dieser Weise – etwa: “Jetzt ist es … ! jetzt … !” – und es reagiert; ich meine, es lacht, m[s|a]cht nnn verschiedene aolche Uebungen (so, als hätte man es darauf aufmerksam gemacht, dass die Vokale Farben haben). Ein anderes Kind empfindet weder diese Farben, noch versteht es was mit jener Aenderung gemeint ist.

 
   
041
    Wie aber, wenn man diesem Kind die Aufgabe stellte, die Gestalt IV in der Figur aufzusuchen? (Dies könnte eine Aufgabe im ersten Unterricht der Kinder sein.) Könnte es die Aufgabe nicht lösen (oder die, eine Reihe verschiedenere Ge[t|s]talten in jender jener Figur zu finden), wenn es sich einer Aspektänderung nicht bewusst wird, nicht sagen möchte die Figur ändere sich irgendwie, werde zu einme anderen Gebilde, oder dergleichen?

 
   
042
    Du s[g|a]gst, der normale Mensch sähe die Figur als zwei Kreise von einer Geraden durchschnitten. Aber wie zeigt sich das? Wenn er die Figur etwa kopiert, soll ich sagen, es zeige sich darin, wie er's tut? Wenn er die Figur mit
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Worten beschreibt, zeigt es sich darin, welche Beschreibung er wählt? Diese Wahl könnte durch die Bequemlichkeit der Darstellung be[t|s]timmt sein. Ja, wenn das Kind auf verschiedene Arten der zeichnerischen Wiedergabe (Reihenfolge der Striche) käme, wäre das unser Kriterium für den Wechsel des Aspekts? – Wenn es aber sagt “Jetzt ist es … – jetzt wied” … ”, wenn es redet, als sähe es jedes Mal einen anderen Gegenstand, dann werden wir sagen, es sieht die Figur auf verschiedene Weisen. Das

 
  ?  
043
    Das Wesentliche am Sehen ist, dass es ein Zustand ist und ein solcher in einen anderen umschlagen kann. Aber wie weiss ich, dass er in einem solchen Zustand ist? nicht also in einem der einer Disposition vergleichbar ist, wie das Wissen, das Verstehen oder eine Auffassung. Was ist das [L|l]ogische Charakteristikum so eines Zustands?

 
   
044
    Denn, sagen, man erkenne ihn eben als solchen, wenn man ihn habe, ist Unsinn. Denn woran erkennt man ihn?
    (Das Kriterium der Identität.)

 
   
045
    Ich will von einem ‘Bewusstseinszustand’ reden, und das Sehen eines bestimmten Bildes, das Hören eines Tons, eines Schmerzempfindung, Geschmacksempfindung, etc. so nennen. Ich will sagen: Glauben, Verstehen, Wissen, Beabsichtigen, u.a. seien nicht Bewusstseinszustände. Wenn ich diese Letzteren für einen Augenblick “Dispositionen” nenne, so ist ein wichtiger Unterschiede zwischen Dispositionen und Bewusstseinszuständen, dass eine Dispositionen durch eine Unterbrechung des Bewusstseins, oder eine Verschiebung der Aufmerksamkeit nicht unterbrochen wird.) (Und das ist natürlich keine kausale Bemerkung.) Man sagt wohl
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überhaupt kaum, man habe etwas seit ges[et|te]rn “ununterbrochen” gegl[s|a]ubt, oder verstanden, Eine Unterbrechung des Glaubens wäre aber eine Periode des Unglaubens, nicht z.B. die Abwendung der Aufmerksamkeit von dem Geglaubten, oder z.B. der Schlaf.
    (Der Unterschied zwischen ‘knowing[)|] und ‘being aware of’.)

 
   
046
    Das ist wohl der Punkt, an dem man sagt, man könne dem Andern eben nur die Form mitteilen, nicht aber den Inhalt. – So redet man also zu sich selbst über den Inhalt! [U|u]nd was heisst das? (Wie ‘beziehen’ sich meine Worte auf den mir bewussten Inhalt? und zu welchem Zweck?)

 
   
047
    Wir ziehen in diesen Betrachtungen oft, was man ‘Hilslinien’ nennen kann. Wir machen Konstruktionen wie die des ‘seelenlosen Stamms’ – die am Schluss aus der Betrachtung herausfallen. Dass sie herausfielen, musste gezeigt werden.

 
   
048
    “Schmerz ist ein Bewusstseinszustand, Verstehen nicht.” – “Nun, ich fühle eben das Verstehen nicht.” – Aber diese Erklärung tut's nicht. Es wäre auch keine Erklär[i|u]ng zu sagen: Was man in irgend einem Sinne fühlt, ist ein Bewusstseinszustand. Das hiesse ja nur: Bewusstseinszustand = Gefühl. (Man hätte nur ein Wort durch ein anderes ersetzt.)

 
   
049
    Beobachte dich beim Schreiben und wie die Hand die Buchstaben formt, ohne dass du es eigentlich veranlasst. Du fühlst wohl etwas in deiner Hand, allerlei Spannungen und Drucke, aber dass die dazu nötig sind, diese Buchstaben zu erzeugen, davon weisst du nichts.
613


 
   
050
W[p|o] es echte Dau[re|er] gibt, da kann man Einem sagen: “Merk auf und gib mir ein Zeichen, wenn das Bild, das Geräusch, etc. sich ändert.
    Es gibt da überhaupt ein Aufmerken. Während man nicht das Vergessen des Gewussten, u. dergl., mi[r|t] der Aufmerksamkeit verfol[h|g]en kann.

 
   
051
    Denk an das Sprachspiel: Bestimm mit der Stopuhr, wie lange der Eindruck dauert. man könnte so nicht die Dauer des Wissens, Könnens, Verstehens, bestimmen.

 
   
052
    “Aber die Verschiedenheit von Wissen und Hören liegt doch nicht einfach in so einem Merkmal, wie die Art ihrer Dauer. Sie sind doch ganz und gar grundverschieden!” Freilich. Aber man kann eben nicht sagen: “Wisse und höre, und du wirst den Unterschied merken!”

 
   
053
    Man kann nicht das Wissen und das Hören betrachten und sehen, wie verschieden sie sind. Wie man nicht Fichtenholz und einen Tisch betrachten [u|k]ann, um einen Eindruck von ihrer Verschiedenheit zu kriegen.

 
   
054
    Wenn ich, um mir den Unterschied der Begriffe Wissen und Sehen vorzuführen, das Sprachspie[o|l] mit der Stopuhr z.B. anwende, so macht dies allerdings den Eindruck als zeigte ich eine sehr schmächtige Unterscheidung, wo die Wirkliche doch unermesslich gross ist. // so macht dies freilich den Eindruck, als zeigte ich eine äusserst dünne Unterscheidung, wo die wirkliche doch enorm ist. //
    Aber diese enorme Unterschied liegt eben darin (so möchte ich
614
immer sagen), dass die beiden Begr[j|i]ffe ganz anders in unsern Sprachspielen eingebettet sind. Und der Unterschied auf den ich aufmerksam machte, war eben nur ein Hin[e|w]eis auf diese durchgehende Verschiedenheit.

 
   
055
    Das Kind lernt “Ich weiss das jetzt” und “Ich höre das jetzt”; aber Gott! wie verschieden die Anlässe, die Anwendung, Alles! Wie kann man den Gebrauch überhaupt vergleichen? Es ist schwer zu sehen, wie man sie zusammenstellen soll, [j|u]m Unterschiede anzugeben.
    Wo der Unterschied so gross ist, da ist es schwer auf eine Unterscheidung hinzuweisen.

 
   
056
    Ich kann sagen “So und ähnlich wird dieses Wort verwendet, so und ähnlich jenes.”
    Die Vergleichbarkeit ist schwer zu sehen; nicht der Unterschied.

 
   
057
    Der gemeinsame Unterschied aller Bewusst[e|s]einszustände von den Dispositionen scheint mir zu sein, dass man sich nicht durch Stichproben überzeugen muss, ob sie noch andauern.

 
    
   
059
    Sinneswahrnehmungen nennen wir Sehen, Hören, … Zwischen diesen Begriffen bestehen Analogien und Zusammenhänge, sie sind unsere Rechtfert[u|i]gung f[p|ü]r diese Zusammenfassung. // diese [R|r]echtfertigen die Zusammenfassung. //
615


 
   
060
    Man kann also fragen: Was für Zusammenhänge und Analogien bestehen zwischen Sehen und Hören? Zwischen Sehen und Greife[j|n]? Zwischen Sehen und Riechen Riechen? –

 
   
061
    Und fragt man das, so rücken die Sinne so zu sagen gleich weiter auseinander, als sie auf den ersten Blick zu liegen scheinen.

 
  ?  
062
    Die Begriffe der Psychologie sind eben Begriffe des Alltags. Nicht von der Wissenschaft zu ihren Zweck neu gebildete Begriffe, wie die der Physik und Chemie. Die Psychologischen Begriffe verhalten sich etwa zu denen der strengen Wissenschaften wie die Begriffe der wissenschaftlichen Medizin zu denen von alten Weibern die sich mit der Krankenpflege abgeben.

 
   
063
    Plan zur Behandlung der psychologischen Begriffe.
    Psychologische Verben charakterisiert dadurch, dass die dritte Person des Präsens durch Beobachtung zu identifizieren ist, die erste Person nicht.
    Satz in der dritten Person Präsens: Mitteilung, in der ersten Person Präsens Aeusserung. ((Stimmt nicht ganz.))
    Sinnesempfindungen: ihre inneren Zusammenhänge und Analogien.
Alle haben echte Dauer. Möglichkeit der Angabe des Anfangs und Endes. Möglichkeit der Gleichzeitigkeit, des zeitlichen Zusammenfallens.
    Alle haben Grade und qualitative Mischungen. Grad: kaum merkbar – nicht auszuhalten.
    In diesem Sinne gibt es nicht Lage– oder Bewegungsempfindung.
    Ort der Empfin[g|d]ung am Leib: unterscheidet [s|S]ehen und Hören von
Druck-, Temperatur-, Geschmacks- und Schmerzempfindung.
616

    (Wenn Empfindungen die Lage der Glieder und die Bewegungen charakterisieren, so ist ihr Ort jedenfalls nicht das Gelenk.)
    Die Lage der Glieder und Bewegungen ihre Bewegungen weiss man. Man kann sie z.B. angeben, wenn man gef[f|r]agt wird. So wie man auch den Ort einer Empfindung (Schmerz) am Leibe weiss.
    Reaktionen des Berührens der schmerzhaften Stelle.
    Kein lokales Merkmal an der Empfindung. So wenig wie ein zeitliches am Erinnerungsbild. [)|(]Zeitliche Merkmale an der Photographie.)
    Schmerz von andern Sinnesempfind[i|u]ngen unterschieden durch charakteristischen Ausdruck. Dadurch verwandt der Freude (die keine Sinnesempfindung).
    “Sinne[e|s]empfindungen lehren uns die Aussenwelt kennen.”
    Vorstellung:
    Gehörsvorstellung, Gesichtsvorstellung, wie untersc[g|h]eiden sie sich von den Empfindungen? Nicht durch “Lebhaftigkeit”.
    Vorstellugen belehren uns hi belehren uns nicht über die Aussenwelt, weder richtig noch falsch. (Vorstellungen sind nicht Haluzinationen, auch nicht Einbildungen.)
    Während ich einen Gegenstand sehe, kann ich mir ihn mir nicht vorstellen.
    Verschiedenheit der Sprachspiele: “Schau die Figur an!” und “Stell dir die Figur vor!”
    Vorstellung dem Willen [U|u]nterworfen.
    Vorstellung nicht Bild. Welchen Gegenstand ich mir vorstelle, ersehe ich nicht aus der Aehnlichkeit des Vors[et|te]llungsbildes mit ihm.
    Auf die Frage “Was stellst du dir vor” kann man mi[r|t]r einem
617
Bild antworten.

 
   
064
    Man möchte sagen: Der vorgestellte Klang sei in einem andern Raum als der gehörte. (Frage – Warum?)

 
   
065
    Ich lese ein Buch und stelle mir während des Lesens, also während des aufmerksamen Schauens Schauens alles Mögliche vor.

 
   
066
    Es könnte Leute geben, die nie den Ausdruck gebrauchen “etwas vor dem inneren Auge sehen”, oder einen ähnlichen; und diese könnten doch im Stande sein, ‘aus der Vorstellung’, oder Erinnerung zu zeichnen, zu modellieren, das charakteristische Benehmen Anderer nachzuahmen, etc. Sie mögen auch, ehe sie etwas aus der Erinnerung zeichnen, die Augen schliessen, oder wie blind vor sich hinstarren. Und doch könnten sie leugnen, dass sie dann vor sich sehen, was sie später zeichnen.

 
   
067
    “Siehst du sie, wie sie zur Tür hereinkommt?” – und nun macht man's nach.

 
   
068
    [|]Sehen’ ist nämlich mit [)|]Schauen’ unzertrennlich verbunden. ((D.h., das ist eine Art der Begriffsbestimmung, die eine Physiognomie ergibt.))
    Die Wörter, die beschreiben, was man sieht, sind Eigenschaften der Dinge, man lernt ihre Bedeutung nicht im Zusammenhang mit dem Begriff des ‘[I|i]nneren Sehens’.

 
   
069
    Fragt man aber: “Was ist der Unterschied zwischen einem Gesichtsbild und einem Vorstellungsbild?” – so könnte die Ant[o|w]ort lauten: [d|D]ie gleiche Beschreibung kann darstellen, was ich sehe, und was ich mir vorstelle.
    Zu sagen, es sei ein Unterschied zwischen Gesichtsbild und
601
Vorstellungsbild, heisst: man stellt sich etwas anders vor als es ausschaut.

 
   
070
    Ich hätte früher auch sagen können: Der Zusammenhang zwischen Vorstellen und Sehen ist eng; eine Aehnlichkeit aber gibt es nicht.

 
   
071
    Die Sprachspiele mit den beiden Begriffen sind grundverschieden, – hängen aber zusammen.

 
   
072
    Unterschied: ‘trachten, etwas zu sehen’ – [w|]trachten, sich etwas vorzustellen’. Im ersten Fall sagt man etwa “Schau genau hin!, im zweiten “Schliess die Augen!”

 
   
073
    So weisst du also nicht, ob Gesehenes (z.B. ein Nachb[t|i]ld) und eine Vorstellung im Uebrigen nicht ganz gleich aussc[c|h][h|a]uen? (Oder soll es heissen: sind?) ‒ ‒ ‒ Diese Frage könnte nur eine empirische sein und etwa heissen: “kommt es vor, oder gar oft vor, dass Einer eine Vorstellung längere Zeit ungestört vor der Seele erhalten, und sie so in allen Einzelheiten beschreiben kann, wie etwa ein Nachbild?”

 
   
074
    “Kannst du den Vogel jetzt noch sehen?” – “Ich bilde mir ein, ich kann ihn noch sehen.” Das heisst nicht[;|:] Ich stelle ihn mir vielleicht vor.

 
   
075
    “Sehen und Vorstellen sind verschiedene Phänomene.” – Die Wörter “sehen” und “vorstellen” werden ungleich [b|v]erwendet. “Ich sehe” wird anders verwendet als “Ich stelle mir vor”; “Sieh!” wird anders verwendet als “Stell dir vor!”; “Ich versuche, es zu sehen” anders als “Ich versuche, mir's vorzustellen”. ‒ ‒ ‒“Aber die Phänomene sind eben: dass die Menschen
619
sehen und dass wir uns Dinge vorstellen.” Ein Phänomen ist etwas, das man beobachten kann: Wie beobachtet man nun, dass die Menschen sehen?
    Ich kann z.B. beobachten, dass die Vögel fliegen oder Eier legen. Ich kann Einem sagen: “Siehst du, diese Geschöpfe fliegen. Schau, wie sie mit den Flügeln schlagen und sich in die Luft erheben.” Ich kann auch sagen: “Siehst du, dieses Kind ist nicht blind; es sieht. Schau, wie es der Kerzenflamme folgt.” Aber kann ich mich so zu sagen davon überzeugen, dass Menschen sehen?
    “Menschen sehen.” – Im Gegensatz wozu? Dazu etwa, dass [A|a]lle blind sind?

 
   
076
    Kann ich mir den Fall vorstellen, dass ich sagte: “Ja, du hast Recht: die Menschen sehen, so wie ich auch.”

 
   
077
    “Sehen und [v|V]erstehen sind verschie[n|d]ene Phänomene.” – Die Wörter “sehen” und “verstehen” haben verschiedene Bedeutungen! Ihre Bedeutungen beziehen sich auf eine Menge wichtiger Arten und Weisen menschlichen Verhaltens, auf Phänomene des menschli[c|]chen Lebens.
    Die Augen schliessen um sich etwas vorzustellen ist ein Phänomen; mir verkniffenen angestrengt schauen, ist ein Anderes; einem Ding in Bewegung mit den Augen folgen, wieder eins.
    Denk, Einer sagte: “Der Mensch kann sehen oder blind sein”! “Sehen”, “Vorstellen”, “Hoffen” sind eben nicht Phänomenwörter, könnte man sagen. Das heisst aber natürl[ci|ic]h nicht, dass der Psychologe nicht Phänomene beobachtet.
620


 
   
078
    Der Ausdruck, das Vorstellen [i|u]nterstehe dem Willen kann irreführen, weil er den Schein erweckt, als wäre der Wille eine Art Motor und die Vorstellungen mit diesem im Zusammenhang, so dass er sie hervorru[g|f]en, bewegen, abstellen könnte.

 
   
079
    Aber wäre es nicht denkbar, dass bei einem Menschen das gewöhnliche Sehen de[n|r] Willen unterworfen wäre // unterstünde // ? – Würde ihn das Sehen dann über die Aussenwelt belehren?
sie
// Haben die Dinge Farben, wenn wir sie sehen könnten, wie wir wollen? //


 
   
080
    Weil die Vorstellung dem Willen untertan ist unterrichtet sie uns eben nicht über die Aussenwelt // Welt // .
    Insofern – aber nicht in anderer Weise – ist sie einer Tätigkeit wie dem Zeichnen verwandt.
    Und doch ist ees nicht leicht, das Vorstellen eine Tätigkeit zu nennen.

 
   
081
    Wie ist es aber, wenn ich dir sage: “Stell dir eine Melodie vor”? Ich muss sie mir ‘innerlich vorsingen’. Das wird man ebenso eine Tätigkeit nennen wie das Kopfrechnen.

 
   
082
    Denk auch daran, dass man Einem befehlen kann “Zeichne den N.N. nach der Vorstellung” und das[,|s], ob er dies tut, oder nicht, nicht nach der Aehnlichkeit des Bildni[e|s]ses entschieden wird. Und dem ist analog, dass ich mir den N.N. [b|v]orstelle, auch wenn ich ihn mir falsch vorstelle.

 
   
083
    Wenn ich sage, die Vorstellung sei dem Willen unterworfen, so heisst das nicht, sie sei gleichsam eine [W|w]illkürliche
621
Bewegung im Gegensatz zu einer unwillkürlichen. Denn die selbe Bewegung des Armes etwa, die jetzt willkürlich ist, könnte auch unwillkürlich sein. – Ich meine: Es hat Sinn einen Befehl zu geben: “Stell dir das vor”, oder auch “Stell dir das nicht vor.”

 
   
083
    Aber betrifft die Verbindung mit dem Willen nicht nur, so zu sagen, die Maschinerie, durch die die Vorstellung (das Vorstellungsbild) erzeugt, geändert wird? – Es wird hier kein Bild erzeugt; es sei denn, Einer fertige ein Bild, ein wirkliches Bild, an.

 
   
084
    Der Dolch, den Macbeth vor sich sieht, ist kein vorgestellter Dolch. // ist keine Vorstellung. // Eine Vorstellung kann man nicht für Wirklichkeit halten, noch [g|G]esehenes für Vorgestelltes; aber nicht, weil sie einander so unähnlich sind.

 
   
085
    Gegen die Willkürlichkeit der Vorstellung kann man sagen, dass Vorstellungen oft gegen unsern Willen sich uns aufdrängen und bleiben, sich nicht verscheuchen lasse[,|n]
    Doch aber kann der Wille gegen sie ankämpfen. Ist aber, sie willkürl[ci|ic]h zu nennen, nicht, als nennte ich eine Armbewegung willkürlich, zu der ein Anderer meinen Arm gegen meinen Willen zwingt?

 
   
086
    Sag dir wieder, wenn Einer darauf besteht, was er “Gesichtsvorstellung” nennt, sei ähnlich dem Gesichtseindruck: dass er sich vielleicht ir[t|r]t! Oder: Wie, wenn er sich darin irrte? Das heisst: was weisst du von der Aehnlichkeit seines Gesichtseindrucks und seiner Gesichtsvorstellung?! (Ich rede vom Andern,
622
weil, was von ihm gilt, auch von mir gilt.)
    Was weisst du also von dieser Aehnlichkeit? Sie äussert sich nur in den Ausdrüc[j|k]en, die er zu gebrauchen geneigt ist; nicht indem in dem, was er mit diesen Ausdrücken sagt.
    “Es ist gar kein Zweifel: die Gesichtsvorstellung und der Gesichtseindruck sind von der selben Art!” Das musst du aus deiner eigenen Erfahrung wissen; und dann ist es also etwas, was für dich stimmen mag und für Andere nicht. (Und das gilt natürlich auch für mich, wenn ich es sage.)
    Nichts ist schwerer, als den Begriffen v[i|o]rurteilslos gegenüber stehen. (Und das ist die Hauptschwierigkeit der Philosophie.)

 
   
087
    Sich etwas vorstellen, ist zu vergleichen mit einer Tätigkeit. (Schwimmen)
    Wenn wir uns etwas vorstellen, beobachten wir nicht. Dass die Bilder kommen und vergehen geschieht uns nicht. Wir sind nicht überrascht von diesen Bildern und sagen “Sieh da! …”

 
   
088
    Wir verscheuchen nicht Gesichtseindrücke, aber Vorstellungen.

 
   
089
    Könnten wir die Eindrücke verscheuchen [die|und] vor unsere Seele rufen, sie könnten uns nicht über die Wirklichkeit informieren. – So unterschieden sich Eindrücke von Vorstellungen nur dadurch, dass wir diese [B|b]ewegen können und jene nicht? So ist also der Unterschied empirisch! So ist es eben nicht. // Da scheint ja der Unterschied empirisch zu sein! sein! //
623


 
   
090
    Aber ist es denn undenkbar, dass Gesichtseindrücke sich verscheuchen, oder zurückrufen liessen? Ja, ist es nicht wirklich möglich? Wenn ich meine Hand ansehe und dann bewege ich sie aus dem Gesichtsfeld, habe ich ihren Gesichtseindruck nicht willk[|ür]lich abgebrochen? – Aber, wird man mir sagen, so etwas nennt man doch nicht “das Bild der [h|H]and verscheuchen”! Freilich nicht; aber wo ist der Unterschied? Man möchte sagen: der Wille [e|b]ewegt die Vorstellungen unmittelbar.
    Denn, wenn ich meinen Gesichtseindruck willkürlich ändere, so folgen die Dinge meinem Willen.

 
   
091
    Wie aber, wenn die Gesichtseindrücke sich eben unmittelbar regieren liessen? Soll ich sagen: “Danng gäbe es keine Eindrücke, sondern nur Vorstellungen”? Und wie wäre das? Wie erführe ich z.B., dass der Andere eine bestimmte Vorstellung hätte? Er würde es mir sagen. – Aber wie würde er die dazu nötigen Worte lernen – sagen wir; “rot” und “rund”? Denn ich könnte sie ihn doch nicht lehren, indem ich auf etwas Rotes und Rundes zeige. Ich könnte mir nur die Vorstellung hervorrufen, dass ich auf etwas derartiges zeige. Und ich könnte ihn natürlich auch nicht sehen, sondern ihn mir nur vorstellen.
    Ist die Annahme nicht überhaupt so wie die, es gäbe in der Welt nur Dichtung und nicht Wahrheit?

 
   
092
    Und ich selbst könnte natürlich auch keine Beschreibung meiner Vorstellungen lernen, noch sie auch selbst erf[u|i]nden. denn Denn was hiesse es, z[|.]B.[|,] dass ich mir ein rotes Kreuz auf weissem Grunde vorstelle? Wie sieht denn ein rotes Kreuz
624
aus? So?? – Aber könnte nicht ein höheres Wesen durch Intuition wissen, was ich mir vorstelle, und dies in seiner Sprache beschreiben, wenn sie mir auch unverständlich wäre? – Ange[h|n]ommen, dies höhere Wesen sagte “ich weiss, was sich dieser Mensch jetzt vorstellt; es ist dies: …” – Aber wie konnte ich das “wissen” nennen? Es ist ja ganz anders, als das, was wir nennen “wissen”, was sich der Andere vorstellt”. Wie vergleicht man denn den gewöhnlichen Fall mit jenem erdichteten?
    Wenn ich mich in diesem Fall als Dritten denke, so wüsste ich gar nicht, was das höhere Wesen damit meint: [o|E]s wisse, welche Vorstellung der Mensch hat, der nur Vorstellungen und keine Eindrücke hat.

 
   
093
    “Aber kann ich mir nicht doch so einen Fall vorstellen?” Vor Allem kannst du über ihn reden. Aber das zeigt nicht, dass du ihn ganz durchdacht hast. (5 Uhr auf der Sonne.)

 
   
094
    Man möchte davon reden, wie ein Gesichtseindruck und wie eine Vorstellung ausschauen. Und etwa fragen: “Könnte nicht etwas so ausschauen, wie z.B. mein gegenwärtiger Gesichtseindruck, sich aber im Uebrigen benehmen wie eine Vorstellung?” Und hier ist offenbar ein Fehler.

 
   
095
    Aber denk dir dies: Wir lassen jemand durch ein Loch in eine Art Guckkasten schauen, und in diesem bewegen wir nun verschiedene Gegenstände, Figuren, und zwar, durch Zufall oder mit Absicht so, dass die Bewegung gerade die ist, die
unser
der
Beobachter wollte; so dass er sich einbildet, was er sieht, gehorche seinem Willen. – Konnte der sich nun täuschen; glauben, seine Gesichtseindrücke seien Vorstellungen? Das kling ganz absurd.
625
Ich [g|b]rauche ja den Guckkasten gar nicht, sondern muss nur, wie oben, meine Hand betrachten und sie bewegen.
//
Könnte ich aber auch den Vorgang dort drüben willkürlich bewegen, oder zum Verschwinden bringen
, so würde ich das doch nicht als einen Vorgang in meiner Fantasie deuten. (﹖)

 
   
096
    Ich kann eben von Haus aus einen Eindruck nicht für eine Vorstellung halten. Aber was heisst das? Könnte ich mir denn einen Fall denken, dass ein Anderer das täte? Wie kommt es, dass das nicht denkbar ist?

 
   
097
    Wenn Einer wirklich sagte “Ich weiss nicht, sehe ich jetzt einen Baum, oder stelle ich mir einen vor”, so würde ich zunächst glauben, er meine: “oder bilde ich mir nur ein, es stehe dort einer”[|.] Meint er das nicht, so könnte ich ihn überhaupt nicht verstehen – wollte mir aber jemand in diese[r|n] Fall erklären und sagte “Er hat eben so aussergewöhlich lebhafte Vorstellungen, dass er sie für Sinneseindrücke halten kann” – verstünde ich's jetzt?

 
   
098
    Denk dir aber nun dennoch einen Menschen, der sagte “Meine Vorstellungen sind heute so lebhaft[l|,] ◇◇◇ wie wirkliche Gesichtseindrücke”, – müsste freilich erst von ihm erfahren, wie sich denn dies zeigt.
    Sagte er mir aber “Ich weiss oft nicht, ob ich etwas sehe, oder es mir nur vorstelle”, so würde ich das nicht einen Fall überlebhafter Vorstellung nennen. // so wäre das nicht die
626
Folge überlebhafter Vorstellung. //

 
   
099
    Muss man aber hier nicht unterscheiden: sich, sagen wir, das Gesicht eines Freundes vorstellen, aber nicht im Raum der mich umgibt – und andrerseits: sich an dieser Wand dort ein Bild etwa vorstellen?
    Man könnte z.B. auf die Aufforderung “Stell dir dort drüben einen runden Fleck vor” sich einbilden, wirklich einen dort zu sehen.

 
   
100
    Freilich, wenn ich sage “[i|I]st dort nicht wirklich ein Fle[kc|ck]?” Und also etwa genauer hinschaue, so gehorcht, was ich hier Vorstellung nenne, nicht meinem Willen[,|.] Und eine Einbildung gehorcht ja nicht meinem Willen.

 
  /  
1[o|0]1
    Man darf nicht vergessen, dass die materielle Implikation tatsächlich auch ihre Verwendung, ihre praktische Verwendung, hat; wenn sie auch nicht häufig vorkommt.

 
   
102
    Wer den Satz “Wenn p, so q”. verneint, verneint einen Zusammenhang. Er sagt: “Es muss nicht so sein.” Und das Wort “muss” deutet auf den Zusammenhang.

 
   
103
    Aus “nicht p & und q” folgt nicht “Wenn p, so q”. Es ist nicht aus “nicht p & q” zu erschliess[o|e]n. Der Sinn von “Wenn p, so q” ist von dem des Satzes “p impliziert q” grundverschieden. Wenn auch ein Zusammenhang besteht. Dieser: “p & q”, welches die Implikationen wahr macht, tut dies auch für den Sat[u|z] “ … so … ”, oder spricht doch für seine Wahrheit. “p & nicht q widerspricht der Implikation und auch dem Wenn-so-Satz, oder ist seiner Wahrheit nicht günstig.
627
“nicht p & q” und “nicht p & nicht q” bewahrheiten die Implikation und entscheiden nichts über die Wahrheit von “Wenn … , so …”.

 
   
104
    “Wenn dies eintrifft, so wird das eintreffen. Habe ich Recht, so zahlst du mir einen Schilling, habe ich Unrecht, so zahle ich dir einen, belibt bleibt es unentschieden[l|,] so zahlt keiner.” Das könnte man auch so ausdrücken: [|D]er Fall, in welchem die Prämisse nicht eintrifft, interessiert. uns nicht, wir reden nicht von ihnen. Oder [j|a]uch: es ist uns hier nicht natürlich, die Wörter “ja” und “nein” so zu gebrauchen, wie in dem Falle (und solche Fälle gibt es) in welchem die uns die materielle Implikation interessiert. Mit “Nein” wollen wir hier sagen “p & nicht q”, mit “Ja” nur “p & q”.

 
  ?  
105
    Es ist z.B. ganz gewöhnlich auf die Wahrheit einer Vorhersage zu wetten. Wetten wir nun auf die Behauptung “Wenn p eintrifft, so wird q eintreffen”, so wird man zwar auch sagen “Wenn du Recht hast, zahle ich dir … , wenn nicht … ”; aber beim Nicht–eintreffen von p wird die Wette nicht gelten. Es handelt sich doch hier u[j|m] zwei verschiedene Arten der Verwendung der Verneinung eines Sa[z|t]zes. Und so, wie “nicht nicht p” nicht p ist, wenn die Verdopplung der Verneinung eine [v|V]erstärkung der Verneinung bedeutet, so ist auch “p V nicht p”, wie wir die Vereneinung gebrauchen, nicht unbedingt eine Tautologie. In dem obigen Fall sollte die Behauptung, der Bedingungssatz sei wahr oder aber falsch, eigentlich das [U|u]nbedingte [e|E]intreffen des Ereignisses behaupten. // In dem obigen Falle sollte die Behauptung, jener Bedingungssatz sei wahr, oder falsch, der Behauptung gleich
628
kommen, p werde eintreffen. // Denn jene Behauptung ist ja, der Bedingungssatz werde nicht unentschieden bleiben.

 
   
106
    Der Satz “Die Vorstellung ist dem Willen unterworfen” ist kein Satz der Psychologie.

 
   
107
    Ich lerne den Begriff ‘sehen’ in Verbindung mit ‘schauen’. [d|D]ie Verwendung des einen Worts verbunden mit der des andern.

 
   
108
    Wenn man sagt “der Erlebnisinhalt des Sehens und des Vorstellens
ist
sei
wesentlich der Selbe”, so ist das wahr daran, dass ein ge[,|m]altes Bild wiedergeben kann, was man sieht und wiedergeben kann, was man sich vorstellt. Nur darf man sich nicht vom Mythus des inneren Bildes täuschen lassen. Das

 
   
10[8|9]
    Das ‘Vorstellungsbild’ tritt nicht dort ins Sprach[b|s]piel ein, wo man es vermuten möchte.

 
   
110
    Ich lerne den Begriff ‘sehen’ mit dem Beschreiben dessen, was ich sehe, Ich lerne beobachten und das Beobachtete beschreiben. Ich lerne den Begriff ‘vorstellen’ in einer gänzlich andern Verbindung. Die Beschreibungen des Gesehenen und des Vorgestellten sind allerdings von der s[l|e]lben Art, und eine Beschreibung könnte sowohl das Eine, wie auch das Andere sein; aber sonst sind die Begriffe durchaus verschieden. Der Begriff des Vorstellens ist eher wie der eines Tuns, als eines Rez Empfangen. Das Vorstellen könnte man einen schöpferischen Akt nennen. (Und nennt es ja auch so.

 
   
111
    “Ja, aber die Vorstellung selbst, so wie der Gesichtseindruck, ist doch das innere Bild // das Bild vor dem inneren Auge //
629
und du redest nur von den [v|V]erschiedenheiten der Erzeugung, E[l|n]tstehung, Behandlung des Bildes.” Die Vorstellung ist nicht ein Bild, noch ist der Gesichtseindruck eines. Weder ‘[v|V]orstellung’ noch ‘Eindruck’ ist ein Bildbegriff, obwohl in beiden Fällen ein Zusammnehang mit einem Bild statt hat, und jedes Mal ein Anderer.

 
   
112
    “Aber klnnte ich mir nicht einen Erlebnisinhalt denken von der Art der visuellen Vorstellung, aber dem Willen nicht unterworfen, ind dieser Beziehung wie der Gesichtseindruck?” Hier ist
das
auf
Irrenführende das Reden vom Erlebnisinhalt. Wenn wir von [e|E]ine[,|m] fürs visuellen Vorstellen typischen Erlebnisinhalt reden, so muss der Inhalt in mir mit dem Inhalt in dir verglichen werden können. Und, so seltsam es klingt, müsste man, glaube ich, sagen, der Erlebnisinhalt – wenn man überhaupt diesen Begriff hier gebrauchen will – sei für visuelle Vorstellung und visuellen Eindruck der Gleiche. Und das klingt paradox, weil Jeder ausrufen möchte: Du willst mir doch nicht sagen, dass man je diese beiden, Vorstellung und Eindruck, mit einander verwechseln könnte! – So wenig, könnte ich antworten, wie z.B. Zeichnen und Sehen. Aber was ge[s|z]eichnet und was gesehen wird, mag doch das Selbe se[n|i]n. Vorstellung und Ei[l|n]druck ‘schauen’ eben nicht verschieden ‘aus’.

 
   
113
    Man könnte aber auch sagen, dass “Erlebnisinhalt” für Vorstellung und Eindruck nicht die gleiche Bedeutung hat, sondern nur verwandte Bedeutungen. Wenn ich mir [Z|z].B. ein Gesicht ganz genau so vorstelle, wie es ausschaut, wenn ich's später sehe, hatte mein Eindruck und meine Vorstellung den gleichen Erlebnis-
630
inhalt. Man kann nicht sagen, es sei nicht der Gleiche, da Vorstellung und Eindruck nie gleich aussähen.
    Der Inhalt der Beiden ist also dies – (indem ich etwa auf ein Bild zeige). Aber ich müsste nicht beide Male (den Inhalt) nennen.

 
   
114
0     Vorstellung und Intention. Auch insofern ist forset vorstellen dem schaffen schaffen eines Bildes zu vergleichen, als ich mir nicht den vorstelle, dem mein Vorstellungsbild ähnlich ist, sondern den, den ich mir vorstellen will.

 
   
115
    Ich glaube[m|,] wenn man Vorstellen mit einer Körperbewegung vergleicht, wie das Atmen, das man manchmal willkürlich, manchmal unwillkürlich geschieht, so darf man den Sinneseindruck gar nicht mit einer Bewegung vergleichen. Nicht so kann der Unterschied gefasst werden, dass das Eine geschieht, ob wir's wollen oder nicht, während wir das andere regieren. Vielmehr ist der eine Begriff dem einer Handlung ähnlich, der andre nicht. Der Unterschied ist eher der wie der zwischen Sehen, dass meine Hand sich bewe[h|g]t – und Wissen (ohne sie zu sehen) dass ich sie bewege.

