Begriff und Gegenstand. Eigenschaft und Substrat. |
Begriff und Gegenstand: das ist bei Russell und Frege
eigentlich Eigenschaft und Ding; und zwar denke ich hier an einen
räumlichen Körper und seine Farbe.
Man kann auch sagen: Begriff und Gegenstand, – das ist
Prädikat und Subjekt.
Und die Subjekt-Prädikat-Form ist eine Ausdrucksform
menschlicher Sprachen.
Es ist die Form “x ist ”
(“x y”): “mein Bruder ist
groß”, “das Gewitter ist
nahe”, “dieser Kreis ist rot”,
“August ist stark”, “2 ist
eine Zahl”, “dieses Ding ist ein Stück
Kohle”.
Wie nun die Physik von Körpern der Erfahrung den Begriff des 6 materiellen
Punktes abgezogen hat, ähnlich hat man von der
Subjekt-Prädikat-Form unserer Sprachen die
Subjekt-Prädikat-Form der Logik abgezogen.
Die reine S-P-Form soll nun aφ(x) sein, wo
“a” der Name eines
Gegenstandes ist.
Sehen wir uns nun nach einer Anwendung dieses Schemas um.
Bei “Name eines Gegenstandes” denkt man zuerst an Namen
von Personen und andern räumlichen Gegenständen (der Diamant
Kohinoor).
So ein Name wird dem Ding durch eine hinweisende Erklärung gegeben
(“das (Pfeil)
ist || heißt
‘N’”).
Diese Erklärung || Definition könnte
aufgefaßt werden als eine Regel zur Ersetzung der
auf den Gegenstand hinweisenden Geste durch das Wort
“N”; so zwar, daß man
statt des Namens “N” immer wieder jene Geste
setzen kann.
Ich hätte also z.B. erklärt “dieser Mann
heißt ‘N’” und
sage nun: “‘N’ ist ein
Mathematiker”, “N ist faul”,
etc., und hätte in jedem dieser Sätze statt
‘N’ ‘dieser Mann’ (mit der
hinweisenden Geste) setzen können.
Dann wäre es übrigens besser gewesen, die hinweisende Erklärung lauten
zu lassen: “dieser Mann
heiße || heißt
‘N’”, oder “diesen Mann will
ich ‘N’ nennen”, denn die frühere
Fassung ist auch der Satz, daß dieser Mann so genannt
wird.
Dies ist aber nicht die normale Art der Anwendung eines Namens; für die ist es wesentlich, daß ich nicht von Namen auf ein Zeichen der Gebärdensprache zurückgreifen kann. Wenn nämlich N aus dem Zimmer geht und später ein Mann ins Zimmer tritt, so hat – wie wir den Namen “N” gebrauchen – die Frage Sinn, ob dieser Mann N ist, ob dieser Mann derselbe ist, der vorhin das Zimmer verlassen hat. Und der Satz “N ist wieder eingetreten || ins Zimmer getreten” hat nur Sinn, wenn ich die Frage entscheiden kann. Und es wird einen andern Sinn haben, je nachdem, was das Kriterium dafür ist, daß dies derselbe || der Gegenstand ist, den ich früher ‘N’ genannt habe. Je nach der Art dieses Kriteriums werden also für das Zeichen “N” andere Regeln gelten, es wird in anderem Sinne des Wortes ein ‘Name’ sein. Und so kommt es, daß das Wort ‘Name’ und das ihm entsprechende ‘Gegenstand’ die |
Geben wir räumlichen Gegenständen Namen, so beruht unsere
Verwendung dieser Namen auf einem Kriterium der Identität, das die
Kontinuität der Bewegung der Körper und ihre Undurchdringlichkeit zur
Voraussetzung hat.
Könnte ich also mit zwei Körpern A und B das tun, was ich mit
ihren Schattenbildern an der Wand tun kann, aus ihnen Eins machen und
aus dem einen wieder zwei, so wäre die Frage sinnlos, welcher von den
Beiden nach der Trennung A und welcher B ist.
Es sei denn, daß ich nun ein ganz neues
Kriterium der Identität einführe, etwa die Form ihrer Bahn (für
den Namen eines Flusses, der aus dem
Zusammenfluß zweier Flüsse entsteht, gibt es so
eine Regel: der resultierende Fluß erhält
den Namen desjenigen Quellflusses, in dessen Richtung annähernd er
weiterfließt).
