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Allgemeinheit einer Demonstration.







 
   
   Es ist, als gäbe es eine allgemeine Auffassung des Zeichens (etwa eines Dreiecks in der geometrischen Konstruktion etc.).

 
   
   Von dem Gebrauch des allgemeinen Dreiecks gelten dann andere Regeln als von dem, des speziellen. Man sagt: “auf die Grösse dieses Dreiecks kommt es hier nicht an”.)

 
   
   Allgemeinheit der euklidischen Beweise. Man sagt, die Demonstration wird an einem Dreieck durchgeführt, der Beweis gilt aber für alle Dreiecke – oder für jedes beliebige Dreieck. Erstens ist es sonderbar, dass, was für ein Dreieck gilt, darum für alle andern gelten sollte. Es wäre doch nicht möglich, dass eine Arzt einen Menschen untersucht und nun schliesst, dass, was er bei diesem konstatiert, auch für alle andern wahr sein muss. Und wenn ich nun die Winkel in einem Dreieck messe und addiere, so kann ich auch wirklich nicht schliessen, dass die Winkelsumme nun bei
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jedem andern Dreieck eben so gross sein wird. Es ist ja klar, dass der euklidische Beweis nichts über eine Gesamtheit von Dreiecken aussagen kann. Ein Beweis kann nicht über sich selbst hinausgehen.
   Die Konstruktion des Beweises ist aber wieder kein Experiment, und wäre sie es, so könnte das Resultat nichts für andere Fälle beweisen. Es ist darum auch gar nicht nötig, die Konstruktion mit Papier und Bleistift wirklich auszuführen, sondern die Beschreibung der Konstruktion muss genügen, um aus ihr alles Wesentliche zu ersehen. (Die Beschreibung eines Experiments genügt nicht, um aus ihr das Resultat des Experiments zu entnehmen, sondern das Experiment muss wirklich ausgeführt werden.) Die Konstruktion im euklidischen Beweis ist genau analog dem Beweis, dass 2 + 2 = 4 mittels der Russischen Rechenmaschine.

 
   
   Die Figur ist ein Zeichen, und nicht das Bezeichnete oder ein ungenaues Bild des Bezeichneten.

 
   
   Wenn wir einen geometrischen Beweis mit Zirkel und Linal führen, so bedienen wir uns eines Symbolismus mit kontinuierlichen Symbolen.

 
   
   Wenn Einer gegen eine Euklidische Demonstration mit Lineal und Zirkel einwenden würde “ja, das sehe ich schon, dass es in diesem Falle stimmt, aber die Frage ist, ob es in allen andern Fäl[,|l]en stimmt”, so müssten wir ihm antworten: “es stimmt ja garnicht in diesem Fall”. – Und es wäre, wie schon gesagt, dasselbe, als wollte Einer zu der Demonstration, dass pCq. & .C.q tautologisch ist, sagen “ja, für die Buchstaben p und q stimmt es allerdings, aber gilt es allgemein?”

 
   
   Man könnte glauben, dass sich die Allgemeingültigkeit der Figur durch Sätze rechtfertigen lässt, wie: Jedes solche Dreieck muss gleiche Sei-
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ten haben, weil es die Radien in einem Kreis sind und darum müssen bei jedem diese Winkel gleich sein, etc., etc.. Aber das ist wirklich keine Rechtfertigung. Denn was bedeuten hier Worte wie “jedes”, etc.? Wir haben es hier nur scheinbar mit logischen Schlüssen zu tun.
   (Dann folgt immer wieder der Gedanke – den ich freilich nie für eine Lösung, sondern immer nur für einen Schein gehalten habe – dass der Beweis da gar nicht von einem Zentriwinkel, einem Kreis, etc. handelt, sondern von Kreisförmigkeit, dem Begriff Zentriwinkel, etc. Freilich ist auch an diesem Schein etwas Wahres.)