 
   
116
    “Wenn ich die Augen schliesse, steht er vor mir”. – Man könnte sich denken, dass solche Ausdrücke nicht gelernt, sondern poetisch spontan [G|g]ebildete sind sind. Dass sie uns also ‘treffend ar scheinen’ // Dass sie dem Einen ‘treffend [o|s]cheinen’ und dann dem Andern auch. //

 
   
117
    “Ich sehe ihn deutlich vor mir!” – Nun, vielleicht steh[r|t] er wirklich vor dir. – “Nein, dazu ist m[ie|ei]n Bild zu wenig lebhaft.” –
631


 
   
118
    Könnten wir uns nicht diese Erscheinung denken: Wir seien im Stande, in dem wir einen Lichtschirm anschauen, auf ihm nach W[u|i]llkür, ‘durch den blossen Willen’, Bilder zu erzeugen, zu bewegen, verschwinden zu lassen, etc., Bilder, die nicht bloss der, der sie erzeugt, sondern auch der Andere sieht. – Wäre, was ich auf diesem Schirm sehe so etwas wie eine Vorstellung? Oder vielleicht richtiger gefragt: Hiesse “ich sehe … auf dem Schirm” etwas Aehnliches wie: “Ich stelle mir … vor”? – oder soll ich sagen, der Satz “Auf dem Schirm zeigt sich jetzt … ” entspreche dem “Ich stelle mir … vor”? – Nein; so ist es nicht. Die Schwierigkeit ist hier, dass ich keinen klaren Begriff davon habe: ‘die Bilder durch den Willen zu erzeugen’ etc. Denn eigentlichh ist ja der Fall nicht ganz fantastisch: Ich kann mir ja wirklich auf einer fleckigen Wand alles Mögliche vorstellen; und wenn der Andere, wenn er auf die Wand schaut, immer wüsste, was ich mir vorstelle, so wäre der Fall nun ähnlich dem eben beschriebenen. ((Könnte man aber nicht auch von dem sagen, er erzeuge Bilder auf der Wand durch den blossen Willen, der sie auf die Wand zeichnet?))
    “Durch den blosstrsnen Willen bewegen” was heisst es? Etwa, dass die Bilder meinem Willen immer genau folgen, während meine zeichnende [|H]and, mein Bleistift, das nicht tut? Immerhin wäre es ja dann doch möglich zu sagen: “Für gewöhnlich stelle ich mir ganz genau vor, was ich will; heute ist es anders als ausgefallen.” Gibt es denn ein ‘Misslingen der Vorstellung’?

 
   
119
    Wenn nicht, so will man das tewa so erklären, dass das Vorstellungsbild masselos ist. und dem Willen keinen Trägheits- oder andern Widerstand entgegensetzt.
632

    Nein; “ich sehe auf dem Schirm … ” kann nicht meinem Vorstellen entsprechen. Auch nicht “ich produziere auf dem Schirm … ” – denn dann könnte es gelingen und misslingen. Eher noch das: “Für mich ist, was auf diesem Schirm ist, jetzt ein Bild von … // // “Für mich stellt, was auf diesem Schirm ist, jetzt das dar.” //

 
   
120
    Es gibt freilich ein Sprachspiel mit dem Befehl “Stell dir … vor!” – aber ist es denn wirklich ohne Weiteres gleich zu setzte setzen dem “Dre[g|h] deinen Kopf nach rechts!”? Oder auch so: Hat es denn ohne Weiteres Sinn, zu sagen, Gesichtsbilder, innere Bilder, folgten meinem Willen? (Wohlgemerkt: nicht “meinem Wunsch”.)

 
   
121
    Denn das, wovon man normaler Weise sagt, es folge, oder folge nicht, dem Willen, sind nicht ‘innere Bilder’. Es ist also nicht klar, adss man den Begriff dieses Folgens ohne Weiteres auf die andere Kategorie anwenden kann.

 
   
121
    (Dass man nämlich die ‘[w|W]illkürlichkeit’ der Vorstellung nicht mit der der Bewegung den Körpern vergleichen kann, ist klar; denn, ob die Bewegung stattgefunden hat, das zu beurteilen sind auch Andere befähigt; wä[j|h]rend es bei der Bewegung meiner Vorstellungen immer nur darauf ankäme, was Ich zu sehen behaupte, – was immer irgend ein Anderer sieht. Es würden also die sich bewegenden wirk[l|]lichen Gegenstände au[d|s] der Betrachtung herausfallen, da es au[n|f] sie gar nicht ankäme.)

 
   
123
    Sagte man also: “Vorstellungen sind innere Bilder, ähnlich, oder ganz so, wie meine Gesichtsempfindungen // Gesichtseindrücke // , nur meinem Willen untertan” – so hätte das bis au[n|f] Weiteres noch keinen Sinn. // so wäre das bis auf Weiteres noch ohne Sinn. //
633

    Denn wenn Einer zu berichten gelernt hat, was er dort sieht oder was ihm dort zu sein scheint, so ist es doch nicht klar, was der Befehl bedeute, er solle jetzt das dort sehen, oder es solle ihm jetzt das dort zu sein scheinen.

 
   
124
    Es ist freilich eine gewisse Verwandtscha[tf|ft] zwischen dem Vorstellen und einer [h|H]andlung, [w|d]ie sich eben in der Möglichkeit des Befehls ausdrückt; aber der Grad dieser Verwandtschaft muss erst untersucht werden.

 
   
125
    “Bewege deine inneres Bild!” könnte heissen: bewege den Gegenstand.

 
   
126
    “Bewege, was du siehst”.
    Es könnte auch heissen: Nimm etwas ein, was deine Gesichtseindrücke beeinflusst.

 
   
127
    Welches merkwürdige Phänomen, das ein Kind wirklich die menschliche Sprache lernen kann! Dass ein Kind, ohne irgend etwas zu wissen, anfangen kann und, auf sicherem Wege, diese ungeheuer komplizierte Technik erlernt.
    Dieser Gedanke kam mir, als mir, in einem bestimmten Fall, zum Bewusstsein kam, wie ein Kind mit nichtsa anfängt, und eines Tages die Negation gebraucht wie wir!

 
   
128
    Mit dem Satz “Vorstellungen sind willkürlich, Empfind[i|u]ngen nicht” unterscheidet wir man nicht Empfindungen von Vorstellungen, sondern die Sprachspiele, in denen wir's mit diesen Begriffen zu tun haben.

 
   
129
    Es gibt, was man Erscheinungen des Sehens und Erscheinungen
634
des Vorstellens nennen kann; und den Begriff [f|d]es Sehens und den Begriff der Vorstellung. Man kann von ‘Unterschieden’ innerhalb
beider
dieser
Paare reden.

 
   
130
    Wenn man sagt “die Vorstellung hat es mit dem Willen zu tun”, so meint man die selbe Art des Zusammenhangs, die man mit dem Satz meint “Die Vorstellung hat es nicht mit der Beobachtung [t|z]u tun”.

 
   
131
    Ich sagte, es gäbe Phänomene des Sehens, – was meinte ich damit? Nun etwa Alles das, was sich auf Bildern darstellen lässt und mit “sehen” beschrieben würde. Das genaue Beobachten; das Anschauen einer Landschaft; ein Mensch vom Licht geblendet; der freudig überraschte Blick; das Wegwenden und um sich sehen zu müssen. Alle die Arten des Benehmens, die den sehenden Menschen vom Blinden unterscheiden. (Es hat doch einen Grund, warum mir gerade diesee Bilder aus dem menschlichen Leben hier einfallen

 
   
132
    Phänomene des Sehens, – das ist, was der Psychologe beobachtet.

 
   
133
    Einer sagt: “Ich sehe ein Haus mit grünen Fensterläden”. Und du: “Er sieht es nicht, er stellt es sich nur vor. Er schaut ja gar nicht; siehst du, wie er vor sich hinstarrt?” – Man könnte sich sehr beiläufig auch so ausdrücken: “So sieht es nicht aus, wenn jemand etwas sieht; sondern wenn er sich etwas vorstellt.” Hier vergleichen wir Erscheinungen des Sehens mit Erscheinungen des Vorstellens. So auch, wenn wir zwei Leute eines fremden Stammes beobachteten, die während einer bestimmten [F|T]ätigkeit ein Wort gebrauch[i|e]n, welches wir für ein Aequivalent unseres “Sehen” erkannt haben. Und wie wir nun ihren
635
Gebrauch jenes Worts bei dieser Gelegenheit verfolgen, schliessen wir, es müsste hier “vor dem innern Auge sehen” bedeuten. (Ebenso könnte man auch zu dem Schluss kommen, das Wort müsse hier Verstehen bedeuten.)

 
   
134
    Was heisst es z.B., dass “sehen” mit “beobachten” zusammenhängt? – Wenn wir “sehen” ge[n|b]rauchen lernen, so lernen wir es zugleich und in Verbindung mit “schauen” gebrauchen, mit “beobachten”, etc.

 
   
135
    Wie wir den Schachkönig in Verbindung mit dem Bauern gebrauchen lernen und das Wort “König” zusammen mit dem Wort “Schachmatt”.

 
   
136
    Ein Sprachspiel umfasst ja doch den Gebrauch mehrerer Wörter.

 
   
137
    Nichts kann falscher sein, als zu sagen, Sehen und Vorstellen seien verschiedenen Tätigkeiten. Das ist, als sagte man, im Schach ziehen und verlieren seien verschiedenen Tätigkeiten.

 
   
138
    Die Worte “Vorstellen ist willkürlich, sehen nicht”, oder ähnliche, k[i|ö]nnen Einen irreleiten.
    Wenn wir als Kinder lernen, die Worte “sehen”, “schauen”, “vorstellen” gebrauchen, so spielen dabei Willenshandlungen, Befehle hinein. Aber in anderer Weise für jedes der drei Wörter. Das Sprachspiel mit dem Befehl “Schau!” und mit dem Befehl “Stell dir … vor!” – wie soll ich sie nur vergleichen? – Wenn wir jemand abrichten wollen, dass er auf den Befehl “schau … !” reagiert und wenn wir ihn dazu abrichten wollen, [ad|da]ss er den
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Befehl “Stell dir … vor!” verste[g|h]t, so müssen wir ihn doch offenbar ganz Anderes lehren. Reaktionen, die zu diesem Sprachspiel gehören, gehören zu jene[r|m] nicht. Ja, ein enger Zusammenhang der Sprachspiele ist natürlich da, aber eine Aehnlichkeit? – Stücke des Einen sind [o|S]tücken des Andern ähnlich, aber die ähnlichen Stücke sind nicht homolog.

 
   
139
    Ich könnte mir etwas Aehnliches wir für wirkliche Spiele denken. Es könnte etwa in zwei wesensverschiedenen Spielen – Spielen, die in wichtigem Sinne einander viel unähnlicher wären als Dame und Schach – ein und dasselbe Brett mit den selben Zügen vorkommen, nur, wenn ich so sagen darf, in einer andern Stellung. Im einen Spiel könnte es z.B. die Aufga[n|b]e sein, dem Andern nachzusetzen; im andern wäre der ganz Verlauf des Nachsetze[s|n]s im Voraus gegeben, und die beiden Spieler hätten mit Bezug auf ihn eine Aufgabe ganz anderer Art. Es wären den Spielern z.B. zwei Wege des Nachsetze[s|n]s gege[n|b]en und sie müssten die Beiden in psychologischer Hinsicht vergleichen. So gibt es ein Spiel: ein Kreuzworträtsel auflösen, und ein anderes: mehrere mir gegebene Auflösungen eines Kreuzworträtsels in irgend einem Sinne auf ihre Güte zu prü[g|f]en.

 
   
140
    Das Sehen undter untersteht dem Willen in anderer Weise als das Vorstellen.
    Oder: ‘sehen’ und ‘vorstellen’ haben zum ‘wollen’ verschiedene Beziehungen.

 
   
141
    Nun scheinten es aber doch, als wären Vorstellungen nach matte Spiegelungen der Sinneseindrücke. Wann scheint es so, und wem? Es gibt natürlich ein klar und unklar in den
637
Vorstellunge[b|n]. Und wenn ich sage “Mein Vorstellungsbild von ihm ist viel unbestimmter als mein Gesichtseindruck, wenn ich ihn sehe,”, so ist das wahr, denn ich kann i[g|h]n aus der Vorstellung auch nicht annähernd so genau beschreiben, als wenn ich mi ihn vor mir habe. // als nach der Natur. // Es kann aber doch geschehen, dass eines Menschen Gesicht sich so trügt, dass er einen Andern viel unschärfer sieh[r|t], als er sich ihn vorstellen kann.

 
   
142
    Wenn ich mir, und ein Anderer sich, einen Schmerz vorstellen kann, oder wir doch sagen, dass wir's können, – wie kann man herausfinden, ob wir ihn uns richtig vorstellen, und wie genau?

 
   
143
    Könnte es nicht Leute geben, die die Züge eines Menschen aus dem Gedächtnis höchst genau beschreiben könnten, ja, die auch sagen, jetzt wüssten sie plötzlich, wie er ausschaut, – die aber die Frage, ob sie den Menschen in jenem Augenblick in irgendeinem Sinn ‘vor sich sähen’ (oder derglei[h|c]hen) unbedingt verneinten? Leute also, denen der Ausdruck “ich sehe ihn vor mir” durchaus nicht passend vorkäme?
    Dies scheint mir eine sehr wichtige Frage. Oder auch: die wichtige Frage ist, ob diese Frage Sinn hat. – Denn was für einen Grund habe ich, zu glauben, dass das nicht unser Aller Fall [i|I]st? Oder, wie kann ich die Frage entscheiden, ob der Andere (ich nehme mich einstweilen aus) sich jemand wirklich [|]visuell vorstellt’, oder nur im Stande ist, ihn visuell zu beschreiben [s|z]u z[iehc|eich]nen zeichnen, etc.) – plus dem Faktum, dass er, wenn ich so sagen darf, eine ‘Erleuchtung’ kennt, oder einen Zustand der Erleuchtung, ähnlich dem ‘Jetzt weiss ich's’. ((Echte Dauer)).
638


 
   
144
    Die visuelle Vorstellung ist eben nicht nur durch das [z|Z]eichnen – können und dergleichen charakterisiert, sondern auch durch feinere Abschattungenn des Benehmens.
    [Z|I]n dem Sprachspiel mit “vorstellen” gehört jedenfalls die Beschreibung der Vorstellung. (Das heisst nicht, dass in Grenzfällen eine Aeusserung vorkommen kann: “Ich kann mir's genau vorstellen a[n|b]er absolut nicht beschreiben.” Ein Spiel lässt Grenzfälle zu – eine Regel-Ausna[m|h]me. Aber Ausna[m|h]me und Regel könnten nicht ihre Rolle vertauschen, ohne das Spiel zu vernichten. [/|(]Der ‘Uebergang von der Quantität zur Qualität’?)

 
   
145
    “Wenn Ausnahme und Regel [u|i]hre Rolle vertauschen, so ist es eben nicht mehr dasselbe!” – Aber was heisst das? Etwa dass sich dann mit einem Schlage unsere Einstellung zu dem Spiel ändern wird? Ist es, als kippte nach einem allmählichen Beschwerden der [E|e]inen und Erleichtern der andern Schale, der Waagebalken, nicht allmählich um?

 
   
146
    Wie könnte nun die Beschreibung der Vorstellung einer Bewegungsempfindung [o|a]usschauen?

 
   
147
    Fortsetzung der Klassifizierung der psychologischen Begriffe.
    Gemütsbewegungen. Ihnen gemeinsam echte Dauer, ein Verlauf. (Zorn flammt auf lääst nach, verschwindet; ebenso: Freude, Depression, Furcht.)
    Unterschied von den Empfindungen: sie sind nicht lokalisiert (auch nicht difus!).
    Gemeinsam: sie haben ein charakteristisches Ausdrucksbenehmen. (Gesichtsausdruck.) Und daraus folgt schon: auch charakteristische
639
Empfindungen. So geht die Trauer oft mit dem Weinen einher, und mit ihm charakteristische Empfindungen. (Die Tränenschwere Stimme.) Aber die Empfindungen sind nicht die Gemütsbewegungen). (In dem Sinne, wie die Ziffer 2 nicht die Zahl 2 ist.)
    Unter den Gemütsbewegungen könnte man [G|g]erichtete von ungeri[h|c]hteten unterscheiden. Furcht vor etwas, Freude über etwas.
    Dies Etwas ist das Objekt, nicht die Ursache der Gemütsb[we|ew]egung.
    Das Sprachspiel “Ich fürchte mich” enthält schon das Objekt.
    Angst könnte man ungerichtliche Furcht nennen, [u|i]nsofern ihre Aeusserungen verwandt mit denen der Furcht sind.
    Der Inhalt einer Gemütsbewegung – darunter stellt man sich so etwas vor wie ein Bild, oder etwas, wovon ein Bild gemacht werden kann. (Die Finsternis der Depression, die sich auf Einen herniedersenkt, die Flammen des Zornes.)
    Man könnte auch das menschliche Gesicht ein solches Bild nennen und den Verlauf Verlauf der Leidenschaft durch seine Veränderungen darstellen.
    Zum Unterschied von den Empfindungen: sie unterrichten uns nicht über die Aussenwelt. (Grammatische Bemerkungen.)
    Liebe und Hass könnte man Gemütsdispositionen nennen; auch Furcht in einem bestimmten Sinne.
    Es ist Eines, akute Furcht empfinden, und ein anderes, jemand ‘chronisch’ fürchten. Aber Furcht ist keine Empfindung.
    ‘Schreckliche Furcht’: sind es die Empfindungen, die so schrecklich sind?
    Typische Ursachen des Schmerzes einerseits, der Depression,
640
Trauer, Freude anderseits. Ursache dieser zugleich ihr Objekt.
    Das Benehmen des Schmerzes und das Benehmen der Traurigkeit. – Man kann diese nur mit ihren äusseren Anlässen beschreiben. (Wenn die Mutter das Kind allein lässt, mag es vor Trauer weinen; wenn es hinfällt, vor Schmerz.) Benehmen und Art des Anlassens gehören zusammen.



 
   
148
    Vielleicht wird man sagen: Wie kann man den Begriff ‘Schmerz’ durch die Schmerzanlässe charakterisieren? Schmerz ist udle doch was er ist – was immer ihn veranlasst! – Frage jedoch: Wie identifiziert man Schmerz?
    Der Anlass bestimmt den Nutzen des Schmerzsignals.

 
   
149
    Der Schmerzbegriff ist eben auf eine be[ts|st]immte Weise in unserm Leben eingebettet. Ist es charakterisiert durch ganz bestimmte Zusammenhänge.
    Wie es einen Zug mit dem Schachkönig nur in einem bestimmten Zusammenhang gibt. Er lässt sich aus diesem Zusammenhang nicht lösen. – Denn dem Begriff entspricht eine Technik. (
Der Mund
Das Auge
lächelt nur in einem Gesicht.)

 
   
150
    Nur inmitten gewisser normaler Lebensäusserungen gibt es eine Schmerzäusserung. Nu[t|r] inmitten von noch viel weitgehender bestimmten Lebensäusserungen und Ausdruck der Trauer, oder der Zuneigung. U.s.f.

 
   
151
    Gemütseinstellungen (Liebe z.B.) kannm man prüfen, Gemütsbewegungen nicht.

 
   
152
    Ich möchte sagen: Gemütsbewegungen können die Gedanken färben; der
Körperschmerz
Schmerz
nicht. Und darum rede man von traurigen
641
Gedanken, nicht aber in analoger Weise [b|v]om zahnschmerzlichen. Es ist, als könnte man sagen; Furcht, oder gar Hoffnung, könne gerade zu aus Gedanken bestehen, aber doch nicht Schmerz. Nun, Schmerz hat vor Allen die Merkmale der Empfindung und Furcht nicht. Furcht hängt mit Befürchtungen zusammen, und Befürchtungen sind Gedanken.

 
   
153
    Die Hoffnung kann man eine Gemütsbewegung nennen. [F|D].h., sie mit Furcht Zorn, Freude, zusammenstellen. Sie ist verwandt mit dem Glauben, der keine Gemütsbewegung ist. Es gibt keinen typischen Körperausdruck des Glaubens.
    Vergleiche die Bed[u|e]utung von “ununterbrochene[n|r]r Schmerz” mit: “ununterbrochener Zorn”, Jubel, Trauer, Freude, Furcht, und anderseits “ununterbrochener Glaube” oder “ununterbrochene Hoffnung”.
    Aber auch Furcht[m|,] Hoffnung, Sehnsucht, Erwartung sind schwer mit einander zu vergleichen. Die Sehnsucht ist eine Beschäftigung im Ged[na|an]ken mit einem bestimmten Objekt. Die Furcht vor eine[,|m] Ereignis (apprehension) scheint von ähnlicher Art zu sein; [r|n]icht aber die arbeitene Furcht vor dem hund, der mich anbellt. Es könnten hier zwei verschiedene Worte gebraucht werden. Ebenso kann “erwarten” [e|b]edeuten: glauben, das und das werde geschehen – aber auch: die Zeit mit erwartenden Gedanken und Tätigkeiten hinbringen, also harren.

 
   
154
    Der Glaube ist keine Beschäftigung mit dem Gegenstand des [F|G]laubens. Die Furcht aber, die Sehnsucht, die Hoffnung beschäftigen sich mit ihrem Ob[k|j]ekt.
642

    Wir sagen in einer wissenschaftlichen Untersuchung alles Mögliche, machen viele Aussagen, deren Rolle wir in der Untersuchung nicht verstehen. Denn wir sagen ja nicht etwa [A|a]lles mit einem bewussten Zweck, sondern unser Mund geht eben. Wir gehen [ni|du]rch herkömmliche Gedankenbewegungen, machen automatisch Gedankenübergänge gemäss de[h|n] Formen, die wir gelernt haben. Und nun müssen wir erst, was wir gesagt haben, sichten. Wir haben eine ganze Menge unnütze, ja zweckwidrige Bewegunge[h|n] gemacht, müssen nun unsere Gedankenbewegungen philosophische klären.

 
   
155
    Wenn ich erzähle “Ich habe mich den ganzen Tag vor seinem Kommen gefürchtet” – da klnnte ich doch ins Einzelne gehen: [|I]ch habe gleich beim Erwachen gedacht … Dann überlegte ich mir … Ich sah immer wieder zum Fenster hinaus, etc.etc. Das könnte man einen Bericht über die Furcht nennen. Wenn ich aber damals zu [k|j]emand sprach “Ich fürchte mich … ” – ist das gleichsam ein Stöhnen der Furcht, oder eine Betrachtung über meinen Zustand? – Es könnte das Eine, oder auch das andere sein: Es mag einfach ein Stöhnen der Furcht sein; es mag aber auch sein, dass ich dem Andern berichten will, wie ich den Tag verbracht habe. Wenn ich ihm nun sagte: “Ich habe den ganzen Tag in Furcht verbracht (nun folgen vielleicht Einzelheiten) und auch jetzt bin ich voll Angst” – was sollen wir nun über dieses Gemisch von Bericht und Aeusserung sagen [?|] nun was sollen wir sagen, als dass wir hier die Verwendung des Wortes “Furcht” vor uns sehen.

 
   
156
    Wenn es Leute gäbe, die in den Fällen, wo wir Befürchtungen mit Angstgefühlen aussprechen, einen stechenden Schmerz in der linken Seite empfinden, – würde dies Stechen bei ihnen den Platz
unsres
des
Furchtgefühls einnehmen? – Wenn wir also diese Leute beobachteten und, sooft
643
sie eine Befürchtung aussprächen, d.h., etwas sagten, was bei uns jedenfalls eine Befürchtung wäre, und sie zuckten dabei zusammen und hielten sich die linke Seite, – würden wir sagen: [|D]iese Leute empfinden ihre Furcht a[sl|ls] als stechenden Schmerz? Offenbar nicht. –

 
   
157
    Warum verwendet man aber das Wort “Leiden” für die Furcht und auch für den Schmerz? Nun, es sind ja Verbindungen genug. –

 
   
158
    Denke, man sagte: Fröhlichkeit wäre ein Gefühl, und Traurigkeit bestünde darin, dass man nicht fröhlich ist. – Ist denn die Abwesenheit eines Gefühls ein Gefühl?

 
   
159
    Wenn ich sage “Ich habe immer mit Furcht daran gedacht” – hat die Furcht meine Gedanken beg begleitet? – Wie stellt man sich die Trennung des Begleitenden von der Begleitung vor?
    Man könnte fragen: Wie durchdringt die Furcht den Gedanken? Denn sie scheint nicht nur mit ihm einher_zugehen. Wenn ich sage “Ich denke mit Beklemmung daran”, so könnte es allerdings so scheinen, als ob der Gedanke, etwa die Worte, mit einem besondern Gefühl in der Br[i|u]st einhergingen und darauf angespielt würde. Aber die Verwendung dieses Satzes ist eben anders. man
    Man s[g|a]gt auch: “Es beklemmt mir den Atem, daran zu denken” und meint nicht nur, dass erfahrungsgemäss die und die Empfindung und Reaktion diesen Gedanken begleiten.

 
   
160
    Auf die Aeusserung “Ich kann nicht ohne Furcht daran denken … ” antwortet man etwa: “Es ist kein Grund zur Furcht, denn … Das ist jedenfalls ein Mittel, Furcht zu beseitigen, im Gegensatz zu Schmerzen.
644

    Ist Ekel eine Empfindung? – Hat er einen Ort? – Und er hat einen Gegenstand, wie die Furcht. Und es gibt hier charakteristische Empfindungen.

 
   
161
    Ja, d[i|u] musst dich immer fragen: Was wird durch diese
Konstatierung
Sätze
den Andern mitgeteilt? und das heiss: welche Verwendung kann er nun davon machen?

 
   
162
    Ich konstatiere ich habe Furcht. – besinne ich mich dazu meiner Gedanken in der letzten halben Stunde, oder lasse ich mir rasch einen Gedanken an den Zahnarzt durch den Kopf gehen, um zu sehen, wie er mich affiziert; oder kan konnte mir ein Zweifel kommen, o[n|b] es wirklich Furcht vor dem Zahnarzt ist und nicht ein anderes organisches Unwohlgefühl?

 
   
163
    Oder ist das Konstatieren, ich hätte Furcht wie ein äusserst gemildetes Stöhnen der Furcht? Nein; denn mit dem Stöhnen will ich dem Andern nicht unbedingt das mitteilen. Die Konstatierung ist, so zu sagen, ein Teil eines Gesprächs.

 
   
164
    Kann man sagen: “Ich fürchte mich vor der Operation nur, während ich gerade an sie denke”? Und heisst das: während ich über sie nachdenke? Kann mir nicht vor etwas grauen, auch während ich nicht, so zu sagen, ausdrücklich darüber nachdenke. Kann ich Einem nicht sagen “mir graut mir vor diesem Zusammentreffen” obwohl ich das Ereignis so zu sagen nur aus dem Augenwinkel sehe.

 
   
165
    Vergessen wir doch einmal ganz, dass uns der Seelenzustand des Fürchtenden interessiert. Gewiss ist, dass uns auch sein
645
Benehmen unter gewissen Umständen als Anzeichen für künftiges Verhalten interessier[t|e]n kann. Warum sollten wir also nicht dafür ein Wort haben. Es kann dies ein Verbum oder Adjektiv sein.
    Man könnte nun fragen, ob dies Wort sich wirklich einfach auf das Benehmen, einfach auf die Veränderungen des Körpers bezögen. Und das wollen wir verneinen. Es liegt uns ja nichts dara[r|n], den Gebrauch dieses Worts derart zu vereinfachen. Es bezieht sich auf das Benehmen untergewissen äusseren Umständen. Wenn wir diese und jenes beobachten, sagen wir, Einer sei …
    Wenn das Wort in der ersten Person gebraucht wird, ist die Analogie mit dem Gebrauch in der dritten Person die selbe wie die zwischen “ich schiele” und “er schielt”.

 
   
166
    Ich will nun sagen, dass Menschen, welche einen solchen Begriff gebrauchen, seinen Gebrauch nicht müssten beschreiben können. Und sollten sie's versuchen, so könnten sie eine ganz u[j|n]zulängliche Beschreibung geben, (Wie die meisten, wenn sie versuchen wollten, die Verwendung des Papiergelds richtig zu beschreiben.)

 
   
167
    Es ist z.B. möglich, dass sie diese Aussage von einem Menschen machen, ohne doch recht sagen zu können, welches Benehmen in ihm sie dazu veranlasst. Sie könnten sagen “Ich sehe es; aber ich weiss nicht genau, was ich sehe.” Wie wir sagen: “Es hat sich etwas an ihm verändert, aber ich weiss nicht genau, was”. Die künftige Erfahrung mag ihnen Recht geben.

 
   
168
    Es könnte nun sein, dass Leute ein Verbum hätten, dessen dritte Person sich ge[l|n]au mi[r|t] unserem “Er fürchtet sich” deckt; dessen erste Person aber nicht mit unserem “Ich fürchte mich”.
646
Denn die Behauptung in der ersten Person würde sich auf El Selbttbeobachtung stützen. Sie wäre nicht die Aeusserung der Furcht, und es gä be ein “Ich glaube, ich … ”, “Es kommt mir vor, ich …”. Diese erste Person hätte nun, so scheint es mir, keine, oder eine sehr seltene Verwendung. Würde mein Benehmen in einer bestimmten Situation gefilmt, so könnte ich, wenn mir der Film vorgeführt wird, sagen: “Mein Benehmen macht den Eindruck …”

 
   
169
    Das “Ich glaube, er fühlt, was ich unter solchen Umständen fühle” gibt es hier noch nicht: [|D]ie Interpretation, dass ich in mir etwas sehe, was ich in ihm vermute.

Denn in Wahrheit ist das eine rohe Interpretation. Ic[g|h] vermute – im Allgemeinen – die Furcht nicht in ihm, – ich sehe sie. Es ist mir nicht, als schlösse ich aus eine[,|m] Ae[i|u]sseren auf die wahrscheinliche Existenz eines inneren; sondern als sei das menschliche Gesicht quasi durchscheinend, und ich sähe an ihm nicht ref[e|l]ektiertes, sondern eigenes lci Licht. // und ich sähe es nicht im [R|r]eflektierten, sondern im eigenen Licht. //

 
   
170
    “Mir graut davor.” – Das ist nicht eine Abbildung von etwas, was ich sehe. Ja, so wie ich schaue, sehe ich nichts, oder nicht eigentlich, was ich meinte. Es ist dann, als wäre dies ein so feiner Schleier, dass von ihm man von ihm wissen, aber ihn nicht eigentlich sehen könnte. Als wäre das Grauen ein ganz feines dunkles Geräusch neben den Tagesgeräuschen, das ich nur nu merken und nicht eigentlich hören könnte.
647
Denk dir
    Denk dir ein Kind, das lange nicht recht sprechen lernen konnte, gebrauche plötzlich den Ausdruck, den es von den Erwachsenen gehört hatte, “Mir graut vor …”. Und sein Gesicht und die Umstände und was folgt lassen uns sagen: Es hat wirklich gemeint. (Man könnte ja immer sagen: “Eines schönen Tages gebraucht nun das Kind das Wort.”) Ich habe den Fall des Kindes gewählt, weil hier, was in ihm vorgeht, uns noch fremder erscheint als im Erwachsenen. Was weiss ich – so möchte ich sagen – von einem Hintergrund der Worte “Mir graut …? Lässt das Kind nicht plötzlich in sich hineinschauen?

 
   
171
    Diese Sache erinnert auch an das Hören eines Geräusches aus einer bestimmten Richtung. Es ist beinahe, als fühlte man die Beschwerde in der Magengegend aus der Richtung der Furcht. D.h. eigentlich, dass “Mir ist schlecht vor Furcht” nicht eine Ursache der Furcht angibt.

 
   
172
    Gibt es psychologische Konglomerate; und ist das Erwarten eines? Vielleicht das Harren, aber nicht das Erwarten.

 
   
173
    Das[o|s] es ein Furchtkonglomerat, z.B., gibt, heisst nicht, dass Furcht ein Konglomerat ist.

 
   
174
    Sage ich “Ich erwarte sehnsüchtig sein Kommen”, so heisst das: ich be beschäftige mich mit seinem Kommen (i[r|n] Gedanken, und man kann auch sagen: in Gedanken und Handlungen) Den Zustand des sehnsüchtigen Erwartens kann man also ein Konglomerat nennen. Aber es ist nicht, so zu sagen, ein Konglomerat von Handlungen einer bestimmten Art, sondern es geht um die Intention der Handlungen, also um ein Motiv, nicht eine
648
Ursache.

 
   
175
    Wenn ich sage, ich verwende die Worte “Ich habe Schmerzen”, “Ich sehne mich nach ihm”, etc.etc. als Mitteilung, nicht als Naturlaut // nicht als Naturlaut, sondern zur Mitteilung, zum Bericht // , so charakterisiert dies meine Intention. Ich will z.B., dass der Andere darauf in bestimmter Weise reagiere.
    Hier bin ich aber noch die Erklärung des Begriffs der Intention schuldig, und die Intention ist nun nicht etwa eine Art Empfindung, auf die ich Alles reduzieren will; der ich so zu sagen, alles in die Schuhe schiebe. (Denn die Intention ist keine Empfindung.)

 
   
176
    Wenn wir Furcht, Trauer, Freude, Zorn, etc. [s|S]eelenzustände nennen, so heisst das, dass der Furchtvolle, Trauervolle, etc. die Mitteilung machen kann: “Ich bin im Zustand der Furcht”, etc., dass diese Mitteilung – ganz wie die primitive Aeusserung – nicht auf einer Beobachtung beruht.

 
   
177
    Absicht, Intention, ist weder Gemütsbewegung, Stimmung, noch Empfindung, oder Vorstellung. Sie ist kein Bewusstseinszustand. Sie hat nicht echte Dauer. Die Absicht kann man eine seelische Disposition nennen. Dieser Ausdruck ist insofern irreführend, als man eine solche Disposition in sich nicht durch Erfahrung wahrnimmt. Die Neigung zur Eifersucht dagegen ist eine Disposition im eigentlichen Sinne. Erfahrung lehrt mich, dass ich sie habe.

 
   
178
    “Ich beabsichtige” ist nicht die Aeusserung eines Erlebnisses Es gibt keinen Schrei der Absicht, so wenig wie des Wissens,
649
oder Glaubens.
    Wohl aber könnte man den Entschluss, mit welchem oft eine Absicht beginnt, ein Erlebnis nennen.

 
   
179
    Ist Entschluss ein Gedanke? Er kann das Ende eines Gedankenganges sein.

 
   
180
    Einer sagt mir etwas; ich schaue ihn erstaunt an; er erklärt … Mein fragender Blick war gleichbedeutend der Frage: “Wieso?” [O|o]der “Was meinst du?” oder “Warum?” oder “Das willst du tun? wo du doch immer …?” – Der plötzliche Gedanke.

 
   
(181
    Absichtlich – undabsichtlich. Willkürlich – unwillkürlich.
    Was ist der Unterschied zwischen einer Handbewegung ohne besondere Absicht und der gleichen Handbewegung, die ich als ein Zeichen meine? // die als Zeichen gemeint ist? //

 
   
182
    Denken wir uns, dass Einer eine Arbeit verrichtet, in der es ein Vergleichen, Versuchen, Wählen gibt. Er stellt etwa einen Gebrauchsgegenstand aus gewissen Materialstücken mit gegebenen Werkzeugen her. Immer wieder entsteht das Problem “Soll ich dies Stück dazu nehmen?” Das Stü[f|c]k wird verworfen, ein anderes versucht. Stücke werden versuchsweise zusammengestellt, auseinandergenommen; es wird nach einem [p|P]assenden [G|g]esucht, etc. etc. Ich denke mir nun diesen ganzen Hergang gefilmt. Der Arbeitende gibt etwa auch Laute von sich, wie “Hm” oder “Ha!” So zu sagen, Laute des Zögerns, des plötzlichen Findens, des Entschlusses, der Zufri[d|e]denheit, der Unzufriedenheit. Aber kein Wort wird geredet. Jene Laute mögen im Film aufgenommen werden. Der Film wird mir vorgeführt; und ich erfinde nun ein Selbst-
650
gespräch des Arbeitenden, welches zu seiner Arbeitsweise, dem Rhytmus seiner Arbeit, seinem Mienenspiel, seinen Gebärden und Naturlauten passt, welches all dem entspricht. Ich lasse ihn also manchmal sagen “Neirn “Nein, das Stück ist zu lang, vielleic vielleicht passt ein anderes besser.” – Oder “Was soll ich jetzt tun? – Ich hab's!” – Oder “Das ist ganz gut.” etc.
    Wenn der Arbeitende reden kann, wäre es eine Verfälschung des wirklichen Vorgangs, wenn er ihn genau beschriebe und etwa sagte: “Dann dachte ich: Nein, das geht nicht; ich muss es anders versuchen.” usw. – obwohl er während der Arbeit nicht gesprochen, und sich auch diese Worte nicht vorgestellt hatte?
    Ich will sagen: Kann er nicht seine wortlosen Gedanken später in Worten wiedergeben? So zwar, dass wir, die den Arbeitsv[i|o]rgang sähen, mit dieser Widergabe einverstanden sein könnten? – Umsomehr, wenn wir dem Mann nicht nur einmal, sondern öfters [n|b]ei der Arbeit zugesehen hätten?

 
   
183
    Wir könnten natürlich sein ‘Denken’ von der Tätigkeit nicht trennen. Das Denken ist eben keine Begleitung der Arbeit; so wenig, wie der [D|d]enkenden Rede.

 
   
184
    
D
Denk
dir, Einer pausiert in der Arbeit[m|,] blickt wie nachdenkend vor sich hin in einer Situation, i[j|n] der wir uns eine Frage vorlegen, würden Möglichkeiten erwägen würden, – würden wir von ihm unbedingt sagen, er überlege? Ist dazu nicht auch nötig, dass er eine Sprache beherrscht, also nötigenfalls die Überlegung auch aussprechen könnte?

 
   
185
    Nun, wenn wir Wesen bei der Arbeit sähen, deren Arbeitsrhytmus, deren Mienenspiel, etc. dem unsern ähnlich wäre, nur
651
dass diese Leute nicht sprächen, dann w[p|ü]rden wir vielleicht sagen, sie dächten, überlegten, machten Entscheidungen Das heisst: es wäre eben in so einem Falle viel dem der gewöhnlichen Menschen ähnlich. Und es ist nicht klar, wieviel ähnlichen sein muss, damit wir den Begriff ‘denken’, der in unserm Leben zu Hause ist, auch bei ihnen anzuwenden ein Recht hätten. // Und wie soll man entscheiden, wie genau die Analogie sein muss, damit wir ein Recht haben, für diese Leute den Begriff ‘denken’ zu verwenden, der in unserm Leben seine Heimat hat? //

 
   
186
    Und wozu sollen wir auch diese Entscheidung fällen?
    Wir werden einen wichtigen Unterschied machen zwischen Wesen, die eine Arbeit, selbst eine komplizierte, “mechanisch” zu verrichten lernen können, und solchen, die bei der Arbeit probieren, vergleichen. – Was aber “probieren” und “vergleichen” zu nennen ist, kann ich nur wieder an Beispie[n|l]en erklären, und diese Beispiele werden unserm Leben, oder einem, das dem unsern ähnlich ist, entnommen sein.