Denken wir an die möglichen Kriterien der Identität, etwa von Farbflecken in meinem Gesichtsfeld (oder den Figuren auf der Leinwand des Kinos) und an die verschiedenen Verwendungsarten eines Namens, den ich einem solchen Fleck oder eine Figur gebe. Gehen wir nun zur Schreibweise “(∃x).fx” über, so ist klar, daß dies eine Sublimierung der Ausdrucksform unserer Sprache ist: “es gibt Menschen auf dieser Insel”, “es gibt Sterne, die wir nicht sehen”. Und einem Satz “(∃x).fx” soll nun immer ein Satz “fa” entsprechen, und “a” soll ein Name sein. Man soll also sagen können: “(∃x).fx nämlich a und b” (“es gibt eine Wert von x, der fx befriedigt, nämlich a und b”), oder “(∃x).fx, z.B. a”. etc.. Und dies ist auch möglich in einem Falle wie: “es gibt Menschen auf dieser Insel, nämlich die Herrn A, B, C, D”. Aber ist es denn für den Sinn des Satzes “es gibt Menschen auf dieser Insel” wesentlich, daß wir sie benennen können, also ein bestimmtes Kriterium für die Identifizierung festlegen? Das ist es nur dann, wenn der Satz “(∃x).fx” als eine Disjunktion von Sätzen 8 von der Form
“f(x)” definiert wird,
wenn also z.B. festgesetzt wird: “es
gibt Menschen auf dieser Insel” heiße
“auf dieser Insel ist entweder Herr A oder B oder
C oder D oder E”; wenn man also den Begriff
‘Mensch’ als eine Extension bestimmt (was natürlich
ganz gegen die normale Verwendung dieses Wortes wäre).
Dagegen bestimmt man z.B. den Begriff
“primäre Farbe” wirklich als Extension.)
Es hat also auf den Satz “(∃x).fx” nicht in allen Fällen die Frage einen Sinn “welche x befriedigen f”. Welcher rote Kreis vom Durchmesser 1 cm befindet sich in der Mitte dieses Vierecks?” – Man darf die Frage “welcher Gegenstand befriedigt f?” nicht mit der Frage verwechseln “was für ein Gegenstand etc.?” Auf die erste Frage müßte ein Name zur Antwort kommen, die Antwort müßte also die Form “f(a)” annehmen können; auf die Frage “was für ein …” aber ist die Antwort “(∃x).fx & Fx”. So kann es sinnlos sein, zu fragen “welchen roten Fleck siehst Du?” aber Sinn haben, zu fragen: “was für einen roten Fleck siehst Du” (einen runden, viereckigen, etc.). |
Ich möchte sagen: die alte Logik hat viel mehr Konvention
und Physik in sich als man geglaubt hat.
Wenn das Substantiv der Name eines Körpers ist, das
Verbum etwa zur Bezeichnung einer Bewegung, das Adjektiv der Eigenschaft
eines Körpers dient, dann sieht man wohl, wie voraussetzungsvoll
diese Logik ist und kann annehmen, daß diese
ursprünglichen Voraussetzungen (auch) noch
tiefer in die Anwendung dieser Worte, in die Logik der Sätze
reicht. |
(Es wäre unsere Aufgabe, Figuren verschiedener Gestalt, die sich in
einer Ebene I
befänden in eine Ebene II zu projizieren.
Wir könnten dann eine Projektionsmethode bestimmen (etwa die der
orthogonalen Projektion) und nach ihr die Abbildung führen.
Wir könnten dann auch leicht von den 9
Bildern auf der Ebene II auch die Figuren in I
schließen. || Schlüsse
ziehen.
Wir können aber auch diesen Weg einschlagen: Wir bestimmen
etwa (vielleicht weil uns diese Darstellung am bequemsten ist),
daß die Bilder in der zweiten Ebene sämtlich Kreise
sein sollen, – was immer die abgebildeten Figuren in der ersten
Ebene sein mögen.
D.h., verschiedene Figuren der ersten Ebene
werden durch verschiedene Projektionsmethode in die zweite
abgebildet.
Um dann die Kreise in II als Bilder der Figuren in
I zu
verstehen || deuten, werde ich zu
jedem Kreis die Projektionsmethode angeben müssen; die
(bloße) Tatsache aber,
daß sich eine Figur in II als ein Kreis in
I darstellt,
sagt nun (allein noch) nichts über
die Gestalt der abgebildeten || abgebildete Figur (aus﹖).
Daß das Bild in II ein Kreis ist, ist ja die
festgesetzte Norm der || unserer
Abbildung.
Dasselbe geschieht nun, wenn wir die Wirklichkeit nach der
Subjekt-Prädikat-Norm in unsere Sprache abbilden.
Das Subjekt-Prädikat-Schema dient als Projektion unzähliger
verschiedener logischer Formen. |
“Begriff und Gegenstand”
Freges, das ist nichts anderes als
Subjekt und Prädikat. |
Wenn ein Tisch braun angestrichen ist, so ist es leicht, sich das Holz
als den Träger der Eigenschaft Braun zu denken und man kann sich das
vorstellen, was gleichbleibt, wenn die Farbe wechselt.
Ja, auch im Falle eines bestimmten Kreises, der einmal
rot, einmal blau erscheint.
Es ist also leicht, sich vorzustellen, was rot ist, aber
schwer, was kreisförmig ist.
Was bleibt hier, wenn Form und Farbe wechseln?
Denn die Lage ist ein Teil der Form und es ist willkürlich, wenn
ich festsetze, der Mittelpunkt soll fest bleiben und die Form sich
nur durch den Radius ändern.
Wir werden uns an die gewöhnliche Sprache halten müssen, und 10 die sagt, daß ein
Fleck kreisförmig ist.