 
   
   Die Allgemeinheit der Variablen in der Logik ist die Allgemeinheit der Demonstration. Sie besteht darin, dass die Tatsache, dass pCq. & .C.q eine Tautologie ist, an einem beliebigen speziellen Fall allgemeingültig demonstriert wird. D.h., aus der Demonstration des besonderen Falles ersehe ich tatsächlich (wie immer sie gemeint war) alles, was ich in der Logik brauche. D.h., die Demonstration erhält nicht dadurch ihre Allgemeinheit, dass sie so gemeint ist, sondern indem sie tatsächlich allgemein (d.h. allgemein gültig) demonstriert. D.h., die Allgemeinheit besteht hier in der Allgemeinheit der Anwendung. Und diese ist da, sozusagen ob man es will oder nicht, einfach durch die innere Relation des Einzelfalles zum Paradigma. – Man könnte dann sagen, eine Demonstration demonstriert so allgemein, als sie anwendbar ist. D.h., sie demonstriert allgemein durch den Raum in dem sie ist.

 
   
   Es ist nichts Allgemeines in der Demonstration, sie ist durchaus besonders; aber ihre Anwendungsmöglichkeit enthält die Allgemeinheit. // Ihre Anwendungsmöglichkeit ist allgemein. //

 
   
   Die Anwendungsmöglichkeit strahlt durch den Raum und trifft den Körper,
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den man in diesen Raum bringt. Man könnte die Lichtstrahlen allgemein nennen, weil sie jeden beliebigen Körper beleuchten, der sich ihnen in den Weg stellt. Aber die Lichtquelle allgemein zu nennen, wäre absurd.

 
   
   Eine Demonstration demonstriert alles, was sie demonstriert. Ihr Bereich hängt nicht davon ab, wie sie gemeint ist, sondern nur von ihr. Wie ein Scheinwerfer sein Licht soweit schickt, als er es schickt, wieweit immer wir es zu schicken meinen.
   Das ist der Unterschied zwischen einer Demonstration und einem Satz. In der Demonstration wird ja nichts gesagt, sondern etwas gezeigt. Und was der Bereich ihrer Anwendung ist, hängt also von ihr und ihrem Raum ab, aber nicht von uns.
   Man könnte nämlich sagen: die Demonstration ist doch garnicht allgemein, sondern durchaus besonders. Aber sie demonstriert ja eben etwas und das gilt so allgemein, als es gilt. (Das ist ja das Gute, dass, wo immer auch Anspielungen und Andeutungen etwas gelten mögen, in der Demonstration nur das zählt, was da ist. Sie ist in der Beziehung wie ein Experiment.)
   Es gibt z.B., Euklid die Anweisung zur Halbierung einer Strecke, indem er die Methode (an einem Beispiel) demonstriert. Nun, diese Anweisung gilt, soweit man sie anwenden kann.
   Und könnte man sie in einem Fall nicht anwenden, so nützte es ihr nichts, dass sie für diesen Fall gemeint war.

 
   
   Die Allgemeinheit der Demonstration ist nur der Raum um diese Demonstration. Die Anwendung auf einen besonderen Fall ist ein neuer Körper in diesem Raum.

 
   
   Zu sagen “ja, die Demonstration dieses euklidischen Satzes mit Zirkel und Lineal überzeugt mich schon in diesem Fall, aber wie weiss ich, dass
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er auch ina allen anderen Fäl[,|l]en stimmt”[.|,] Ist ist ganz ebenso, als wollte man sagen “ja, jetzt um 4 Uhr stimmt der Satz, aber wie weiss ich, ob er zu jeder andern Zeit stimmt”. Wer das sagte, zeigte damit, dass er die Demonstration, ihr Wesen, ganz falsch verstanden hat.
   Er hat sie etwa als Experiment verstanden // aufgefasst // und dann ist allerdings der zweite Einwand (so) gültig, wie der erste.