 
   
187
    Nehme nun das Probieren[.|,] gar die Form an des Herstellens einer Art von Modell (oder gar einer Zeichnung), so würden wir ohne zu zweifeln sagen, diese Wesen dächten. Freilich könnte man hier auch ◇◇◇ von einem Operieren mit Zeichen reden.

 
   
188
    “Aber könnte nicht das Operieren mit Zeichen auch mechanisch sein?” – Freilich; d.h., auch dies muss in einer bestimmten Umgebung sein, damit man sagen könne[n|,] es sei nicht mechanisch.

 
    
   
190
    Das Problem, das uns hier beunruhigt, ist das Gleiche wie das in der [|B]etrachtung: “Du kannst Menschen zählen lehren, wenn die Dinge in ihrer Umgebung nicht in fortwährende[r|m] schnellen E[h|n]tstehen und Vergehen begriffen sind.” // “Menschen könnten nicht zählen lernen, wenn alle Gegenstände um sie im Schnellen Gehen Entstehen und Vergehen begriffen wären.” //

 
   
191
    Du kannst doch auch sagen: “Hast du keine Stäbchen, Steinc[g|h]en, etc. zur Hand, so kannst du einem nicht Rechnen lehren.” Ganz so wie: “Hast du keine Schreibfläche noch Schreibmaterial zur Hand, so kannst ihn nicht die Differenzialrechnung nicht lehren” (oder: so kannst du die Division 6,7 76570 : 319 nicht ausführen).


    Man kann Man [kann|sagt] vom Tisch und Stuhl nicht, dass sie denken, auch von der Pflanze nicht, auch vom Fisch nicht, kaum vom Hund; aber vom Menschen. Und auch nicht von allen Menschen.
    [w|W][n|e]nn ich aber sage “ein Tisch denkt nicht”, so ist das nicht ähnlich einer Aussage wie “Ein Tisch wächst nicht”. Denn ich w[p|ü]sste gar nicht, ‘wie das wäre, wenn’ ein Tisch dächte. Und hier gibt es offenbar einen graduellen Uebergang zu dem Fall des Menschen.

 
    
   
193
    Man darf nie vergessen, dass “denken” ein Wort der Alltagssprache ist[ö|,] so wie auch alle andern psychologischen Bezeichnungen.
    Es ist von diesem Wort nicht zu erwarten, dass es eine einheitliche Verwendung habe; es ist viel mehr zu erwarten, dass es sie nicht habe.

 
   
194
    Wenn Einer über ein Problem nachdenkt und ich zeige ihm plötzlich eine gew[e|i]sse Zeichnung, so wird er vielleicht ausrufen “Ach, so ist es!” oder “Jetzt weiss ich's.” Und gefragt, was dabei in ihm vorgegangen ist, wird er in diesem Falle wohl einfach sagen “Ich habe die Zeichnung gesehen”. Ich beschreibe diesen Fall, um einen Vorgang in der Vo[t|r]stellung durch einen des Sehens zu ersetzen. Wird er nun sagen: “In dem Augenblick, als ich die Zeichnung sah, stand mir die ganze Lösung vor Augen”? Er könnte auch, wenn ich ihm mit der Zeichnung zu Hilfe kommen, sagen: “Ja, jetzt ist es leicht!”

 
   
195
    “Mir stand die Benützung des Wortes vor der Seele” – wird man das auch dann sagen, wenn Eine[n|m] mit dem Wort ein für seine Bedeut[n|u][g|n]g charakteristisches Bild gezeigt wird?
    ((Das Bedeutungserlebnis scheint hier vom Gesehenen übertönt
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zu werden.))

 
   
196
    Wir sagen: Gras ist grün, Kreide ist weiss, Kohle schwarz, Blut rot, etc. – Wie wäre es in einer Welt, in der also die übrigen [o|E]igensch[f|a]ften eines Dings mit seiner Farbe nicht zusammenhingen? // aus seiner Farbe nicht erschlossen werden könnten? // Dies ist, ob richtig oder falsch gestellt, eine wichtige Fra[h|g]e, und nur ein Exempel unzähliger ähnlicher Fragen.

 
   
197
    Denk dir, ich käme in ein Land, wo die Farben der Dinge, wie ich sagen würde, unaufhörlich wechselten, etwa durch eine Eigenheit der Atmosphere. Die Einwohner sehen nie ruhige Farben. Ihr Gras sieht bald grün, bald rot, etc. aus. Könnten diese Leute ihren Kindern sagen die Farbwörter beibringen? ‒ ‒ Vor Allem einmal könnte es sein, dass ihrer Sprache die Farbwörter fehlten. Und wenn wir dies fänden, so würden wir's vielleicht damit erkläre[l|n], dass die für gewisse Sprachspiele wenig, oder keine Verwend[i|u]ng hätten.

 
   
198
    Wie könnten denn Leute, in einem Land, wo Alles nur eine Farbe hätte, den Gebrauch der Farbworte lernen?
    Kann ich aber nun sagen: “Nur weil in unserer Umgebung Dinge verschiedener Farbe existieren und weil … , können wir Farbnahme Farbnamen gebrauchen.”?? Es wird hier zwischen logischer und physischer Möglichkeit der Unterschied nicht gesehen. – Nicht das interessiert uns: unter welchen Umständen das Sprachspiel mit den Farbnamen physisch nicht möglich – also eigentlich, nicht wahr[l|s]cheinlich ist.
    Ohne Schachfiguren kann man nicht Schach spielen – das ist
655
die Unmöglichkeit, die uns interessiert.

 
   
199
    Man lernt das Wor[r|t] “denken”, d.i. seinen Gebrauch, unter gewissen Umständen, die man aber nicht beschreiben lernt.

 
   
200
    Man lernt es etwa nur vom Menschen sagen, es von ihm behaupten, oder leugnen. Die Frage “Denkt ein Fisch[?|]” existiert unter seinen Sprachanwendungen nicht, wird nicht gestellt. (Was kann natürlicher sein, als so ein Zustand; als so eine Sprachverwendung!)

 
   
201
    “An diese[r|n] Fall hat niemand gedacht” kann man sagen. Ich kann zwar nicht die Bedingungen aufzählen, unter denen das Wort “denken” zu gebrauchen ist, – aber, wenn ein Umstand den Gebrauch zweifelhaft macht, so kann ich'sagen sagen, und auch, wie die Lage von der Gewöhnlichen abweicht.

 
   
202
    Und hier müsste man etwas über mein Sprachspiel № 2 sagen. – Unter welchen Umständen würde man die Laute des Bauenden, etc., wirklich eine Sprache nennen? Unter allen? Gewiss nicht! – – War es nun falsch, ein Sprachrudiment zu isolieren und es Sprache zu nennen? Soll man etwa sagen, dass dies Rudiment nur in der Umgebung des Ganzen, was wir unsere Sprache zu nennen gewohnts sind, ein Sprachspiel ist??

 
   
203
    Nun, vor Allem ist die Umgebung nicht die geistige Beg[el|le]itung des Sprechens, nicht das ‘Meinen’ und ‘Verstehen’, das man sich als d[o|e]r Sprache wesentlich vorzustellen geneigt ist.

 
   
204
    Gefährlich wäre es mir nur, wenn Einer sagte: “Du setzt
656
eben stillschweigend schon voraus, dass diese Menschen denken; dass sie in dieser Beziehung den uns bekannten Menschen gleichen; dass sie jenes Sprachspiel nicht rein mechanisch betreiben. Denn stelltest du dir vor, sie täten's so würdest du's selbst nicht ein Sprechen nennen.”
    Was soll ich nun dem antworten? Es ist natürlich wahr, dass das Leben jen[d|e]r Menschen dem unsern in vieler Beziehung gleichen muss und dass ich über diese Aehnlichkeiten nichts gesagt habe. Das wichtige aber ist eben, dass ich mir ihre Sprache, wie auch ihr Denken
rudimentär
primitiv
vorstellen kann; dass es ein ‘primitives Denken’ gibt, welches durch ein primitives Verhalten zu beschreiben ist.

 
   
205
    Ich sage von Jemandem: er vergleicht zwei Gegenstände, Ich weiss, wie das ausschaut, wie man das macht. Ich kann es Einem vorf[p|ü]hren. Aber was ich so vorf ühre, würde ich dennoch nicht unter allen Umständen ein ‘Vergleichen’ nennen.
    Ich kann mir nur etwa Fälle vorstellen, in welchen ich nicht geneigt wäre zu sagen, dass verglichen wird; aber die Umstände, unter welchen dies ein Vergleichen ist, beschreiben, das könnte ich nicht. – Aber ich kann einen Menschen den Gebrauch des Wortes lehren! denn dazu ist ein Beschreiben jener Umstände nicht nötig.

 
   
206
    Ich lehre ihn eben das Wort unter bestimmten Umständen. // Den Gebrauch des Worts lernt er eben unter bestimmten Umständen. //

 
   
207
    Manchmal ist es wirklich, als ob ein Denken neben dem Reden
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(Lesen z.B.) einherliefe. Nicht aber, dass man's dann von dem Lesen isolieren könnte. // Ablösen könnte // . Viel mehr ist, was die Worte begleitet, wie eine Reihe kleiner Nebenbewegungen. Es ist, als werde man eine Strasse entlang geführt, würfe aber Blicke rechts und links in alle Nebengässchen.

 
   
208
    Denk dir, ich zeigte jemand eine Liste von den Gängen, Besorgungen, die er für mich zu machen hat. Wir kennen uns gut und er braucht nur Andeutungen, um zu wissen, was er zu tun hat. Die Liste enthält nun lauter solche Andeutungen. Er liest sie durch und sagt nach jeder solchen Andeutung “Ich verstehe”. Und er versteht; er könnte jeden dieser Punkte erklären, wenn er gefragt würde.
    Ich könnte ihn dann fragen: “Hast du alles verstanden?” Oder: “Geh die Liste genau durch und sieh, ob du alles verstehst.” Oder: “Weisst du, was du hier zu machen hast?” – Was [wai|hät]te er zu tun, um sich davon zu überzeugen, dass er die Andeutungen verstanden hat? Ist es hier, als müsste er bei jedem Punkt eine Kopfrechnung machen? Wäre das nötig, so könnte er später von der Rechnung laut Rechenschaft geben und man würde sehen, ob er richtig gerechnet hat. – Aber das ist im Allgemeinen nicht nötig. Wir schreiben also nicht vor, was der Andere beim verständnisvollen Durchgehen der Liste zu tun hat; und ob er wirklich verstanden hat, ersehen wir aus dem, was er später tut, oder aus der Erklärung, die wir etwa von ihm verlangen.

 
   
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    Wir könnten nun sagen: wer sich so prüft, ob er verstanden habe, geht immer ein Stück Weges der Strasse nach, die er später gehen soll. Und das könnte ja so sein. Obwohl kein Grund
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ist, anzunehmen, dass es so ist. Denn, wenn er doch nur ein Stück[s|e] des Weges geht, – warum soll er dann nicht ohne zu gehen erkennen können, dass er weiss welchen Weg er zu gehen hat? Damit ist aber nicht gesagt, dass nicht wirklich die Wege ein Stü[f|c]k gegangen werden. Aber es kommt auch vor, dass, was wir später als den ‘Keim’ des Gedankens oder der Tat ansehen, dies, seiner Natur nach, nicht ist.

 
   
210
    Mud [w|W]enn nun Einer sagte: Das heisst eben nur, dass “denken” das heisst, was einen bestimmten Enderfolg hat, einen bestimmten Zweck erfüllt. Wie Jeder es macht, und ob heute so wie das vorige Mal, ist gleichgiltig. – So könnte ich antworten: Und wenn es zum richtigen Enderfolg führt, gar nichts zu tun, so bestünde also hier das Denken darin, dass Einer nichts tut.
    Man sagt: “Überzeug dich, dass du jeden Punkt verstehst!”
    Wenn ich nun fragte: “Wie soll ich mich überzeugen?” Welchen Rat würde man mir geben? Man w[p|ü]rde mir sagen: “Frag dich, ob …”

 
   
211
    Ist es hier nicht wie beim Kunstrechner? – Er hat richtig gerechnet, wenn das Richtige herauskam. Was in ihm vorging, kann er vielleicht selbst nicht sagen. Und hörten wir's, so erschiene es vielleicht wie ein seltsames Zerrbild einer Rechnung.

 
   
212
    Wenn einer sagt “Man kann auch wortlos denken”, so ist das irreleitend. Es handelt sich hier nicht darum, dass man im Stande ist, etwas Be[l|s]timmtes zu tun, ohne dabei das und das Andere zu tun; Wie z.B. “Man kann auch lesen, ohne die Lippen zu bewegen”.

 
   
213
    Wenn es z.B. nur ganz wenige Menschen gäbe, die die Antwort
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auf eine Rechenaufgabe [h|f]inden könnten, ohne zu sprechen, oder zu schreiben, könnte man diese nicht zum Zeugnis dafür anführen, dass man auch ohne Zeichen rechnen könnten. Weil es nämlich nicht klar wäre, dass diese Leute überhaupt ‘rechnen’. Ebenso kann auch das Zeugnis des Barnard (bei James) Einen nicht davon überzeugen, dass man denken könne ohne Sprache.
    Ja, warum soll man, wo keine Sprache gebraucht wird, vom ‘denken’ reden? Tut man's, so zeigt das eben etwas über den Begriff des Denkens.

 
   
214
    Man könnte z.B. zwei (oder mehr als zwei) verschiedene Wörter besitzen: eines fürs ‘laute Denken’, eines fürs denkende Sprechen in der Vorstellung, eines fürs Innehalten, wobei irgend etwas uns vorschwebt (oder auch nicht) woraufhin wir aber die Antwort mit Sicherheit geben können.
    Wir könnten zwei Wörter haben: eines für den Gedanken, der im Satz ausgedrückt ist; eines für den Gedankenblitz, den ich später ‘in Worte kleiden’ kann.

 
   
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    Wenn man auch das [D|d]enkende Arbeiten, o[j|h]ne alles Reden, in unserer Betrachtung einbezieht, so sieht man, dass unser Begriff ‘denken’ ein weit verzweigter ist. Wie ein weit verzweigtes Verkehrsnetz, das viele entlegene Orte mit einander verbindet.
    In allen dieses weitentlegenen Fällen reden wir von einem ‘Denken’.

 
   
216
    In allen diesen Fällen sagen wir, der Geist sei nicht untätig, es gehe etwas in [hi|ih]m vor; und unterscheiden sie dadurch von einem Zustand der Dumpfheit, des mechanischen Tuns.

 
   
217
    ‘Denken’, ein weit verzweigter Begriff. Könnte man dasselbe
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nicht auch vom ‘[G|g]lauben’, ‘tun’, ‘sich freuen’, ‘sagen’ sagen?
    Und wo gehört die Bemerkung eigentlich hin, dieser Begriff sei weit verzweigt? – Nun, man wir sie dem sagen, der darangeht, sich die Verzweigungen dieses Begriffs zu überlegen.

 
   
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    Es ist doch sehr merkwürdig, dass man keinerlei Schwierigkeit hat in einer Figur wie dieser ein Gesicht zu sehen, obwohl doch die Unähnlichkeit des einen Winkels mit einer Nase des Andern mit einer Stirn etc. unglaublich gross ist, [O|o]der eine Aehnlichkeit kaum vorhanden. Man hat – wie gesagt – keinerlei Schw[ei|ie]rigkeit, in diesen Strichen ein menschliches Gesicht zu sehen; man möchte sagen: “So ein Gesicht gibt es”. Oder auch: “Es ist dies zwar die Karikatur eines menschlichen Gesichts, aber eben eines in der Wirklichkeit möglichen.” – Ganz so, wie man keine Schwierigkeit hat, im Grau und Weiss der Photographie das menschliche Gesicht zu sehen. ‒ ‒ Und was heisst das? Nun, wir betrachten z.B. einen Film und folgen allen Vorgängen mit Anteilnahme; als hätten wir wirkliche Menschen vor uns.

 
   
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    ‘Denken’, ein weit verzweigter Begriff. Ein Begriff, der viele Lebensäusserungen in sich begreift // verbindet // . Die Denkphänomene liegen weit auseinander.

 
   
220
    Und willst du nicht sagen, [u|d]u säh[s|e]st doch ein Gesicht in allen diesen Wortverwendungen, einen echten Begriff? // einen einheitlichen, echten Begriff? // – Aber was will das sagen? Kann nicht Gewohnheit all das zusammenschweissen?

 
   
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    Wer mir etwa irgend einen Vorfall erzählt, oder eine
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gewöhnliche Frage an mich richtet (wieviel Uhr es ist, [Z|z].B.), den werde ich nicht fragen, ob er dabei gedacht habe. Oder so: Es wäre nicht ohne Weiteres klar, unter welchen Umständen man gesgat hätte, er hätte dies ohne zu denken getan– obwohl sich solche Umstände ausdenken lassen. (hier ist eine Verwandtschaft mit der Frage, was eine ‘willkürliche’ Handlung zu nennen sei.) Der denkende

 
   
222
    Der denkende Gesichtsausdruck, der Gesichtsausdruck des Idioten. Das Stirnrunzeln des Nachdenkens, der Aufmerksamkeit.

 
   
223
    Nun denke dir einen Menschen, oder einen von Köhlers Affen, der eine Banane von der Decke holen will, sie nicht erreichen kann, auf Mittel und Wege sinnt, endlich zwei Stöcke aneinander setzt, etc. Denk, man fragte “Was muss dazu in ihm vorgehen?” – Die Frage scheint irgendeinenS Sinn zu haben. Und es könnte vielleicht Einer [w|a]ntworten, der Affe, wenn er nicht durch Zufall, oder aus einem Instink heraus handelte, müsse den Vorgang vor dem geistigen Aug gesehen haben. Aber das wäre nicht genug, und anderseits wieder zu viel. Ich will, der Affe solle sich etwas überlegen. Zuerst bringt und langt er verge[n|b]ens nach der Banane, dann gibt er's auf und ist etwa niederschlagen – aber diese Phase kann wegbleiben. Wie kann er nun innerlich dazu kommen, überhaupt einen Stock zu ergreifen? Es könnte ihm ja ein Bild gezeigt werden, das so etwas darstellt, und er könnte daraufhin so handeln; oder so ein Bild könnte ihm einfach vorschweben. Aber das wäre doch wieder Zufall. Er hätte dieses Bild nicht durch Nachdenken gewonnen. Und hilft es uns, wenn wir sagen, er brauche nur seinen Arm und den Stock irgendwie als eine Einheit gesehe[h|n] haben? Aber nehmen wir doch einmal einen günstigen
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Zufall an! Die Frage ist dann: wie kann er aus dem Zufall lernen? Vielleicht hatte er also den Stock zufällig in der Hand und berührte mit ihm zufällig die [|B]anane. – Und was muss nun weiter in ihm vorgehen? Er sagt sich, gleichsam, “So geht's!” und tut es nun mit dem Zeichen des vollen Bewusstseins. ‒ ‒ Hat er etwa sp[e|i]elend eine Kombination gemacht, und verwendet sie nun als Methode, das und jenes zu tun, so werden wir sagen, er denke. – Beim Ueberlegen würde er Mittel und Wege a[m|n] seinem geistigen Auge vorbeiziehen lassen. Aber dazu muss er schon welche im Vorrat haben. Das Denken gibt ihm die Möglichkeit zur Vervollkommnung seiner Methoden. Oder vielmehr: Er ‘denkt”, wenn er in bestimmter Art und Weise seine Methoden vervollkommnet

 
   
224
    Man könnte auch sagen: er denkt, wenn er in bestimmter Weise lernt lernt.

 
   
225
    Und auch dies k[i|ö]nnte man sagen: Wer bei der Arbeit denkt der wird Hilfstätigkeiten in sie einschalten. Das Wort “denken” nun bezeichnet nicht diese Hilfstätigkeiten, wie Denken ja auch nicht Reden ist. Obwohl der Begriff ‘denken’ nach Art einer imaginären Hil[s|f]stätigkeit gebildet ist. (So wie man sagen könnte, der Begriff des Differentialquotienten sei nach Art eines imaginären Quotienten gebildet.)

 
   
226
    Diese Hilfstätigkeiten sind nicht das Denken; aber man stellt sich das Denken vor, als das jenige, was unter der Oberfläche dieser Hilfsmittel strömen muss // als den Strom der unter der Oberfläche dieser Hilfsmittel fliessen muss // , wenn sie nicht doch nur mechanische Handlungen sein sollen.

 
   
227
    Denken ist die imaginäre Hilfstätigkeit; der unsichtbare
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Strom, der alle diese Arten des Ha[b|n]delns trägt und verbindet. – Die Gramatik von “denken” aber gleicht sich der von “[s|S]prechen” an.

 
   
228
    Man k[i|ö]nnte also zwei Schimpanzen mit Bezug auf ihre Arbeitsweise unterscheiden, und [b|v]om einen sagen, er denkt, vom andern, er denke nicht.

 
   
229
    Aber hier hätten wir freilich nicht die volle Verwendung von “Denken”. Das Wort bezöge sich auf ein Benehmen. Die Bedutung der seelischen Tätigkeit erhält es erst durch die besondere Verwendung in der ersten Person.

 
   
230
    Es ist, glaube ich, wichtig, zu bemerken, dass das Wort eine erste Person der Gegenwart (in der Bedeutung, auf die es uns ankommt) nicht hat. Oder soll ich sagen: dass seine Verwendung in der Gegenwart nicht mit der z.B. des Verbums “Schmerz fühlen” parallell läüft?

 
   
231
    “Ich dachte … ” kann man sagen, wenn man den Ausdruckd der Gedanken wirklich gebraucht hat; aber auch, wenn diese Worte gleichsam die Entwicklung aus einem Denkkeim sind.

 
   
232
    Nur unter ganz speziellen Umständen tritt die Frage auf, // hat die Frage einen Sinn, // ob denkend geredet wurde, oder nicht

 
   
233
    Die Verwendung so eines Wortes wie “denkend” ist eben viel erratischer als es zuerst den Anschein hat.
    Man kann das auch so sagen: der Ausdruck dient einem viel spezielleren Zweck als man's seiner Form ansieht. Denn diese ist eine einfache, regelmässige Bildung: Wenn das Denken oft, oder zumeist, mit dem Reden zusammengeht, somist natürlich die
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Möglichkeit vorhanden, dass es einmal nicht mit ihm geht. // dass es einmal nicht die Begleitung bildet. //

 
   
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    Ich lerne eine fremde Sprache und lese Satzbeispiele in eine[n|m]m Uebungsbuch. “Meine Tante hat einen schönen Garten.” Er hat ein Uebungsbuch-Aroma. Ich lese ihn und frage mich Wie heisst ‘schön’ auf … ?” dann denke ich an den Casus. – Nun, wenn ich Jemandem mitteile, meine Tante habe … , so denke ich an diese Dinge nicht. Der Zusammenhang, in dem der Satz stand, war ein ganz anderer. – Aber konnte ich nicht jenen Satz im Uebungsbuch lesen und bei ihm trot[t|z]dem an den Garten meiner Tante denken? Gewiss. Und sollmich nun sagen, die Denkbegleitung ist jedesmal eine andere, je nachdem ich den Satz einmal als reine Uebung sehe, einmal als Uebung mit dem Gedanken an einen Garten, einmal wenn ich ihn [J|j]emand einfach als Mitteilung sage? ‒ ‒ Und ist es unmöglich, dass mir Einer mitten im Gespräch diese Mitteilung macht und in ihm [f|g]anz das Gleiche stattfindet wie wenn er den Satz als Sprachübung behandelt? Kommt es mir denn darauf an, was in ihm geschieht? Erfahre ich's denn?
    Und wie kann ich denn überhaupt mit irgendwelcher Sicherheit darüber schreiben, denn, während ich dies tue, lerne ich ja keine Sprache und mache niemand jene Mitteilung. Wie kann ich dann also wissen, was in einem solchen Falle in Einem vorgeht? Erinnere mich denn jetzt an das, was in diesen Fällen in mir vorging? Nichts dergleichen. Ich glaube nur, mich jetzt in diese Lage hineindenken zu können. Aber da mag ich doch ganz und gar irre gehen.
    Und dies ist ja die Methode, die man in solchen Fällen immer anwendet! Was man dabei an sich erfährt, ist charakteri
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charakteristisch nur für die Situation des Philosophierens.

 
   
235
    Was weiss ich von den inneren Vorgängen [E|e]ines, der mit Aufmerksamkeit einen Satz liest? Und kann er mir sie beschreiben, nachdem er's getan hat, und ist, was er etwa beschreibt eben der charakteristische Vorgang der Aufmerksamkeit?

 
   
236
    Welche Wirkung will ich denn erzielen, wenn ich Einem sage “Lies aufmerksam!”? Etwa, dass ihm das und jenes auffällt, er davon berichten kann. – Wieder könnte man, glaube ich, sagen, dass, wer einen Satz mit grosser Aufmerksamkeit liest, dann von Vorgängen in seinem Geist, Vorstellungen etwa, im Allgemeinen wird berichten können. Aber das heisst nun nicht, dass dies Vorgänge die Aufmerksamkeit ausmachten.

 
   
237
    Was tue ich mit einer Mitteilung, er habe beim Lesen des Satzes an etwas ganz Anderes gedacht? Welche Schlüsse, die mich interessieren, kann ich aus so einer Mitteilung ziehen? Nun, etwa, dass ihn jene Sache beschäftigt; dass ich nicht zu erwarten habe, er wisse, wovon das Gelesene gehandelt hat; dass ihm das Gelesene keinen Eindruck irgend welcher Art gemacht hat; und dergleichen.
    Darum hätte es ja auch keinen Sinn, wenn jemand, der mit mir ein angenehmes Gespräch gehabt hatte, mich danach versich[t|e]rte, er habe ganz ohne zu denken gerede[r|t]. Und zwar nicht, weil es aller Erfahrung widerspricht, dass Einer, der so reden kann, es ohne die Begleitvorgänge des Denkens tue. Sondern, weil es sich hier zeigt, dass uns die Begleitungsvorgänge überhaupt nicht interessieren und nicht das Denken ausmachen. Wir kümmern uns den Teufel um seine Begleitvorgänge, wenn er mit uns in G ein Gespäch in
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normaler Weise führt.

 
   
238
    “Es zuckte mir durch den Sinn: … Nun, diesen Ausdruck lernt der Mensch gebrauchen. Fast nie frägt man Einen “Wie zuckte es dir durch den Sinn? Hast du dir gewisse Worte gesagt, hast du etwas in der Vorstellung vor dir gesehen; kannst du überhaupt sagen, was in dir vorging?”

 
   
239
    Wenn man erkennen will, wie Verschiedenes “Gedanke” heisst, braucht man ja nur einen Gedanken der reinen Mathematik mit einem Nicht-Mathematischen vergleichen. Denk nur, was Alles “Satz” heisst!

 
   
240
    Das Kind muss nicht zuerst einen primitiven Ausdruck gebrauchen, den wir dann durch den gebräuchlichen ersetzen. Warum soll es nicht sogleich den Ausdruck der Erwachsenen gebrauchen, den es öfters gehört hat. Wie es “errät”, dass dies der richtige Ausdruck ist, oder wie es darau[g|f]kommt, ihn zu gebrauchen, ist ja gleichgiltig. Hauptsache ist: es gebraucht ihn – nach welchen Präliminarien immer – so, wie die Erwachsenen ihn gebrauchen: d.h., bei den selben Anlässen, in der gleiche[h|n] Umgebung. Er sagt // errät // auch: der Andere habe gedacht …

 
   
241
    
Wie wichtig
Wie wichtig
ist das Erleben der Bedeutung im sprachlichen Verkeh[t|r]? Was wichtig ist, ist, dass wir beim Aussprechen eines Worts intendieren. Ich sage z.B. “Bank!” und will damite jemand erinnern, er solle auf die Bank gehen, und ich meine dabei in der einen, und [in|ni]cht in der andern Bedeutung. – Aber die Intention ist eben kein Erlebnis.

 
    
   
243
    Es ist wahr: ich konnte mich mehr, oder weniger intensiv mit dem beschäftigen, was ich sagter Und hier handlet sich's offenbar nicht um bestimmte Erlebnisse während des Aussprechens der Worte. D.h., man könnte nicht sagen “Beim Aussprechen des Wortes ‘Bank’ musste das und das vor sich gehen, wenn es w[o|i]rklich so gemeint war”.

 
   
244
    Dass man nun doch das Wort isoliert, fern von jeder Intention, ‘einmal [k|m]it einer, einmal mir einer andern Bedeutung aussprechen’ kann, das ist ein Phänomen, das nicht auf das Wesen der Bedeutung reflektiert; so dass man sagen könnte “Siehst du, auch dies kann man mit einer Bedeutung machen”. ‒ ‒ So wenig, wie man sagen könnte: “Schau, was man mit einem Apfel alles machen kann: man kann ihn essen, sehen, zu haben wünschen, sich vorzustellen versuchen.” So wenig wie es für den Begriff ‘Nadel’ und ‘Seele’ charakteristisch ist, dass wir fragen können, wieviele Seelen auf einer Nadelspitze Platz haben. – Es handelt sich hier, so zu sagen, um einen Auswuchs des Begriffs.

 
    
   
246
    Wie kann man den Geisteszustand, dessen, der einen Befehl halb automatischg gibt, von dem unterscheiden, in welchem er mit Nachdruck, eindringlich, gege[n|b]en wird? “Es geht in dieses Menschen Geist etwas anderes vor.” Denke an den Zweck der Unterscheidung. Was sind die Zeichen des Nachdrucks?

 
   
247
    Wenn ein sonst normaler Mensch unter den und den normalen Umständnen ein normales Gespräch führt, und ich gefragt würde, wie sich in so einem Falle der Denkende vom Nichtdenkenden unterschied unterschiede, – ich wüsste nicht zu antworten. Und ich könnte gewiss nicht sagen, dass der Unterschied in etwas liegt, was während des Sprechens vor sich ginge, oder nicht vor sich ginge.

 
   
248
    Die Grenzlinie zwischen ‘denken’ und ‘nicht denken’, die hier gezogen würde, liefe zwischen zwei Zuständen, die sich durch nichts einem Spiel der Vorstellungen auch nur Aehnliches unterschieden. Denn das Spiel der Vorstellungen bleibt ja doch das, was man sich als das Charakteristikum des Denkens denkt.

 
   
249
    “Ich habe diese Worte gesagt, aber mir gar nichts bei ihnen gedacht”, das ist eine interessante Aeusserung, weil die Folgen interessant sind. Du kannst dir aber immer denken, dass, wer dies sagte, sich bei der Introspektion geirrt hat; aber das würde nichts machen. // aber es würde uns gar nichts machen. //

 
   
250
    Was aber soll ich nun sagen: Ist dem, der [G|g]edankenlos geredet hat, ein Erlebnis abgegan[d|g]en? Waren es z.B. Vorstellungen? ‒ ‒
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Aber wenn ihm die abgegan[d|g]en wären, hätte das für uns dasselbe Interesse wie dies, dass er ohne zu denken gesprochen hat? Sind es die Vorstellungen, die uns in diesem Falle interessieren? Haben wir in seiner Aeusserung nicht eine Art Signal von ganz anderer Bedeutung?

 
   
251
    Soll ich sagen: “Wenn du nicht automatisch gesprochen hast (was immer das heissen mag) und wenn du deine Absicht nicht erst später erhalten, oder geändert hast, so hattest du sie, als du sprachst”?

 
   
252
    “Ich habe mit dem Satz nichts gemeint, ich hab ihn nur vor mich hin gesa[h|g]t.” Wie merkwürdig, dass ich damit auf kein Erlebnis während des Sprechens anspiele, und dass ich trotzdem nichts Bezweifelbares ausspreche.
    Es ist sehr merkwürdig, dass die Vorgänge beim Denken uns so gut wie nie interessieren. (Aber natürlich sollte ich nicht sagen, es sei merkwürdig.[(|)]

 
   
253
    Die Frage “Was hast du gemeint” und ähnliche können in zweifacher Weise verwendet werden. In einem Fall wird einfach eine Sinn– oder Bedeutungserklärung verlangt, damit man mit dem Sprachspiel [v|f]ortfahren kann. Im andern Fall interessiert uns etwas, was zur Zeit, als der Satz gesprochen wurde, geschah. Im ersten Falle würde uns ein psychologischer Bericht wie dieser “Zuerst sagte ich's nur zu mir selbst, dann wendete ich mich an dich und wollte dich erinnern … ” nicht interessiere[r|n].

 
   
254
    Hast du das gemeint? Ja, es war der Anfang dieser Bewegung.

 
   
‒ ‒255
    Denken wir uns diesen Fall: Ich soll um 12 Uhr jemand daran
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erinnern, er solle auf die Bank gehen, Geld holen. Mein Blick fällt um 12 Uhr auf die Uhr und [s|i]ch sage “Bank!” (Zu ihm gewendet, oder auch nicht) vielleicht mache ich eine Gebärde, die man manchmal macht, wenn man sich plötzlich einer Sache, die zu tun ist, entsinnt. – Gefragt “meinst du die … bank”? werde ich's bejahen. – Gefragt “Hast du beim Sprec[eh|he]n die … bank gemeint”, auch. – Wie, wenn ich das Letztere verneinte? Was würde das de[,|m] Andern mitteilen? Etwa dass ich beim Sprechen den Satz anders gemeint, ihn aber dann doch für diesen Zweck verwenden wollte. Nun, das kann vorkommen. Es könnte auch sein, dass ich, a[s|l]s mein Blick auf die Uhr fiel, in seltsamer automatischer Weise das Wort “Bank” ausspreche, [d|s]o dass ich dann berichte “ich hörte mich plötzlich das Wort sagen, ohne mit ihm irgend eine Bedeutung zu verbinden. Erst nach einigen Sekunden erinnerte ich mich daran, dass du zur Bank solltest.” – Die Antwort[m|,] ich hätte zuesrst das Wort anders gemeint, bezog sich offenbar auf die Zeit des Sprechens; und ich hätte mich auch so ausdrücken können: “Ich habe beim Sprechen an diese Bank gedacht, nicht an …”. – Die Frage ist nun: ist dieses ‘Denken an … ’ ein Erlebnis? Es geht häufig, vielleicht immer, mit einem Erlebnis zusammen, möchte man sagen. Zu sagen, man habe damals an diese Sache gedacht, auf die man nun zeigen, die man beschreiben kann, etc., ist förmlich als sagte man: [|D]ieses Wort, dieser Satz, war der Anfang von diesem Gedankengang, von dieser Bewegung. Nicht aber so, als ob ich dies durch nachträgliche Erfahrung wüsste; son Sondern die Aeusserung “Ich habe bei diesen Worten an … gedacht” knüpft eben selber an jenen Zeitpunkt an. Und wenn ich sie in der Gegenwart statt in der Vergangenheit machte, hiesse sie etwas
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anderes.

 
   
256
    Warum aber will ich sagen, jenes Denken sei kein Erlebnis? – Man kann an die ‘Dauer’ denken. Wenn ich statt dese einen Wortes einen ganzen Satz gesprochen hätte, könnte ich nicht von einem Zeitpu[h|n]kt im Sprechen sagen, er sei der Anfang des Denkens gewesen noch auch der Augenblick, in dem es stattgefunden hat. Oder, wenn man [a|A]nfang und Ende des Satzes, Anfang [da|un]d Ende des Gedankens nennt, dann ist es nicht klar, ob man von dem Erlebnis des Denkens sagen soll, es sei während dieser Zeit ein förmig, oder es sei ein Vorgang wie das Sprechen des Satzes selbst.
    Ja, wenn man von einer Erfahrung des Denkens spricht, so ist die Erfahrung des Redens so gut wie jede Andere. Aber der Begriff ‘denken’ ist kein Erfahrungsbegriff. Denn man vergleicht Gedanken nicht, wie man Erfahrungen vergleicht.

 
   
257
    Man kann Einem im Denken stören; – aber im Beabsichtigen? Gedanken wohl aber im Planen. Auch im Festhalten einer Absicht, nämlich im Denken oder handeln.

 
   
258
    “Sag,abcde’ und meine: Das Wetter ist schön.” Soll ich also sagen, dass das Erlebnis des Aussprechens eines Satzes einer uns geläufigen Sprache ein ganz anderes ist, als das des Aussprechens uns nicht in bestimmten Bedeutungen geläufiger Zeichen? Wenn ich also jene Sprache lernte in welcher “abcde” den Sinn … hat, würde ich nach und nach das uns bekannte Erlebnis beim Aussprechen eines Satzes kriegen? Oder soll ich sagen, wie ich geneigt [v|b]in zu sagen, die Hauptverschiedenheit der beiden Fälle liegt darin, dass ich mich im Einen nicht bewegen kann. Es ist, als wäre eines meiner Gelenke in Schienen und ich wäre noch nicht
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an sie gewöhnt und hätte daher noch nicht ihre möglichen Bewegungen inne, stiesse also so zu sagen in einemf[f|o]rt an. (Gefühl des Weichen).

 
   
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    Denk dir, ich wäre mi[r|t] einem Menschen beisammen, der diese Sprache spricht und mir wäre gesagt worden, “abcde” heisse das und das, und ich solle dies sagen, weil es höflich sei. Ich würde es also mit einem freundlichen Lächeln, mit einem Blick zum Fenster hinaus sagen. Wäre das nicht allein genug, um mir diese Zeichen näher zu bringen?