Es ist klar, daß hier das Wort “Träger der Eigenschaft” eine ganz falsche – unmögliche – Vorstellung gibt. – Wenn ich einen Klumpen Ton habe, so kann ich mir den als Träger einer Form denken und daher, ungefähr, kommt auch diese Vorstellung. Der Fleck ändert seine Form” und “der Tonklumpen ändert seine Form” sind eben verschiedene Satzformen. |
Man kann sagen “miß nach, ob
das ein Kreis ist” oder “sieh nach, ob
das, was dort liegt ein Hut ist”.
Man kann auch sagen “miß nach, ob
das ein Kreis ist oder eine Ellipse”,
aber nicht “ … ob das ein Kreis ist oder ein Hut”
auch nicht “sieh nach, ob das ein Hut ist oder
rot”. |
Wenn ich auf eine Linie zeige und sage “das ist ein
Kreis” so kann man einwenden, daß, wenn es
kein Kreis wäre, es nicht mehr das wäre.
D.h.: was ich mit dem Wort
“das” meine, muß unabhängig von dem
sein, was davon ausgesagt wird.
(“War das Donner, oder ein Schuß”. Man kann aber in diesem Falle nicht fragen “war das ein Lärm”.) |
Worin unterschieden sich 2 gleichgroße rote
Kreise?
Diese Frage klingt so, als wäre sie ja doch ungefähr Eines und nur
durch eine Kleinigkeit unterschieden.
In der Darstellungsart durch Gleichungen drückt sich das Gemeinsame durch die Form der Gleichung aus und die Verschiedenheit durch die Verschiedenheit der Mittelpunktskoordinaten. So ist es, als ob hier die Mittelpunktskoordinaten das wäre, was den unter den Begriff fallenden Gegenständen entspräche. 11
¤
Könnte man denn nicht statt “dies ist ein Kreis” sagen, “dieser Punkt ist Mittelpunkt eines Kreises”? Denn, Mittelpunkt eines Kreises zu sein, ist eine externe Eigenschaft des Punktes. |
Was braucht es zu einer Beschreibung, daß –
sagen wir – ein Buch an einer bestimmten Stelle ist?
Die interne Beschreibung des Buches, d.i. des
Begriffes und die Beschreibung seiner Lage, und die wäre durch Angabe
der Koordinaten dreier Punkte möglich.
Der Satz “ein solches Buch ist hier”
würde dann heißen, es hat diese 3
Trippel von Bestimmungskoordinaten
Denn die Angabe des Hier darf eben nicht präjudizieren
was hier ist.
Ist es nun aber nicht dasselbe, ob ich sage “dies ist ein Buch” und “hier ist ein Buch”? Der Satz würde dann etwa darauf hinauskommen, zu sagen “das sind 3 (bestimmte) Eckpunkte eines solchen Buches”. Man kann ähnlich auch sagen “dieser Kreis ist die Projektion einer Kugel” oder “dies ist die Erscheinung eines Menschen”. Alles was ich sage kommt darauf hinaus, daß F(x) eine externe Beschreibung von x sein muß. |
Wenn ich nun in diesem Sinne im dreidimensionalen Raum sage “hier
ist ein Kreis” und ein andermal “hier ist eine
Kugel” sind die beiden Hier von gleicher
Art?
Ich will fragen: Kann man von demselben
‘Gegenstand’ sinnvoll sagen: er sei ein Kreis
und: er sei eine Kugel?
Ist das Subjekt dieser Prädikate von der gleichen Type?
Beide könnten doch die 3 Koordinaten des betreffenden Mittelpunkts
sein.
Aber die Lage des Kreises im dreidimensionalen Raum ist ja durch seine
Mittelpunktskoordinaten nicht bestimmt. |
Anderseits kann man freilich sagen: “Was mich nervös
macht, ist nicht 12
der Lärm, sondern die Farbe” und hier könnte es scheinen, als ob
eine Variable eine Farbe und einen Lärm als Werte annähme.
(“Laute und Farben können als sprachliche
Ausdrucksmittel dienen”.)
Es ist klar, daß jener Satz von der Art
ist: “Wenn Du einen Schuß hörst,
oder mich winken siehst, laufe davon”.
Denn dieser Art ist die Vereinbarung auf der die Funktion der gehörten
oder gesehenen Sprache beruht. |
“Ist es denkbar, daß zwei Dinge alle
Eigenschaften miteinander gemein haben?” –
Wenn es nicht denkbar ist, so ist auch das Gegenteil nicht
denkbar. |
Ja, wir sprechen vom Kreis, seinem Durchmesser, etc.,
etc. wie von einem Begriff, dessen Eigenschaften wir
beschreiben, gleichgültig, welche Gegenstände unter diesen Begriff
fallen. –
Dabei ist aber ‘Kreis’ gar kein Prädikat im
ursprünglichen Sinn.
Und überhaupt ist die Geometrie der Ort, wo die Begriffe der
verschiedensten Gebiete miteinander vermischt werden. |
To cite this element you can use the following URL:
BOXVIEW: http://wittgensteinsource.com/BTE/Ts-214b1_n