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Unendlich lang.







   
     Wenn man vom Begriff ‘Unendlichkeit’ redet, muß man sich daran erinnern, daß dieses Wort viele verschiedene Bedeutungen hat, und daran, von welcher wir jetzt gerade reden. Ob z.B. von der Unendlichkeit einer Zahlenreihe und der Kardinalzahlen insbesondere. Wenn ich z.B. sage: ‘unendlich’ sei eine Charakteristik einer Regel, so beziehe ich mich auf eine bestimmte Bedeutung des Worts. Wir könnten aber sehr wohl sagen, ein kontinuierlicher Farbenübergang sei ein Übergang “durch unendlich viele Stufen, wenn wir nur nicht vergessen, daß wir hier die Bedeutung des Ausdrucks “unendlich viele Stufen” durch die Erfahrung des Farbenübergangs neu definieren. (Wenn auch nach Analogie mit anderen Gebrauchsweisen des Wortes “unendlich”.)

   
     Sehen wir einen kontinuierlichen Farbenübergang, eine kontinuierliche Bewegung, dann sehen wir keine Teile, keine Sprünge (nicht “unendlich viele”; außer, ich gebe diesem Ausdruck jetzt diese Bedeutung).

   
     (Wenn man sagt, daß dieses Gebiet unseres Gegenstands außerordentlich
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schwer ist, so ist das insofern || insoweit nicht wahr, als nicht etwa von außerordentlich schwer vorstellbaren oder komplizierten Dingen die Rede ist, sondern nur insofern, als es außerordentlich schwer ist, an den unzähligen Fallen, die hier in der Sprache für uns aufgestellt sind, vorbeizukommen.)

   
     ““Ich sagte einmal, es gäbe keine extensive Unendlichkeit. Ramsey sagte darauf: “Kann man sich nicht vorstellen, daß ein Mensch ewig lebt, d.h. einfach, nie stirbt, und ist das nicht extensive Unendlichkeit?” – Ich kann mir doch gewiß denken, daß ein Rad sich dreht und nie stehen bleibt.”” Welches seltsame Argument: “ich kann es mir denken”! Überlegen wir (uns), welche Erfahrung wir als Bestätigung oder Beweis dafür betrachten würden, daß das Rad nie aufhören wird sich zu drehen. Vergleichen wir diese Erfahrung mit der, welche uns lehrt, daß das Rad einen Tag, ein Jahr, 10 Jahre lang, sich dreht und wir werden einfach den Unterschied der Grammatik der Aussagen “…bleibt nie stehn” und “…bleibt in 100 Jahren stehn” erkennen. Denken wir an die Art der Evidenz, welche man für die Behauptung anführen könnte, daß zwei Himmelskörper sich ohne aufzuhören um einander drehen. Denken wir an das Gesetz der Trägheit, und daran, wie es bestätigt wird.

   
     ““Angenommen wir wanderten auf einer Geraden in den euklidischen Raum hinaus und begegneten alle 10 m eine eiserne Kugel ad inf.¤”” Wieder: Welcherlei Erfahrung würde ich als Bestätigung hiefür ansehen und welche anderseits dafür, daß 10000 Kugeln in einer Reihe vorhanden sind? – Eine Bestätigung der ersten Art wäre etwa folgende: Ich beobachte die schwingende Bewegung eines Körpers. Experimente haben mich gelehrt, daß dieser Körper durch eiserne Kugeln nach einem bestimmten Gesetz angezogen wird; die Annahme von 100 solchen Kugeln in einer Reihe in bestimmter
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Lage zum Testkörper erklärt, unter der Annahme jenes Anziehungsgesetzes, das beobachtete (oder angenommene) Verhalten annähernd; je mehr Kugeln wir aber in der Reihe annehmen, um so genauer entspricht das errechnete Resultat dem beobachteten. Es hat dann Sinn zu sagen, die Erfahrung bestätige die Annahme einer unendlichen Reihe von Kugeln. Aber so verschieden diese Erfahrung vom Sehen einer Anzahl von Kugeln ist, so verschieden ist der Sinn der Zahlenangabe von der, einer “unendlichen Zahl”.

   
     ““Die bloß negative Beschreibung des Nicht-Aufhörens kann keine positive Unendlichkeit liefern.”” Bei dem Ausdruck “positive Unendlichkeit” dachte ich natürlich an eine zählbare ( = endliche) Menge von Dingen (Stühle in diesem Zimmer) und wollte sagen, das Vorhandensein der kolossalen Anzahl solcher Dinge könne aus dem, was uns das Nicht-Aufhören anzeigt, nicht geschlossen werden. Ich mache also hier den seltsamen Fehler in der Form meiner Aussage, eine Tatsache zu leugnen, statt zu leugnen, daß ein bestimmter Satz Sinn hat, oder richtiger, zu zeigen, daß zwei ähnlich klingende Angaben verschiedene Grammatik haben.