 
   
260
    Man könnte von ‘Anteilnahme’ reden. Und worin liegt meine Anteilnahme an einem Satz, den ich spreche? An dem, wird man sagen, was dabei in mir vorgeht. Ich möchte sagen: An den Verbindungen, Zusammenhängen, die ich mache. Es ist nämlich die Frage: Was immer beim Anteilnehmen in mir vor sich geht, – wodurch ist es ein Anteilnehmen an dem Inhalt dieses Satzes? Warum ist es z.B. nicht eine pathologische Aufregung in mir, die das Sprechen begleitet?

 
   
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    Kann ich wirklich sagen, es sei beim ‘gedankenlosen’ Lesen des U ebungsbuchsatzes in mir etwas ganz Anderes, oder einfach etwas anderes gesche[g|h]en, als beim verständnisvollen Lesen des Satzes in [A|a]nderem Zusammenhang? Ja – [u|U]nterschiede sind da. Ich werde z.B. au[s|f] de[b|n] gleichen Satz in gewissem Zusammenhang sagen “Ja, so war es?”, ich werde überrascht, enttäuscht, gespannt, befriedigt sein, etc.

 
   
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    “Hast du den Satz denkend gelesen?” – “Ja, ich habe ihn denkend gelesen; jedes Wort war mir wichtig.”
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    “Ich habe sehr anstrengt dabei gedacht”. Ein Signal.
    Ist dabei nichts vorgegangen? Doch, allerlei. Aber darauf bezog sich das Signal nicht.
    Und doch bezog sich das Signal auf die Zeit des Redens.

 
   
263
    James könnte vielleicht sagen: Ich lese jedes Wort mit dem ihm entsprechenden Gefühl.ab[a|A]ber” mit dem Abergefühl, u.s.w. Und selbst wenn das wahr ist, – was bedeutet es eigentlich? Was ist die Grammatik des Begriffs “Abergefühl”? Es wird ja nicht ein Gefühl dadurch, dass ich es “Gefühl” nenne[n|.]

 
   
264
    Wie seltsam, dass etwas beim Sprechen vorgegangen ist, und ich doch nicht sagen kann, was! ‒ ‒ Am besten: ich sage, es war eine Illusion, und es ist nichts vorgegangen; und nun untersuche ich den Nutzen der Aeusserung.
    Und es wird sich auch fragen, welches der Nutzen des Bezugs auf den vergangenen Zeitpunkt ist.

 
   
265
    Ja; “Ich habe bei diesen Worten gedacht … ” bezieht sich allerdings auf die Zeit des Redens; aber wenn ich nun den ‘Vorgang’ charakterisieren soll, so kann ich ihn nicht als ein Geschehen in diesem Zeitraum beschreiben, z.B. nicht sagen, die und die Phase des Vorgangs habe ihn diesem Zeitabschnitt stattgefunden. Also nicht, wie ich z.B. das Sprechen selbst beschreiben kann. Das ist der Grund, warum man das Denken nicht wohl einen Vorgang nennen kann. ((Noch einen Be[h|g]leitung des Redens.))

 
   
266
    Mit ‘denkend reden’ müsste ich eigentlich meinen: [r|R]eden und verstehen, was man sagt, und nicht erst nachträglich verstehen.
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    Das Schreiben istg gewiss eine willkürliche B[o|e]wegung, und doch eine automatische. Und von einem Fühlen der Schreibbewegungen ist natürlich nicht die Rede. D.h. man fühlt etwas, aber könnte das Gefühl unmöglich zergliedern. Die Hand schreibt; sie schreibt nicht, weil man will, sondern man will, dass sie schreibt.
    Man sieht ihr nicht erstaunt oder mit Interesse beim Schreiben zu; denkt nicht “Was wird sie nun schreiben”. Aber nicht, weil man eben wünschte, sie solle das schreiben. Denn, dass sie schreibt, was man ich wünsche, könnte mich ja erst recht in Erstaunen versetzen.


 
   
267
    Wie prü[g|f]en wir, ob jemand versteht, was es heisst, die Muskeln des Armes entspannen, schlaff lassen? Doch dadurch, dass wir prüfen, ob sie entspannt sind, wenn er sagt, er habe sie entspannt (etwa auf unsern Befehl). Was würden wir nun zu dem sagen, der uns mitteilt, er spenne sie Muskeln nicht an, während sein [S|A]rm ein Gewicht hebt und es mit allen den gewöhnlichen Anzeigenzeichen der gewollten Bewegung tut? Wir würden hier von Lüge oder von einer merkwürdigen Illusion reden. Ich weiss nicht, ob es Verrückte gibt, die ihre normalen Bewegungen für ungewollt erklären. Wenn es aber jemand tut, so erwarte ich mir von ihm, dass er der Bewegung seines Arms in ganz anderer als der normalen Weise mit seiner Aufmerksamkeit folgt; so nämlich, wie der Bewegung des Zeigers eines Instruments etwa.

 
   
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    Das Kind, lernt gehen, kr[e|i]echen, spielen. Es lernt nicht, willkürlich und unwillkürlich spielen. Aber was macht die Bewegungen des Spiels zu willkürlichen Bewegungen? Nun, wie wäre es denn, wenn sie unwillkürlich wären? – Ich könnte auch fragen: was macht denn diese Bewegungen zu einem Spielen? – Dass sie
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Reaktionen auf gewisse Bewegungen, Laute, etc. des Erwachsenen sind, dass sie einander so folgen, mit diese[m|r] Miene und Lauten (dem Lachen z.B.) zusammengehen.

 
   
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    Ku[t|r]z, macht es die Bewegungen so, so sagen wir sie sei[ne|en] willkürlich. Bewegungen in solchen Syndromen heissen “willkürlich”.

 
   
270
    Ich gebe [oq|Ei]ne[r|n] mit den Augen ein Zeichen. Ich kann, was es bedeutet hat, später erklären. Wenn ich sage “Ich hatte dabei diese Intention”, so ist das, als bezeichnete ich den Ausdruck als Anfang einer Bewegung. Ich erkläre ihn nicht mit Hilfe von hergebrachten Regeln, n[k|o]ch durch eine Definition, die den zukünftigen Gebrauch des Zeichens regeln soll. Ich sage weder “Dies Zeichen bedeutet bei uns da[d|s]”, noch “Es soll in Hinkunft das bedeuten”. Ich gebe also keine Definition.

 
   
271
    Denk n[j|u]n aber an den Unterschied, den es macht, wenn ich jenen Ausruf in seiner bestimmten Situation nicht aus [E|e]igene[,|m], mache, sondern ihn in einer Geschichte, oder einem Schauspiel lese. Ich nehme an; mit Verständnis lese. Wenn ich aber da noch immer von einer Intention (ich meine von meiner Intention) bei diesem Wort zu reden?

 
   
272
    Kann ich aber sagen, es geht beim Lesen etwas anderes in mir vor sich als beim spontanen Ausruf? Nein. Ich weiss nichts von so einer Verschiedenheit der Vorgänge; obwohl die Art und Weise, wie ich mich ausdrücke, auf so etwas schliessen liesse.
    Aber, wenn Einer ins Zimmer käme, gerade wenn ich den Ausruf lese, und er fragte mich, ob ich das und das wolle, würde ich ihm sagen, ich hätte es nicht so mein gemeint und bloss etwas gelesen.
676


 
   
273
Ich sagte früher, die Intention habe keinen Inhalt. Nun, ihren Inhalt kann man das nennen, was ihr Wortausdruck erklärt. Aber eben davon kann man weder sagen, es sei ein gleichförmiger Zustand, der von diesem Zeitpunkt bis zu jenem andauert; also etwa vom Anfang des [E|e]rsten, bis zum Ende des letzten Wortes; noch kann man Phasen in ihm unterscheiden und diese dem Ablau[g|f]en des Wort[.|]ausdrucks zuordnen. Wäre dagegen der Satz einemS von einem Spiel der Vorstellungen begleitet, so könnte man eben dies tun.

 
   
274
    Unterschied zwischen ‘Die Absicht haben’ und 2 ‘an die Absicht denken’.
    Wenn ich mir sage “Ich will diesem Gespräch ein Ende machen”, so ist das doch der Ausdruck einer Absicht und zwar im Moment ihres Entstehens; es ist eigentlich der Ausdruck des Entschlu[e|s]ses. Und dem Entschluss als einen Bejahen der Absicht entspricht auch ein Hin- und Herschwanken zwischen Entscheidungen, ein Ringen mit dem Entschluss.

 
   
275
    Wenn ich bei mir denke “Ich halt es nicht mehr aus; ich will gehen!” so denke ich doch eine Absicht. Es ist aber das Denken des Ausbruchs einer Absicht. Während man von dem der erzählt “Ich beabsichtige im nächsten Jahr … ” auch sagen kann, er denke eine Absicht, aber in ganz anderem Sinne.

 
   
276
    Man sagt nicht “Ich weiss, dass es regnet” einfach als Mitteilung, es regnet; sondern etwa, wenn diese Aussage angezwei[g|f]elt wurde; oder auf die Frage, [|ob] ich auch sicher sei. Aber ich k[i|ö]nnte dann auch sagen “es ist ganz gewiss: es regnet.”

 
   
277
    Ich kann mit einer Meldung eine Reihe von Sprachspielen spielen. Eines ist z.B.: nach ihr handeln; ein anderes: durch sie
677
den [m|M]eldenden prüfen.
    Aber ist nicht das erste so zu sagen das ursprünglichere Sprachspiel, das, wozu eine Meldung eigentlich da ist?

 
   
278
    Man muss sich sagen, dass es die erste Person “ich glaube” sehr wohl auch ohne eine dr[u|i]tte geben könnte.
    Warum sollte nicht in der Sprache ein Verbum gebildet worde[b|n] sein, dass nur eine erste Person der Gegenwart hat? EstEs ist gleichgiltig, was dazu geführt hat, welche Vorstellungen.

 
   
279
    Aber was heisst das: “Es regnet und ich glaube es nicht” habe Sinn, wenn ich es als Annahme meine, und keinen Sinn, wenn ich es als Behauptung, oder Meldung meine.
    Man stellt sich das so vor, dass, wenn der Satz auf die Erste Art intendiert wird, etwas von ihm ausgeht, etwas aufleuchtet, wogegen Alles finster bleibt, wenn man ihn auf die [Z|z]weite Art intendiert. Und etwas ist ja wahr daran: denn, sagt mir Einer diese Worte und ich verstehe sie als Annahme, so leuchtet etwa Verständnis in meinem Gesicht auf; deute ich aber den Satz als Meldung, so werde ich am Sinn irre und das Verständnis bleibt aus.
    “Es regnet und [o|i]ch glaube es nicht” ist eine Annah[em|me], aber keine Meldung.

 
   
280
    Mann möchte auch sagen: die Annahme, ich glaube das, ist die Annahme, ich sei so disponiert. Während ich von der Meldung “Ich glaube … ” nicht sagen möchte sie berichtet von meiner Disposition. Vielmehr ist sie eine Aeusserung dieser Disposition.

 
   
281
    Alles das, hängt damit zusammen, dass man sagen kann “Ich
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glaube, er glaubt … ”, “Ich glaube, ich habe geglaubt … ,”, aber nicht “Ich glaube, ich glaube …”

 
   
282
    In dem Falle eines obligatorischen “Ich glaube” zu Anfang jeder Behauptung hiesse zwar “Ich glaube, es sei so” das selbe wie “Es ist so”, aber “Angenommen, ich glaubte, es sei so” nicht das selbe wie “Angenommen, es sei so.”

 
   
283
    Ich habe mich von etwas überzeugt, nun weiss ich es. “Ich weiss, dass die Erdkugel in den letzten 10 Minuten existiert hat” sagt man nicht; wohl aber “Man weiss, dass die Erde vie[k|l]e tausende von Jahren existiert hat”. Und das nicht, weil es unnötig ist, so etwas zu versichern.

 
   
284
    “Ich weiss, dass dieser Weg dorthin führt.”
    “Ich weiss[k|,] wohin dieser Weg führt.”
    Im zweiten Falle i sage ich, ich besitze etwas; im ersten versichere ich eine Tats[cs|ac]he. In diesem könnte das Wort “wiss[ne|en]” auch wegbleiben. In jenem wäre es möglich fortzusetzen, “aber ich sag's nicht”.

 
   
285
    Auf die Frage Aussage “Ich weiss, dass es so ist” folgt die Frage “wie weisst du das?”, die Frage nach der Evidenz.

 
   
286
    In dem Sprachspiel der Meldung gibt es den Fall, dass die Meldung angezweifelt wird, dass man annimmt, der Meldende vermu[r|t]e nur[m|,] was er meldet, habe sich nicht überzeugt. Hier sagt er dann etwa: “Ich weiss es”. D.H.: Es ist nicht bloss Vermutung.‒ ‒ ‒ Soll ich da sagen, er teile mir die Sicherheit mit, die er bei seiner Meldung fühlt? Das möchte ich nicht sagen. Er spielt einfach Meldungssprachspiel, und “Ich weiss es” ist die Form
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einer Meldung.

 
   
287
    Kann man nur Wissen, was wahr ist? Nun, man sagt ja auch “Ich glaube, es zu wissen” und hier kann dem Glauben keine Unsicherheit anhaften. Es heisst nicht “Ich bin nicht sicher: weiss ich's oder weiss ich's nicht.”

 
   
288
    Mancher wird sagen, dass mein Reden über den Begriff des Wissens irrelevant sei, da zwar dieser Begriff, wie die Philosophen in auffassen allerdings nicht mit dem der alltäglichen Rede übereinstimmt, aber eben ein wichtiger, interessanter Begriff sei, der durch eine Art Sublimierung aus dem [l|L]andläufigen und nicht sehr interessanten gebildet ist. Aber jener philosophische Begriff ist durch allerlei Misverständ[i|n]isse e[t|n]tstanden und befestigt Misve[s|r]ständnisse. Er ist durchaus nicht interessant, ausser als Exempel, umd daran Misverständnisse zu demonstrieren. // Aber der philosophische Begriff ist aus dem landläufigen durch allerlei Misverständnisse gewo[rr|nn]en worden und er befestigt diese Misverständnisse; Er ist durchaus nicht interessant; es sei denn als Warnung.

 
   
289
    Du darfst wieder nicht vergesse[,|n], dass “Ein Widerspruch hat keinen Sinn” nicht heisst: der Sinn des Widerspruchs ist ein Unsinn. – Den Widerspruch schliessen wir aus der Sprache aus; wir haben für ihn keine klare Verwendung und wollen ihn nicht verwenden. Und wenn “Es regnet, aber ich glaube es nicht”, sinnlos ist, so wieder, weil eine Verlängerung gewisser Linien zu dieser Technik führt[t|.] Aber unter anderm als den normalen Umständen könnte jener Satz einen klaren Sinn erhalten.

 
   
290
    Wenn es ein ‘automatisches’ Reden gäbe, so könnten wir z.B.
680
nicht mit einer solchen Aeusserung streiten, den [s|d]er sie ausspricht, nicht eines Irrtums überweisen wollen. Wir würden also nicht die gleichen Sprachspiele mit den automatischen, wie mit dem normalen Reden sp[ei|ie]len.

 
   
291
    Wenn ich ein Reden “automatisch” nenne, so stellt man sich dabei etwas Infektionsloses, masch[n|i]nelles vor. Aber das ist für uns gar nicht wesentlich. Man braucht nur anzunehmen, dass zwei Personen durch einen Mund reden. Und wir haben [s|d]ann, was gesagt wurde auch als die Aeusserung zweier Menschen zu behandeln. Es könnten also beide Sätze mit der Intention der Mitteil[i|u]ng gesprochen we[d|r]den. Und es würde sich nur fragen, wie ich auf diese Mitteilungen reagieren sollte.

 
   
292
    Einerseits kann man sagen, dass Schwarz und Weiss in Grau koexistieren können; und anderseits wird man sagen: “Aber wo Grau ist, ist natürlich Weiss, noch Schwarz. Was Grau ist, ist natürlich nicht wirklich Weiss.

 
   
293
    Aber wie ist es mit “Hellrot” und “Dunkelrot”? Wird man auch sagen wollen, dass diese irgendwo zugleich sind? oder lila und violet – nun, denk dir den Fall, hellblau und dunkelblau, und zwar ganz bestimmte Töne umgäben uns ständig, und wir können nicht (wie es tatsächlich der Fall ist) leicht beliebige Farbtöne erzeugen. Es wäre aber unter Umständen möglich, die hellblaue Substand mit der dunkelblauen zu mischen, und dann erhielten wir einen seltenen Farbton, den wir nun auffassen als eine Mischung von hellbl[e|a]u und dunkelblau.

 
   
294
    “Aber wären dann unsere Farbbegriffe die gleichen wie sie heute sind?” Sie wären diesen sehr ähnlich. Ungefähr wie die
681
wie die Zahlbegrif[e|f]e der Völker, die nur bis 5 zählen können, den unseren.

 
   
295
    Man kann sagen: Wem ein Wort durch Hinweisen auf einen färbigen Fleck erklärt wird, der weiss nur insofern, was gemeint ist, als er weiss wie das Wort anzuwenden ist. Das heisst: Es gibt hier kein Erfassen, Auffassen des Gegenstandes, ausser durch ein Erfassen einer Technik.
    Anderseits k[i|ö]nnte man doch sagen, ein Erfassen, Ergreifen des Gegenstandes vor jedem Erfassen einer Technik sei möglich, denn wir können Einem einfach den Befehl geben “Kopiere dies!” und er kann nun z.B. die Farbe kopieren, oder die Gestalt und Grösse, oder nur die Gestalt, oder die Farbe, aber nicht den gen[an|au]en Ton, etc. Und hier tut das Kopieren, was bei einem Körper etwa ein in die Hand nehmen tut. – Es ist uns da, als könnten wir, was gemeint ist, die Farbe, etwa, mit einer eigenen feinen geistigen Zange auffassen, ohne irgendetwas anderes
ergreifen
mitzunehmen
.

 
   
296
    Der Verstand, sage ich, ergreift den einen Gegenstand; und dann reden wir von ihm, und seinen Eigenschaften, seiner Natur gemäss.

 
   
297
    Wie aber weiss ich, dass dein Geist den gleichen Gegenstand ergreift wie meiner? Doch eben z.B. dadurch, wie du auf meinen Befehl, “kopiere die Farbe” z.B. reagierst. Aber hier, wirst du sagen, können wir nun das Wesentliche dieser Reaktion erkennen, indem wir ihn öfters Farben kopieren heissen. Das heisst wohl, ich werde nach einigen dieser Reaktionen andere vorher sehen können; und dies erkläre ich, in dem ich sage: ich weiss nun,
682
was” er eigentlich kopiert. Also die Farbe, oder die Form z.B. – aber es gibt hier mehr solche was, als wir für gewöhnlich anzunehmen geneigt sind; d.h. man kann auch Begriffe bilden, die uns ganz unge[ö|w]öhnt sind.
    Es kann auch sein, was ich allerdings nach einigen Reaktionen des Kopierens andere richtig voraussehe und nun mit ihnen rechnen kann – also sage, wir hätten einander nun verstanden – dass ich aber in einer etwas andern Situation eine Ueberraschung erlebe. ‒ ‒ ‒ Und was soll ich nun sagen: Ich hätte ihn die ganze Ze[u|i]t misverstanden? oder, ich habe ihn zum Teil misverstanden. Wenn du ans Ergreifen eines Gegenstandes denkst, w[o|i]rst du vielleicht das erste sagen,
gemäss dem
dem nächsten
Bild, er habe eben nicht den Gegenstand ergriffen, den ich glaubte. Denken wir aber an Methoden des Gebrauchs von Worten, so werden wir sagen, es seien hier ungleiche aber ähnliche, Methoden.

 
   
298
    Hier ist es nun freilich wichtig, dass eine Techn[ki|ik] Technik für uns eine Physiognomie hat. Dass wir z.B. von einer einheitlichen und einer uneinheitlichen Verwendung sprechen können.

 
   
299
    Wissen in einem Sinn ist ein gelernt und nicht vergessen haben. Es hängt so mit dem Gedächtnis zusammen. – Nun kann ich also sagen: “Ich weiss, wie viel 97 × 78 ist” oder “ich weiss dass 97 × 78 432 ist.” Im ersten Falle, so wollte ich sagen, teile ich jemand mit, ich könne etwas, habe einen gewissen Besitz; im zweiten versichere ich den [A|a]ndern einfach, 97 × 78 sei 432. Heisst denn “97 × 78 ist ganz bestimmt 432[?|] nicht, ich wisse, es sei so? Man kann auch sagen: Der erste Satz ist sicher kein arithmetischer, noch kann ihn ein solcher irgendwie ersetzen; statt des zweiten aber könnte man einen arithmetischen Satz ver-
683
wenden.

 
   
300
    Der Unterschied ist der: im Satze “ich weiss, wie es sich verhält” kann das “ich weiss” nicht wegbleiben. Den Satz “Ich weiss, dass es sich so verhält” kann man ersetzen durch “es verhält sich so”.

 
   
301
    “Es wird regnen.” – “Du glaubst, es wird regnen?” – “Ich weiss es wird regnen.” Sagt der dritte Satz mehr als der Erste? Er ist die Wiederholung des Ersten und eine Abwehr des zweiten.

 
   
302
    Aber gibt es nicht ein Phänomen des Wissens, so zu sagen, ganz abgesehen vom Sinn der Worte “Ich weiss”? Ist es nicht merkwürdig, dass ein Mensch etwas wissen kann, die Tatsache gleichsam in sich selbst haben kann? Aber das iste eben ein falsches Bild. Denn, sagt man
:
,
wissen ist es nur, wenn es sich wirklich verhält, wie er sagt Aber das ist nicht genug. Es darf sich nicht nur zufällig so verhalten. Es muss nämlich wissen, dass er weiss; das wissen ist ja sein eigener Seelenzustand; er kann dar[p|ü]ber, ausser durch eine besondere Verblendung nicht im Zweifel oder Unrecht sein. Wenn also das Wissen, dass es so ist, nur ein Wissen ist, wenn es wirklich s[i|o] ist; und wenn das Wissen in ihm ist, so dass er darüber, dass es ein Wissen ist unfehlbar ist; dann ist er also auch darüber unfehlba[t|r], dass es ist, wie es das Wissen weiss; und also muss die Tatsache, die er weiss, so wie das Wissen, in ihm sein.
    Also: wenn ich, ohne zu lügen, sage, [.|]Ich weiss, dass es so ist”, so kann ich nur durch eine besondere Verblendung im Unrecht sein.

 
   
303
    Heisst ‘das Bild nicht [|s]o sehen[,|]: es anders sehen?
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304
    Denk dir diesen Fall: ein Vexirbild wird mir gezeigt; ich sehe darin Bäume, Leute, etc.. Ich untersuch es, und plötzlich sehe ich eine Gestalt in den Kronen der Bä[i|u]me. Wenn ich es danach ansehe, sehe ich jene Striche nicht mehr als Zweige, sondern zur Getslt gehörig. Nun stelle ich das Bild in meinem Zimmer auf und sehe ich es tagtäglich, und da vergesse ich zumeist die zweite Interpretation und es ist nun einfach ein Wald. Ich sehe es also, wie j[d|e]des andere Bild eines Waldes. (Du siehst die Schwierigkeit.) – Ich sage nun von jenem Bild einmal: ich habe es schon lange nicht mehr als Vexirbild gesehen, beinahe vergessen, dass es eins ist.” Da kann man natürlich fragen “Wie hastd du's denn gesehen?” und ich werde sagen “Nun, als Bäume … ” und das ist auch ganz richtig; aber hab ich also nicht nun das Bild gesehen und gewusst, was es darstellt, sondern es auch immer gemäss einer bestimmten Deutung wahrgenommen? Lieber möchte ich sagen: für mich war['|e]n's jetzt einfach immer Bäume, ich habe nie in anderm Sinne an das Bild gedacht.

 
   
305
    Wer etwas bereut, der denkt do[hc|ch] daran. Ist also die Reue eine Art von Gedanken? Oder eine Färbung von Gedanken?
    Es gibt reuevolleg Gedanken, wie es z.B. furchtvolle gibt. Wenn ich aber sage “Ich bereue es”, sage ich, “Ich habe reuevolle Gedanken[?|]? Nein, denn das könnte auch sagen, wer es gerade jetzt nicht bereut. Aber könnte ich nicht statt “Ich bereue es”, sagen: “Ich denke mit Reue daran”?

 
   
306
    Was interessiert mich an der Reue des Andern? Seine Einstellung zu der Handlung. Die Zeichen der Reue sind die Zeichen des Widerwillens, der Trauer. Der Ausdruck der Reue bezieht sich auf
685
die Handlung.
    Man nennt die Reue einen Schmerz der Seele, weil die Zeichen des Schmerzes denen der Reue ähnlich sind.
    Wollte man aber ein Analogon zum Ort des Schmerzens find, so wäre es natürlich nicht die Seele (wie ja der Ort des Körperschmerzes nicht der Körper ist), sondern der Gegenstand der Reue.

 
   
307
    Warum kann der Hund Furcht, aber nicht Reue empfinden? Wäre es richtig [t|z]u sagen “Weil er nicht sprechen kann”?

 
   
308
     Nur wer über die Vergangenheit nachdenken kann, kann bereuen. Das heisst aber nicht, dass nur so einer erfahrungsgemäss des Gefühls der Reue fähig ist.

 
   
309
    Es ist ja auch nichts so Erstaunliches, nichts dass ein Begriff nur auf ein Wesen anwendbar sein sollte, das z.B. eine Sprache besitzt. (Lächeln

 
   
310
    Die Behandlung aller dieser Erscheinungen des Seelenlebens ist mir nicht darum wichtig, weil's mir auf Vollständigkeit ankommt. Sondern, weil jede für mich auf die richtige Behandlung aller ein Licht wirft.

 
   
311
    Wenn er zuerst die Farbnamen lernt, – was wird ihm beigebracht? Nun, er lernt z.B. beim Anblick von etwas Rotem “Rot” ausrufen. – Ist das eine richtige Beschreibung, oder hätte es heissen sollen: “Er lernt ‘rot’ nennen, was auch wir ‘rot’ nennen”? Beide Beschreibungen sind richtig.
    Wie unterscheidet sich davon das Sprachspiel “Wie kommt es dir vor?”?
    Man könnte Einem doch die Farbwörter beibringen, indem man ihn
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auf weisse Gegenstände durch farbige Brillen schauen lässt. Was ich ihn aber lehre, muss ein Können sein. Er kann also jetzt auf Befehle etwas Rotes bringen; oder Gegenstände nach ihren Farben ordnen. Aber was ist denno etwas Rotes? “Nun das (zeigend)”. Oder hätte er sagen sollen: “Das; weil es die [m|M]eisten von uns ‘rot’ nennen”? Oder einfach: “Das Das nennen die Meisten von uns ‘rot’”?
    Dieses Auskunftsmittel nützt uns nichts. Die Schwierigkeit, die wir für “ro[r|t]” hier empfinden, tritt dann bei “gleich” wieder auf

 
   
312
    Ich beschreibe eben das Sprachspiel “Bring etwas Rotes” dem, der es schon selbst spielen kann. Den Andern könnt' ich's nur lehren. (Relativität.)

 
   
313
    Es ist hier ein tiefer und wichtiger Punkt, den ich gerne ganz klar auszudrücken verstünde. Man täuscht sich irgendwie über den Zweck der Beschreibung. Oder will das Begründen fortsetzen, weil man seine Funktion misversteht.

 
   
314
    Warum lehrt man das Kind nicht zue[sr|rs]t gleich das Sprachspiel “Es scheint mir rot”? Weil es noch nicht im Stande ist den feineren Unterschied zwischen Schein und Sein zu verstehen?

 
   
315
    Die rote Gesichtsempfindung ist ein neuer Begriff.

 
   
316
    Das Sprachspiel, was wir ihm dann beibringen, ist: “Mir scheint es … , dir scheint es …” Im ersten Sprachspiel kommt eine Person als wahrnehmendes Subjekt nicht vor.

 
   
317
    Du gibst dem Sprachspiel ein neues Gelenk. Was aber nicht heisst, dass nun davon immer Gebrauch gemacht wird.
687

    Das Sprachspiel “Was ist das?” – “Ein Sessel.” – ist nicht das Gleiche wie: “Wofür hältst du das?” – “Es dürfte ein Sessel sein.”

 
   
318
    Wir lehren das Kind im Anfang nicht “Das ist wahrscheinlich ein Sessel,” sondern “Das ist ein Sessel”. Bilde dir ja nicht ein, man lasse das Wort “wahrscheinlich” aus, weil das Ve[t|r]stehen desselben, dem Kind noch zu schwierig ist; man vereinfache die Dinge für das Kind; lehre es also etwas, was nicht streng richtig ist.

 
   
319
    Man spricht von einem Gefühl der Ueberzeugung, weil es einen Ton der Überzeugung gibt. Ja, das Charakteristikum aller ‘Gefühle’ ist, dass
es
sie
einen Ausdruck, d.i. eine Miene, Gebärde des Gefühls gibt.

 
   
320
    James sagt, man könne sich eine Gemütsbewegung, oder Stimmung nicht ohne die entsprechenden (sie zusammensetzenden) Körperempfindungen denken. Denke man sich diese hinweg, so empfinde man, dass man dadurch die Existenz der Gemütsbewegung selbst aufhebe. Das geschieht etwa so: Ich stelle mir mich selbst trauernd vor und nun versuche ich, mich zugleich jubelnd in der Vorstellung zu sehen und zu empfinden. Dazu hole ich etwa tief Atem und ahme ein strahlendes Gesicht nach. Und nun kann ich mir allerdings die Trauer nicht gut vorstellen; denn, sie mir vorstellen, hiess, sie spielen. Aber daraus folgt nun nicht, dass was wir dabei im Körper fühlen, die Trauer oder etwas ähnliches wie die Trauer ist. – Der Trauernde kann ja allerdings nicht überzeugend lachen und jubeln, und könnte er's, so wäre, was wir den Ausdruck der Trauer nennen, nicht Ausdruck der Trauer, und
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das Jubeln nicht Ausdruck einer andern Gem[p|ü]tsbewegung. – Wenn der Tod des Freundes und die Genesung des Freundes uns gleichermassen jubeln odern – dem Benehmen nach – trauern liessen, so wären diese Formen des Ben[h|e]hmens nicht, was wir den druck der Freude oder der Trauer nennen. Ist es apriori a priori klar, dass, wer die Freude nachahmt, Freude fühlen wird? Kann es nicht sein, dass der blosse Versuch, in der Trauer zu lachen, diese noch ungeheuer verschärft? Dabei darf ich aber

 
   
321
    Dabei darf ich aber doch nicht vergessen, dass Freude mit körperlichem Wohlbefinden zusammengeht und Trauer oder doch Depression, oft mit körperlichem Unbehagen. – Wenn ich spazieren gehe und mich über alles freue, so ist es wohl wahr, dass dies nicht gescähe, wenn ich unwohl wäre. Wenn ich aber nun meiner Freude Ausdruck gebe, z.B. sage “Wie herrlich Alles ist!” – wollte ich sagen, dass all diese Dinge in mir angenehme körperlich Gefühle vhervorrufen?
    Ja selbst wenn ich meine Freude so ausdrückte “Die Bäume und der Himmel und die Vögel geben mir ein herrliches Gefühl im ganzen Körper” – so wäre hier nicht von Verursachung die Rede, nicht von dem erfahrungsmässigen Zusammentreffen etc. etc.

 
   
322
    Man sagt doch. Jetzt, wo er wieder gesund ist, atme ich freier”, holt auch einen tiefen Atemzug der Erleichterung.
    Es wäre ja möglich, dass man trau[t|r]ig ist, weil man weint, aber natürlich nicht darüber, dass man weint. Es wäre doch möglich. dass Menschen, die man etwa mit Hilfe von Zweibeln weinen macht, traurig würden; dass sie entweder im Allgemeinen depremiert würden, oder anfingen, an bestimmte Geschehniss zu denken und
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über sie zu trauern. Aber die Empfindungen des Weinens wären doch damit nicht ein Teilt des ‘Gefühls’ der Trauer geworden.

 
   
323
    Wer sich unter den und den Umständen so und so benimmt, von dem sagen wir, er sei traurig. (Auch vom Hunde) Insofern kann man nicht sagen, dass Benehmen sei die Ursache Ursache der Trauer; sie ist ihr Anzeichen. Sie die Wirkung der Trauer zu nennen, wäre auch nicht einwandfrei. – Sagt er's von sich (er sei traurig) so wird er im Allgemeinen dafür als Grund nicht sein trauriges Gesicht u.s.w. angeben. Wie aber wäre es, wenn er sagte: “Erfahrung hat mich gelehrt, dass ich traurig werde, sobald ich anfange, traurig dazusitzen, etc.”? Das könnte zweierlei heissen. Erstens: “Sobald ich, etwa einer leichten Neigung folgend, es mir gestatte, mich so und so zu halten und zu benehmen, gerate ich in den Zustand, in diesem Benehmen verharren zu müssen.” Es könnte ja sein, dass Zahnschmerzen durch Stöhnen ärger würden. Zweitens aber, k[i|ö]nnte jener Satz eine Spekulation enthalten über die Ursache der menschlichen Trauer. Etwa des Inhalts, dass, w[ö|a]r im Stande wäre auf irgend eine Weise gewisse Körperzustände hervorzurufen, den Menschen trau[t|r]ig machen würde. Hier ist aber die Schwierigkeit, dass wir einen Menschen, der unter allen Umständen traurig aussähe und sich benehme, nicht traurig nennen würden. Ja, wenn wir eine[n|m] solchen den Ausdruck “Ich bin traur[u|i]g” beibrächten und er sagte das die ganze Zeit mit dem Ausdruck der Trauer, so hätten diese Worte so wie die übrigen Zeichen ihren normalen S[u|i]nn verloren.

 
   
324
    Fast möchte ich sagen: Man fühlt die Trauer so wenig im Körper, wie das Sehen im Auge.
690


 
   
325
    Einen im Anfang lehren “Das scheint rot” hat ja gar keinen Sinn. Das muss er ja sp[i|o]ntan sagen, wenn er einmal gelernt hat, was “rot” heisst, d.i. die Technik der Wortverwendung.

 
   
326
    Die Gru[d|n]dlage jeder Erklärung ist die Abrichtung. (Das soll sollten Erzieher bedenken.)

 
   
327
    “Nur für den ganzen Menschen gelten also diese Begriffe?” – Nein; denn Manche haben ihre Anwendung auch auf Tiere.

 
   
328
    “Wer im Allgemeinen so handelt und dann manchmal so so so hand[le|el]t, von dem sagen wir …” Das ist eine legitieme der Worterklärung.

 
   
329
    Wir neigen dazu, uns die Sache so zu denken, als wäre die Gesichtsempfindung ein neuer Gegenstand, den das Kind kennenlernt, nach dem es die ersten primitiven Sprachspiele
mit
mit
Gesichtswahrnehmungen gelernt hat. “Es scheint mir rot.” – “Und wie ist rot?” – “So” Dabei muss auf das [R|r]ichtige Paradigma gezeigt werden.

 
   
330
    Wenn ich in einem bestimmten Zimmer eine bestimmte Tätigkeit auszuführen gelernt habe (das Aufräumen des Zimmers etwa) und diese Technik beherrsche, so folgt doch nicht, dass ich bereit sein müsse, die Einrichtung des Zimmers zu beschreiben; auch wenn ich jede Veränderung in ihr gleich merken würde und auch sofort beschreiben könnte.

 
   
331
    “Dieses Gesetz wurde nicht in Vorraussicht solcher Fälle gegeben. Ist es darum sinnlos?

 
   
332
    Man könnte sich doch einen Furchtbegriff, z.B., denken, der
691
nur auf Tiere, also rein das Benehmen betreffend Anwend[a|u]ng fände. – Du willst doch nicht sagen, dass so ein Begriff keinen Nutzen hätte.

 
   
333
    Kann man sagen, es existiere zwischen der Gemütsbewegung und ihrem Ausdruck eine Aehnlichkeit, insofern z.B. beide aufgeregt seien? Aehliches hat, glaube ich, Köhler gesagt.) Und wie weiss man, dass die Gemütsbewegung selbst aufgeregt sei? Der sie hat, merkt es und sagt's. – Und wenn nun [e|E]iner einmal das Gegenteil sagte? – “Aber nun sei offen und sag, ob du nicht wirklich die innere Aufregung erkennst!” – Wie habe ich nur die Bedeutung des Worts “Aufregung”, gelernt?

 
   
334
    Die falsche Auffassung, dass dieses Wort sowohl etwas Inneres, als auch etwas Aeusseres bedeutet. Und leugnet man dies, so wird es dahin misverstanden, man leugne die innere Aufregung. (Zeitliche und zeitlose Sätze.)

 
   
335
    Denke, ein Kind wäre ganz besonders gescheit, so gescheit, dass man ihm gleich die Zweifel[g|h]aftigkeit der Existenz aller Dinge beibringen kann. Es lernt also vom Anfang: “Das ist wahrscheinlich ein Sessel?”?
    Und wie lernt es nun die Frage: “Ist das auch wirklich ein Sessel?”?

 
   
336
    Betreibe ich Kinderpsychologie? – Ich bringe den Begriff des Lehrens mit dem Begriff der Bedeutung in Verbin[ud|du]ng.

