Komplex und Tatsache.





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⋎ S. 27/1
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     Der Gebrauch des Wortes “Tatsache” und “Tat”. – Das war eine edle Tat”. – “Aber das ist ja nie geschehen.” –
     Es liegt nahe, das Wort “Tat” so gebrauchen zu wollen, daß es nur dem wahren Satz entspricht. Man redet dann also nicht von einer Tat, die nie || nicht getan wurde. Aber der Satz “das war eine edle Tat” muß doch seinen Sinn behalten, auch wenn ich mich darin irre, daß geschehen ist, was ich die Tat nenne. Und darin liegt bereits alles Wichtige und ich kann nur die Bestimmung treffen, daß ich die Wörter “Tat”, “Tatsache”, (etwa auch “Ereignis”) nur in einem Satz verwenden werde, der komplett, das Bestehen dieser behauptet.

   
     Es wäre besser, die Einschränkung in dem Gebrauch dieser Wörter fallen zu lassen, da sie nur irreführend wirkt, und ruhig zu sagen “diese Tat ist nicht begangen worden”, “diese Tatsache besteht nicht”, “dieses Ereignis ist nicht eingetreten”.

   
     Komplex ist nicht gleich Tatsache. Denn von einem Komplex sage ich z.B., er bewege sich von einem Ort zum andern, aber nicht || nicht von einer Tatsache.
     Daß aber dieser Komplex sich jetzt dort befindet, ist eine Tatsache.

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¤      “Dieser Gebäudekomplex wird eingerissen” heißt so viel wie “die Gebäude, die so beisammenstehen, werden eingerissen”

   
     Die Blume, das Haus, das Sternbild nenne ich Komplexe, und zwar, von Ziegeln, von Blättern, von Sternen, etc..
     Daß dieses Sternbild hier steht, kann allerdings durch einen Satz beschrieben werden, worin nur von seinen Sternen die Rede ist und das Wort ‘Sternbild’, oder sein Name, nicht vorkommen.

   
     Aber das ist auch alles, was man von der Beziehung zwischen Komplex und Tatsache sagen kann. Und Komplex ist ein räumlicher Gegenstand, bestehend aus räumlichen Gegenständen. (Wobei der Begriff ‘räumlich’ einiger Ausdehnung fähig ist.)

   
     Ein Komplex besteht aus seinen Teilen, den gleichartigen Dingen, die ihn bilden. (Dies ist natürlich ein Satz der Grammatik über die Wörter ‘Komplex’, ‘Teil’ und ‘bestehen’.)

   
     Zu sagen, ein roter Kreis bestehe aus Röte und Kreisförmigkeit, oder sei ein Komplex aus diesen Bestandteilen, ist ein Mißbrauch dieser Wörter und irreführend (Frege wüßte dies und sagte es mir).
     Ebenso irreführend, zu sagen, die Tatsache, daß dieser Kreis rot ist (daß ich müde bin), sei ein Komplex aus den Bestandteilen Kreis und Röte; aus mir || dem Ich und der Müdigkeit).

   
     Auch ist das Haus nicht ein Komplex aus den Ziegeln und ihren räumlichen Beziehungen. D.h., auch das ist gegen den richtigen Gebrauch der Worte || des Wortes.

   
     Man kann nun zwar auf eine Konstellation zeigen und sagen: diese
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Konstellation besteht ganz aus Gegenständen || Bestandteilen, die ich schon kenne; aber man kann nicht ‘auf eine falsche Tatsache zeigen’ und dies sagen.

   
     Der Ausdruck “eine Tatsache beschreiben” oder “die Beschreibung einer Tatsache” für die Aussage, die das Bestehen der Tatsache behauptet, ist auch irreführend, weil es so klingt, wie “das Tier beschreiben, das ich gesehen habe”.

   
     Man sagt freilich auch “auf die Tatsache hinweisen”, aber das heißt immer “auf die Tatsache hinweisen, daß …”. Dagegen heißt “auf eine Blume zeigen” (oder “hinweisen”) nicht, darauf hinweisen, daß diese Blüte auf diesem Stengel sitzt; denn von dieser Blüte und diesem Stengel braucht da gar nicht die Rede zu sein.

   
     Ebensowenig kann es heißen, auf die Tatsache hinweisen, daß dort diese Blume steht.

   
     Auf eine Tatsache hinweisen heißt, etwas behaupten, aussagen. ‘Auf eine Blume hinweisen’ heißt das nicht.

   
     Auch die Kette besteht (nur) aus ihren Gliedern, nicht aus ihnen und ihren || deren räumlichen Beziehungen.

   
     Die Tatsache, daß diese Glieder so zusammenhängen, besteht aus gar nichts.

   
     Die Wurzel dieser Verwechslung ist der verwirrende Gebrauch des Wortes “Gegenstand”.
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     Der Teil kleiner als der Ganze. Das gäbe auf die Tatsache und Konstituent angewandt eine Absurdität.

   
     Das Schema: Ding-Eigenschaft. Man sagt: eine Handlung habe eine Eigenschaft! etwa die der Schnelligkeit; oder die der Güte.