   
     Welche seltsame Frage: “kann man sich eine endlose Baumreihe denken?”! Wenn man von einer ‘endlosen Baumreihe’ spricht, so wird doch, was man meint, mit den Erfahrungen zusammenhängen, die man “das Sehen einer Baumreihe”, “das Zählen einer Baumreihe”, “das Messen einer Baumreihe”, etc. nennt. “Können wir uns eine unendliche Baumreihe denken”! Gewiß, wenn wir festgesetzt haben, was darunter zu verstehen ist;
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d.h.: wenn wir diesen Begriff mit all dem in Verbindung gebracht haben, mit den Erfahrungen, die für uns den Begriff der Baumreihe bestimmen.
     Was ist das Kriterium in der Erfahrung, dafür daß eine Baumreihe unendlich ist? denn daraus werde ich sehen, wie diese Aussage zu verstehen ist. Oder gibst Du mir kein solches Kriterium, – was fange ich dann mit dem Begriff “unendliche Baumreihe” an? Was hat dieser Begriff etwa mit dem zu tun, was ich sonst eine Baumreihe nenne? Oder meinst || meintest Du am Ende doch nur: eine ungeheuer lange Baumreihe?!

   
     “Aber wir kennen doch eine Erfahrung, wenn wir eine Baumreihe entlang gehen, die wir das Aufhören der Reihe nennen können. Nun, eine endlose Baumreihe ist eine solche, an der wir diese Erfahrung nie machen”. – Aber was bedeutet hier “nie”? Ich kenne eine Erfahrung, die ich mit den Worten beschreibe: “er hat in dieser Stunde nie gehustet”, oder “er hat in seinem Leben nie gelacht”. Von einer entsprechenden || analogen Erfahrung kann nicht gesprochen werden, wenn sich das “nie” nicht auf ein Zeitintervall bezieht. Die Analogie läßt uns also hier wieder im Stich und ich muß von neuem untersuchen, wie das Wort “nie” in diesem Falle sinnvoll verwendet werden kann. – Solche Verwendungen lassen sich nun allerdings finden, aber sie sind eben eigens auf ihre Regeln zu untersuchen. Es kann z.B. der Satz, daß eine Baumreihe unendlich lang ist (oder der, daß wir nie zu einem Ende kommen werden), ein Naturgesetz von der Art des Trägheitsgesetzes sein, das ja sagt, ein Körper bewege sich unter bestimmten Umständen mit konstanter Geschwindigkeit in einer Geraden; und hier könnte ja auch gesagt werden, die Bewegung werde unter diesen Umständen nie enden. Fragt man nach der Verifikation so eines Satzes, so kann man vor allem sagen, daß er falsch ist || falsifiziert wird, wenn die Bewegung (die Baumreihe) zu einem Ende kommt. Von einer Verifikation kann hier keine Rede sein, und das heißt, daß wir es mit einer grundverschiedenen Art von Satz (oder mit einem Satz
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in einem andern Sinn dieses Wortes) zu tun haben. Ich will natürlich nicht sagen, daß dies die einzige sinnvolle Verwendung des Ausdrucks “unendliche Baumreihe”, oder des Wortes “nie” (in alle Ewigkeit) sei. Aber jede dieser Verwendungen muß eigens beschrieben || untersucht werden und hat ihre eigenen Gesetze. Es nützt uns nichts, daß wir eine Redeform fertig in unserer gewöhnlichen Sprache vorfinden, weil diese Sprache jedes ihrer Wörter in den verschiedensten Bedeutungen gebraucht, und, daß wir den Gebrauch des Wortes in einem Fall verstehn, erspart uns nicht die Untersuchung seiner Grammatik in einem andern. So meinen wir etwa: “es ist doch gewiß möglich, sich ein unendlich langes Leben vorzustellen, denn unendlich lang lebt der, der einfach nie stirbt”. Aber der Gebrauch des Wortes “nie” ist eben gar nicht so einfach.