 
   
337
    Einer sei ein überzeugter Realist, der [a|A]ndere ein überzeugter Idealist und lehrt seine Kinder dementsprechend. In einer so wichtigen Sache wie der Existenz, oder Nichtexistenz der äussern
692
Welt wollen sie ihren Kindern nichts Falsches beibringen.
    Was wird man sie nun lehren? Auch dies, zu sagen “Es gibt physikalische Gegenstände”, bezeihungsweise das Gegenteil?
    Wenn Einer an Feen nicht glaubt, so braucht er seine Kinder nicht lehren “Es gibt keine Feen”, sondern er kann es unterlassen, ihnen das Wort Fee zu lehren. Bei welcher Gelegenheit sollen sie sagen “Es gibt … ” oder “[e|E]s gibt nicht …”? Nur wenn sie Leute treffen, die entgegengesetzen Glaubens sind.

 
   
338
    Aber der Idealist wird den Kindern doch das Wort “Sessel” beibringen, denn er will sie ja lehren, gewisses zu tun, z.B. einen Sessel zu holen. Wo wird sich also, was die idealistisch erzogenen Kinder sagen, von dem, was die [R|r]ealistischens sagen, unterschieden? Wird der Unterschied nich[g|t] nur der der Schlachtrufe sein?

 
   
339
    Fängt denn nicht das Spiel “Das ist wahrscheinlich ein … mit der Enttäuschung an? Und kann die erste Einstellung die auf die Mögliche Enttäuschung sein?

 
   
340
    “So muss man ihm also zue[sr|rs]t eine falsche Sicherheit beibringen?” Es ist bei ihrem Sprachspiel [b|v]on Sicherheit oder von Unsicherheit noch nicht die Rede. Erinnere dich: sie lernen ja etwas tun.

 
   
341
    Wie äussert sich denn also der Zweite? ich meine: im Sprachspiel, nicht einfach in gewissen Redensarten. Etwa im Näherinsehen, also in einer ziemlich komplizierten Tätigkeit. Aber diese Aeusserung des Zweifels hat gar nicht immer Sinn, Zweck.
    Man vergisst eben, dass auch das Zweifeln zu eine[,|m] Sprachspiel
693
gehört.

 
   
342

⌊⌊b⌋⌋ Man kann erst zweifeln, wenn man Gewisses gelernt hat; wie man sich erst verrechnen kann, wenn man rechnen gelernt hat. Dann ist es alllerdings unwillkürlich.
    Wie kommt es, dass der Zweifel nicht der Willkür untersteht?
⌊⌊a⌋⌋ – Und wenn es so ist, – könnte nicht ein Kind durch seine merkwürdige Veranlagung an Allem zweifeln?

 
   
343
    Wenn ich daran zweifle, dass die ein Sessel ist, – was [z|t]ue ich? – Ich besehe und befühle ihn von allen Seiten und dergleichen. Ist aber diese Handlungsweise immer der Ausdruck des Zweifels? Nein. Wenn ein Affe oder ein Kind dies täte, wäre es keiner. Zweifeln kann der, der schon einen ‘Grund zum Zweifeln’ kennt.

 
   
344
    Ich kann mir wohl vorstellen, dass ein bestimmtes primitives Benehmen sich später zum Zweifel auswächst. Es gibt z.B. ein primitives Untersuchen. (Ein Affe, der z.B. eine Zigarette zerpflückt. Einen intelligenten Hund sehen wir dergleichen nicht tun.) Das [v|b]losse Hind- und Herwenden und Besc[ah|ha]uen eines Gegenstandes ist eine primitive Wurzel des Zweifels. Aber Zweifel ist erst da, wenn die [T|t]ypischen Antezedentien und Konsequenzen des Zweifels da sind.

 
   
345
    “Es schmeckt wie Zucker.” Man erinnert sich genau und mit Sicherheit wie Zucker schmeckt. Ich sage nicht “Ich glaube, so schmeckt Zucker.” Welch merkwürdiges Phänomen, Eben das Phänomen des Gedächtnisses. – Aber ist es richtig, es ein merkwürdiges Phänomen zu nennen?
    Es ist ja nichts weniger als Merkwürdig. Jene Sicherheit ist
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ja nicht um Haar merkwürdiger, als es die Unsicherheit wäre. Was ist denn merkwürdig? [d|D]as, dass ich sich S mit Sicherheit sage “Das schmeckt wie Zucker”, oder, dass es dann wirklich Zucker ist? Oder, dass Andere das selbe finden?
    Wenn das sichere Erkennen des Zuckers merkwürdig ist, so wäre es also das Nichterkennen weniger.

 
   
346
    Wenn Leute (plötzlich) aufhörten, in ihren Urteilen über Geschmäcke übereinzustimmen, – würde ich noch sagen: Jeder wisse jedenfalls, was er schmecke? – Würde es dann nicht klar, dass das Unsinn sei?

 
   
347
    Verwir[t|r]ung der Geschmäcke: Ich sage “Das ist süss”, der Andere “das ist sauer”, u.s.f. Einer kommt daher und sagt: “Ihr habt Alle keine Ahnung, wovon ihr sprecht. Ihr wisst gar nicht mehr, was ihr einmal einen Geschmack genannt habt.” Was wäre das Zeichen dafür, dass wir's noch wissen?

 
   
348
    Aber könnten wir nicht auch in dieser ‘Verwirrung’ ein Sprachspiel spielen? – Aber [e|i]st es noch das Frühere? –

 
   
349
    Aber hier ist doch ein Paradox! Soll denn die Verlässlichkeit meiner Geschmacksäusserung von den Veränderungen in der Aussenwelt abhängen? – Es kommt doch hier auf den Sinn des Urteils, nicht auf die Nützlichkeit an. ‒ ‒ ‒ Wir sehen hier die Verwandtsc[ah|ha]ft mit dem ursprünglichen Sprachspiel der Wahrnehmung.

 
   
350
    “Es schmeckt genau wie Zucker”. Wie kommt es, dass ich dessen so sicher sein kann? Aber auch, wenn es sich dann als falsch herausstellt. – Und was erstaunt mich daran? Dass ich den Begriff Zucker in eine so feste Verbindung mit der Geschmacks-
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empfindung bringe. Dass ich die Substanz Zucker direkt im Geschmack zu erkennen scheine.
    Aber statt des Ausdrucks “Es schmeckt genau … ” könnte ich ja primitiverd den Ausruf “Zucker!” verwenden. Und kann man denn sagen, bei dem Wort ‘schwebe mir die [Z|S]ubstanz Zucker vor’? wie tut sie das?

 
   
351
    Kann ich sagen, dieser Geschmack brächte gebiet[re|er]isch den [n|N]amen “Zucker” mit sich; oder aber das Bild eines Stücks Zucker? Keines von beiden scheint richtig. Ja, gebietrisch ist das Verlangen nach dem Begriff ‘Zucker’ allerdings und zwar ebenso, wie nach dem Begriff ‘rot’, wenn wir ihn zur Beschreibung des Gesehenen verwenden.l

 
   
352
    Ich erinnere mich, dass Zucker so geschmeckt hat. Es kommt mir das Erlebnis zurück ins Bewusstsein. Aber [r|n]atürlich: wie weiss ich, dass es da frühere Erlebnis ist? Das Gedächtnis hilft mir da nicht mehr. Nein, diese Worte, das Erlebnis ist? Das Gedächtnis hilft mir da nicht mehr. Nein, diese Worte, das Erlbenis komme zurück … , sind nur eine Umschreibung, keine Erklärung des Erinner[s|n]s.
    Aber wenn ich sage “Es
schmeckt
scheint
genau wie Zucker”, so findet in einem wichtigen Sinne gar kein Erinnern statt. Ich begründe also mein Urteil, oder meinen Ausruf, nicht. Wer mich fragt, “Was meinst du mit ‘Zucker’?” – dem werde ich allerdings ein Stück Zucker zu zeigen trachten. Und wer fragt “Wie weisst du, dass Zucker so schmeckt”, werde ich allerdings antworten “[i|I]ch habe tausende Male Zucker gegessen” – aber das ist nicht eine Rechtfertigung, die ich mir selbst gebe.

 
   
353
    “Selbstbeobachtung lehrt mich: ich glaube das, – aber Beob-
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achtung der Aussenwelt, dass es nicht so ist.”

 
   
354
    Nehmen wir nun an, ich habe das F eines Menschen gesehen, welches er so schreibt: , und habe es immer für ein Spiegel-F gehalten; d.h. ich habe einen gewissen Zusammenhang zwischen seinen Buchstaben und dem regelrecht geschriebenen angenommen. Nun machst du mich aufmerksam, dass dieser Zusammenhang nicht besteht, sondern ein anderer, (der der verschobenen Striche). Die verstehe ich, und sage nun: “Dann sieht es freilich auch anders aus.” Gefragt “Wie an[n|d]ers”? sage ich etwa: “Früher sah es ungeschickt aus, jetzt aber kühn und energisch.”

 
   
355
    Sag dir, es hätte Einer Gesichter immer nur mit einem Ausdruck, sagen wir lächelnd, gesehen. Und nun sieht er zum ersten Mal ein Gesicht seinen Ausdruck verändern. Könnte man da nicht sagen, jetzt erst bemerke er einen Ausdruck des Gesichts? Erst der Wechsel machte den Ausdruck bedeutsam; früher gehörte er eben zur Anatomie des Gesichts. – Ist es so auch mit dem Aspekt des Buchstaben? Ausdruck, könnte man sagen, gibt es nur im Mienensp[ei|ie]l spiel.

 
   
356
    Wie mir ein Buchstabe vorkommt, hängt also davon ab, ob er streng nach der Norm gebildet ist oder ob, und wie er von ihr a[w|b]weicht. Dann ist auch das begreiflich, dass es einen Unterschied [,|m]acht, ob wir nur eine oder zwei Erklärungen einer Buchstabenform kennen.

 
   
357
    Wie konnte ich denn sehen, dass diese Stelle zaghaft wa[s|r], ehe ich wusste, dass sie eine Stellung und nicht die Anatomie d[e|i][s|e]ses Wesens war.
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358
    Die Frage ist nun: Wenn man eine Figur einer Interpretation gemäss sehen kann, sieht man sie immer einer Interpretation gemäss? Und ist da ein scharfer Unterschied zwischen dem sehen, das mit keiner Interpretation ver[h|b]unden ist und jenem andern?

 
   
359
    Ich will sagen: Das Sehen einer Figur in dieser Interpretation ist ein Denken an die Interpretation. Denn soll ich sagen, es sei möglich, dies als ein Spiegel- F zu sehen und dabei nicht an die besondere Beziehung zu denken, die das Wort Z Spiegel- F bedeutet? Ich sehe doch eine Deutung und eine Deutung ist ein Gedanke.

 
   
360
    Man könnte das Vexirbild vor und nach der Lösung beiläufig kopieren; und dann würde der Fehler beim Kopieren des ersten Aspekts verschieden sein von dem beim Kopieren des Zweiten. Ich könnte also sagen: “Vor der Lösung sah ich ungefähr das (und zeichne einen Wald) ‒ ‒ ‒ nach der Lösung ungefähr das (und zeichne einen Menschen in den Baumkronen).

 
   
361
    Du musst bedenken, dass, was einer sieht, in der wichtigsten Klasse von Fällen in einer Meldung über das betrachtete Ob[k|j]ekt zum Ausdruck kommt. [u|U]nd zu dieser Meldung gehört natürlich auch die räumliche Anmeldung. ‒ ‒ ‒ Wie ist es nun, wenn Einer zu melden hat, was er auf einer Fläche sieht und wenn die Zeichnung auf ihr den Charakter des Vexirbilden hat? Erstens, was das [r|R]äumliche anbelangt[m|,] so kann er, was er auf der Fläche sieht, auch räumlich beschreiben; ja, das ist vielleicht die einzige Art der Beschreibung, die er geben kann.

 
   
362
    Eine wichtige Meldung wird z.B. sein: “Es hat sich in dieser
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ganzen Zeit nichts verändert.” Sie beruht eben auf andauernder Beobachtung.

 
   
363
    Wenn ich die Lösung des Vexirbildes entdecke, mache ich über das Bild selbst eine Entdec[j|k]ung. Die Entdeckung z.B., dass du[t|r]ch diese Camou[l|f]lage ein Schiff verborgen wurde. Ich will Einem etwa geheim mitteilen, wie ein gewisser Mensch ausschaut und verberge meine Mitteilung, nämlich sein Porträt, in einem Vexirbild.

 
   
364
    Wenn ich die Figur eine Gedankenhilfe nennte, so k[i|ö]nnte ich sagen, ich sehe sie als diese Gedankenhilfe.

 
   
365
    Was für eine seltsame Frage ist es, ob ich nicht and den N.N. gedacht haben müsse – als ich sein Gesicht plötzlich in dem seines Sohnes sah! Ich wollte natürlich nicht fragen, ob ich nicht gleichzeitig mit jenem Vorstellen an ihn gedacht haben müsste, sondern ob das Vorstellen kein Denken war. Wie entscheidet man das aber?
    Ich sage z.B. “Ich habe gerade daran gedacht, ob er wohl auch in … angekommen ist”. Dieser Gedanke drückt sich in einem Satz aus. Jener andere etwa in einem Ausruf.

 
   
366
    Kann ich jetzt in seinem Gesicht das seines Vaters sehen und doch dabei nicht an seinen Vater denken? In seinem Gesicht das seines Vaters sehen, war doch offenbar eine Art des Vorstellens dieses Gesichts. Und da muss man sich erinnern, dass man die Vorstellung eines [m|M]enschen nicht als die seine erkennt.

 
   
367
    Erinnere dich daran, dass du ja auch das Wandern des Blicks durch ein Bild (oder Modell) nicht wiedergeben kannst! Und würde man den Eindruck, den das erzeugt, nicht sehr natürlich
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zum Gesichtseindruck rechnen? Es wird, oder kann, sich auch der Aspekt in der Art und Weise ausdrücken, wie ich die Figur kopiere, also doch, in einem Sinnen, in der Kopie. Ich werde auch ein Gesicht, je nach dem ich's auffasse, anders in der Zeichnung wiedergeben, obwohl die Photographie jedesmal das Gleiche zeigt. Also hier wieder ein Grund vom “sehen” zu reden. Dass

 
   
368
    Dass ich eine andere Kopier (ein anderes Resultat) hervorbringe, das stimmt mit dem Begriff des Sehzustandes zusammen. Dass ich die gleiche Kopie erzeuge, sie aber anders erzeuge – die Striche i[j|n] anderer Reihenfolge ziehe – weist auf den Begriff des Denkens

 
   
369
    Mit welchem Recht gebraucht er da das Wort “sehen”? oder hat er keine Berechtigung, und ist es nur eine Sprachdummheit? Oder liegt die einzige Berechtigung darin, dass ich auch geneigt bin, zu sagen: “einmal sehe ich es als das”, “einmal ssehe ich als jenes”? Es könnte so sein. Aber ich bin durchaus abgeneigt, das anzunehmen; ich fühle ich muss sagen “ich sehe etwas”. Was soll das aber heissen? – Ich habe doch das Wort “sehen” gelernt. Was passt, ist do[h|c]h nicht das Wort, der Klang, oder das geschriebene Bild. Der Gebrauch des Worts ist es, was mir die Idee aufnötigt, ich sähe dies.
    Was ich über den Gebrauch des Worts gelernt habe, muss mich hier zwingen, es hier zu gebrauchen.

 
   
370
    “Das ist doch: etwas sehen –” möchte ich sagen.
700
Und es ist ja wirklich so: die Situation ist ganz wie, in welcher dieses Wort auch sonst gebraucht wird; – nur ist die Technik hier etwas verschieden.

 
   
371
    Der Gebrauch des Wortes “sehen” ist ja durchaus kein einfacher. – Man stellt sich ihn manchmal wie den eines Tätigkeitswortes vor, – und es sei nur schwer auf die Tätigkeit geradezu zu deuten. – Man stellt sich ihn daher einfacher vor, als er wirklich ist, das Sehen so zu sagen als ein Eintrinken von etwas mit den Augen. Wenn ich also etwas mit den Augen eintrinke, so könne kein Zweifel mehr besteh[n|e]n, ich sähe etwas (wenn mich nicht Vorurteile täuschen).

 
   
372
    Man könnte sagen: Ich sehe die Figur einmal als den Grenzwert dieser Reihe, einmal als den Grenzwert jener. Dieser Wert könne der Grenzwert verschiedener Funktionen sein.

 
   
373
    Das, als was ich die Figur sehe, das kann sie immer, in einem gewissen Sinne, sein. Wenn das auch nicht im anderen Sinne ‘sichtbar’ wäre. Denn eine Figur kann ja ihrem Gebrauch, oder ihrer Entstehungsweise nach Grenzwert verschiedener Reihen sein. Ein Dreieck kann wirklich gebraucht werden, einen Berg darzustellen, oder als Pfeil, um in dieser Richtung zu zeigen, etc.etc. Die Beschreibung des Aspekts ist also immer eine richtige Beschreibung der Seh[b|w]ahrnehmung.

 
   
374
    Es kann doch eine Figur, sagen wir, ein Schriftzeichen das korrekt geschrieben, oder in verschiedenen Weisen ein fehlerhaft geschriebenes sein. Und diesen Auffassungen der Figur entsprechen Aspekte. – Hier haben wir die grösste Aehnlichkeit mit
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dem Erleben der Bedeutung beim Aussprechen eines isolierten Worts.

 
   
375
    Man kopiert es anders, – aber die Kopier ist die selbe.
    Aber ich will sagen: Wenn etwas Anderes gesehen wird, muss die Kopie eine andere sein.

 
   
376
    Was ist z.B. eine Kopie des ‘Würfelschemas’? Eine Zeichnung, oder ein Körper? Und warum nur das erstere?! Und wenn ein Körper, – welcher Körper: ein Raumeck, ein solider Würfel, ein Drahtgestell?

 
   
377
    Wenn ich ihm mitteile; “Ich sehe die Figur jetzt als … ”, so mache ich ihm eine Mitteil[i|u]ng in mancher Beziehung ähnlich der einer Gesichtswahrnehmung, aber auch ähnlich der eines Auffassens, oder einer Deutung, oder eines Vergleichens, oder eines Wissens.

 
   
378
    “Ich sehe jetzt ein weisses Kreuz auf schwarzem Grunde und dann ein schwarzes Kreuz auf weissem Grunde.” Aber was istd denn das: ein weisses Kreuz auf schwarzem Grunde? erklär es doch! und was ist ein schwarzes Kreuz auf weissem Grunde? Du darfst doch für beide der nicht etwa die gleiche Erklärung geben! Und erklärt müssten sie doch werden!
    Die Erklärung könnte doch ungefähr so lauten: “Ein weisses Kreuz auf schwarzem Grunde, das ist so etwas –” und nun folgt eine Figur. Es darf aber natürlich nicht die doppeldeutige sein. Daher kann man dem statt zu sagen “ich sehe die Figur einmal als ein weisses Kreuz auf … , einmal als … ” auch sagen: “ich sehe die Figur einmal so (folgte eine Figur),
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einmal so folgt eine andere Figur). Und war der erste Satz ein erlaubter Ausdruck, so war es dieser auch.

 
   
379
    Und he[s|i]sst das nicht, dass nun jene zwei Figuren eine Art von Kopien der zwei doppeldeutigen Figur wahren?

 
   
380
    Einerseits sind diese beiden Darstellungen Kopien des Gesehenen anders[i|e]its bedarf es auch noch einer begrifflichen Erklärung. – Wenn ich z.B. die Kreuzfigur einmal als liegendes Kreuz, einmal als stehendes Kreuz, einmal als schiefgestelltes Diagonalkreuz sehe, – was sind die entsprechenden Kopien?
    Ein liegendes Kreuz ist eines, das umgelegt worden ist und stehen sollte. Die Kopie wird also etwas sein, was Kreuzform hat und wovon wir wissen, ob es liegt oder steht. Es wäre daher auch möglich, als Kopie ein Bild zu gebrauchen, worin die Kreuzform vorkommt und die oder die Rolle spielt. D.h., es gibt ein Bild, welches, was ich als Aspekt sehe, zum Ausdruck bringt. [u|U]nd das gibt dem Aspekt Aehnlichkeit mit einem etwas durch Sehen Wahrgenommen.

 
   
381
    
Od
Oder
: Es g[u|i]bt ein Bild, das für den Aspekt eine ä[e|h]nliche darstellende Rolle spielt, wie das Bild als Mitteilung des Wahrgenommen. Denk dir ein Gemälde, eine Kreuzabnahme etwa; was wäre es uns, wenn wir nicht wüssten, welche Bewegungen hier festgehalten wurden. Und dass Bild zeigt uns diese Bewegungen und es zeigt sie uns auch nicht. (Das Bild der Kavallerieattacke, wenn der Betrachter nicht weiss, dass die Pferde nicht so stehen bleiben.)

 
   
382
    “Was ich sehe, schaut so aus”. Denk dir, das sagte
703
jemand, der das Bild einen rennenden Pferdes betrachtet und als Kopie davon ein ausgestopftes Pferd benützt, welches in laufender Stellung st[h|e]ht! Wäre nicht die richtige kopie eine laufendes Pferd?

 
   
383
    Ist mir nun mit dem Aspekt ein Gedanke vorm [a|A]uge? Ist mir mit dem Gemälde einer vor Augen? (denn die als das und d[d|a] gesehene Figur ist ja weder wie der allein noch sinnlose Be[ts|st]andteil eines Gemäldes.)

 
   
384
    Man kann doch ein Gemälde beschreiben, i[h|n] dem man Vorgänge beschreibt; ja so würde man es beinahe immer beschreiben. “Er steht im Schmerz versunken, sie ringt die Hände, …” Ja, wer es so nicht beschreiben könnte, ob er es auch als Verteilung von Farbflecken auf der Fläche haarscharf beschreiben könnte, verstünde es nicht. ((Bild vom Mann, der den Berg hinaufgeht.))

 
   
385
    Du siehst es also so, wie wenn du das davon wüsstest.
    Und wenn dies eine närrische Ausdrucksweise erscheint, so muss man eben im Auge behalten, dass der Begriff des Sehens durch sie modifiziert wird.

 
   
386
    Kann ich aber auch sagen: “Er würde das Bild (der Schlacht etwa) anders sehen, wenn er nicht wüsste, was hier vor sich geht”? Wie würde sich das äussern?! Er würde nicht so über das Bild reden wie wir; er würde nicht sagen: “Man sieht fö[q|r]mlich, wie diese Pferde dahin[g|b]rausen” oder “So läuft doch ein Pfe[f|r]d nicht!” etc. Er würde unzähliges nicht aus dem Bild entnehmen, was wir daraus ententnehmen.
604
 
   
387
    Wir könnten uns doch entscheiden, das, was wir jetzt “die Figur als … sehen” nennen, sie als das und das “auffassen” zu nennen. – Hätten wir das nun
getan
erfahren
, so wären dadurch die Probleme natürlich nicht zur Seite geschafft; sondern wir würden nun den Gebrauch von “auffassen” studieren, und insbesondere die Eigentümlichkeit, dass dieses Auffassen etwas Stationäres ist, ein Zustand, der jetzt anfängt, jetzt endet.

 
   
388
    Es ist mir also zumute – könnte ich sagen – als müsste ich im Stande sein, diese Auffassung durch ein Bild der angeschauten Figur wiederzugeben. – Und das ist doch wirklich so: ich kann doch sagen, das Bild, das Einer von ihr macht, drücke eine Auffassung des [g|G]egenstands aus. Ganz so, wie man eben sagen kann: Hör dieses Thema so … und spiel entsprechend.

 
   
389
    Es ist ein Sehen, insofern
es ist ein Sehen nur insofern, als …
(das scheint mir die Lösung.)

 
   
390
    Insofern aber unterscheiden sich die Aspekte, die so zu sagen gesehene Deutungen der Figur sind vond den Aspekten der räumlichen Erscheinung. Denn man kann eine Figur für einen Körper halten halten. Und auch, wenn von einer solchen Täuschung nicht die Rede ist, so teilt “Ich sehe diese Figur jetzt als Pyramide” anders mit, hat andere Konsequenzen, als[m|,] dass ich die Figur jetzt als schwarzes Kreuz auf weissen Grunde sehe etc. (Die Konsequenzen des räumlichen Sehens in der darstellenden Geometrie.) Es scheint aber auch der Zusammenhang des Aspekt mit dem Denken geändert oder gelöst. Denn ist hier die
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nicht die Kopie, die dem Andern zeigt, w[ei|ie] wie ich die Figur sehe, von andrer Art? Und man darf nicht vergessen, dass das Wort “Kopie” in dieser ganzen Betrachtung eine schwankende Bedutung hat.
 
   
391
    “Es ist, als wären unsere Begriffe bedingt durch ein Gerüste von Tatsachen.”
    Das hiess doch: Wenn du dir gewisse Tatsachen anders denkt, sie anders beschreibst, als sie sind, dann kannst du die Anwendung gewisser Begriffe dir nicht mehr vorst[l|e]llen, weil die Regeln ihrer Anwendung kein Analogen unter den neuen Umständen haben. – Was ich sage, kommt also darauf hinaus: Ein Gesetz wird für Menschen gegeben und ein Jurist mag wohl fähig sein, Konsequenzen für jeden Fall zu ziehen, der ihm gewöhnlich vorkommt, das Gesetz hat also offenbar seine Verwendung, einen Sinn. Trotzdem aber setzt seine Giltigkeit allerlei voraus; und wenn das Wesen, welches er zu richten hat, ganz vom gewöhnlichen Menschen abweicht, dann wird z.B. die Entscheidung, ob er eine Tat mit böser Absicht begangen hat, nicht etwa schwer, sondern einfach unmöglich werden.
 
   
392
    Wenn die Menschen nicht im Allgemeinen über die Farben der Dinge übereinstimmten, wenn Unstimmigkeiten nicht Ausnahmen wären, könnte es unsern Farbbegriff nicht geben. “Nein; gäbe es unsern Farbbegriff nicht. Heisst das also: Was als Regel denkbar ist, muss es nicht als Ausnahme sein?
 
   
393
    Der Fall ist doch ähnlich diesem: Ich habe gelernt, Versuchsresultate durch eine Kurve darzustellen und werde, wenn die aufgenommenen Punkte so liegen, wissen, ungefähr welche
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Kurve zu [s|z]iehen ist und werde weitere Schlüsse aus den Experimenten ziehen können. Liegen aber die Punkte so so, so wird, was ich gelernt habe, mich im Stiche lassen; ich weiss gar nicht mehr, welche Linie ich ziehen soll. Und käme ich zu Leuten, die, ohne mir verständlicher Methode und ohne Bedenken, eine Kurve durch diese Konstelation legten, so könnte ich ihre Technik nicht nachahmen; sollte aber ich aber sehen, dass bei ihnen irgend eine plausible Linie als die Richtige anerkannt wird und diese dann zur Basis weiterer Folgerungen dient; und, wenn diese Folgerungen, wie wir sagen würden, mit der Erfahrung in Widerspruch kämen, die Leute sich irgendwie darüber hinweg setzen, – dann würde ich sagen, es sei dies gar nicht mehr die mir bekannte Technik, sondern eine ‘äusserlich’ ähnliche, im Wesen aber ganz verschiedenen. Sage ich das aber, so gebe ich mit den Worten “äusserlich” und “Wesen” ein Urteil ab.

 
   
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Was heisst das: “Das ist doch ein ganz anderes Spiel!” Wie verwende ich diesen Satz? Als Mitteilung? Nun, etwa als Einleitung zu einer Mitteilung, die die Unterschiede aufzählt und ihre Folgen erklärt. Aber auch, u[j|m] auszudrücken, dass ich eben darum hier nicht mehr mittue, oder doch eine andere Stellung zu dem Spiel einnehme.

 
   
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    Wenn ich sagte “Ich würde es nicht mehr … nennen”, so heisst das eigentlich[|:] die Waage meiner Stellungnahme schlägt nun um.

 
   
396
    Ich könnte doch auch sagen: “ich kann mich mit diesem Menschen nicht mehr verständigen.”

 
   
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    Ich sagte einmal, es könnte einen Begriff geben, der links
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von einer gewissen wichtigen Linie unserem ‘Rot’, rechts von ihr unserm ‘Grün’ entspräche. Und es kam und kommt mir vor, als könnte ich mich in diese Begriffswelt hineind[d|e]nken; als könnte ich wohl geneigt sein, rot auf der einen Seite, das Gleiche zu nennen, wie Grün auf der Andern. (Und zwar geht es mir besonders so mit einem ziemlich dunkeln Rot und einem ziemlich dunkeln Grün.) Als wäre ich also nicht ungeneigt, das Grün nur einen Aspekt des Rot zu nennen; als liefe, was ich “Farbe” nenne unverändert weiter, und nur die ‘Schattierung’ änderte sich. Es besteht also hier die Neigung zu einer Ausdrucksweise, die, unter gewissen Umständen, für Grün und für Rot das selbe Eigenschaftswort, mit einem Bestimmungswort wie “besc[g|h]attet” “unbeschattet” verwendet. “Aber willst du also wir[j|k]lich sagen, dass hier nicht zwei verschiedene Farben vorliegen?” Ich will sagen: Ich sehe genug Aehnlichkeit in der von mir besc[g|h]riebenen Ausdrucksweise mit dieser und jener, die wir tatsächlich verwenden, dass ich die ungewöhnliche unter Umständen sehr wohl hinnehmen könnte. – Aber würden also die Leute die Aehnlichkeit oder Gleichheit nicht sehen, die wir sehen: Nämlich zwischen Grün links und (nach unserer Ausdrucksweise) Grün rechts? – Wie, wenn sie sagten, diese seien ‘äusserlich gleich’. Ich stelle mir die [|L]age ähnlich vor wie in der Zeichnung wo ich die Winkel einander gleich, obwohl äusserlich ungleich nennen kann; die Winkel … ungleich, aber äusserlich gleich.

 
   
398
    Ich könnte auch sagen: Rot links und Grün rechts sei die g[el|le]i gleiche Natur, aber eine andere Erscheinung.
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399
    Bei alle[r|n] Dem habe ich aber doch eine Verwirrung angerichtet. Das Wichtige an der Sache war doch, zu zeigen, dass man in einer Reihe so fortfahren kann, dass man, nach unsern Begriffen, sie, nach der alten Regel, abbricht und nach einer neuen fortsetzt; // war doch, zu zeigen, dass man in einer Folge (von Ziffern etwa) so fortschreiten kann, dass man, für unsere Begriffe sie nach dem einen Reihengesetz abbricht und nach einem neuen fortsetzt; // dass man aber nach einer andern Auffassung sich ihr Gesetz nicht ändert, die scheinbare Aenderung aber durch eine Aenderung der Umstände begründet wird.

 
   
400
    Aber das kommt eigentlich darauf hinaus, dass was das Fo folgerechte Weitergehen in einer Reihe ist, nur durch das Beispiel gezeigt werden kann.

 
   
401
    Und hier ist man immer wieder in der Versuchung, w[i|e]iterzureden, wo man Halt machen sollte; mehr zu reden, als Sinn hat. // Versuchung, mehr zu reden als noch Sinn hat. Weiter zu reden, wo man Halten machen sollte. //

 
    
   
403
    Er muss ohne Grund so fortsetzen. Aber [h|n]icht, weil man ihm den Grund noch nicht begreiflich machen kann, sondern weil es – in diesem System – keinen Grund gibt. “Die Kette der Gründe hat ein Ende.”)
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Und das so (in “so fortsetzen”) ist durch eine Ziffer, einen Wert, bezeichnet. Denn auf dieser Stufe wird der Regelausdruck durch den Wert erklärt, nicht der Wert durch die Regel.

 
   
404
    Denn dort, wo es heisst “Aber siehst du denn nicht … !” nützt ja eben die Regel nichts, sie ist Erklärtes, nicht Erklärendes. Aber sie

 
   
405
    “Er erfasst die Regel intuitiv.” – Warum aber die Regel? und nicht, wie er jetzt fortsetzen soll?

 
   
406
    “Hat er nur das Richtige gesehen, diejenige der unendlich vielen Beziehungen, die ich ihm nahe zubringen trachte, – hat er sie nur einmal erfasst, so wird er jetzt ohne weiteres die Reihe richtig fortsetzen. Ich gebe zu, er kann diese Beziehung, die ich meine, nur erraten (intuitiv erraten) – ist es aber gelungen, dann ist das Spiel gewonnen” – Aber dieses ‘Richtige’ von mir Gemeinte, gibt es gar nicht. Der Vergleich ist falsch. Es gibt hier nicht qua[i|s]i ein Rädchen, das er erfassen soll, die richtige Maschiene, die ihn, einmal gewählt automatisch weiterbringt. Es könnte ja sein, dass sich in unser[,|m] Gehirn so etwas abspielt, aber das interessiert uns nicht.

 
   
407
    “Tu das selbe!” Aber dabei muss ich ja auf die Regel zeigen. Die muss er also schon anzuwenden gelernt haben. Denn was bedeutet ihr Ausdruck sonst für ihn?

 
   
408
    Die Bedeutung der Regel erraten, sie intuitiv zu erfassen,
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könnte doch nur heissen: ihre Anwendung erraten. Und das kann nun nicht heissen: die Art, die Regel ihrer Anwendung erraten. Und vom Erraten ist hier überhaupt keine Rede.

 
   
409
    Ich könnte z.B. erraten, welche Fortsetzung dem Andern Freude machen wird (etwa nach seinem Gesicht). Die Anwendung der [r|R]egel erraten könnte man [h|n]ur, so fern man bereits aus verschiedenen Anwendungen eine wählen kann.

 
   
410
    Man könnte sich ja dann auch denken, dass er, statt die “Anwendung der Regel zu erra[r|t]en’, sie erfindet. Nun, wie sähe das aus? – Soll er etwa sagen: “D[ie|er] Regel +1” folgen, möge einmal heissen, zu schreiben: 1, 1 + 1, 1 + 1 + 1, u.s.w.”? Aber was meint er damit? Das “u.s.w.” setzt ja eben schon das Beherrschen einer Technik voraus.

 
   
411
    Wie kann man denn, was jemand tut, der jene Regel fortsetzt, beschreiben? – Man kann die Regel angeben; dem nämlich, der sie schon gebrauchen kann. Und wer kan sie gebrauchen? Der, welcher auf 1 + 1 1 + 1 + 1 schreibt, und darauf 1 + 1 + 1 + 1 – Und kann ich jetzt enden “u.s.f.”? Das w[p|ü]rde ja heissen: “und überhaupt nach dieser Regel weiter geht”.

 
   
412
    Ich kann nicht beschreiben, wie eine Regel (allgemein) zu verwenden ist, als in dem ich dich lehre, abrichte, eine Regel zu verwenden.

 
   
413
    Ich kann nun z.B. eine solchen Unterricht im Sprechfilm auf[h|n]ehmen. Der Lehrer wird manchmal sagen “So ist es recht”. Sollte der Schüler ihn fragen “warum?” – so wird er nichts, oder doch nichts Relevantes antworten, auch nicht das: “Nun, weil wir's also
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also machen Alle so machen”; das wird nicht der Grund sein.

 
   
414
    Man sagt nicht “Es dürfte sich so verhalten; verhält sich aber anders.” Oder: “Ich nehme an, er kommt morgen; er wird aber tatsächlich nicht kommen.”

 
   
415
    Die Linie liegt schon in der Annahme anders, als du denkst.
    Ich möchte sagen: In den Worten “Angenommen, ich glaube das” setzt du schon die ganze Grammatik des Wortes “Glauben” voraus. Du nimmst nicht etwas an, was dir, so zu sagen, eindeutug durch ein Bild gegeben ist, so dass su sann eine [a|A]ndere als die gewöhnliche Behauptung an diese Annahme anstückeln kannst. Du wüsstest gar nicht, was du hier annimst, wenn dir nicht schon die Verwendung von “glauben” gelä[i|u]fig wäre.

 
   
416
    Es ist die unsichtbare Anwendun[b|g], die hier ihr Gesicht zeigt.
    Der besondern Technik sind wir uns hier nicht bewusst, sie fliesst so zu sagen unterirdisch, ohne dass wir sie merken, dahin; und wir werden uns ihrer nur dort plötzlich bew[s|u]sst, wo sie mit unserer falschen Vorstellung offen in Widerspruch tritt. Wo wir etwa merken, ein Satz habe keinen Sinn, wir wissen gar nicht, was wir mit ihm anfangen sollten, ein Satz von dem dies nicht ohne Weiteres zu vermuten war. Und Kann man dem Arzt als Symptom einer geistigen Erkrankung mitteilen “Ich glaube …? – Wohl aber etwa: “Ich glaube immer Stimmen zu hören”.
    Mi “Ich nehme immer an, er sei mir untreu, er ist es aber nicht.”
    Die Linie des Begriffs scheint jeh abgebrochen! –
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417
    “Der Satz ‘Ich glaube es, und es ist nicht wahr’ kann doch die Wahrheit sein. Wenn ich es nämlich wirklich glaube, und sich dieser Glaube als falsch herausstellt.”

 
   
418
    Ich sagte vom Andern “Er scheint zu glauben … und Andere sagen es von mir. Nun, warum sage ich's nie von mir, auch wenn die Andern es mit Recht von mir sagen? Ebenso: “Es ist offenbar, er glaubt … Sehe ich mich selbst denn nicht? – Man kann es sagen.

 
   
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    A: “Ich glaube, es regnet.” – B: “Ich glaube es nicht.” – nun, sie widersprechen einander ja nicht; Jeder sagt bloss etwas über sich selbst aus[|.]

 
   
420
    “Es [t|g]ibt kein bläuliches Gelb”. Aehnlich dem Satz “Es gibt kein regelmässiges Zweieck”; eine Aussage der Farbengeometrie könnte man es nennen, d.h. ein Begriffs_bestimmender Satz.

 
   
421
    Wenn ich Einen gelehrt hätte, die sechs primä[t|r]en Farbnamen zu gebrauchen und die Silbe “lich”, so könnte ich ihm Befehle geben wie “Male hier ein grünliches Weiss!” – Einmal aber sage ich ihm “Mal ein rötliches Grün!” Ich beobachte seine Reaktion. Vielleicht wird er Grün und Rot mischen und von dem Resultat nicht befriedigt sein; vielleicht endlich sagen: “es gibt kein rötliches Grün.” – Analog hätte ich ihn dazu b[e|r]ingen könne, mir zu sagen “Ein regelmässiges Zweieck gibt es nicht!” oder “eine Quadratwurzel aus ‒ 25 gibt es nicht.

 
   
422
    Zwischen Grün und Rot, will ich sagen, sei eine geometrische Leere, nicht eine physikalische.
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423
    Aber entspricht dieser also nichts Physikalisches? Das leugne ich nicht (Und wenn es bloss unsre Gewöhnung an diese Begriffe, an diese Sprachspiele wäre. Aber ich sage nicht, dass es so ist.[(|)] Wenn wir einem Menschen die und die Technik durch Exempel beibringen, – dass er dann mit einem bestimmten neues neuen Fall so und nicht so geht, oder dass er dann stockt, dass wi für ihn also dies und jenes nicht jenes die ‘natürliche’ Fortsetzung ist, ist allein schon ein höchst wichtiges Naturfaktum.

 
   
424
    “Aber wenn ich mit ‘bläulichgelb” grün meine, so fasse ich eben diesen Ausdruck anders als nach der ursprünglichen Weise auf. Die ursprüngliche Auffassung bezeichnet einen andern und eben nicht gangbaren Weg.”
    Was ist aber hier das wichtige Gleichnis? das vom physische nicht gangbaren Weg, oder vom nicht-Existieren des Weges? Also das Gleichnis der physikalischen, oder der mathematischen Unmöglichkeit?

 
   
425
    Wir haben ein System der Farben wie ein System der Zahlen.
    Liege[h|n] die Systeme in unserer Natur, oder in der Natur der Dinge? Wie soll man's sagen? Nicht in der Natur der Zahlen oder Farben.

 
   
426
    Hat denn dieses System etwas willkürliches? Ja und nein. Es ist mit Willkürlichem verwandt und mit nicht-Willkürlichem.

 
   
427
    Es leuchtet aus dem ersten Bild ein, dass man nichts als Zwischenfarben von rot und grün anerkennen will. (Und ob es dem Menschen immer so eingeleuchtet, oder erst nach Erfahrung und
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Erziehung ist hier gleichgiltig.) Was würden wir von Menschen denken, die ein ‘rötlich-grün’ kennten (etwa olivegrün so nennen)? Und was heisst das: “Die haben dann überhaupt einen andern Begriff der Farbe”? Als wollten wir sage[h|n]: “Es wäre eben dann nicht dieser, sondern ein anderer” – indem wir auf unsern zeigen. Als gäbe es also einen Gegenstand, dem der Begriff eindeutig angehörte.

 
   
428
    Die Leute kennen ein [r|R]ötlichgrün. Aber es gibt doch gar keins! – Welcher sonderbare Satz. – (Wie weisst du's nur?)

 
   
429
    (Das Bild, das den Begriff charakterisiert, wäre etwas wie eine algebra[s|i]sche Formel.)

 
   
430
    Sagen wir's doch so: Müssen denn diese Leute die Diskrepanz merken? Vielleicht sind sie zu stumpf dazu. Und dann wieder: vielleicht auch nicht. –

 
   
431
    Ja aber hat denn die Natur hier gar nichts mitzureden?! Doch – nur macht sie sich auf andere Weise hörbar.
    “Irgendwo wirst du doch an Existenz und nicht-Existenz anrennen!” Das heisst aber doch an Tatsachen, nicht an Begriffe.

 
   
432
    Es ist eine Tatsache von der h[i|ö]chsten Wichtigkeit, dass eine Farbe, die wir (z.B.) “rötlichgelb” zu nennen geneigt sind, sich wirklich durch Mischung (auf verschiedene Weise) vo[l|n] Rot und Gelb erzeugen lässt. Und dass wir nicht im Stande sind, eine Farbe, die durch Mischen von Rot und Grün entstanden ist, ohne Weiteres als eine zu erkennen, die sich so erzeugen lässt. (Was aber bedeutet “ohne Weiteres” hier?)
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    Es könnte Leute geben, die ein regelmässiges 97-Eck ohne zu zählen auf einen Blick als solches erkennen.

 
   
433
    Begriffe mit einer Malweise verglichen: Ist denn auch nur unsere Malweise willkürlich? Können wir uns einfach entscheiden, die der Ägypter anzunehmen? Oder handelt sich[9|']s da nu[t|r] um hübsch und hässlich?

 
   
434
    Haben wir denn die menschliche Sprache erfunden? So wenig, wie das Gehen als auf zwei Beinen. Es ist eine wichtige Tatsache, wenn sich's so verhält, dass Menschen diesen grossen Bären etwa in Strichen wiedergeben sollen, dies, wenn sie sich selbst überlassen sind, immer oder m[i|e]istens auf eine bestimmte Weise und nie auf eine bestimmte andere tun.
    Aber heisst das: die Konstelation so sehen? Liegt darin z.B. schon die Möglichkeit eines Umschlagens des Aspekts? Denn es ist ja das Umschlagen [h|j]a das Umschlagen, dessen Aeh[h|n]lichkeit mit einem Wechseln [o|d]es Ges[c|i]chtsobjekts wir empfinden.

 
   
435
    Wenn nicht der Wechsel des Aspekts vorläge, so gäbe es nur eine Auffassung, nicht ein so oder so sehen. Das

 
   
436
    Das scheint absurd. Als wollte man sagen “Wenn ich nur immer mit Kohle heize, und nicht auch manchmal mit etwas anderem, so heize ich auch nicht mit Kohle”.
    Aber kann man nicht sagen: “Wenn es nur eine Substanz gäbe, so hätte man keinen Gebrauch für das Wort ‘Substanz’”? Aber das heisst doch: Der Begriff ‘Substanz’ setzt den Begriff ‘[u|U]nterschied der Substanz’ voraus. (Wie der des Schachkönigs den des Schachzuges, oder wie der der Farbe den der Farben.)
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437
    Ich teile Einem etwas anders mit, wenn ich ihm sage:
a) dass in der Zeichnung, die er nicht sieht, die und die Form enthalten ist –
b) dass in der Zeichnung, die er sieht, die Form enthalten ist, die er noch nicht bemerkt –
c) [D|d]ass ich gerade entdeckt habe, die Zeichnung, die mir wohlbekannt war, enthielte diese Form –
d) dass ich jetzt gerade die Zeichnung in diesem Aspekt sehe.
    Jede dieser Mitteilungen hat ein anderes Interesse.

 
   
438
    Die erste ist eine teilweise Beschreibung eines wahrgenommenen Gegenstands, etwa analog der “Ich sehe dort etwas Rotes”.
    Die zweite ist, was ich eine “geometrische Mitteilung” nennen will. Sie ist im Gegensatz zur ersten zeitlos. Die Entdeckung, dass es sich so verhält, ist von der Art mathematischer Entdeckungen.

 
   
439
    Aber könnte die Mitteilung nicht auch in temporaler Form gemacht werden? Etwa so: “Wenn du diese Zeichn[i|u]ng hin und herwendest, wirst du diese Form in ihr sehen, ohne dass sich die Li Linien bewegt zu haben scheinen.” Dass wir dies Faktum begriffsbestimmend verwenden, ist ni damit noch nicht gesagt.

 
   
440
    Wie macht man denn die Entdeckung? Etwa, so: Man zieht auf durchscheinendem Papier – vielleicht rein zufällig – gewisse Linien der Zeichnung nach. Dann sieht man: das ist [e|j]a ein Gesicht! Oder man macht diesen Ausruf einmal beim Anblick der Zeichnung und zieht dann dann jenen Lin[e|i]en nach. – Und wo ist hier die Entdeckung? – Dies muss erst als Entdeckung, ins und insbesondere als geometrische Entdeckung, interpretiert werden.
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441
    Ein Aspekt kann mir dadurch erscheinen, dass mich einer auf ihn aufmerksam macht. Wie sehr unterscheidet das doch dieses ‘Sehen’ vom Wahrnehmen der Farben und Formen.

 
   
442
    Bemerken und Sehen. Man sagt nicht “Ich habe es fünf Minuten lang bemerkt”.

 
   
443
    “Aber sehen wir die [M|m]enschlichen Gestalten auf dem Bild wirklich?” Wonach fragt man nur??
    Es gibt hier offenbar eine Störung eines Begriffs durch einen etwas verschiedenen vor sich. Ich sollte etwa fragen: “Sehe ich denn die Gestalten wirklich in dem selben Sinne wie …?” Oder auch: “Welchen Grund habe ich, hier von ‘sehen’ zu sprechen? und was lehnt sich etwa in mir dagegen auf?”

 
   
444
    Ich m[i|ö]chte etwa die Frage stellen: “Bin ich mir der Räumlichkeit (Tiefe) dieses Buches, z.B., während ich es sehe immer bewusst?” Fühle ich sie so zu sagen die ganze Zeit? – Aber st[l|e]ll die Frage in der dritten Person. Wann würdest du sagen, er sei sich ihrer immer bewusst? wann das Gegenteil? – Angenommen, d[i|u] fragtest ihn, – aber wie hat er gelernt, dir auf diese Frage zu antworten? – Nun, er weiss z.B. was es heisst, ununterbrochen Schmerzen zu Fü[j|h]len. Aber das wird ihn hier nur verwirren, wie es auch mich verwirrt.

 
   
445
    Wenn er mir nun sagt, er sei sich der Tiefe fortwährend bewusst[|,] glaub ich's ihm? Und wenn er sagt, er sei sich ihrer nur von Zeit zu Zeit bewusst, wenn er etwa von ihr redet, – glaub ich ihm das? Grundlage. – Anders aber, wenn er mir sagt, der Gegenstand käme i[m|h]m manchmal räumlich, manchmal aber flach vor.
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446
    Ich könnte Einem wichtige Botschaft übermitteln // zukommen lassen // , indem ich ihm das Bild einer Landschaft übersende. Liest er dieses, wie eine Werkzeichnung; ich meine: entziffert er es? Er sieht es an und richtet sich danach. Er sieht darauf Felsen, Bäume, ein Haus, etc.

 
   
447
    (Die Situation ist hier die der praktischen Notwendigkeit, aber das Verständigungsmittel eines, dem nichts von Verabredung, Definition und dergleichen anhängt, und das sonst nur quasi poetischen Zwecken dient. Aber es dient eben auch die gewöhnliche Wortsprache poetischen Zwecken.)

 
   
448
    Die Aspekte des F: Es ist quasi, wie w[ne|en]n eine Vorstellung mit dem Gesichtseindruck in Berührung käme und für eine Zeit in Berührung bliebe.

 
   
449
    Der Fall des schwarzen und weissen Kreuzes aber ist anders und ähnliche erwähnt dem der [i|u]mlichen Aspekte) (z.B. der Prismenzeichnung).

 
   
450
    Die Versuchung, zu sagen “Ich sehe es so”, indem man bei “es” und “so” auf das Gleiche zeigt.

 
   
451
    Der Begriff ‘sehen’ macht einen wirren Eindruck. Nun, so ist er. – Ich sehe in die Landschaft; mein Blick schweift, ich sehe allerlei klare und unklare Bewegung; [D|d]ies prägt sich mir klar ein, jenes nur ganz vers[q|c]hwommen. Wie gänzlich zerrissen uns doch erscheinen kann, was wir sehen! Und nun sieh, was [E|e]ine “Beschreibung des Gesehenen” heisst! Aber das ist es, was wir so nennen. Wir haben nicht einen wirklichen, respektablen Fall so einer Beschreibung und sagen: “Nun, das Uebrige ist eben noch unklarer, harrt noch der Klärung, oder [j|m]uss einfach als
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Abfall in den Winkel gekehrt werden.

 
   
452

    Es ist hier für uns die ungeheure Gefahr, feine Unterschiede machen zu Wollen. Aehnlich ist es, wenn man den Begriff des physikalischen Körpers aus dem ‘wirklich Gesehenen’ erklären will. Es ist viel mehr das uns wohlbekannte Sprachspiel hinzunehmen, und falsche Erklärungen sind als solche zu kennzeichnen. Das [p|P]rimitive, uns ursprünglich beigebrachte Sprachspiel bedarf keiner Rechtfertigung, falsche Versuche der Rechtfertigung, die sich uns aufdrängen, bedürfen der Zurückweisung.

 
   
453
    Die Begriffsverhältniss liegen sehr kompliziert.

 
   
454
    Es ist immer zu trennen der Ausdruck von der Technik. Und der Fall, wenn wir die Technik angeben können, von dem, wenn wir sie nicht angeben können.

 
   
455
    Ich könnte wohl sagen: “Meine Gedanken gehen von diesem Bild natürlich zu wirklichem Gras, zu wirklichen Tieren hin; von jenem Bild nie.”

 
   
456
    Man sagt beim Anschauen des Bildes: “Siehst du nicht ein Eichhörnchen!” “Fühlst du nicht die Weichheit dieses Pelzes!” – Und man sagt dies bei gewissen Bildern, bei andern nicht.

 
   
457
    Auf die Idee des Bildwesens, welche nicht unähnlich einer mathematischen Idee ist, komme ich durch gewisse Darstellungsweisen, unter gewissen Umständen. Wenn jemand ein von mir geschriebenes Blatt sieht, so wird er, wenn er Lateinschrift lesen und schreiben kann, es leicht ziemlich genaut kopieren können. Er braucht es nur lesen und wieder schreiben. Trotz der Abweichungen der Handschrift wird er mit Leichtigkeit ein halbwegs
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gutes Bild der Linien auf meinem Blatte hervorbringen. Hätte er Lateinschrift nicht lesen und schreiben gelern[g|t], so wäre es ihm nur mit grösster Mühe gelungen, jene verschlunegenen Linien zu kopieren. Sollen ich nun sagen: wer dies gelernt hat, sähe das beschriebene Blatt ganz anders als eine Anderer? – Was wissen wir davon? Es könnte ja sein, dass wir Einem, ehe er schreiben und lesen gelernt hatte jenes Blatt zu kopieren gab; und dann wieder, nachdem er schreiben und lesen gelernt hatte. Und er wird uns dann vielleicht sagen: “Ja, jetzt sehe ich diese Linien ganz anders.” Er wird auch vielleicht erklären: “Jetzt sehe ich eigentlich nur die Schrift, die ich gerade lese.; alles andere ist Drum [a|u]nd Dran, was mich nichts angeht und ich kaum bemerke.2” Nun, das heisst: er sieht das Bild anders – wenn er nämlich wirklich auch anders dd darauf reagiert.
    E[v|b]enso wird, wer lesen gelernt hat, von dem Blatt[m|,] das nach der Länge und Quere beschrieben ist, einen andern Bericht geben können, als wer nicht lesen kann. Und Analoges gilt vom Sprechen und den begleitenden Geräuschen.

 
   
458
    ((Zu № 685 S.191)). Es gibt da die Antwort “Ich habe ein noch nie daraufhin angeschaut.”

 
   
459
    Denke, Einer antwortete: “Für mich schaut es immer in dieser Richtung”. – würden wir seine Antwort [j|n]un annehemen? Sie würde uns zu behautpten scheinen, er denke, wann immer [d|e]r diesen Buchstaben sieht, an solche Zusammenhänge (ganz so, wie man sagt: Wenn immer ich diesen Menschen sehe, [j|m]uss ich daran denken, wie er …”

 
   
460
    Aber wenn wir nun das Bild eines Gesichts, oder ein wirkliches
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Gesicht sehen, – kann man hier auch sagen: [|I]ch sehe es nur so lange in dieser Richtung sc[ah|ha]uend als ich mich so damit beschäftige? – Was ist der Unterschied? Die Mitteilung “Dieses Gesicht schaut nach rechts” ist, für gewöhnlich, eine über die Lage des Gesichts, ich mache sie Einem, der s[l|e]lbst das Gesicht nicht sieht. Es ist die Mitteilung einer Wahrnehmung.

 
   
461
    ((Zu № 686 S.191 [(|] 192)). Zeigt dies nun aber, dass es sich in diesen Fällen um ein ‘Sehen’ nicht handeln [l|k]ann – sondern etwa um ein Denken? Dage[b|g]ens spricht schon, dass man überhaupt von einem Sehen reden will. Soll ich also sagen, es ist hier ein Phänomen zwischen Sehen und Denken? Nein; aber ein Begriff, der zwischen dem des Sehens und dem des Denkens liegt, d.h., mit beiden Aehnlichkeit hat; und Phänomene, die mit denen des Sehens und Denkens verwandt sind (z.B. das Phänomen der Aeusserung “Ich sehe das F nach rechts schauen”[(|)].

 
   
462
    Wie merkt man, dass die Menschen räumlich sehen? Ich frage Einen, wie das Terrain liegt, das er überschaut. “Liegt es so?” (räumliche Geste) – “Ja.” – “Woher weisst du das?” – [e|E]s ist nicht [h|n]eblig, ich sehe ganz klar.” – Es werden keine Gründe für die Vermutung abgeben. Es ist uns einzig natürlich, das Geschaute räumlich darzustellen; während es für die ebene Darstellung, sei es durch Zeichnung oder durch Worte, besonderer Uebung und eines Unterrichts bedarf. Die Sonderbarkeit der Kinderzeichnungen.

 
   
463
    Was fehlt dem, der die Frage nicht versteht, nach welcher Seite der Buchstabe F schaue, wo ihm etwa eine Nase zu malen wäre?
    Oder dem, der nicht findet, beim öftern Wiederholen eines
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Wortes gehe diesem etwas verloren; seine Bedeutung; und es werde nun ein [ll|gr]osser Klang?


    Wir sagen “Zuerst war etwas da wie eine Vorstellung”.


 
   
464
    Ist es dies, dass er einen Satz nicht wie die Verstehenden geniessen, beur[et|te]ilen kann; dass der Satz für ihn le[n|b]t (mit allem, was das in sich schliesst); dass das Wort nicht das Aroma seiner Bedeutung hat? Dass er sich also in vielen Fällen anders zu einem Wort verhält als wir? Dass er sich also in vielen Fällen anders zu einem Wort verhält als wir? – Es könnte so sein.

 
   
465
    Wenn ich aber eine Melodie mit Verständnis höre, geht da nicht etwas Besonderes in mir vor – was nicht vorgeht, wenn ich sie verständnislos höre? Und was? – Es kommt keine Antwort; oder was mir einfällt, ist abgeschmackt. Ich kann wohl sagen: “Jetzt habe ich sie verstanden”, und nun etwa über sie reden, sie spielen, sie mit andern vergleichen, etc. Zeichen des Verständnisses mögen das Hören [g|b]egleiten.

 
   
466
    Es ist falsch, das Verstehen einen Vorgang zu nennen, der das Hören begleitet. (Man könnte ja auch die Aeusserung davon, das ausdrucksvolle Spiel, nicht eine Begleitung des Hörens nenn nennen.) Dann

 
   
467
    Denn wie lässt sich erklären, was ‘ausdrucksvolles Spiel’ ist? Gewiss nicht durch etwas, was das Spiel begleitet. – Was gehört also dazu? Eine Kultur, möchte man sagen. – Wer in einer bestimmten Kultur erzogen ist, – dann auf Musik so und so reagiert, dem wird man den Gebrauch des Wortes “ausdrucksvolles Spiel”
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beibringen können.

 
   
468
    Das Verstehen eines Themas ist weder eine Empfindung, noch eine Summe von Empfindungen. Es ein Erlebnis zu nennen, ist aber dennoch insofern richtig, als dieser Begriff des Verstehens manche Verwandtschaften mit andern Erlebnisbegriffen hat. Man sagt “Ich habe diese Stelle diesmal ganz anders erlebt”“. Aber doch ‘beschreibt’ dieser Ausdruck ‘was geschah’ nur für den, der mit einem sondern Begriff System vertraut ist. Analogie: “Ich habe die Partie gewonnen”. // Aber doch sagt dieser Ausdruck ‘was geschah’ nur für den (also auch für den Sprecher) der in einer besondern, diesen Situationen angehörigen Begriffswelt zu Hause ist. //

 
   
469
    Beim Lesen schwebt mir das vor. So geht also etwas beim Lesen vor sich …? Diese Frage führt ja nicht weiter.

 
   
470
    Wie kann mir doch das vorschweben? Nicht in den Dimensionen, an die du denkst.

 
   
471
    Gewisses am sehen kommt uns rätselhaft vor, weil uns das ganze Sehen uns nicht rätselhaft genug vorkommt.

 
   
472
    Dass jemand einen deutlich gemalten Würfel räumlich sieht, wissen wir Alle. Er kann, was er sieht, vielleicht nicht einmal anders als räumlich beschreiben. Und, dass Einer so ein Bild auch flach sehen könnte, ist klar. Wenn er nun abwechselnd das Bild einmal so, einmal so sieht, hat er das Erlebnis eines Wechsels des des Aspekts. Was ist dann daran das Staunen erregende? – ist es dies: dass hier der Bericht “Ich sehe jetzt … nicht mehr Bericht über den wahrgenommenen Gegenstand sein kann. Denn früher
723
war [h|j]a “Ich sehe auf diesem Bild einen Würfel” der Ber[n|i]cht über den Gegenstand, welchen ich anblicke.

 
   
473
    Das Unbegreifliche ist ja doch, dass sich nichts geändert hat und sich doch Al[e|l]es geändert hat. Denn nur so kann man es ausdrücken. Nicht so: es habe sich in einer Beziehung nicht verändert, wohl aber in einer andern. Daran wäre nichts Seltsames.” Es hat sich ni[hc|ch]ts geändert” heisst aber: Ich habe kein Recht, meinen Bericht über das Gesehene zu ändern, ich sehe nach wie vor das Selbe – bin aber, auf unbegreifliche Weise, gezwungen abwechselnd ganz verschiedenes zu berichten.

 
   
474
    Und es ist nicht so: [I|i]ch sehe das Bild eben als einen der unendlich vielen Körper, dessen Projektion es ist; – sondern nur als diesen – oder als diesen. Das Bild ist also abwechselnd der Eine und der Andere.

 
   
745
    Wir haben jetzt einen Sprachspiel, das in merkwürdiger Weise gleich, [i|u]nd in merkwürdiger Weise verschieden verschieden von dem frühern ist. Die Konsequenzen aus dem Ausdruck “Ich sehe jetzt … ” sind n[j|u]n gänzlich andere; obwohl doch wieder enge Verwandtschaft der Sprachspiele besteht.

 
   
476
    Dass das Auge (der Punkt in unserem Bild) in einer Richtung liegt hätte uns gar nicht in Staunen versetzt – bis es die Blickrichtung geändert hatte.

 
   
477
    ((Statt № 835 S.299.)) Die Frage liegt nahe: könnten wir uns Menschen denken, die nie etwas als etwas sähen? Würde diesen ein wichtiger Sinn fehlen; ähnlich als wären sie farbenblind oder als fehlte ihnen absolutes Gehör? Nennen wir solche
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Menschen einmal “gestaltblind” oder “aspektblind”.

 
   
478
    Da wird es sich fragen, für welche Art von Aspekt [E|e]iner blind ist. Soll ich z.B. annehmen, dass er das Würfelschema nicht einmal so so, einmal anders im Raum sehen kann? Ist es so, werde ich konsequenter Weise annehmen müssen, er könne das Bild eines Würfels nicht als Würfel, also das Bild eines räumlichen Gegenstandes nichts als solchen sehen. Er hätte also zu Bildern überhaupt eine andere Einstellung als wir. Es könnte die|se[r,|in], die wir zu einer Blaupause haben. Er wäre z.B. im Stande, nach einer bildlichen Darstellung zu arbeiten. – Aber hier ist die Schwierigkeit, dass er ein Bild dann nie für einen räumlichen Gegenstand halten dürfte, wie wir z.B. manchmal eine Scheinarchitektur. Und das könnte man nicht wohl eine Blindheit nennen; eher das Gegenteil. (Diese Untersuchung ist keine psychologische.)

 
   
479
    Es lässt sich ja natürlich vorstellen, dass Einer nie einen [w|W]echsel des Aspekts sieht; indem der räumliche Aspekt eines jeden Bildes für ihn immer stabil bleibt. Aber diese Annahme interessiert uns nicht

 
   
480
    Es ist aber denkbar, und für uns auch wichtig, dass Leute ein von dem unsern ganz verschiedenes Verhältnis zu Bildern haben könnten. ((No. 836 S.230)).

 
   
481
    Wir könnten uns also Einen denken, der nur ein gemaltes Gesicht als Gesicht sähe, aber nicht eines, das aus einem Kreis und vier Punkten besteht. Der also das Hasen-Entenbild nicht als Bild eines Tierkopfes sieht, und daher auch nicht den Aspekt-
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wechsel, welchen wir kennen.

 
   
482
    Einer soll das Bild eines Laufenden nicht als Bild der Bewegung sehen können: Wie würde es sich zeigen? Ich nehme an, er habe gelernt, das so ein Bild einen Läufer darstellt. So kann er also sagen, es sei ein Läufer; wie wird er sich dann von den normalen Menschen unterscheiden? Er wird für die Darstellung der Bewegung in einem Bild überhaupt nicht Verständnis zeigen, – we[dr|rd] werde ich annehmen. Und was würden wir [z|Z]eichen dieses mangelnden Verständnisses nennen? – Das können wir uns unschwer ausmalen. (Wenn aber ein Solcher nun jedes Bild sehen und genau kopieren könnte, so würden wir gewiss von ihm nicht sagen. sein Gesichtssinn sei mangelhaft.)


    Es ist ja klar, dass der Schüler, der nur eben erst mit dem Begriff Spitze, Grundlinie, etc. Bekanntschaft gemacht hat, dass
für den
dem
die Worte “Ich sehe jetzt das als Spitze – jetzt das” keinen Sinn haben werden. Aber das meinte ich nicht, als einen Erfahrungssatz.

 
   
483
    Nur von dem würde man sagen, er sähe es jetzt so, jetzt so, der im Stande ist, mit Geläufigkeit allerlei Anwendungen von der Figur zu machen.

 
   
484
    Wie seltsam aber, dass dies die Bedingung sein soll, dass er das und das erlebt! Du sagst doch nicht, dass nur der Zahnschmerzen hat, der das und das zu tun im Stande sei. Woraus eben folgt, dass wir's hier nicht mit dem selben Erlebnisbegriff zu tun haben.
    Der Erlebnisbegriff ist jedesmal ein anderer, wenn auch ein Verwandter.
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485
    Wir sprechen, machen Aeusserungen, und erst spä später erhalten wir ein Bild von ihrem Leben.

 
   
486

    Man könnte sich aber diese Art und Weise denken, dem Schüler jenes Sehen beizubringen: Man zeichnet zu de[,|m] Dreieck ein zweites hin, welches das noch nicht umgestürzte ist. Später lässt man dies aus und er kann nun das Dreieck als umgefallen sehen. – Muss er denn aber diese Illustration verstehen, oder doch richtig sehen? – Es könnte sein, dass sie ihn nur noch verwirrt.
    Wem jene Illustration nichts sagt, zu dem werden auch andere Bilder nicht sprechen wie zu uns, er wird auf sie nicht so reagieren wie wir. (Nicht erfahrungsmässig.) Analogie mit dem Bild des laufenden Pferdes.

 
   
487
    Es ist nicht weniger als selbstverständlich dass wir mit zwei Augen ‘räumlich’ sehen. Wenn die Beiden Gesichtsbilder in eins verschmelzen, könnte man sich als Resultat ein verschwommenes erwarten, analog einer verwackelten Fotografie.

 
   
488
    Eine Geheimsprache, die ich mit Einem vereinbare, worin “Bank” Apfel bedeutet. Gleich nach der Vereinbarung sage ich ihm “Schaff diese Bänke fort!” – Er versteht mich und tut es; aber das Wort “Bank” kommt ihm in dieser Verwendung noch immer fremdartig vor, und er mag bei ihm die Vorstellung von einer Bank haben.

 
   
489
    Was würde man von dem sagen, der das Würfelschema nicht einmal als Stehende, einmal als liegende Schachtel sehen kann? Ist dies nicht, wenn es ein Defekt ist, eher [e|E]iner der Fantasie, als des Gesichtspunkts?
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490
    Aber welch merkwürdige Methode! – Ich bilde einen Begriff und frage mich, wie er konsequ[at|en]t durchzuführen wäre. Was “seine konsequente Durchführun[h|g]” für uns zu heissen verdiente. Wir sehen ein Gemälde zwar räumlich, es wäre uns nicht leicht, es als Aggregat ebener Farbflächen zu beschreiben, aber was wir im Stereoskop sehen, schaut noch ganz anders räumlich aus. – Wer eine Photographie betrachtet, von Menschen, Häusern, Bäumen etwa, dem scheint Räumlichkeit an ihr nicht abzugeben! ((Zu der Bemerkung über das räumliche mit beiden Augen.))

 
   
491
    Ich kann das Würfelschema als Schachtel sehen, aber nicht: einmal als Papier – einmal als Blechschachtel. – Was sollte ich dazu sagen, wenn jemand mich versicher[et|te] er könnte die Figur als Blechschachtel sehen? Sollte ich antworten, dass sei kein Sehen? Aber, wenn nicht sehen, könnte er es also empfinden?
    Es wäre natürlich plausibel, zu antworten: nur was in Wirklichkeit gesehen werden könnte, könne man sich so visuell vorstellen. ((Das Wissen im Traum.))

 
   
492
    Die Erfahrung, wenn man aus dem Kino auf die Strasse tritt und Strasse und Menschen sieht, als wären sie auf dem Lichtschirm und teil einer Filmhandlung. Woran liegt es? Wie sieht man die Strasse und die Menschen? Ich könnte nur sagen: ich habe z.B. den flüchtigen Gedanken “vielleicht wird dieser Mann eine Hauptperson im Stück sein”. Aber das allein ist es nicht. Meine Einstellung ist irgendwie die,
zu
dir
den Vorgängen auf der Leinwand. Etwa wie eine milde Neugierde, ein Vergnügen. Aber das Alles kann ich zue[sr|rs]t gar nicht sagen.

 
   
493
    Gehört dazu, etwas als Variation eines bestimmten Themas zu
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hören, nicht Fantasie? Und doch nimmt man dadurch etwas wahr.

 
   
494
    “Stell dir [r|d]as so geändert vor, so hast du das andere.” Im All[h|g]emeinen möchte man sagen, die Vorstellungskraft könne ein Bild, eine Demonstration ersetzen.

 
   
495
    Die Aspekte des doppelten Kreuzes kann man einfach dadurch ausdrücken, dass man einmal auf ein weisses Kreuz, einmal auf ein Schwarzes [s|z]eigt, darauf also, worauf man auch bei der Frage wiese “Ist in der Figur auf diesem Papier dies enthalten?” – Die gleiche fF Frage könnte man bezüglich des Hasen – Enten – Bildes stellen. Es ist aber auch klar, dass hier jeder Fall etwas von dem Andern abweicht.
    Denn, um die Aspekte dieses Bilds auszudrücken, zeigt man z.B. auf etwas, was nicht im Bild enthalten ist, wie das schwarze Kreuz im Doppelkreuz.

 
   
496
    Du redest doch vom Verstehen Verstehen der Musik. Du verstehst sie doch während du sie hörst! Sollen wir davon sagen, es sei ein Erlebnis, welches das Hören begleite?

 
   
497
    Ich gebe Zeichen des Entzückens und des Verständnisses.
    Ist es Wortklauberei: Freude, Genuss, Entzücken seien nicht Empfindungen? Fragen wir uns einmal: Wieviel Analogie besteht denn zwischen dem Entzücken und dem, was wir z.B. “Sinnesempfindungen nennen?

 
   
498
    Das Bindebild zwischen ihnen wäre der Schmerz. Denn sein Begriff ähnelt dem der Tastempfindung, z.B. (durch die Merkmale der Lokalisierung, echten Dauer, [i|I]ntensität, Qualität) und zugleich dem der Gemütsbewegungen durch den Ausdruck (Mienen, Gebärden, Laute).
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499
    Wie weiss ich, dass Einer entzückt ist? Wie lernt man de[r|n] sprachlichen Ausdruck des Entzückens? Woran knüpft er sich? An den Ausdruck von Körperempfindungen? Fragen wir Einen, was er in der Brust, in den [g|G]esichtsmuskeln spürt, um herauszuf[u|i]nden, ob er Genuss empfindet?

 
   
500
    Heisst das aber, es gäbe nicht doch Empfindungen, die oft beim Geniessen der Musik wiederkehren? Durchaus nicht. (Bei manchen Stellen mag ihm das Weinen kommen und es spürt es im Kehlkopf).
    Ein Gedicht macht uns beim Lesen einen Eindruck. “Fühlst du das selbe, während du es liest, wie wenn du etwas Gleichgiltiges liest?” – Wie habe ich auf diese Frage antworten gelernt? Ich werde vielleicht sagen: “Natürlich nicht!” – was soviel heisst wie: mich ergreift dies, und das andere nicht. “Ich erlebe dabei etwas anderes.” – Und welcher Art ist dies? – Ich kann nichts Befriedigendes antworten. Denn, was ich angebe, ist nichts Wichtiges. – “Hast du aber nicht während des Lesens genossen?” Freilich ‒ ‒ ‒ denn die entgegengesetzte Antwort hiesse: ich hätte es früher, oder später genossen; und das will ich nicht sagen.
    Aber nun erinnerst du dich an gewisse Empfindungen und Vorstellungen und Gedanken beim Lesen, und zwar solche, die für das Geniessen, für den Eindruck nicht irrelevant waren. – Aber von denen möchte ich sagen, sie hätten ihre Richtigkeit nur durch ihre Umgebung erhalten: durch das Lesen des Gedichts, durch meine Kenntnis der Sprache, des Metrums und unzähliger anderer Dinge. Diese Augen lächeln nur in diesem Gesicht und in diesem zeitlichen Zusammenhang.)
    Du musst d[u|i]ch doch fragen, wie haben wir den Ausdruck
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“Ist das nicht herrlich!” (z.B.) überhaupt gelernt? – Niemand erklärte ihn uns, indem er sich auf Empfindungen, Vorstellungen, oder Gedanken bezog, die das Hören begleiten! Ja[m|,] wir würden nicht verzweifeln, dass er's genossen hat, wenn er keine solchen Erlebnisse anzugeben wüsste; wohl aber, wenn es sich zeigte, dass er gewisse Zusammenhänge nicht versteht.

 
   
501
    Aber zeigt sich das Verständnis nicht z.B. darin, mit welchem Ausdruck Einer das Gedicht liest, die Melodie singt? Gewiss. Aber was ist nun hier das Erlebnis während des Lesens? Da müsste man ja sagen: der Geni geniesse und verstehe es, der es gut gelesen hört, oder in de[r|n] Sprechorganen fühlt.

 
   
502
    Man kann auch vom Verstehen einer musikalischen Phrase sagen, es sei das Verstehen einer Sprache.

 
   
503
    Ich denke an eine ganz kurze von nur zwei Takten. Du sagst “Was liegt nicht alles in ihr!” Aber es [u|i]st nur, so zu sagen, eine optische Täuschung, wenn du denkst, beim Hören gehe vor, was in ihr liegt. (Denk doch daran, dass wir manchmal, und ganz mir sagen, und ganz mit Recht: “Es kommt drauf an, wer's sagt”.) (Nur in dem Schluss der Gedanken und des Lebens haben die Worte Bedeutung.)

 
   
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    Nicht das enthält die Täuschung: “Jetzt Jetzt habe ich's verstanden.” – und nun folgt vielleicht eine lange Erklärung dessen, was ich verstanden habe.

 
   
505
    Wie hängt das Sehen eines Aspekts zusammen mit der Fähigkeit zu operieren (z.B. in der Mathematik)? Denk an das räumliche Sehen in der darstellenden Geometrie und das Operieren in der
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Zeichnung. Er bewegt sich mit dem Stift auf der Zeichenfläche, als bewegte er sich im wirklichen Körper. Wie aber kann das ein Beweis des Sehens sein?
    Nun, ist es uns nicht auch ein Beweis des Sehens, wenn sich Einer mit Sicherheit im Zimmer umherbewegt? Es gibt eben verschiedene Kriterien des Sehens. Frag dich: Muss Einer, der Tiere, Menschen, und allerlei Gegenstände gut nach der Vorstellung oder Erinnerungen zeichnen kann, sie dazu vor dem innern Auge sehen? Die Antwort könnte sein: “In so einem Fall sagen wir eben … ” – aber auch: “Man muss den Zeichner fragen, ob er's tut oder nicht.”

 
   
506
    Es ist nun ein Zusammenhang zwischen Aspekt und Fantasie.

 
   
507
    Die Aspekte von Mantel und Grundfläche. Was fehtl dem, der für sie blind wäre? – Es ist nicht unsinnig, zu antworten: Vorstellungskraft.

 
   
508
    Bedenke, dass es für einen Aspekt oft ein ‘[T|t]reffendes’ Wort gibt.
    Lässt m[q|a]n z.B. Einen das Doppelkreuz ansehen und berichten, welchen der beiden Aspekte (schwarzes Kreuz oder weisses Kreuz) er sehe, so mag es uns gleichgiltig sein, ob er sagt, er sehe das eine Mal etwas wie ein [W|w]eisses Windmühlchen mit view Flügel[l|n], das andere Mal ein stehendes schwarzes Kreuz, oder ob er das weisse Kreuz als vier gegen die Mitte gefaltete Spitozen eines Papiers sieht. Das Kreuz, welches ‘jetzt’ gesehen wird, kann auch als kreuzförmige Oeffnung gesehen werden. Aber auf diese Unterschiede müsste es uns nicht ankommen; und man könnte also eine Unterscheidung machen zwischen ‘rein optischen’ und ‘begriff-
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lichen’ Aspekten. ((Aehnlich könnte es bei der Erzählung eines Traums auf die besondern Worte, mit welchen die Traumsituationen beschrieben werde, ankommen, oder nicht ankommen.))