   
     Reden wir nun von einem endlosen Leben im Sinne einer Hypothese (vergl. Trägheitsgesetz) und, der es lebt, wählt nacheinander aus den Brüchen zwischen 1 und 2, 3 || 2 und 4 || 3, 3 und 4, etc. ad inf. einen beliebigen Bruch aus und schreibt ihn auf. Erhalten wir so eine “Selektion aus allen jenen Intervallen”? Nein, denn sein Wählen hat kein Ende. Es hat keinen Sinn, jemals von ihm zu sagen, er habe die Selektion beendet. Kann ich aber nicht sagen, daß doch alle Intervalle an die Reihe kommen müssen, da ich keines nennen kann, das nicht an die Reihe käme? Aber daraus, daß er jedes Intervall einmal erreichen wird, folgt doch nicht, daß er alle einmal erreicht haben wird. Denn, wenn wir das Wort “erreichen” so verwenden, daß “er etwas zu einer bestimmten Zeit erreicht” (d.h. in diesem grammatischen Zusammenhang), dann heißt, daß er “jedes Intervall einmal erreicht” etwa: daß er das erste nach der ersten Sekunde, das zweite nach der zweiten, das dritte nach der dritten erreicht, u.s.w. ad inf.¤ Es wird also hier ein Gesetz mit dem Ausdruck u.s.w. ad inf. gegeben. Dann hieße aber, daß er
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alle Intervalle erreicht, daß er sie zu einer bestimmten Zeit erreicht, der Prozeß also zu einem Ende kommt, – was der ersten Annahme widerspricht. Folgert man also daraus, daß er jedes Intervall erreicht, daß er sie alle erreicht, so verwendet man das Wort “erreicht” das zweitemal in ganz anderer Weise!
     “Denken wir uns aber nun einen Mann, der im Auswählen aus den Intervallen eine immer größere Übung bekäme, so daß er zur ersten Wahl eine Stunde, zur zweiten eine halbe, zur dritten ein Viertel brauchte, u.s.w. ad inf.¤ Dann würde der ja in zwei Stunden mit der ganzen Arbeit fertig!” Stellen wir uns einmal den Vorgang vor. Das Auswählen bestünde etwa im Aufschreiben des Bruches, also in einer Bewegung der Hand. Diese Bewegung würde nun immer schneller; so schnell sie aber auch wird, so gibt es immer ein letztes Intervall, das in einer bestimmten Zeit von ihr erledigt wird. Die Überlegung unseres || des Einwands beruhte auf der Bildung der Summe 1 +
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+ …, aber die ist ja ein Grenzwert von Summen und keine Summe, in dem Sinne dieses Wortes, in welchem z.B. 1 +
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+
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eine Summe ist. Wenn ich sage “er braucht eine Stunde zur ersten Wahl, eine halbe Stunde zur zweiten, ein Viertel zur dritten, u.s.w. ad inf.”, so hat diese Angabe nur so lange Sinn, als ich nicht nach der Geschwindigkeit des Wählens im Zeitpunkte t = 2 frage, denn für diesen ergibt unsere Rechnung keinen Wert (denn den Wert gibt es hier für uns nicht, da wir ihm keine Erfahrung zugeordnet haben). Für jeden Punkt vor t = 2 liefert mir mein Gesetz eine Geschwindigkeit, ist also soweit brauchbar und in Ordnung. Der Fehlschluß liegt also erst im Satz “dann würde er in zwei Stunden mit der Arbeit fertig”. (Soweit man dies einen Fehlschluß nennen darf, da ja der Satz für diesen Fall sinnlos ist.)

   
     Denken wir uns nun die Hypothese, jemand werde unter gewissen Umständen die Ziffern der Zahl π (etwa im Sechsersystem)
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würfeln. Diese Hypothese ist also ein Gesetz, mit dessen Hilfe ich für jeden Wurf die Zahl der geworfenen Augen ausrechnen kann. Wie aber, wenn wir die Hypothese dahin modifizierten, daß jemand unter gewissen Umständen nicht die Ziffern von π werfen werde! Sollte das nicht auch einen Sinn haben? Wie aber kann man je wissen, daß diese Hypothese richtig ist, da er ja zu jeder gegebenen Zeit π gemäß geworfen haben mag und die Hypothese dadurch doch nicht widerlegt ist. Aber das heißt, doch eben, daß wir es hier mit einer andern Art von Hypothese zu tun haben; mit einer Satzart, für die in ihrer Grammatik keine Falsifikation vorgesehen ist. Und es steht mir frei, das “Satz”, oder “Hypothese”, oder ganz anders zu nennen, wenn ich will. (π ist kein Dezimalbruch || Bruch, sondern ein Gesetz, nach welchem Brüche gebildet werden.)

   
     Die Unendlichkeit der Zeit ist keine Ausdehnung.