 
   
509
    Man könnte nicht verstehen “Sieh F als ”, so lange nicht noch etwas ganz anderes gesagt ist. Denn verstünde ich “Sieh dieses Dreieck als jenes Dreieck”? Es muss erst eine begriffliche Verbindung bestehen.

 
   
510
    “Es sieht jetzt für mich nach links ‒ ‒ ‒ und nun wieder nach rechts.” Also so, wie schon vorher? Nein; früher hatte es für mich keine Richtu[h|n]g. Ich umgab es früher nicht mit dieser Welt von Vorstellungen.

 
   
511
    Die Aufmerksamkeit ist dynamisch, nichts statisch – möchte man sagen. Ich vergleiche das Aufmerken zuerst mit einem Hinstarren: das ist es aber nicht, was ich Aufmerksamkeit nenne; und will [b|n]un sagen, ich finde, man könne nicht statische aufmerken.

 
   
512
    Einer k[p|ö]nnte beim Anblick eines Felsens ausrufen “Ein Mann!” und nun vielleicht dem andern zeigen, wie er in dem Felsen den Mann sieht, – wo das Gesicht, wo die Füsse sind, etc. (Ein anderer könnte in der gleichen Form einen Mann in anderer Weise sehen.
    Man wird sagen, es sei dazu Fantasie erforderlich. Nicht aber dazu, das [N|n]aturgetreue BI Bild eines Hundes als solches zu erkennen.

 
   
513
    “Er verg[el|le]icht den Felsen mit einer menschlichen [g|G]estalt” – aber nicht im gleichem Sinne: er vergleiche jenes Bild mit einem Hund, oder diese Passfotografie mit einem Gesicht.
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514
    Ich sage mir beim Anblick der Fotografie nicht “Das könnte man als einen Menschen ansehen”. Noch beim Anblick des F: “Das könnte man als ein F ansehen”.

 
   
515
    Wer mir die Figur zeigte und mich fragte “Was ist das?”, dem könnte ich nur so antworten. – Auch nicht: “Ich halte das für ein … ”, oder “Es ist wohl ein …”. So wenig, wie ich beim Lesen in einem Buch die Buchstaben für das oder das halte.

 
   
516
    “Ich sehe als ein … ” geht zusammen mit “Ich versuche es als … zu sehen”, oder “Ich kann es noch nicht als ein … sehen”. Du kannst aber nicht versuchen, das gewöhnliche F als dies zu sehen.

 
   
517
    Einen im Geist um Rat fragen. Die Zeit schätzen, indem man wich eine Uhr vorstellt.

 
   
518
    Im Aspekt ist eine Physiognomie vorhanden, die nachher vergeht. [e|E]s ist beinhae beinahe, als wäre da ein Gesicht, welches sich zue[sr|rs]t nachahme und dann hinnehme, ohne es nachzuahmen. Und ist das nicht eigentlich [h|g]enug der Erklärung? – Aber ist es nicht zuvie viel?

 
   
519
    Wenn ich in einem bestimmten Fall sage: die Aufmerksamkeit besteht in der Bereitschaft, jeder kleinsten Bewegung, die sich zeigen mag, zu folgen, – so siehst du schon, dass die Aufmerksamkeit nicht das starre Hinschauen ist, sondern ein Begriff anderer Art.

 
   
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    Nicht den Aspektwechsel sieht man, sondern den Deutungswechsel.

 
   
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    D[i|u] siehst es nicht einer Deutung, sondern einem Deuten gemäss.
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522
    Wen man fragte “Kannst du F als ein ef sehen?”, der würde uns nicht verstehen. Die Frage “Kannst du es als ein Spiegel-F sehen” aber würde er verstehen. [u|U]nd auch die: “Und kannst du es jetzt wieder als ein gewöhnliches ef sehen?” Warum?
    “Kannst du es als … sehen?” oder “Sieh es jetzt als ein … ” geht zusammen mit: “Fass es jetzt als ein … auf.”
    Nur wo dieser Befehl Sinn hat, hat jene Frage Sinn.

 
   
523
    Denk, jemand sagte, auf ein gewöhnliches Druck-F zeigend, “Jetzt es ein ef” – Was heisst das? Hat es einen Sinn? Es hat einstweilen noch keinen. In wie fern ist es jetzt dies? Etwa insofern es immer dies ist? Und im Gegensatz wozu? – Ich schaue auf eine Lampe und sage “Jetzt ist es eine Lampe” – was kann ich meinen?

 
   
524
    Du brauchst eine neue Begriffsbr[o|i]lle.

 
   
525
    Wer sagt “Jetzt ist es für mich ein Gesicht”, dem kann man fragen: “Auf welche Art der Verwandlung spiel[t|s]t du an?”

 
   
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    Der Ausruf “Ein Hase!” ist ja verwandt mit der Meldung “ein Hase”.

 
   
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    Was ist denn die Aeusserung des Staunens? Kann es eine stationäre Haltung sein? Kann also das Staunen ein Zustand der Ruhe sein? // ein stationäre[n|r] Zustand sein? //

 
   
528
    Denk dir, man fragte: “Warum ist das Erlebnis der Ueberraschung nicht festzuhalten?”

 
   
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    “Das ef verwschwindet und es ist ein Kreuz da; das Kreuz verschwindet und es ist ein Spiegel-F da; etc.” Das ist doch der
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Ausdruck der Aenderung der Wahrnehmung.

 
   
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    Ver Vergiss, vergiss, dass du diese Erleb[j|n]isse selber hast!

 
   
531
    Es ist uns doch, als zeichnete unser Auge jedes Mal eine andere Figur in diese Striche (auf dem Papier).

 
   
532
    Verschiedene Bilder erscheinen mir. Aber wie verschieden? Worin verschieden? Dass kann ich nur durch eine Genesis erklären.

 
   
533
    Ich sage etwas; und es ist richtig; – aber nun misverstehe ich die Verwendung, der diese Aussage gehören würde.

 
   
534
    Wie spielt man denn das Spiel “Es könnte auch das sein”? Das, was die Figur auch sein könnte – und das ist das, als was sie gesehen werden kann – ist nicht einfach eine andere Figur. Es hatte darum keinen Sinn, zu sagen: F könnte auch ein sein. Oder auch: – dies könnte ganz verschiedenerlei heissen.
    Jenes Spiel aber könnte man z.B. mit einem Kind spielen. Zusammen betrachten wir eine Figur; oder einen beliebigen Gegenstand (ein Möbelstück) – und nun heisst es: “das soll jetzt ein Haus sein” – und es wird nun von ihm berichtet und erzählt, und man stellt sich zu ihm, als wäre es ein Haus, und es wird ganz als dies ausgedeutet. Dann stellt das gleiche Ding etwas anderes vor, eine andere Erfindung wird darum gewoben.

 
   
535
    Wie wirst du wissen, ob das Kind das Ding als sieht? nun, vielleicht wird es dies spontan sagen. Etwa sagen; “Ja, jetzt sehe ich es als …”. Und in dieser
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Situation, bei der lebhaften Teilnahme an der Erdichtung, wird es uns allerdings das Sehen des Aspekts bedeuten.

 
   
536
    Ich will sagen: dieses Spiel ist mit dem des Sehens der Aspekte des F z.B. verwandt.
    Dass Einer mit den Dingen, gleichsam, Theater spielen kann, ist für uns eine Vorbedingung dessen, dass er mit den Worten “Jetzt sehe ich es als … ” das meint, was wir meinen.

 
   
537
    Wie lehrst du ein Kind etwa beim Rechnen: “Jetzt nimm diese Punkte zusammen!” oder “jetzt gehören die zusammen”? Offenbar muss “zusammennehmen” und “zusammengehören” ursprünglich eine andere Bedeutung für ihn gehabt haben, als die, etwas so oder so sehen. – Und das war eine Bemerkung über Begriffe, nicht über Unterrichtsmethoden.

 
   
538
    Man kann allerdings sagen “Sieh die Figur jetzt an für fünf Minuten als ein … ”, denn dies heisst: Er halte, balanciere sie in diesem Aspekt.

 
   
539
    Was verstehst du, wenn dir Einer sagt “Ich sehe es (nämlich das gewöhnliche F) als ein ef”? – Dass er es mit Aspekten zu tun hat; dass es ein labyler Zustand ist. Dass er denkt ‘es könnte auch das sein’.

 
   
540
    Das Sehen der Aspekte ist auf anderen Spielen aufgebaut.

 
   
541
    Man redet ja von einem Rechnen in der Vorstellung. Es ist also nicht Ueberraschendes, dass die Vorstellungskraft der Erkenntnis dienen kann.

 
   
542
    Ich will aber nicht sagen, dass der Aspekt eine Vorstellung
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ist. Aber dass ‘einen Aspekt sehen’ und ‘sich etwas vor[ttl|ste]llen’ verwandte Begriffe sind.

 
   
543
    Vom Sehen des Aspekts möchte man fragen: “Ist es ein Sehen? ist es ein Denken?” Der Aspekt un[et|te]rsteht dem Willen: schon das macht ihn dem Denken verwandt.

 
   
544
    “Der Aspekt untersteht dem Willen”. Er ist nicht Erfahrungssatz. Es hat Sinn, zu sagen “Sieh diesen Kreis als Loch, nicht als Scheibe”; aber nicht “Sieh ihn als Viereck”, oder “Sieh ihn r[l|o]t”.

 
   
545
    ((Zu № 699)). Sehe ich wirklich jedes Mal etwas anderes, oder deute ich nur, [d|w]as ich sehe, auf verschiedene Weise? Ich bin geneigt, das erste zu sagen. Aber warum? – Deuten ist ein Denken, ein Handeln[;|.] un

 
   
546
    Die Fälle, in welchen wir deuten, was wir sehen, sind leicht zu erkennen. Deuten wir, so machen wir eine Hypothese, die sich als falsch erweisen mag. “Ich sehe diese Figur als ein … ” kann so wenig (oder nur in dem Sinne) verifiziert werden, wie die Aussage “Ich sehe ein leuchtendes Rot”. Hier besteht also eine Aehnlichkeit der Verwendungen des Wortes “sehen” in beiden Zusammenhängen.

 
   
547
    Denken wir, es fragte jemand; “Sehen wir Alle ein F auf die gleiche Weise?” Was könnte damit gemeint sein? – Wir könnten diesen Versuch machen: wir zeigen verschiedenen Leuten F und stellen die Frage “wohin schaut ein F, nach rechts, oder links”? Oder: “Wenn du ein F mit einem Gesicht im Profil vergleichst, wohin schaut das Gesicht?”


    Mancher aber würde vielleicht diese Frage [h|n]icht verstehen.
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Wie Mancher auch die Frage nicht versteht “Welche Farbe hat für dich der Vokal a?” – Wenn Einer sie nicht verstünde, wenn er erklärte, sie sei Unsinn, – könnten wir sagen, er verstehe nicht deutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter “Farbe”, “Vokal”, etc.?
    Im Gege[h|n]teil: Wenn er diese wor Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auch jene Fragen ‘mit Verständnis’ oder ‘ohne Verständnis’ reagieren.

 
   
548
    Denk, nicht die Frage wäre gestellt worden “In welcher Richt[i|u]ng schaut der Buchstabe …?” – Sondern die: “Wenn du Einem F oder J ein Aug oder eine Nase malen solltest, wohin würde es schauen?” Dies wäre doch auch eine psychologische Frage. Und in ihr ist von einem ‘so, oder anders sehen’ nicht die Rede. Statt dessen aber von einer Neigung, das eine oder andere zu tun. (Es ist aber zu bedenken wie er zu der seiner Antwort auf diese Frage gelangt.) – Also ist es jenes Sehen mit einer Neigung verwandt. Die Neigung kann sie ändern, oder ganz fehlen.

 
   
549
    “Mit diese Verteilung der Fenster schaut die Fassadeq dorthin.”
    “Die Fenster waren früher so verteilt[m|,] dass die Fassade dorthin sah.”
    Der erste Satz ist ähnlich einen geometrischen. Im zweiten dien dient der Begriff der ‘Richtung, in welcher sie schaut’ der Beschreibung der Fassade. So wie man ein Gesicht mittels der Begriffe ‘fröhlich’, ‘mürrisch’, ‘misstrauisch’ beschreibt, oder eine Bewegung mit ‘furchtsam’, ‘zögernd’, ‘sicher’. Und insofern dies Beschreibungen des visuell Wahrgenommenen, des
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Beobachteten sind, sind es auch Beschreibungen des visuellen Eindrucks. Man kann also sagen: man sähe das Zögern. (Wer ein Bild kopiert, dem kann man sagen “Das Gesicht ist noch nicht richtig, es ist nicht traurig genug”.)

 
   
550
    Wer einen Blick r Familienähnlichkeiten hat, kann erkennen, dass zwei Leute mit einander verwandt sind, auch ohne sagen zu können, worin die Aehnlichkeit besteht. (Denke an den Fall des Rechenkünstlers.)

 
   
551
    Es könnte [S|s]prachunrichtig sein, zu sagen “Ich sehe Furcht in diesem Gesicht”. Es wurde uns gelehrt: ein furchtsames Gesicht könne man ‘sehen’; die Furcht in ihm, die Aehnlichkeit, oder Verschiedenheit zweier Gesichter ‘bemerke’ man.

 
   
552
    Die Verwandtschaft der beiden Begriffe zeigt sich ja in dieser Erklär[i|u]ng; um ihre Verschiedenheit zu erkennen, bedenke man, welchen Sinn es haben könnte zu sagen, Einer habe die Aehnlichkeit zweier Gesichter von diesem Glockenschlage bis zum nächsten [G|g]esehen, Oder denk an den Befehl:
“Bemerke
“Merk auf
die Aehnlichkeit von … bis …!”

 
   
553
    Die Beschreibung des Gesichtseindrucks kann eine Zeichnung sein. [w|W]as in der Zeichnung oben, was unten ist, ist meistens von der grössten Wichtigkeit. Es k[i|ö]nnte aber auch festgesetzt werden in welcher Entfernung vom Auge wir sie halten sollten. Ja auch, auf welchem Punkt die Zeichnung wir zu blicken haben, oder wie unser Blick auf ihr zu wandern habe.

 
   
554
    Ich fange an, die Aehnlichkeit zu sehen, wenn sie mir ‘auffällt’; und sehe sie [s|d]ann, solange ich die ähnlichen Gegenstände sehe? Oder nur solange ich mir der Aehnlichkeit bewusst bin? – Fällt mir
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die Aehnlichkeit auf, so nehme ich etwas wa[r|h][,|r]; ich brauche mir ihrer aber nicht bewusst zu bleiben, um wahrzunehmen, dass sie sich nicht ändert.

 
   
555
    Zwei Verwendungen des Berichtes “[I|i]ch sehe …”. Ein Sprachspiel: “Was sieh[ts|st] du dort?” – “Ich sehe … und es folgt eine Beschreibung des Gesehen mit Worten, durch eine Zeichnung, ein Modell, Gebärden, etc. – Ein anderes Sprachspiel: Wir betrachten zwei Gesichter, und ich sage zum Andern: “ich sehe eine Aehnlichkeit in ihnen.”.
    Im ersten Sprachspiel hätte die Beschreibung z.B. lauten können: “Ich sehe zwei Gesichter, die einander ähnlich sind wie Vater und Sohn.” – Man kann dies eine weit unvollständigere Beschreibung nennen als die durch eine Zeichnung es wäre. Aber Einer könnte diese vollständigere Beschreibung geben und doch jene Aehnlichkeit nicht bemerken. Ein Anderer könnte die Zeichnung des Ersten sehen und die Fa[,|m]ilienähnlichkeit in ihr entdecken; und in gleicher Weise auch eine Aehnlichekeit des Gesichtsausdrucks.

 
   
556
    “Als ich das Wort jetzt aussprach, bedeutet es für m[u|i]ch …”. Warum sollte das nicht einfach Wahnsinn sein? weil ich das erlebte? Das ist kein Gru[j|n]d.

 
   
557
    Es sind ganz besondere Fälle: in denen das Innere mi[t|r] verborgen erscheint. Und die Unsicherheit, die sich so ausdrückt, ist nicht eine philosophische, sondern eine praktische und primitive.

 
   
558
    Es ist dann, als ob ich mir erst bewusst würde, dass das Innere eigentlich immer verborgen ist.

 
   
559
    (Man sagt auch: Der Mensch ist mir gleich vollkommen durch-
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sichtig.) So ist mir also ein Mensch manchmal durchsichtig, manchmal undurchsichtig.

 
   
560
    “Ich kann nie wissen, was in ihm vorgeht.” – Aber muss denn etwas in ihm vorgehen? Und warum soll ich mich darum kümmern? – Es ist aber eine wirkliche, nicht erträumte Unsicherheit, welche uns dieses Bild nahelegt.

 
   
561
    Was ist die Wichtigkeit davon, dass Einer das und das Geständnis macht? muss er denn seinen Zustand richtig beurteilen können? – Es kommt eben [h|n]icht auf einen inneren Zustand an, den er beurteilt sondern gerade auf sein Geständnis.
    (Sein Geständnis kann Gewisses erklären. Es kann z.B. meinen Verdacht von einem Andern abziehen.)

 
   
562
    Die prinzipielle Unsicherheit: Ich weiss nicht, was er denkt, wenn er es nicht aus
spricht
drückt
. Aber stell dir vor, er drückte es wohl aus, aber in einer Sprache, die du nicht verstehst. Er könnte es mit dem Finger einer Hand auf den Handrücken der andern klopfen, in Morsezeichen oder ähnlichem. Dann ist es doch auch geheim, und nicht ebenso sehr als wäre es nir ausgedrückt werden? Die Sprache könnte ja auch von einer Art sein, wie ich sie nie lernen könnte, z.B. mit einer ausserordentlich Regelmässigkeit.

 
   
563
    Es kann Einer also seine lauten Gedanken vor mir [b|v]erbergen, indem er sie in einer mir fremden Sprache ausspricht. Wo aber ist aber hier das [V|v]erborgene Seelische?

 
   
564
    Ich kann die Sprache wählen, in welcher ich denke. Nicht aber als dächte ich, und wählte die Sprache, in welcher ich meine wortlosen Gedanken übertragen will.
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565
    Du kannst der Empfindunge des Andern so sicher sein, wie irgend eines Faktums. Damit s[u|i]nd aber die Sätze “Er ist beglückt” und” 2 × 2 = 4 nicht zu ähnlichen Instrumenten geworden. Zu sagen “Die Sicherheit ist eine andere” liegt nahe,
behebt
macht
aber die Unklarheit nicht.

 
   
566
    “Aber schliesst du eben nicht einfach vor dem Zweifel die Augen, wenn du sicher bist?” – Sie sind mir geschlossen.
    Es ist wohl wahr: Jener Zweifel wird auf einem ganz anderenn Weg erreicht, als der an einem arithmetischen Satz. Vor allem ist da die völlige Gewissheit der Grenzfall eines nach Graden verschiedenen Glaubens. – Und es ist eben alles anders.

 
   
567
    Und nun – möchte ich sagen – gibt es hier allerdings den Fall des hoffnungslosen Zweifels. Wenn ich sage: “Ich habe keine Ahnung, was er wirklich denkt –”. Er ist mir ein verschlossenes Buch. W[a|e]nn das einzige Mittel, den Andern zu verstehen, wäre, die gleiche Erziehung wie er durchzumachen, – was unmöglich ist. Und hier ist keine Verstellung. Denk dir aber Leute, deren Erziehung dahingeht, den Ausdruck der Gemütsbewegung im Gesicht und in den Gebärden zu unterdrücken, und diese Leute machen sich mir unzugänglich indem sie laut denken in einer mir unverständlichen Sprache. Nun sage ich “Ich habe keine Ahnung von dem, was in ihnen vorgeht”, und doch liegt es als äussere Tatsache vor.

 
   
568
    “ich kann nicht wissen, was in ihm vorgeht” ist vor Allem ein Bild. Es ist der überzeugende Ausdruck
einer
der
Ueberzeugung. Es gibt nicht die Gründe der Ueberzeugung an. Diese sind nicht etwas, was man unmittelbar tut sieht.
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569
    “Man sieht Gemütsbewegung.” – Im Gegensatz wozu? – Man sieht nicht die Gesichtsveränderungen und schliesst nun, er fühle Freude, Trauer, Langeweile. Man beschreibt sein Gesicht unmittelbar als trau[t|r]ig, glückstrahlend, gelangweilt, auch wenn man nicht im Stande ist, sonst irgend eine Beschreibung der Gesichtszüge zu geben. – Die Trauer ist im Gesicht personifiziert, möchte man sagen. Dies ist dem, was wir “Gemütsbewegung” nennen, wesentlich.
 
   
570
    Der, denn ich bedeutungsblind nenne, wird wohl den Auftrag verstehen: “Sag ihm, er solle zur Bank gehen, und ich meine die Gartenbank”, aber [i|n]icht: “Sag das Wort Bank und meine damit Gartenbank”.
    Er wird auch nicht melden können: es sei ihm beinahe gelungen, das Wort sei aber in die falsche Bedeutung ausgerutscht. Es kommt ihm auch nicht vor, als habe das Wort etwas in sich, was förmlich wie eine Schreibweise die Bedeutung fixiert; und auch nicht, dass die Schreibweise gleichsam ein Bild der Bedeutu[h|n]g sei. – Man ist z.B. stark versucht, zu meinen, dass der andern Schreibweise
wenigstens
doch
ein geringer Unterschied der Aussprache entspricht, auch wo es gewiss so ist. Es ist hier der für viele anderem als Beispiel dienende Fall: dass man sich die beiden Wörter (z.B. “Für” und “führ”) vorspricht und sie wirklich etwas verschieden ausspricht, obwohl man es natürlich im Fluss der Rede, wenn man nichts solches denkt, nicht tut; schon darum, weil man dann jedes der beiden Wörter bei verschiedenen Anlässen
verschieden
ungleich
ausspr[e|i]cht.
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571
    Verschiedene Menschen empfinden es se[g|h]r verschieden stark[m|,] wenn die Rechtschreibung eines Worts geändert wird. Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten Gebrauch. Wem die Orthographie n[i|u]r eine praktische Frage ist, dem geht ein Gefühl ab, ähnlich wie das, welches dem “Bedeut[j|u]ngsblinden” mangeln würde.

 
   
572
    Wie konnte er das Wort in der Bedeutung hören? Wie war es möglich?! – Gar nicht – in diesen Dimensionen.

 
   
573
    Aber ist es also nicht wahr, dass das Wort für mich jetzt das bedeutet? Warum nicht? Es kommt ja dieser Sinn mit der übrigen Verwendung des Wortes nicht in Konflikt.
    Es sagt Einer: “Gib ihm den Befehl … und meine damit …!” Was kann das heissen?
    Aber warum gebrauchst du für dein Erlebnis gerade diesen Ausdruck? einen schlecht sitzenden Anzug! – Das ist der Ausdruck des Erlebnisses, wie “Der Vokal e ist gelb” und “Ich wusste im Traume, dass … Ausdrücke anderer Erlebnisse. Ein schlecht sitzender Anzug ist es nur, wenn du ihn falsch auffasst.
    Dieser Ausdruck gehört zum Erlebnisse ebenso, wie die primitive Schmerzäusserung zum Schmerz.

 
   
574
    W. James: der Gedanke sei schon am Anfang des Satzes fertig. Wie kann man das wissen? – Aber die Absicht, ihn auszusprechen, kann schon geschehen, ehe das erste Wort gesagt ist. Denn fragt man Einen “weisst du, was du sagen willst?” so wird er es oft bejahen.
    Ich habe die Absicht, dieses Thema zu pfeifen: habe ich es damit in irgendeinem Sinne, etwa im Gedanken, schon gepfiffen?
745


 
   
575
    Wer die Frage bejaht “Weisst du schon, was du sagen willst?” Dem wird man vielleicht irgend etwas vorschweben; aber wäre dies auch etwas [O|o]bjektiv Hörbares oder sichtbares, so könnte man doch meistens das Beabsichtigte nicht mit Sicherheit daraus entnehmen. (Aufzeigen.)

 
   
576
    Nicht Jeder, der eine Absicht hat, hat darum einen Plan gemacht.

 
   
577
    Welche Formen geistiger Defekte wirklich existieren, kümmert uns nicht; aber wohl die Möglichkeiten solcher Formen. Nicht, o[n|b] es Menschen gibt, die nicht des Gedankens “ich wollte damals … ” fähig sind, wohl aber: wie dieser Begriff sich durchführen lässt.

 
   
578
    Wie liesse sich diese Annahme konsequent durchführen? Was würden wir eine konsequente Durchführung nennen? – Wenn du annimmst dass [e|E]iner das nicht kann, wie ist es dann mit dem? kann er es auch nicht? – Wohin führt uns dieser Begriff?

 
   
579
    “Du musst es dir ernstlich versprechen, da[ss|nn] wirst du's auch tun.” Zum ernstlichen Versprechen gehört z.B., dass man über die Sache nachdenkt, es gehört eine bestimmte Vorbereitung dazu. Am Schluss erfolgt dann vielleicht wirklich ein förmliches Versprechen, vielleicht auch mit lauter Stimme, aber das ist nur ein Stein dieses Gebäudes. (Gelübde.)

 
   
580
    Das Gelübde könnte man eine Zeremonie nennen. (Taufe, auch wenn sie kein christliches Sakrament ist.) Und auc eine Zeremonie hat eine eigene Wichtigkeit.

 
   
581
    “Ich hatte die Absicht … ” drückt nicht die Erinnerung an ein Erlebnis aus. (So wenig wieä “Ich war im Begriffe …”)
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582
    “Welcher seltsame und furchtbare Laut. Ich werde ihn nie vergessen.” Und warum sollte man das nicht vom Erinnern sagen können (“Welche seltsame … Erfahrung … ”), wenn man zum ersten Mal in die Vergangenheit gesehen hat? –

 
   
583
    Könnte er sich nur einbilden, dies gerechnet zu haben? (Damit soll nicht im Widerspruch sein, dass er jetzt das Resultat der Rechnung weiss. Und er könnte sich ja auch verrechnet haben.) Und gibt es hier keinen Irrtum, dann nicht darum, weil Gewissheit besteht.

 
   
584
    Es sagt mir Einer, er habe gerade im Kopfe gerechnet, wieviel … × … sei. Er gibt ein offenbar falsches Resultat, und auf die Frage, wie er es erhalten habe, sagt er die Rechnung her; sie ist völliger Unsinn, wie er auch jetzt einsieht, kam ihm aber damals, sagt er, ganz richtig vor. (Im Traum geschieht ähnliches.) Kann das nicht vorkommen? Seine Kopfrechnung, will ich sagen, muss sich doch erst bewähren.

 
   
585
    ‘Er versteckt etwas vor mir, kann es so verstecken, dass ich's nicht nur nie finden werde, sondern dass Finden gar nicht denkbar ist.’ Das wäre ein metaphysisches Verstecken. – Aber wie, wenn er ohne es zu wissen, Zeichen gäbe, die ihn verrieten? Das wäre doch möglich. – Aber ob ihn jene Zeichen verraten habe, – kann nicht nur er das entscheiden? – Aber könnte ich nicht darauf besteh[n|e]n, er habe vergessen, was in ihm vorgegangen ist – seine Aussage nicht gelten lassen? (Ohne sie für eine Lüge zu erklären.) Das heisst also: sie für wertlos erklären; oder ihr einen Wert nur als ein Phänomen zuzugestehen, woraus etwa Schlüsse auf seinen Zustand gezogen werden können.
747


 
   
586
    Wenn etwas versteckt ist, – ist es nicht, asl wäre eine Schrift versteckt, oder vielmehr etwas, was einer Schrift ähnlich sieht; dessen Bedeutung nur darin liegt, was er einmal herauslesen, oder hineinlesen wird?

 
   
587
    Er kann mich natürlich irreführen, zu falschen Schlüssen bringen. Aber daraus folgt es nicht, dass er etwas versteckt hat; obgleich sich seine Handlungsweise mit einem Verstecken verg[el|le]ichen lässt.

 
   
588
    Bin ich etwa nicht mit Recht überzeugt, dass er sich gegen mich nicht verstellt? – Und kann ich also einen Andern nicht von meinem Recht überzeugen?

 
   
589
    Erzähle ich ihm, wie sich mein Freund benommen hat, im Grossen und Kleinen, – wird er vernünftiger Weise an der Echtheit der Gefühle meines Freundes zweifeln?
    Zweifelt Einer an der Echtheit der Gefühle Lears?

 
   
590
    Ist es Gedankenlosigkeit, nicht doch die Möglichkeit der Verstellung im Auge zu behalten?

 
   
591
    Erinnern: eine Sehen in die Vergangenheit. Tr Träumen könnte man so nennen, wenn es uns Vergangenes vorführt. Nicht aber Erinnern.; denn auch wenn es uns S[c|z]enen mit Halluzinatorischer Klarheit zeigte, so lehrt es uns
nun
doch
erst, dass dies das Vergangene sei.

 
   
592
    Aber wenn uns nun das Gedächtnis die Vergangenheit zeigt, wie zeigt es uns, dass es die Vergangenheit ist?
    Es zeigt uns eben nicht die Vergangenheit. So wenig, wie
748
unsere Sinne die Gegenwart.

 
   
593
    Man kann auch nicht sagen, sie teile uns die Vergangenheit mit. Denn selbst, wäre das Gedächtnis eine hörbare Stimme, die zu uns spräche, – wie könnten wir sie verstehen? Sagt sie uns z.B. “Gestern war schönes Wetter”, wie kann ich lernen, was “gestern” bedeutet?

 
   
594
    Ich führe mir selbst nur so etwas vor, wie ich es auch den Andern vorführe.

 
   
595
    Ich kann dem Andern mein gutes Gedächtnis vorführen, und auch mir selbst vorführen. Ich kann mich selbst ausfragen. Vokabeln, Daten.

 
   
596
    Aber wie führe ich mir das Erinnern vor? Nun, ich frage mich “Wie verbrachte ich den heutigen Morgen?” Und antworte mir darauf. – Aber was habe ich mir nun eigentlich vorgeführt? War es das Erinnern? nämlich, wie das ist, sich an etwas erinnern? Hätte ich denn damit einen Andern das Erinnern vorgeführt?

 
   
597
    “Sich etwas vornehmen ist ein besonderer innerer Vorgang.” – Aber was für ein Vorgang – auch wenn du ihn erdichten dürftest – könnte denn das leisten, was wir vom Vorsatz
verlangen?
fordern.


 
   
598
    Denk dir Menschen, die nur dann m[m|M]itgefühl zeigen, wenn sie den andern bluten sehen; sonst lachen sie über seine Schmerzäusserungen. So ist es bei ihnen. Manche nun beschmieren sich mit Tierblut, um bemitleidet zu werden. Kommt man ihnen darauf, so werden sie schwer bestraft.

 
   
599
    Die Frage “Könnte er aber nicht dennoch Schmerzen haben?” stellen sie nicht:

 
   
600
    Diese Leute dürfen gewisse Skrupel nicht haben.
749


 
   
601
    Kümmere ich mich um sein Inneres, wenn ich ihm traue? Wenn ich's nicht tue, sage ich “ich weiss nicht, was in ihm vorgeht.”; vertraue ich ihm aber, so nicht: ich wisse, was in ihm vorgeh[e|t]

 
   
602
    Misstraue ich ihm nicht, so kümmere ich mich nicht um das, was in ihm vorgeht. (Worte und ihre Bedeutung. Die Bedeutung der Worte, was hinter ihnen steht, bekümmert mich i[j|m] [h|n]ormalen sprachlichen Verkehr nicht. Sie fliessen dahin und es werden die Uebergänge gemacht von Worten zu Handlungen und von Handlungen zu Worten. Niemand denkt, wenn er rechnet, daran, ob er ‘gedankenvoll[9|] oder ‘papageihaft rechne. (Frage.)).

 
   
603
    Es mag Menschen geben, die viel mit sich selbst sprechen, e[g|h]e und während sie handeln, und solche, die nur sehr wenig zu sich selbst sagen, die gleichsam auch mit sich selbst se[j|h]r schweigsam sind. Wenn man ihn fra[h|g]t “Was hast du gedacht, als du das tatest?” gesteht er vielleicht ganz ehrlich “Gar nichts”, obgleich seine Handlung unsw wohlüberlegt, ja vielleicht listig scheint. Ich sage, ich wisse nicht, was in ihm vorgeht, und es geht in einem wichtigen Sinne nichts in ihm vor. Ich kenne mich bei ihm nicht aus: Ich mache z.B. leicht falsche Vermutungen und werde von Zeit zu Zeit hart in meinen Erwartungen getäuscht.
    Ich könnte mir von diesem Menschen ein Bild machen, indem ich mir vorstellte, er sprec[eh|he] zu allen seinen Handlungen Monologe, die seine Gesinnung zum Ausdruck brächten. Die Monologe wären eine Konstruktion, eine Arbeitshypothese, mittels derer ich mir seine Handlungen verständlich zu machen suche. Muss ich nun annehmen, dass in ihm ausser jenen Monologen noch ein Denken vor sich
750
geht? Sind die Monologe nicht ganz genug? Können sie nicht Alles leisten, was das Innenleben leisten soll?

 
   
604
    Man kann sich leicht Ereignisse vorstellen und i[j|n] alle Einzelheiten ausmalen, die wenn wir sie eintreten sähen, uns an allem Urteilen irre werden liessen.
    Sähe ich vor m[ie|ei]nen Fenstern statt der altgewohnten eine gan[t|z] neue Umgebung, benähmen sich die Dinge darin, wie sie sich nie benommen haben, so würde ich etwa die Worte äussern “ich bin wahnsinnig geworden”; aber das wäre nur ein Ausdruck dafür, dass ich e es aufgebe, mich auszukennen. Und das Gleiche könnte m[r|i]r auch in der Mathematik zustoen. Es könnte mir z.B. scheinen, alsm machte ich immer wieder Rechenfehler, so dass keine Lösung mit verlässlich erschiene.
    Das Wichtige aber für mich daran ist, dass es zwischen einem solchen Zustand und dem normalen keine
klare
scharfe
Grenze gibt.

 
   
605
    Worin liegt die Wichtigkeit des genauen Ausmalens von Anomalien? Kann man es nicht, so zeigt das, dass man sich in den Begriffen noch nicht auskennt.

 
   
606
    Es gibt wohl dies: sich Menschenkenntnis zu erwerben; man kann Einem auch dabei helfen, also quasi einen Unterricht erteilen, aber man deutet nur auf Fälle, weis[s|t] auf gewisse Züge hin, gibt nicht feste Regeln.

 
   
607
    Ich kann vielleicht sgab sagen “Lass mich mit diesem Menschen reden, die und die Zeit mit ihm verbringen und ich werde wissen, ob ihm zu trauen ist.” und später: “Ich habe den Eindruc[l|k] …” Aber hier handelt sich's um eine Prognose. Die Zukunft
751
mag lehren, ob mein Eindruck richtig war. Menschenkenntnis kann uns davon überzeugen, dass dieser Mensch wirklich fü[g|h]lt, was er zu fühlen vorgibt; aber überzeugt sie uns davon, dass andere Menschen etwas fühlen?

 
   
608
    “So kann man sich nicht vorstellen.” – Und das kann eine E[e|r]fahrung sein, – dass nämlich niemand, der sich so benimmt, sich spä[g|t]er so und so benehmen werde; aber auch eine begriffliche Feststellung; und die beiden können zusammen hän[eg|ge]n.
    (Denn man hätte nicht gesagt, die plantene Planeten müssen sich in Kreisen bewegen, wenn es
nicht
nie
geschienen hätte, dass sie sich in Kreisen bewegen.)

 
   
609
    Ich kann beim Unterricht auf Einen zeigen und sagen “Siehst du, der verstellt sich nicht”. Und der Schüle[t|r] kann daraus lernen. Aber wenn er mich fragte “Woraus wird es eigentlich erkannt?” – so wüsste ich nichts anderes zu antworten, als etwa: “Schau, wie er daliegt, schau auf seine Züge” und dergleichen.

 
   
610
    Könnte das nun bei andern Wesen anders sein? – Wenn sie z.B. alle die selbe Gestalt und die selben Gesichtszüge hätten, wäre schon vieles anders.

 
   
611
    Und Verstellung ist natürlich nur ein besonderer Fall davon, dass Einer eine Schmerzäusserung von sich gibt, und nicht Schmerzen hat. Wenn dies überhaupt möglich ist, warum sollte denn dabei immer Vorstellung statthaben, – dieser sehr spezielle [P|p]sychologischer Vorgang? (Und mit einem “psych[i|o]logischen” meine ich nicht einen “innern”.)
752


 
   
612
    [j|J]a, es könnte ein Fall eintreten, in welchem wir sagen würden: “Er glaubt sich zu verstellen.”
    (Pilgrim's Progress: Er glaubt, die Flüche zu äussern, die der Böse äussert.)

 
   
613
    Die zureichende Evidenz geht oh[e|n]e eine Grenze in die unzureichende über. Eine [N|n]atürliche Grundlage dieser Begriffsbildung // dieses besondern Begriffs // ist das komplizierte Wesen und die Mannigfaltigkeit der menschlichen Fälle.
    So müsste also bei einer geringeren Mannigfaltigkeit eine scharf begrenzte Begriffsbildung natürlich erscheinen. Warum aber scheint es so schwer, sich den vereinfachten Fall vorzustellen?
    Ist es so, als wollte man sich einen Gesichtsausdruck vorstellen, der nicht allmählicher zarter Veränderungen fähig wäre, sondern, sagen wir, nur fünf Stellungen hätte; bei einer Veränderung ginge die eine mit einem Ruck in die andere über. Wäre nur dies starre Lächeln wirklich ein Lächeln? Und warum nich[g|t]? – Ich könnte mich vielleicht nicht so dazu verhal[l|t]en wie zu einem Lächeln, Es wurde mich
vielleicht
etwa
nicht selber zum Lächeln bringen.

 
   
614
    Ein vollkommen starrer Gesichtsausdruck könnte kein freundlicher sein. Zum freundlichen Ausdruck gehört die Veränderlichkeit und die Unregelmässigkeit. Die Unregelmässigkeit gehört zur Physionomie.

 
   
615
    Die Wichtigkeit für uns der feinen Abschattungen des Benehmens.
753


 
   
616
    Zu meinem Begriff gehört hier mein Verhältnis zur E[e|r]scheinung.

 
   
617
    Denk dir dies Argument: Schmerzen haben doch einen Grad. Nun wird aber niemand behaupten, ich wisse je den genauen Grad der Schmerzen des Andern; also könnten sie auch den Grad 0 haben.
    Aber kennt denn der den ‘genauen Grade’ seiner Schmerzen? Und was heisst es: ihn kennen?

 
   
618
    “Nun, weiss er denn nicht, wie stark seine Schmerzen sind?” Er hat darüber keinen Zweifel.

 
   
619
    Aber ich weiss doch z.B. nicht, dass sein Schmerz jetzt ein klein wenig abgenommen hat. – Doch, ich weiss es, wenn er mir's sagt. Was er sagt, ist ja auch eine Aeusserung.

 
   
620
    Die Unsicherheit hat ihren Grund nicht darin, dass er seine Schmerzen nicht aussen am Rock trägt. Und es ist auch gar keine Unsicherheit im besondern Fall. ∖Wenn die Grenze zwischen zwei Ländern strittig wäre, würde daraus folgen, dass die Landesangehörigkeit jedes einzelnen Bewohners fraglich wäre?

 
   
621
    ‘Sandhaufen’ ist ein unscharf begrenzter Begriff ‒ ‒ ‒ aber warum verwendet man statt seiner nicht einen scharf begrenzten? Liegt der Grund in der Natur der Haufen? Welches Phänomens Natur bestimmt unsern Begriff?

 
   
622
    “Ein Hund ist einem Menschen ähnlicher, als ihm ein Wesen von menschlicher Gestalt wäre, das sich ‘mechanisch[e|] benähme.” Nach einfachen Regeln benähme?

 
   
623
    Wir beurteilen eine Handlung nach ihre[,|m] Hintergrund im
754
menschlichen Leben, und dieser Hintergrund ist nicht einfärbig, sondern wir könnten ihn uns als ein sehr kompliziertes filigranes Muster vorstellen, das wir zwar nicht nachzeichnen könnten, aber nach seinem allgemeinen Eindruck wiedererkennen.

 
   
624
    Der Hintergrund ist das Getriebe des Lebens. Und unser Begriff bezeichnet etwas in
diesem
einem
Getriebe

 
   
625
    Und schon der Begriff ‘Getr[ei|ie]be’ bedingt die Unbestimmtheit. Denn nur durch ständige Wiederholung ergibt sich ein Getriebe. Und für ‘ständige Wiederholung’ gibt es keinen bestimmten Anfang.

 
   
626
    Die Variabilität selbst ist ein Charakter des Benehmens, der ihm nicht fehlen kann, ohne es für uns zu etwas ganz anderem zu machen. (Die charakteristischen Gesichtszüge der Trauer, z.B. sind nicht bedeutsamer als es ihre Beweglichkeit ist.) // Sind für unsere Reaktion nicht wichtigera als … //

 
   
627
    Es ist dort unnatürlich, eine Begriffsgrenze zu ziehen, wo für sie nicht eine besondere Rechtfertigung besteht, wo Aehnlichkeiten uns über die willkürlich gezogene Linie immer hinüberzö[h|g]en.

 
   
628
    Wie könnte man die menschliche Handlungsweise betreiben? Doch nur, indem man die Handlungen der verschiedenen Menschen, wie sie durcheinanderwimmeln, zeigte. Nicht, was Einer jetzt tut, sondern das ganze Gewimmel ist der Hintergrund, worauf wir eine Handlung sehen, und bestimmt unser U[t|r]teil, unsere Begriffe und Reaktionen.

 
   
629
    Wie könntest du erklären, was es heisst “Schmerzen heucheln”, “sich stellen, als habe man Schmerzen”. (Natürlich fragt er sich:
755
Wem?) Sollst du's vormachen? Und warum liesse sichs so eine Demonstration so leicht misverstehen? Man möchte sagen: “Lebe einige Zeit unter uns und du wirst es verstehen lernen.”

 
   
630
    Man könnte ihn doch einfach lehren, den Schmerz (z.B.) zu mimen) (nicht in der Absicht zu betrügen). Aber wäre es jedem beizubringen? Ich meine: Er könnte [h|j]a wohl erlernen, gewisse rohe Schmerzzeichen von sich zu geben, ohne aber je aus eigenem, aus seiner eigenen Einsicht eine feinere Nachahmung zu geben, (Sprachtalent.) (Man könnte vielleicht sogar einen gescheiten Hund eine Art Schmerzgeheul lehren; aber es käme doch nie seinerseits zu einer bewussten Nachahmung.)

 
   
631
    Ich will eigentlich sagen, dass die gedanklichen Skrupel im Instinkt anfangen (ihre Wurzeln haben). Oder auch so: das Sprachspiel hat seinen Ursprung nicht in der Ueberlegung.
Die Ueberlegung
Ueberlegung
ist ein Teil des Sprachspiels.
    Und der Begriff ist daher im Sprachspiel zu Hause.

 
   
632
    “Könntest du dir keine weitere Umgebung denken, in der auch das noch als Verstellung zu deuten wäre?”
    Aber was heisst es: dass es noch immer Verstellung sein könnte? Hat denn Erfahrung uns das gelehrt? Und wie können wir anders über Verstellung unt[t|e]rrichtet sein?

 
   
633
    Liegt hier nicht etwas Aehnliches [V|v]or, wie das Verhältnis der euklidischen Geometrie zur Gesichtserfahrung? (Ich meine: es sei eine tiefgehende Aehnlichkeit vorhanden.) Denn auch die euklidisc[j|h]e Geometrie entspricht ja der Erfahrung nur in sehr eigentümlicher Weise, und nicht etwa nur ‘bloss annähernd’. Man könnte vielleicht
756
sagen, sie entspreche ebensosehr unserer Methode des Zeichnens, wie andern Dingen, oder auch, sie entspreche gewissen Bedürfnissen des Denkens Denkens. Ihre Begriffe haben ihre Wurzeln in weit verstreuten und entlegenen Gebieten.

 
   
634
    Den[h|n], so wie das Verbum “glauben” konjugiert wird wie das Verbum “schlagen”, so werden Begriffe für das eine Gebiet nach [a|A]nalogie weit entfernter Begriffe gebildet. (Die Geschlechter der Hauptworte.)

 
   
635
    Die Begriffsbildung hat z.B. Grenzenlosigkeit, wo in der Erfahrung keine scharfen Grenzen zu finden sind. (Grenzenlose Approximation.)

 
   
636
    Man könnte manchmal sagen, die Begriffe seien einer Denkbequemlichkeit gemäss gebildet. (Wie ja auch der Meterstab nicht nur den zu messenden Dingen, sondern auch dem Menschen gemäss ist.) Aber zum Teufel: es weiss doch [j|J]eder, ob er Schmerzen hat! – Wie könnt's denn Jeder wissen? Dazu müsste er doch vor allem wissen, dass Sie Alle das [g|G]leiche haben.

 
   
637
    Ein Stamm hat zwei Begriffe, verwandt unserem ‘Schmerz’. Der Eine wird bei sichtbaren Verletzungen angewandt und ist mit Pflege, Mitleid, etc., verknüpft. Den andern wenden sie bei Magenschmerzen, z.B., an und er verbindet sich mit Belustigung über den Klagenden. “Aber merken sie denn wirklich nicht die Aehnlichkeit?” – Haben wird denn überall einen Begriff, wo eine Aehnlichkeit besteht? Die Frage ist: Ist ihnen die Aehnlichkeit wichtig? Und muss sie's ihnen sein?

 
   
638
    Wenn du dir überlegst, aus welchen Gründen Einer Schmerzen
757
verbeissen, oder simulieren konnte, werden dir unzählige einfallen Warum gibt es nun diese Vielheit? Das Leben ist sehr kompliziert. Es gibt sehr viele Möglichkeiten
    Aber könnten nicht andere Menschen viele dieser Möglichkeiten beiseite lassen, gleichsam die Achsel über sie zucken?

 
   
639
    Aber übersieht dieser dann nicht etwas, was da ist? – Er nimmt davon keine Notitz; und warum sollte er? – Aber dann ist [u|j]a eben sein Begriff grundverschieden von dem unsern. – Grundverschieden? Verschieden. Aber es ist dann doch, als ob sein Wort nicht das selbe bezeich[en|ne]n könnte wie unseres. Oder nur einen Teil davon. – Aber so muss es ja auch ausschauen, wenn sein Begriff verschieden ist. Denn die Unbestimmtheit unseres Begriffs kann sich ja für uns in den Gegenstand projezieren, den das Wort bezeichnet. So dass, fehlte die Unbestimmtheit, auch nicht ‘dasselbe gemeint’ wäre. Das Bild, das wir verwenden, versinnbildlicht die Unbestimmtheit.

 
   
640
    In der Philosophie darf man keine Denkkrankheit abschneiden. Sie muss ihren natürlichen Lauf gehen, und die langsame Heilung ist das Wichtigste.

 
   
641
    “Man kann nie wissen, was in seiner Seele vorgeht” – das scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein. Und ist es auch ind dem Sinne, dass hier eben das gebrauchte Bild den Satz schon enthält. Aber man muss ihn eben zugleich mit dem Bild in Frage ziehen.

 
   
642
    Das “Wer weiss, was in ihm vorgeht!” Das Interpretieren der äussern Ereignisse als Folgen von unbekannten, oder nur gea[n|h]nten, innern. Das Interesse, das sich auf dies Innere richtet, wie auf die
758
chemische Struktur, aus der das Verhalten hervorgeht.
    Denn man braucht ja bloss sagen “Was gehen mich die innern Vorgänge, was immer sie sind, an?!” um zu sehen, dass sich eine andere Einstellung denken lässt – “Aber jeden wird doch immer sein Inneres interessieren! Unsinn. Wüsste ich denn, dass der Schmerz, z.B. etc.etc. etwas Inneres ist, wenn's mir n[ci|ic]ht gesagt würde?

 
   
643
    Der Zweifel a[r|m] inneren Vorgang ist ein Ausdruck. Der Zweifel aber ist ein instinktives Verhalten. Ein Verhalten gegen den Andern, Und es rührt nicht daher, dass ich von mir selbst her weiss was Schmerz, etc., ist; weiss, dass es etwas Inneres ist und dass es mit irgendeinem Aeussern zusammengehen kann. Ich weiss alles eher!

 
   
644
    Erinnere dich: die meisten sagen, man spüre in der Narkose nichts. Manche aber sagen doch: Man könnte ja doch etwas fühlen und es nur völlig vergessen.
    Wenn es alsoh hier solche gibt, die zweifeln und solche, denen kein Zweifel kommt, so könnte die Zweifellosigkeit doch auch viel allgemeiner bestehen.

 
   
645
    Oder der Zweifel könnte doch eine andere, und viel weniger unbestimmte Form haben, als in unserer Gedankenwelt.

 
   
646
    Bedenke: Wir gebrauchen das Wort “Ich weiss nicht” oft in seltsamer Weise; wenn wir z.B. sagen; wir wissen nicht, ob [s|D]ieser wirklich mehr fühlt als der Andere, oder es nur stärker zum Ausd[ui|ru]c[j|k] bringt, Es ist dann nicht klar, welche Art der Untersuchung die Frage entscheiden würde. Natürlich ist die Aeusserung nicht ganz müssig: Wir wollen sagen, dass wir wohl die Gefühle des A und des B miteinander vergleichen können, aber uns die Umstände an einem
759
Vergleich des A mit dem C irre werden lassen.

 
   
647
    Nur Gott sieht die geheimsten Gedanken. Aber warumm sollen diese so wichtig sein? Und müssen alle Menschen sie für wichtig halten?

 
   
648
    ‘Denk dir Menschen, die nur laut denken.’ Es ist ja doch nicht selbstverständlich, das Wesen von der körperlichen Natur denken; so
mögen
sollen
sie also [n|b]loss redend denken, d.h., nicht anderes, was wir auch denken nennen würden, tun. Ihre geheimen Gedanken sind Monologe.)

 
   
649
    Die Stufen zwischen instinktiver Schlauheit und durchdachter. Ein Idiot könnte schlau handeln, so würden wir's bezeich[en|ne]n, und wir wir würden nicht glauben, dass er fähig sei, etwas zu planen.
    Gefragt “Was wohl in ihm vorgeht?” sagen wir “Es geht gewiss sehr wenig in ihm vor.” Aber was wissen wir davon?! Wir machen uns nach seinem Benehmen, seinen Aeusserungen, seiner Denkfähigkeit, ein Bild. // ein Bild davon. //

 
   
650
    Wir stellen Verschiedenes zu einer ‘Gestalt’ [)|(]Muster) zus[ma|am]men, zu der des Betruges z.B.
    Das Bild des Innern vervollständigt die Ge[ts|st]alt.

 
   
651
    Wenn ein Begriff von einem Lebensmuster abhängig ist, so muss in ihm eine Unbestimmtheit liegen. Denn weicht dann ein Muster vom Normalen ab, so wird fraglich, was wir hier sagen wollen.

 
   
652
    Könnte also Bestimmtheit nur dort sein, wo regelmässige Lebensläufe sind? Was tun sie aber, wenn ihnen ein unregelmässiger Fall unterläuft? Vi[l|e]lleicht zucken sie nur die Achseln.
760


 
   
653
    “Er sagte mir – und es war nicht der geringste Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit möglich – dass …” Unter welchen Umständen ist kein Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit möglich? Kann ich sie angeben? Nein.

 
   
654
    Du musst an den Zweck der Worte denken.
    Was hat die Sprache mit Schmerzen zu tun?

 
   
655
    Im Falle, den ich mir vorstelle, haben die Leute ein Wort das einen ähnl[c|i]chen Zweck erfüllt (eine ähnliche Funktion hat) wie das Wort “Schmerz”. Man kann nicht sagen, es “bezeichne” etwas Aehnliches. Es greift anders, und doch ähnlich, in ihr Leben ein.

 
   
656
    “Man kann aber doch den Schmerz nicht ˇmit Sicherheit nach dem Aeussern erkennen.” – Man kann ihn nur nur nach dem Aeussern erkennen und die Unsicherheit ist eine Konstitutionelle. Sie ist kein Mangel.
    Es liegt in unserm Begriff, dass diese Unsicherheit besteht; in unserm Instrument. Ob dieser Begr[o|i]ff praktisch, oder unpraktisch ist, darum handelt's sich eigentlich nicht.

 
   
657
    Die Farben könnten in einer andern Welt eine andere Rollenn spielen als in der unsern. Denk and verschiedene Fälle. 1
    1) Bestimmte Farben an bestimmte Formen gebunden. Kreisförmiges rot, [b|v]iereckiges Grün, etc.
    2) Farbstoffe nicht herstellbar. Man kann Dinge nicht färben.
    3) Eine Farbe immer an einen üblen Geruch oder an Giftigkeit gebunden.
    4) Farbenblindheit weit häufiger als bei uns.
    5) Verschiedene Töne von Grau sind häufigö alle andern Farben äusserst selten.
761

    6) Wir können aus dem Gedächtnis eine grosse Anzahl von Farbtönen reproduzieren.
    Wenn unser Zahlsystem mit der Zahl unserer Finger zusammenhängt, warum denn nicht unser System der Farben mit der besondern Art des Auf[r|t]retens der Farben.
    7) Eine Farbe tritt immer nur in graduellem Uebergang in eine
andere auf.
    8) Farben treten immer im Farbverlauf des Regenbogens auf.

 
   
658
    Denke an die Unsicherheit, ob Tiere, besonders niedere Tiere, Fliegen z.B., Schmerzen fühlen.
    Die Unsicherheit, ob eine Fliege Schmerz fü[g|h]lt, ist eine philosophische; aber könnte sie ni[f|c]ht auch eine instinktive sein? Und wie würde sich das zeigen?
    Ja, gibt es eben nicht eine Unsicherheit im Benehmen gegen die Tiere? Einer weiss nicht; Ist er grausam oder nicht.

 
   
659
    Denn es gibt ja Unsicherheit des Benehmens, die nicht auf einer Unsicherheit in den Gedanken beru[g|h]t.

 
   
660
    Sieh die Frage der Unsicherheit, ob der Andere Schmerz empfindet, in der Beleuchtung durch die Frage, ob ein Insekt Schmerz empfindet.

 
   
661
    Es gibt doch im Benehmen Vertrauen und Mistrauen!
    Klagt Einer z.B., so kann ich mit völliger [s|S]icherheit, vertrauensvoll reagieren, oder unsicher und wie Einer, der Verdacht hat. Es braucht dazu keine Worte[m|,] noch Gedanken.

 
   
622
    Die Unvorhersehbarkeit des menschlichen Ben[h|e]hmens. Wäre sie nicht vorhanden, – würde man dann auch sagen, man könnte nie wissen, was im
762
Andern vorgeht?

 
   
663
    Aber wie wär's, wenn das menschliche Benehmen nicht unvorhersehbar wäre? Wie hat man sich das vorzustellen? (D.h.: wie auszumalen, welche Verbindungen anzunehmen?)

 
   
664
    “Ich weiss nicht, was in ihm vorgeht?” das könnte man von einem komplizierten
Mechanismus
Uhrwerk
sagen; etwa einer Kunstuhr, die nach sehr komplizierten Gesetzen verschiedene äussere Bewegungen auslöst. Man denkt sich dann bei ihrer Betrachtung vielleicht: Wenn ich wüsste, wie es in ihr ausschaut, was jetzt vorgeht, wüsste ich, was zu erwarten ist

 
   
665
    Beim Menschen aber ist angenommen, dass man in den Mechanismus keinen Einblick gewinnen kann. EEs ist also die Unbestimmtheit postuliert.

 
   
666
    Wenn ich aber zweifle, ob eine Spinne wohl Schmerz empfindet, dann ist es nicht, weil ich nicht weiss, was ich mir zu erwarten habe.

 
   
667
    Wir können aber nicht umhin, uns das Bild vom seelischen Vorgang zu machen. Und nicht, weil wir ihn von uns her geg kennen!

 
   
668
    Eine Art der Unsicherheit wäre die, die wir auch einem uns unbekannten Mechanismus entgegenbringen könnten. Bei der andern würden wir uns möglicherweise an eine Begebenheit in unserm Leben erinnern. Es könnte z.B. sein, dass Einer, der gerade der Todesangst entronnen ist, sich davon scheuen würde, eine Fliege zu erschlagen unde es sonst ohne Bedenken täte. Oder, anderseits[m|,] dass er mit diesem Erlebnis vor Augen, das [z|Z]ögern tut, was er sonst ohne zögern täte.

 
   
669
    Auch wenn ich ‘nichts sicher in meinem Mitleid ruhe’, muss ich nicht an die Ungewissheit seines spätern Benehmens denken.
763


 
   
670
    Die eine Unsicherheit geht so zu sagen von dir aus, die andere von ihm.
    Von der einen könnte man also doch sagen, sie hinge mite einer Analogie zusammen; von dern andern nicht. [a|A]b[l|e]r nicht, als ob ich aus der Analogie einen Schluss zöge!

 
   
671
    Wenn das Leben ein Teppich wäre, so ist diese Muster (der Verstellung z.B.) nicht immer vollständig und vielfach variiert. Aber wir, in unserer Begriffswelt, sehen immer wieder das [g|G]leiche mit Variatione wiederkehren. So fassen's unsere Begriffe auf. Die Begriffe sind ja nicht für einmaligen Gebrauch.

 
   
672
    Und das Muster ist im Teppich mit vielen andern Mustern verwoben // andern Mustern in Zusammenhang. //

 
   
673
    Ich sage z.B. “Er könnte sich ja doch verstellen” –was denke ich mir dabei? – d.h. welche Erklärung gäbe ich von dem Wort “verstellen”; was für Exempel fielen mir ein? // kämen mir in den Sinn? //

 
   
674
    Wie verwende ich den Satz?
    (Denn es ist hier wie in gewissen Gebieten der Mathematik, wo es eine ‘fantastische Anwendung’ gibt.)

 
   
675
    Ich rufe ein Bild herauf, das dann zu einem Zweck dienen kann. (Ich könnte geradezu auf ein gemaltes Bild schauen.)

 
   
676
    Manchmal behandle ich ihn so, wie ich mich behandle und behandelt werden möchte, wenn ich Schmerzen habe und manchmal nicht.

 
   
677
    Wirs sind an eine bestimmte Einteilung der Sachen gewöhnt. Sie ist uns mit der Sprache, oder den Sprachen, zur Natur geworden.
764


 
   
678
    Dies sind die festen Schienen, auf denen all unser Denken verläuft, und also nach ihnen auch unser Urteilen und Handeln.

 
   
679
    Muss der Begriff der Bescheidenheit, oder der Prahlerei überall bekannt sein, wo es bescheidenen und prahlerische Menschen gibt? Es liegt ihnen vielleicht dort nichts an dieser Unterscheidung.
    Uns sind ja auch manche Unterschiede unwichtig, und könnten uns wichtig sein.

 
   
680
    Und Andere haben Begriffe, die unsere Begriffe durchschneiden. Und warum sollten nicht ihr Begriff unsern Begriff ‘Schmerz’ schneiden?

 
   
681
    Die ‘Unsicherheit’ bezieht sich eben nicht auf den besondern Fall, sondern auf die Methode, auf die Regeln der Evidenz.

 
   
682
    Festbegrenzte Begriffe würden eine [g|G]leichförmigkeit des Verhaltens fordeb. Es ist aber so, dass wo ich sicher bin, der Andere unsicher ist. Und das ist eine Naturtatsache.

 
   
683
    Wenn man sagt “Die Evidenz kann die Echtheit des Gefühlsausdrucks nur wahrscheinlich machen”, so heisst das nicht, dass statt völliger Sicherheit immer nur eine mehr oder weniger zuversichtliche Vermutung da ist. “Nur wahrscheinlich” kann sich nicht auf den Grade unsrer Zuversicht beziehen, sondern nur auf die Art ihrer Begründung, auf den Charakter des Sprachspiels: Das muss doch die
Konstitution
konstruktion
unsres Begriffs bestimmen helfen: dass unter den Menschen in Bezug auf die Sicherheit ihrer Ueberzeugung nicht Uebereinstimmung besteht (Vergleiche die Bemer[j|k]ung über die Uebereinstimmung in den Farburteilen und in der Mathematik.)

 
   
684
    Es kann der Eine vollkommen überzeugt sein und der Andere, bei
765
gleicher Evidenz, nicht. Und wir schliessen darum jeder diesen noch jenen als urteilsunfähig, oder als unzurechnungsfähig, aus der Gesellschaft aus.

 
   
685
    Aber k[i|ö]nnte eine Gesellschaft nicht eben dies tun?

 
   
686
    Denn die Wörter haben eben nur i[j|m] Fluss des Lebens Bedeutung.

 
   
687
    Ich bin sicher, sicher, dass er sich nicht verstellt; a[v|b]er der
Andere ist's nicht. Kann ich ihn überzeugen? Und wenn nicht, – sag ich, er kann nicht denken? (Die Ueberzeugung davon könnte man “intuitiv” nennen.)

 
   
688
    Der Instinkt ist das Erste, das Reisonnement das Zweite. Gründe gibt es erst in einem Sprachspiel.

 
   
689
    Sage ich etwa “und die Seele ist auch nur etwas am Leibe”? Nein (Ich bin nicht so arm an Kategorien.)

 
   
690
    Du kannst den Begriff variieren, aber dann verändert du ihn vielleicht bis zur Unkenntlichkeit.

 
   
691
    Wenn wir den Begriff der Verst[l|e]llung variieren, müssen wir seine Innerlichkeit, d.h. die Möglichkeit des Ges[r|t]ändnisses beibehalten. Wir müssen aber dem Geständnis nicht immer Glauben schenken, und das falsche Geständnis muss nicht Betrug sein.

 
   
692
    Andere, obgleich den unsern verwandte Begriffe könnten uns sehr seltsam erscheinen: nämlich eine Abweichung vom gewohnten inu ungewohnter Richtung.

 
   
693
    “Du verstehst ja nichts!” so sagt man, wenn einer bezweifelt, dass das echt sei, was wir klar als echt erkennen.
766

    “Du verstehst ja nichts” – aber wir könnenn nichts beweisen.

 
   
694
    Der seelenvolle Ausdruck in der Musik, – er ist doch nicht nach Regeln zu erkennen. Und warum können wir uns nicht vorstellen, dass er's für andere Wesen wäre?

 
   
695
    Schon das würde uns einen fremden und tiefen Eindruck machen, wennw wir zu Menschen kämen, die nur Spieluhrmusik kennten. Wir würden uns vielleicht eine Art Gebärden erwarten, die wir nicht verstünden, auf die wir nicht zu reagieren wüssten.

 
   
696
    ‘Die Echtheit des Ausdrucks lässt sich nicht beweisen.’ ‘Man musss sie fühlen.’ Aber was geschieht nun weiter damit? Wenn Einer sagt “Voila comment s'extreme un coeur vraiment eprie”, und wenn er auch einen Andern zu seiner Ansicht bekehrt, – welche weitere Folgen hat es?
    Es lassen sich in vager Weise Folgen vorstellen. Die Aufmerksamkeit des Andern wird anders gelenkt.

 
   
697
    Könnte man sich nun vorstellen, dass bei eine andern Wesen, was bei uns sich nicht beweisen lässt, sich beweisen liesse?
    Oder würde es eben dadurch sein Wesen bis zur Unkenntlichkeit ändern?

 
   
698
    Was für uns wesentlich ist, ist doch die spon[a|t]ane Zustimmung, die spontane Sympathie. // , das spontane Mitgehen. //

 
   
699
    ‘Diese Menschen hätten nichts [M|m]enschenähnliches.’ Warum? – Wir könnten uns unmöglich mit ihnen verständigen. Nicht einmal so, wie wir wir's mit einem Hund können. Wir könnten uns nicht in sie Finden.
    Und doch könnte es ja solche, im übrigen [m|M]enschliche, Wesen geben.
767


 
   
700
    “Wissen kann man es doch nicht. Man kann es glauben. Mit ganzer Seele glauben, aber nicht wissen.” Da[b|n]n liegt der Unterschied nicht in der Sicherheit des Ueberzeugten.
    Er muss wo anders liegen; in der Logik der Frage.

 
   
701
    Denke, Leute könnten das Funktionieren des Nervensystems im Andern beobachten. Sie unter[cs|sc]hieden dann echte und geheuchelte Empfindung in sicherer Weise. Oder könnten sie doch wieder daran zweifeln, dass der Andere bei diesem Zeichen etwas spürt? – Man kön könnte sich jedenfalls vorstellen, dass, was sie da sehen, ihr Verhalten ohne alle Skrupel bestimmt.
    Und nun kann man dies doch auf das äussere Benehmen übertragen.

 
   
702
    Es gibt wohl den Fall, dass Einer mir später sein Innerstes durch ein Geständnis aufschliesst: aber, dass es so ist, kann mir nicht das Wesen von Aussen und Innen erklären, denn ich muss ja dem Geständnis doch [g|G]lauben schenken.
    Das Geständnis ist ja auch etwas Aeusseres.

 
   
703
    Die Menschen, die das Funktioneren der Nerven sehen können: Muss ich mir denken, dass Innere könne sie doch zum besten haben? Das heisst aber: Kann ich mir nicht doch äussere Zeichen denken, die mir zum [S|s]icheren Ur[et|te]il Urteil über das Innere ausreichend schienen?

 
   
704
    Aber nun sag: “Es könnte ja doch Einer etwas fühlen, auch wenn die physiologischen Zeichen ganz dagegen sprächen.” Nun, dann haben eben die kante einen andern Begriff, die diese Skrupel nicht
768
kennen.

 
   
705
    Denk dir, es würden die Leute eines Stammes von früher Jugend dazu erzogen, keinerlei Gemütsausdruck zu zeigen. Er ist für sie etwas Kindisches, das abzutun sei. Die Abrichtung sei streng. Man redet von ‘Schmerzen’ nicht; schon erst recht nicht in der Form ein einer Vermutung “Vielleicht hat er doch …” Klagt jemand, so wird er verlacht oder gestraft. Den Verdacht der Verstellung gibt es gar nicht. Abrichtung zum ausdruckslosen, monotonen Reden, zu regelmässigen Bewegungen.

 
   
706
    Ich will sagen: eine ganz andere Erziehung als die unsere könnte auch die Grundlage ganz anderer Begriffe sein.

 
   
707
    Denn es würde hier das Leben anders verlaufen. – Was uns interessiert, würde sie nicht interessieren. Andere Begriffe wären da nicht mehr unvo[ll|rs]tellbar. Ja, wesentlich andere Begriffe sind nur
da
so
vorstellbar.

 
   
708
    Nicht darauf sehen wir, dass die Evidenz das Gefühl des Andern nur wahrscheinlich macht, sondern darauf, dass wir dies als Evidenz für irgend etwas Betrachten, dass wir auf diese verwickelte Art der Evidenz eine Aussage bauen, dass sie also in unserm Leben eine besondere Wichtigkeit hat und durch einen Begriff herausgehoben wird.

 
   
709
    “Verstellen”, könnten jene Leute sagen, “was für ein lächerlicher Begriff!”

 
   
710
    Der feste Glaube (an eine Verheissung z.B.) – ist er weniger sicher als die Ueberzeugung von einer mathematischen Wahrheit? –
769
(Aber werden dadurch die Sprachspiele ähnlicher!)

 
   
711
    Könnte nicht das Verhalten, Benehmen, des Vertrauens ganz allgemein unter eine Gruppe von Menschen bestehen? So dass ihnen ein Zweifel an Gefühlsäusserungen ganz fremd ist?

 
   
712
    Aber überlege: Warum soll sich Einer verstellen müssen, gibt es nicht andere Möglichkeiten? Kann er nicht [T|t]räumen? Kann sich die Sache nicht anders verwirren? [)|(]Couvade.)
    Denk daran, wie oft es unmöglich ist, zu sagen: Einer sei ehrlich, oder unehrlich; aufrichtig, oder unaufrichtig. (Ein [p|P]olitiker z.B.) Wohl meinend oder das Gegenteil. Wieviel dumme Fragen werden darüber gestellt! Wie oft passen die Begriffe nicht!

 
   
713
    Es ist für unsere Betrachtung wichtig, dass es Menschen gibt von denen jemand fühlt, er werde nie wissen, was in ihnen vorgeht. Er werde sie nie verstehen.

 
   
714
    Wir sind gewiss geneigt, zu sagen, die Klage sei nur ein Zeichen, ein Symptom des wichtigen Phänomens // eines andern Phänomens, des Wichtigen, // welches nur erfahrungsmässig mit jene[.|m] verbunden sei. Und wenn wir hier auch einen Fehler machen: so muss diese starke Versuchung doch ihre Begründung haben und zwar im Gesetz der Evidenz, welche wir zulassen. // so muss doch dieser Fehler begründet sein im Gesetz der Evidenz, das wir zulassen. // // , so muss eben doch der Fehler begründet sein, und zwar d[i|u]rch die Natur der Evidenz, welche wir zulassen. //

 
   
715
    Man könnte die Frage stellen: [W|w]elcher Art muss das Gesetz der zugelassenen Evidenz sein, damit diese Auffassung uns nahe liegt?
770


 
   
716
    Man möchte die Antwort geben: die Evidenz müsse schwankend sein. Vielgestaltig?

 
   
717
    Es gibt verstellten Ausdruck; aber auch für die Verstellung muss es ja Evidenz geben.
    Wenn wir auch oft einfach nicht wissen, was wir sagen sollen, so müssen wir doch manchmal einer Meinung zuneigen, manchmal Gewissheit haben.
    Es muss also doch das Aeussere evident sein.

 
   
718
    Du sagst, du pflegst den Stöhnenden, weil Erfahrung dich gelehrt hat, dass du selbst stöhnst, wenn du das und das fühlst. Aber da du ja doch keinen solchen Schluss ziehst, so können wir die Begründung durch Analogie weglassen.

 
   
719
    Dass der und der Satz keinen Sinn hat, ist in der Philosophie [b|v]on Bedeutung, aber auch, dass er komisch klingt.

 
   
720
    Kann man das ‘sich auskennen’ ein Erlebnis nennen? Nicht doch. Aber es gibt Erlebnisse charakteristisch für den Zustand des Sich-a[su|us]kennens und des Sich-nicht-auskennens. (Sich nicht auskennen und lügen.)

 
   
721
    Ist “Ich hoffe … ” eine Beschreibung eines Seelenzustandes? Ein Seelenzustand hat eine Dauer. Sage ich also “Ich habe den ganzen Tag gehofft … ”, so ist das eine solche Beschreibung. Sage ich aber Einem “Ich hoffe, du kommst” – wie, wenn er mich fragte “Wie lange hoffst du es”? Ist die Antwort: “Ich hoffe, während ich's sage”? “Ich // ”Ich habe den ganzen Tag gehofft … ” ist also eine Beschreibung … // Angenommen ich hätte auf diese
771

Frage irgendeine Antwort, wäre sie nicht fpr den Zweck der Worte “Ich hoffe, du wirst kommen” ganz irrelevant?

 
   
722
    Ein Schrei ist nicht die Beschreibung eines Seelenzustandes, obwohl man aus ihm auf einen Seelenzustand schliessen kann.

 
   
723
    Man schreit nicht Hilfe, weil man auf den eigenen Angstzustand aufmerksam ist.

 
   
724
    Zum ‘Beschreiben’ gehört das ‘Aufmerken’.

 
   
725
    Beschreibungen sind die Sätze: “Ich fürchte ihn jetzt weniger als früher”, “ich wünsche schon seit langem … ”, “Ich hoffe immer wieder … . (Man beschreibt einen Verlauf.)

 
   
726
    Will ich also sagen, gewisse Tatsachen seien gewissen Begriffsbildungen günstig; oder ungünstig? Und lehrt das die Erfahrung? Es ist Erfahrungstatsache, dass [m|M]enschen ihre Begriffe ändern, wechseln, wenn sie neue Tatsachen kennenlernen; wenn dadurch, was ihnen früher wichtig war, unwichtig wird, und umgekehrt. (Man findet z.B.: was früher als Artunterschied galt, sei eigentlich nur ein Gradunterschied.)
    ((Zur Betrachtung über den Farbbegriff und anderes)).

 
   
727
    Ist der Schrei keine Beschreibung, dann ist es auch nicht der Wortausdruck, der ihn ersetzt. Die Aeusserungen von Furcht, Hoffnung, Wunsch, sind keine Beschreibungen. Wohl aber sind das die Sätze. “Ich. fürchte ihn jetzt weniger als früher”, “Ich w[p|ü]nsche schon seit langem … ”, …

 
   
728
    Was ist die Vergangenheitsform von “Nicht wahr, du kommst!”? // “Nicht wahr, du wirst kommen!” //
772


 
   
729
    Der verworrene Gebrauch der psychologischen Begriffswörter (“denken” z.B.). Als wenn das Wort “Violine” nicht bloss das Instrument, sondern manchmal auch den Geiger, die Geigenstimme, den Geigenklang, das Geigenspiel bezeichnete.

 
   
730
    “Wenn p eintrifft, so trifft q ein” könnte man eine bedingte Vorhersage nennen. D.h.: f[p|ü]r den Fall nicht-p mache ich keine Vorhersage. Aber darum wird, was ich sage, durch “nicht-p & nicht-[2|q]” auch nicht wahrgemacht.
    Oder auch so: es gibt bedingte Vorhersagen, und “p impliziert q” ist keine solche.
((Zu Bd. Q. S. 14)).

 
   
731
    Den Satz “Wenn p eintrifft, so trifft q ein”. Will ich “S” nennen. – “S oder nicht –S” ist eine Tautologie: aber ist es auch der Satz vom ausgeschlossenen Dritten? – Oder auch so: Wenn ich sagen will, dass die Vorhersage “S”” richtig, falsch, oder unentschieden sein kann, wird das durch den Satz ausgedrückt “nicht (S oder nicht – S)”?

 
   
732
    Die Verwendung des Wortes “Betrachten”, “Beobachte[h|n]”. Und nun des Ausdrucks “sich selbst betrachten”!

 
   
733
    “Ich fürchte mich vor ihm” und “ich pflege mich vor ihm zu fürchten”. Aber auch der Ausdruck “Ich pflege … ” könnte hier mancherlei bedeuten. Es könnte aber eine Sprache geben, in deren Konjugationen viel mehr Unterschiede als in dem uns bekannten Sprachen berücksichtigt werden. Unterschi

 
   
734
    Unterschied des Zwecks zwischen der Furchtäusserung
773
“Ich fürchte mich!” und dem Furchtbericht “Ich fürchte mich.”

 
   
735
    “Wissen” kann etwas Aehnliches bedeuten wie “können” (auswendig wissen z.B.), oder aber wie “sicher sein”.

 
   
736
    Niemand ausser ein Philos[p|o]ph, würde sagen “Ich weiss, dass ich zwei Hände habe”; wohl aber kann man sagen: Ich bin nicht im Stande, zu bezweifeln, dass ich zwei Hände habe”.
    “Wissen” aber wird gewöhnlich nicht in diesem Sinn gebraucht.