   
     Wenn wir fragen: “worin besteht die Unendlichkeit der Zeit”, so wird man uns sagen: “darin, daß kein Tag der letzte ist, daß auf jeden Tag wieder ein Tag folgt”. Hier werden wir aber wieder verleitet, die Sache durch eine Analogie falsch zu sehen. Wir vergleichen nämlich etwa die Folge der Tage mit der Folge von Ereignissen (in der Zeit) z.B. den Schlägen einer Uhr. Wir machen dann manchmal die Erfahrung, daß 4 Schlägen ein 5ter folgt. Hat es nun auch Sinn, von der Erfahrung zu reden, daß auf vier Tage ein fünfter folgt? Und kann man sagen: “siehst Du, ich habe es Dir vorhergesagt: es wird auf den vierten noch einer folgen”? So gut könnte man sagen, es sei eine Erfahrung, daß auf den vierten gerade der fünfte folgt und kein andrer.) Wir reden hier aber nicht von der Vorhersage, es werde die Sonne nach dem vierten Tag sich so wie bisher bewegen; das ist eine echte Vorhersage. Nein, in unserm Fall handelt es sich nicht
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um eine Vorhersage, kein Ereignis wird prophezeit, sondern wir sagen etwa: daß es Sinn hat, in Bezug auf jeden Sonnenauf- und Untergang von einem nächsten zu sprechen. Denn die Bedeutung der Bezeichnung eines Zeitmaßes ist ja an ein Geschehnis gebunden: den Umlauf eines Zeigers, die Bewegung der Erde, etc. etc.; sagen wir aber “auf jede Stunde folgt eine nächste”, und haben wir die Stunde etwa durch den Umlauf eines bestimmten Zeigers (als Paradigma) definiert, so wollen wir mit jeder Aussage dennoch (doch) nicht prophezeien, daß sich dieser Zeiger in alle Ewigkeit so weiter drehen wird; – wir wollen aber sagen: daß er sich “immer so weiter drehen kann”; und das ist eben eine Aussage über die Grammatik unserer Zeitbestimmungen.

   
     Stellen wir uns vor, daß ein Mann, der unendlich lange Zeit gelebt hat, weil er nie geboren wurde, sagt: “Jetzt schreibe ich die letzte Ziffer von π hin, nämlich die 3 Einer”. Er hatte an jedem Tag seines Lebens eine Ziffer hingeschrieben und niemals damit angefangen; jetzt ist er fertig geworden.

   
     Man denkt, eine große Zahl sei dem Unendlichen doch näher als eine kleine. Das unendliche konkurriert mit dem Endlichen nicht. ﹖– Es ist das, was wesentlich kein Endliches ausschließt –﹖.
     Der Raum hat keine Ausdehnung, nur die räumlichen Gegenstände sind ausgedehnt. Die Unendlichkeit ist eine Eigenschaft des Raumes. (Und das zeigt, daß sie keine unendliche Ausdehnung ist.)

   
     “A ist mein Ahne” das heißt: “A ist mein Vater, oder der Vater meines Vaters, oder der Vater des Vaters meines Vaters, oder u.s.w.”. Wohl, aber
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dadurch haben wir nur ein Satzzeichen für ein anderes gesetzt, den Sinn aber noch nicht bestimmt, denn wir haben ihn ja nicht – wie es leicht scheint – auf den uns bekannten Sinn einer logischen Summe zurückgeführt. – Ich werde also weiter fragen: “Wie weiß man das, daß A ein Ahne des B ist?” denn das heißt: “in welchen Fällen will ich sagen, A sei ein Ahne des B”, oder auch: “was verstehe ich unter einem ‘Ahnen des B’”. Nenne ich so Jeden der eine bestimmte Eigenschaft hat, die unserer Erfahrung nach in der Familie des B erblich ist? Wenn das die Definition ist, so kann ich etwa von einem Menschen feststellen, daß er kein Ahne des B ist. Oder aber, ist der Satz so aufzufassen, daß es eine || die Feststellung, daß Einer kein Ahne des B ist, nicht gibt (daß diese Feststellung also in unserer Grammatik nicht vorgesehen wurde), sondern nur die, daß jemand Ahne des B ist: dann aber haben wir es mit einer ganz andern Satzart zu tun, als im ersten Fall. (Erinnere Dich übrigens daran, daß unter den Eigenschaften, die in der Familie des B erblich sind, natürlich nicht die sein darf, ‘ein Ahne des B, oder B, zu sein’ und vergleiche Russells Definition von “Rx”.)

   
     Damit, daß gesagt wird, daß aus der unendlichen Hypothese “(n) :(nx).fx” (wie ich sie, der Kürze wegen, jetzt schreiben will) jeder beliebige Satz (nx).fx folgt und sie selbst aus keinem logischen Produkt dieser Sätze, ist natürlich noch gar nichts über den weiteren Gebrauch dieses Spiels gesagt.

   
     Vergleichen wir die Sätze: “ich richte meine Handlungsweise darauf ein, daß dieser Zustand noch 2 Jahre dauern wird” und “ich richte meine
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Handlungsweise || mich
darauf ein, daß dieser Zustand ewig dauern wird”. – Hat der Satz Sinn: “ich glaube (oder erwarte, oder hoffe), daß es die unendliche Zeit hindurch so bleiben wird”? –
     Man kann sagen: “ich mache || treffe Vorbereitungen für die nächsten 3 Tage”, oder 10 Jahre, etc., und auch “ich mache || treffe Vorbereitungen auf unbestimmte Zeit”; – aber auch: “auf unendliche Zeit”? Wenn ich “Vorbereitungen auf unbestimmte Zeit treffe”, dann läßt sich gewiß ein Zeitraum angeben, für den ich jedenfalls keine Vorbereitungen mehr mache || treffe. D.h., aus dem Satz “ich mache || treffe Vorbereitungen für unbestimmte Zeit” folgt nicht jeder beliebige Satz von der Form: “ich mache || treffe Vorbereitungen für n Jahre”.
     Denken wir gar an den Satz: “ich vermute, daß dieser Zustand ohne Ende andauern || so weitergehen wird”!
     Oder an den komischen Klang der Widerlegung: “Du hast gesagt, dieses Uhrwerk werde immer so weitergehen, – nun, es steht jetzt schon”. Wir fühlen, daß ja doch auch jede endliche Vorhersage einer zu langen Gangdauer durch die Tatsache widerlegt wäre, und die Widerlegung daher in irgend
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einem Sinn mit der Behauptung inkommensurabel sei. – Es ist nämlich Unsinn, zu sagen: “das Uhrwerk ist nicht unendlich weiter gelaufen, sondern nach 10 Jahren stehen geblieben” (oder, noch komischer: “…, sondern schon nach 10 Jahren stehen geblieben”).
     Wie seltsam, wenn man sagte: “Es gehört große Kühnheit dazu, etwas auf 100 Jahre vorauszusagen; – aber welche Kühnheit muß dazu gehören, um etwas auf unendliche Zeit vorauszusagen, wie es Newton im Trägheitsgesetz getan hat!”
     Ich glaube, das wird immer so weiter gehen”. – “Ist es nicht genug (for all practical purposes), wenn Du sagst, Du glaubst, es werde noch 10000 Jahre so weiter gehen?” – Wir müssen nämlich fragen: kann es Gründe zu diesem Glauben geben? Welches sind sie? Welches sind die Gründe zur Annahme, daß die Uhr noch 1000 Jahre lang weiter gehen wird; welches, die Gründe für die Annahme, daß sie noch 10000 Jahre gehen wird; – und welches nun die Gründe zur unendlichen Annahme?! – Das ist es ja, was den Satz “ich vermute, daß es endlos so weitergehen wird” so komisch macht; wir wollen fragen: warum vermutest Du das? Wir wollen nämlich sagen, daß es sinnlos ist zu sagen, man vermute das, – weil es || : weil es sinnlos ist, von Gründen so einer Vermutung zu reden.
     Denken wir an den Satz: “dieser Komet wird sich in einer Parabel von der Gleichung … bewegen”. Wie wird dieser Satz gebraucht? Er kann nicht verifiziert werden; d.h.: wir haben keine Verifikation in seiner Grammatik für ihn vorgesehen (das heißt natürlich nicht, daß man nicht sagen kann, es sei wahr; denn “p ist wahr” sagt dasselbe wie “p”). Der Satz kann uns nun dazu bringen, bestimmte Beobachtungen zu machen. Aber für die hätte es immer auch eine endliche Vorhersage getan. Er wird auch gewisse Handlungen bestimmen. Z.B. könnte er uns davon abhalten, den Kometen an dem und dem Ort zu suchen. Aber auch dazu hätte eine endliche Angabe genügt. Die Unendlichkeit der Hypothese besteht nicht in ihrer Größe, sondern in ihrer Unabgeschlossenheit.
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     “Einmal wird die Welt untergehen”: eine unendliche Hypothese.

   
     Der Satz: daß einmal – in der unendlichen Zukunft – ein Ereignis (z.B. der Weltuntergang) eintreten werde, hat eine gewisse formale Ähnlichkeit mit dem, was wir Tautologie nennen.